© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 004/14 Übermittlung personenbezogener Daten von Asylbewerbern an den Bundesnachrichtendienst Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 2 Übermittlung personenbezogener Daten von Asylbewerbern an den Bundesnachrichtendienst Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 004/14 Abschluss der Arbeit: 27. Januar 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 3 1. Einleitung Gefragt wird zum einen, aufgrund welcher gesetzlichen Vorschriften das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befugt ist, im Asylverfahren erhobene personenbezogene Daten an den Bundesnachrichtendienst (BND) zu übermitteln. Zum anderen wird gefragt, ob das deutsche Asylverfahrensrecht im Einklang mit der durch die EU-Asylverfahrensrichtlinie vom 26. Juni 2013 (Richtlinie 2013/32/EU)1 geforderten Vertraulichkeit steht, zum einen im Hinblick auf Datenübermittlungen, zum anderen anderem im Hinblick auf die Teilnahme von Mitarbeitern des BND an Anhörungen von Asylbewerbern. 2. Rechtsgrundlagen für Datenübermittlungen des BAMF 2.1. § 8 Abs. 3 AsylVfG § 8 Abs. 3 S. 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG)2 stellt eine spezialgesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung im Rahmen des Asylverfahrens erhobener Daten dar. Sie bestimmt , dass die nach dem Asylverfahrensgesetz erhobenen Daten zum Zwecke der Ausführung des Aufenthaltsgesetzes und der gesundheitlichen Betreuung und Versorgung von Asylbewerbern sowie für Maßnahmen der Strafverfolgung an die zuständigen öffentlichen Stellen übermittelt werden dürfen, soweit es zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit liegenden Aufgaben erforderlich ist. Diese Daten dürfen sowohl auf eigene Initiative des BAMF als auch auf Ersuchen der zuständigen Behörden übermittelt werden. Eine Datenübermittlung für Zwecke der Ordnungswidrigkeitverfolgung darf demgegenüber nur auf Ersuchen der zuständigen Behörde erfolgen. Die Datenübermittlung durch das BAMF ist auf die vom Gesetz genannten Zwecke beschränkt.3 Die Aufgabenstellung des BND ist auf keinen der in § 8 Abs. 3 S. 1 AsylVfG genannten Zwecke gerichtet. Seine Aufgabe besteht nach § 1 Abs. 2 Bundesnachrichtendienstgesetz (BNDG)4 in der Sammlung und Auswertung der erforderlichen Informationen zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind. Maßnahmen der Strafverfolgung oder andere in § 8 Abs. 3 S. 1 AsylVfG genannte Zwecke sind von dieser Aufgabenstellung nicht umfasst. Eine Datenübermittlung aufgrund dieser Norm an den BND ist daher nicht zulässig. § 8 Abs. 4 AsylVfG lässt jedoch die Datenweitergabe aufgrund anderer Gesetze unberührt, was einen Rückgriff auf geheimdienstrechtliche Generalklauseln ermöglicht. 1 Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 60. 2 Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. September 2008 (BGBl. I S. 1798), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474). 3 Hailbronner, in: Hailbronner, Ausländerrecht-Kommentar, 83. Ergänzungslieferung 2013, § 8 Rn. 20. 4 BND-Gesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 295, 2979), zuletzt geändert durch Art. 7 des Gesetzes vom 20. Juni 2013 (BGBl. I S. 1602). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 4 2.2. § 8 Abs. 1 BNDG § 8 Abs. 1 BNDG enthält eine generalklauselartige Ermächtigungsgrundlage, die es den öffentlichen Stellen des Bundes erlaubt, auf eigene Initiative Daten an den BND zu übermitteln. Nach dieser Norm dürfen „Behörden des Bundes und bundesunmittelbare juristische Personen des öffentlichen Rechts […] von sich aus dem Bundesnachrichtendienst die ihnen bekannt gewordenen Informationen einschließlich personenbezogener Daten übermitteln, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung 1. für seine Eigensicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 oder 2. im Rahmen seiner Aufgaben nach § 1 Abs. 2 zur Sammlung von Informationen über die in § 5 Abs. 1 Satz 3 des Artikel 10-Gesetzes genannten Gefahrenbereiche erforderlich ist.“ Voraussetzung ist danach, dass die Datenübermittlung aus Sicht der übermittelnden Behörde aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte als erforderlich für die Erfüllung der genannten Zwecke des BND erscheint. Die Vorschrift lässt es nicht ausreichen, dass das Aufgabenfeld des BND als solches berührt ist, sondern verlangt eine konkrete Zweckbindung im Hinblick auf zwei Zwecke: die Eigensicherung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 BNDG, wozu insbesondere die Verhinderung von „Doppel- oder Gegenspionage “ zählt,5 und die Sammlung von Informationen über die in § 5 Abs. 1 S. 3 Artikel 10- Gesetz (G 10-Gesetz)6 enumerativ aufgeführten sieben Gefahrenbereiche. Dabei handelt es sich um erhebliche Gefahren für die Bundesrepublik Deutschland als Staats- und Wirtschaftseinheit, wie etwa die Gefahr eines bewaffneten Angriffs auf die Bundesrepublik, der Begehung internationaler terroristischer Anschläge mit unmittelbarem Bezug zur Bundesrepublik Deutschland, der internationalen Verbreitung von Kriegswaffen, der Beeinträchtigung der Geldwertstabilität im Euro-Währungsraum durch im Ausland begangene Geldfälschungen und andere grenzüberschreitende Kriminalität von erheblicher Bedeutung. Es müssen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Datenübermittlung im Hinblick auf die Sammlung von Informationen über diese Gefahrenbereiche erforderlich ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte“ ist ein zentraler Begriff des Strafprozessrechts . Er umschreibt dort einen sogenannten Anfangsverdacht für eine Straftat, dessen Vorliegen die Strafverfolgungsbehörden zur Aufnahme der Ermittlungen berechtigt und verpflichtet (vgl. § 152 Abs. 2 Strafprozessordnung7). Es liegt angesichts der zentralen Bedeutung des Begriffs 5 Haedge, Das neue Nachrichtendienstrecht für die Bundesrepublik Deutschland, 1998, S. 215. 6 Artikel 10-Gesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl. I S. 1254, 2298), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 4 des Gesetzes vom 6. Juni 2013 (BGBl. I S. 1482). 7 Strafprozeßordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die durch Artikel 5 Absatz 4 des Gesetzes vom 10. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3799) geändert worden ist Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 5 und dessen jahrzehntelanger Präzisierung durch das Schrifttum und die ober- und verfassungsgerichtliche Rechtsprechung nahe, den Bedeutungsgehalt des strafprozessualen Begriffs entsprechend auf das Geheimdienstrecht zu übertragen. Danach ist in dem Erfordernis der tatsächlichen Anhaltspunkte eine vergleichsweise niedrige Schwelle zu sehen.8 Die bekannten Tatsachen müssen es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass die Datenübermittlung für die genannten Zwecke erforderlich ist. Dabei genügen auch entfernte Indizien. Bloße Vermutungen ohne Tatsachenbasis reichen hingegen nicht. Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut ist, desto weniger fundiert darf die Tatsachenbasis sein. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Datenübermittlung nach § 8 Abs. 1 BNDG werden ergänzt durch die Regelung des § 10 BNDG, der für die Übermittlung von Informationen nach den §§ 8 und 9 BNDG eine entsprechende Anwendung der §§ 23 bis 26 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)9 vorschreibt. § 23 BVerfSchG statuiert ein Übermittlungsverbot unter anderem für den Fall, dass „für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass unter Berücksichtigung der Art der Informationen und ihrer Erhebung die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen“. Dies eröffnet auf einfachgesetzlicher Ebene die Möglichkeit, Einflüsse des Grundrechts auf Asyl aus Art. 16a GG zu berücksichtigen. Der Schutzzweck des Grundrechts kann in Einzelfällen eine Datenübermittlung ausschließen, etwa wenn zu befürchten ist, dass die durch den Asylbewerber geltend gemachten Verfolgungsgründe – ggf. mittelbar über „befreundete Dienste“ – an den Verfolgerstaat gelangen.10 § 24 BVerfSchG enthält besondere Schutzvorschriften hinsichtlich personenbezogener Daten Minderjähriger. § 25 BVerfSchG begründet schließlich Pflichten des Empfängers der übermittelten Information, im vorliegenden Zusammenhang also des BND. Dieser hat danach zu prüfen, ob die übermittelten personenbezogenen Daten für die Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ist dies nicht der Fall, hat er die erhaltenen Unterlagen zu vernichten. Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 BNDG vorliegen, steht eine Datenübermittlung im Ermessen der übermittelnden Bundesbehörden („dürfen“). Eine Pflicht zur Übermittlung begründet § 8 Abs. 1 BNDG grundsätzlich nicht. 2.3. § 8 Abs. 3 BNDG Im Gegensatz dazu begründet § 8 Abs. 3 BNDG für Fälle eines Übermittlungsersuchens durch den BND eine Pflicht der Behörden zur Datenübermittlung. Die Vorschrift lautet: 8 Zum Begriff der tatsächlichen Anhaltspunkte und den hierzu im Folgenden übertragenen Maßstäben vgl. Diemer , in: Hannich, Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 7. Auflage 2013, § 152 Rn. 7. 9 Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 20. Juni 2013 (BGBl. I S. 1602). 10 So Petri, in: Fritz/Vormeier, AsylVfG, Band 2, 99. Ergänzungslieferung 2013, § 8 Rn. 36. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 6 „Der Bundesnachrichtendienst darf nach § 18 Abs. 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes jede Behörde um die Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen und nach § 18 Abs. 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes amtlich geführte Register einsehen, soweit es zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. § 17 Abs. 1 und § 18 Abs. 5 des Bundesverfassungsschutzgesetzes sind anzuwenden.“ Die Voraussetzungen eines Übermittlungsersuchens ergeben sich aus § 18 Abs. 3 BVerfSchG in entsprechender Anwendung. Danach darf der BND andere Behörden um Übermittlung der zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen einschließlich personenbezogener Daten ersuchen, wenn sie nicht aus allgemein zugänglichen Quellen oder nur mit übermäßigem Aufwand oder nur durch eine den Betroffenen stärker belastende Maßnahme erhoben werden können. Auch diese Vorschrift verlangt eine Zweckbindung, die aber deutlich weiter gefasst ist als bei der eigeninitiativen Übermittlung nach § 8 Abs. 1 BNDG. Während dort die Datenübermittlung für die Sammlung von Informationen über die in § 5 Abs. 1 S. 3 G 10-Gesetz genannten erheblichen Gefahrenbereiche erforderlich sein muss, nimmt § 8 Abs. 3 BNDG i.V.m. § 18 Abs. 3 BVerfSchG lediglich die allgemeinen Aufgaben des BND in Bezug. Die Datenübermittlung muss damit lediglich erforderlich sein für die Sammlung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind (vgl. § 1 Abs. 2 BNDG). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Übermittlungsersuchen prüft der BND. Auf ein Ersuchen hin sind die ersuchten Behörden grundsätzlich zur Übermittlung der angeforderten Daten verpflichtet. Es gelten allerdings auch hier die Verfahrensregeln des § 10 BNDG, der auf die §§ 23 bis 26 BVerfSchG verweist. Daraus wiederum folgt unter anderem dann ein Übermittlungsverbot, wenn für die übermittelnde Stelle erkennbar ist, dass die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen (§ 23 Nr. 1 BVerfSchG, s.o.). Zudem begrenzt § 24 BVerfSchG die Datenübermittlung aus Gründen des Minderjährigenschutzes. 3. Praktische Handhabung der Datenübermittlung In der politischen Diskussion sind Zweifel daran geäußert worden, ob die tatsächliche Handhabung der Übermittlung von Daten aus dem Asylverfahren an den BND bzw. an die diesem zugeordnete Hauptstelle für Befragungswesen (HBW) den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Diese kommen unter anderem in der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE11 sowie in mehreren Fragen im Rahmen einer Fragestunde12 zum Ausdruck. Den Antworten der Bundesregierung13 lässt sich entnehmen, dass dem BND oder der diesem zugeordneten HBW durch das BAMF personenbezogene Daten aus dem Asylverfahren übermittelt 11 BT-Drs. 18/136. 12 BT-Drs. 18/87, Fragen Nr. 28 ff. 13 BT-Drs. 18/215; BT-PlProt. 18/3, S. 212 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 7 werden. Diese Datenübermittlung erfolge auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 und 3 BNDG.14 Damit werde das Ziel verfolgt, Erkenntnisse über wirtschaftliche, politische und militärische Strukturen der Herkunftsregionen zu gewinnen, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung seien und daher dem Aufklärungsauftrag des BND Rechnung trügen.15 Zu unterstreichen ist, dass der damit angesprochene allgemeine Aufklärungsauftrag des BND gemäß § 1 Abs. 2 BNDG lediglich eine Datenübermittlung auf Ersuchen des BND nach § 8 Abs. 3 BNDG rechtfertigt. Für eine eigeninitiative Datenübermittlung durch das BAMF wäre diese allgemeine Zielsetzung einer außen- und sicherheitspolitischen Bedeutung nicht ausreichend. Wie oben dargestellt, müssen in diesen Fällen nach § 8 Abs. 1 BNDG tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Übermittlung entweder für die Eigensicherung oder mit Blick auf die in § 5 Abs. 1 S. 3 G 10-Gesetz genannten sieben Gefahrenbereiche erforderlich ist. Eine routinemäßige eigeninitiative Übermittlung sämtlicher erhobener Daten schließt dies aus. Auch im Fall eines Ersuchens durch den BND nach § 8 Abs. 3 BNDG ist tatbestandliche Voraussetzung für dieses Ersuchen unter anderem, dass die Informationen für die allgemeinen Aufgaben des BND erforderlich sind. Eine wahllose Anforderung sämtlicher im Asylverfahren anfallender Daten dürfte auch diesem weiteren Maßstab nicht genügen.16 Ferner ist zu betonen, dass das BAMF im Fall eines Ersuchens durch den BND nach § 10 BNDG i.V.m. § 23 BVerfSchG eine Interessenabwägung zwischen erkennbaren schutzwürdigen Interessen des Betroffenen und dem Allgemeininteresse an der Übermittlung vorzunehmen hat, in die insbesondere auch die grundrechtlichen Gewährleistungen des Art. 16a GG einzubeziehen sind. Bei einem entsprechenden Gewicht der schutzwürdigen Belange kann dies dazu führen, dass einem Ersuchen des BND nicht Folge geleistet werden kann. 4. Auswirkungen der Vertraulichkeitsanforderung der EU-Asylverfahrensrichtlinie auf das deutsche Recht Im Juni 2013 wurde die Richtlinie 2013/32/EU17 erlassen, die Mindestanforderungen für die mitgliedstaatlichen Asylverfahren festlegt. Es handelt sich um eine novellierte Fassung der Richtlinie 2005/85/EG.18 Die Richtlinie 2013/32/EU ist von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 51 Abs. 1 der Richtlinie bis zum 20. Juli 2015 umzusetzen. 14 BT-Drs. 18/215, S. 5; BT-PlProt. 18/3, S. 214, Antwort zu Frage 31. 15 BT-PlProt. 18/3, S. 213 f., Antwort zu Frage 30. 16 Ebenso bereits der Bericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz im Jahr 1993, BT-Drs. 12/4805, S. 145. 17 S.o. Fn. 1. 18 Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, ABl. L 326 vom 13. Dezember 2005, S. 13, ABl. L 175M vom 29. Juni 2006, S. 168. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 8 4.1. Vertraulichkeit Art. 15 Richtlinie 2013/32/EU sieht vor: Anforderungen an die persönliche Anhörung […] (2) Eine persönliche Anhörung erfolgt unter Bedingungen, die eine angemessene Vertraulichkeit gewährleisten. […] (4) Die Mitgliedstaaten können Vorschriften über die Anwesenheit Dritter bei der persönlichen Anhörung erlassen. Diese zitierten Absätze sind wortgleich in Art. 13 der bisherigen Richtlinie 2005/85/EG enthalten. Art. 48 Richtlinie 2013/32/EU sieht vor: Vertraulichkeit Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die mit der Anwendung dieser Richtlinie betrauten Behörden hinsichtlich aller Informationen, von denen sie bei ihrer Tätigkeit Kenntnis erlangen , an den Grundsatz der Vertraulichkeit gebunden sind, so wie sich dieser aus dem nationalen Recht ergibt. Diese Vorschrift ist inhaltsgleich mit Art. 41 der bisherigen Richtlinie 2005/85/EG. 4.2. Auswirkungen auf Datenübermittlungen nach deutschem Recht Art. 48 Richtlinie 2013/32/EU verlangt für das Asylverfahren die Gewährleistung des Grundsatzes der Vertraulichkeit, „so wie sich dieser aus dem nationalen Recht ergibt“. Die Ausgestaltung – und damit die Bestimmung des Ausmaßes – der Vertraulichkeit obliegt den Mitgliedstaaten. Das deutsche Recht regelt in den §§ 7 und 8 AsylVfG detailliert die Modalitäten der Erhebung und Übermittlung personenbezogener Daten. Auch die vorliegend einschlägigen geheimdienstrechtlichen Generalklauseln legen fest, unter welchen Voraussetzungen welche staatlichen Stellen Zugang zu Informationen aus dem Asylverfahren erlangen dürfen (s.o.). Stets steht eine Datenübermittlung dabei unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit. Außerhalb der geregelten Tatbestände sind Informationen aus dem Asylverfahren nicht weitergabefähig. Mit diesen Regelungen ist den Anforderungen des Art. 48 Richtlinie 2013/32/EU, der nur das „Ob“ einer zu gewährleistenden Vertraulichkeit vorschreibt, das „Wie“ aber mitgliedstaatlicher Ausgestaltung überlässt, genüge getan. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/14 Seite 9 4.3. Auswirkungen auf die Teilnahme des BND bzw. der HBW an Anhörungen Die Teilnahme an Anhörungen im Asylverfahren regelt § 25 Abs. 6 AsylVfG wie folgt: Anhörung […] (6) Die Anhörung ist nicht öffentlich. An ihr können Personen, die sich als Vertreter des Bundes, eines Landes oder des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen ausweisen , teilnehmen. Anderen Personen kann der Leiter des Bundesamtes oder die von ihm beauftragte Person die Anwesenheit gestatten. […] Durch das Gebot der nichtöffentlichen Anhörung wird der Anforderung des Art. 15 Abs. 2 Richtlinie 2013/32/EU, der eine „angemessene Vertraulichkeit“ der persönlichen Anhörung verlangt, genüge getan. Daran ändern auch die Regelungen der Sätze 2 und 3 des § 25 Abs. 6 AsylVfG nichts: Die in Satz 2 genannten Vertreter dürfen danach an den Anhörungen teilnehmen, ohne dass es einer Zulassung durch das BAMF bedarf. Hierzu zählen auch entsprechend autorisierte Vertreter des BND bzw. der HBW. Die Zulassung anderer als der in Satz 2 genannten Personen liegt im pflichtgemäßen Ermessen des BAMF. Beide Arten der Zulassung weiterer Personen – ex lege nach Satz 2 oder nach behördlicher Entscheidung im Sinne des Satzes 3 – sind europarechtlich unbedenklich . Denn Art. 15 Abs. 4 Richtlinie 2013/32/EU gestattet den Mitgliedstaaten ausdrücklich, Vorschriften über die Anwesenheit Dritter bei der persönlichen Anhörung zu erlassen (s.o.).