© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Integration der DEGES in die Autobahn GmbH des Bundes Verkehrsrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 2 Integration der DEGES in die Autobahn GmbH des Bundes Verkehrsrechtliche und verfassungsrechtliche Aspekte Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung WD 5: Wirtschaft und Verkehr, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergrund (Fachbereich WD 5) 4 2. Fragestellung 5 3. Vereinbarkeit mit dem Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz (InfrGG) (Fachbereich WD 5) 6 4. Verfassungsrechtliche Aspekte (Fachbereich WD 3) 7 4.1. Verwaltungskompetenzen und Mischverwaltung 8 4.2. Mischverwaltung im Falle der Verschmelzung von DEGES GmbH und Autobahn GmbH 8 4.3. Im Grundgesetz vorgesehenes Zusammenwirken? 9 4.4. Zulässige Ausnahme? 10 4.5. Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 4 1. Hintergrund (Fachbereich WD 5) Durch die Reform der Verwaltung der Bundesfernstraßen werden die Bundesautobahnen spätestens ab dem 1. Januar 2021 in Bundesverwaltung geführt (Art. 143e Abs. 1 S. 1, Art. 90 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz (GG)1). Die sonstigen Bundesfernstraßen unterfallen auch nach diesem Datum weiterhin der Länderverwaltung im Auftrag des Bundes (Art. 90 Abs. 3 GG).2 Auf Antrag eines Landes bis zum 31. Dezember 2018 kann der Bund jedoch nach Art. 90 Abs. 4 GG zum 1. Januar 2021 die sonstigen Bundesfernstraßen, soweit sie im Gebiet dieses Landes liegen, in Bundesverwaltung übernehmen (Art. 143e Abs. 2 GG). Eine solche Übernahme ist nur möglich in Bezug auf alle in dem Gebiet des Landes liegenden Bundesstraßen, nicht aber in Bezug auf nur einzelne Einzel- oder Teilstrecken .3 Von der Übertragung haben die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg Gebrauch gemacht.4 Damit stehen die Bundesstraßen in 13 Ländern weiterhin in Auftragsverwaltung. Im Zuge der Reform wurde am 13. September 2018 die privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesstraßen gegründet. Seit dem 17. Januar 2019 firmiert sie unter dem Namen „Die Autobahn GmbH des Bundes“.5 Nach § 1 Abs. 1 Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz (InfrGG)6 überträgt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen, soweit es sich um Aufgaben des Bundes handelt, zur Ausführung auf eine Gesellschaft privaten Rechts. Zum 1. Januar 2021 hat das BMVI die Autobahn GmbH des Bundes im Wege einer Rechtsverordnung aufgrund von § 6 InfrGG entsprechend beliehen.7 Der Gesellschaftsvertrag kann auf den Internetseiten des BMVI abgerufen werden.8 1 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100 - 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 und 2 Satz 2 des Gesetzes vom 29. September 2020 (BGBl. I S. 2048) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf. 2 Vgl. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/Stab-IGA/rechtliche-grundlagen.html. 3 Vgl. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/Stab-IGA/rechtliche-grundlagen.html. 4 Vgl. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/Stab-IGA/reform-der-bundesfernstrassenverwaltung.html („Was macht die Autobahn GmbH des Bundes?“). 5 Bericht des Bundesrechnungshofes vom 25. Juni 2020 (Gz.: V 5 – 2018 – 1129), S. 6, https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2020/verschmelzung -der-deutsche-einheit-fernstrassenplanungs-und-bau-gmbh-auf-die-autobahn-gmbh-des-bundes-pdf. 6 Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz vom 14. August 2017 (BGBl. I S. 3122, 3141), das durch Artikel 6 des Gesetzes vom 29. Juni 2020 (BGBl. I S. 1528) geändert worden ist, https://www.gesetze-im-internet .de/infrgg/InfrGG.pdf. 7 Verordnung über die Beleihung der Gesellschaft privaten Rechts im Sinne des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes (InfrGG - Beleihungsverordnung - InfrGGBV), https://www.gesetze-im-internet.de/infrggbv/InfrG- GBV.pdf. 8 https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/StV/iga-gesellschaftsvertrag.pdf?__blob=publicationFile. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 5 Das BMVI erwägt, die 1991 gegründete Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES) in die Autobahn GmbH des Bundes zu integrieren. Der Tätigkeitsbereich der DEGES umfasst die Aufgabenstellung und Investitionsplanung, die Budgetplanung, den Grunderwerb, die Vertragsabschlüsse für Planungs- und Bauarbeiten, die Baubetriebsplanung, die Baulenkung und die Erfolgskontrolle bei Verkehrsinfrastrukturprojekten. Gesellschafter der GmbH sind zwölf Länder 9 und der Bund. Bund und Länder können mit der DEGES Dienstleistungsverträge schließen, um sie mit der Planung und/oder Baudurchführung von Straßenprojekten zu beauftragen. Es kann sich dabei um Bundesfernstraßenprojekte, aber auch um eigene Projekte der Länder handeln. Zur Erfüllung ihres Auftrags kann sie Planungs- und Ausführungsarbeiten unter Beachtung des Vergaberechts an andere Unternehmen vergeben. Dabei sind auch Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP) möglich.10 Die Übertragung der Aufgaben an die DEGES ändert an der verfassungsrechtlichen Aufgabenwahrnehmung durch die Länder nichts. Denn die Straßenbauverwaltungen der Länder bedienen sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben der DEGES ohne dieser dabei hoheitliche Aufgaben oder Befugnisse zu übertragen.11 Die DEGES wurde von den zwölf Ländern bisher u. a. sowohl mit Bundesfernstraßenprojekten in Auftragsverwaltung als auch mit eigenen Projekten in Landesverwaltung beauftragt. 2. Fragestellung Im Zuge der vom BMVI erwogenen Verschmelzung mit der DEGES soll die Autobahn GmbH übergangsweise durch die „DEGES begonnene, vertraglich definierte projektspezifische Aufgaben übernehmen“.12 In Abhängigkeit von dem konkreten Tätigkeitsbereich der DEGES und den mit den Ländern abgeschlossenen konkreten Verträgen würden sich die Aufgaben der Autobahn GmbH dann nicht nur auf die in Bundesverwaltung übergegangen Straßenbauprojekte beziehen. Sie würden auch auf von der DEGES durchgeführte Vorhaben umfassen, die weiterhin von 13 Ländern13 im Auftrag verwaltet werden („sonstige Bundesfernstraßen“), sowie auf eigene Verkehrsprojekte der Länder. Es stellt sich die Frage, inwieweit dies mit dem InfrGG im Einklang stünde. Zudem ist zu prüfen, ob sich aus dieser Aufgabenwahrnehmung verfassungsrechtliche Probleme in Bezug auf die Verteilung der Verwaltungskompetenzen ergeben. 9 Im Detail: https://www.deges.de/unternehmen/historie/. 10 Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Auflage 2015, Rn. 4637, sowie https://www.deges.de/unternehmen/profil/. 11 Gutachten des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung zu Organisationsformen und Finanzierungsvarianten für die Bundesfernstraßen, 2017, S. 17, https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen /produkte/gutachten-berichte-bwv/gutachten-bwv-schriftenreihe/langfassungen/2016-bwv-gutachtenorganisationsformen -und-finanzierungsvarianten-fuer-die-bundesfernstrassen; § 1 Abs. 4 des Rahmenvertrages zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg vom 26. Juni 2014, http://daten.transparenz.hamburg.de/Dataport .HmbTG.ZS.Webservice.GetRessource100/GetRessource100.svc/4b0f1a58-244c-4587-8188- ef9609e2c090/Akte_742.0400-007.pdf; Stüer, Bau- und Fachplanungsrecht, 5. Auflage 2015, Rn. 4637. 12 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (Antwort auf Fragen 3, 5 und 6), Bundestags-Drs. 19/23523 vom 20. Oktober 2020, https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/235/1923523.pdf. 13 Siehe oben Fn. 4. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 6 3. Vereinbarkeit mit dem Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz (InfrGG) (Fachbereich WD 5) Nach § 1 Abs. 1 InfrGG überträgt das BMVI die Planung, den Bau, den Betrieb, die Erhaltung, die Finanzierung und die vermögensmäßige Verwaltung von Bundesautobahnen, soweit es sich um Aufgaben des Bundes handelt, zur Ausführung auf eine Gesellschaft privaten Rechts. § 5 Abs. 1 InfrGG lautet wie folgt: „Der Gesellschaft privaten Rechts wird ab dem 1. Januar 2021 die Ausführung von Aufgaben der Straßenbaulast im Sinne des § 3 des Bundesfernstraßengesetzes übertragen. Gegenstand der Gesellschaft privaten Rechts sind die übertragenen Aufgaben des Bundes der Planung, des Baus, des Betriebs, der Erhaltung, der vermögensmäßigen Verwaltung und der Finanzierung der Bundesautobahnen . Die Gesellschaft ist auch für das Finanzmanagement für die Bundesstraßen zuständig.“ Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften ist die Ausführung von Planung und Bau von Bundesstraßen in Auftragsverwaltung sowie von Verkehrsprojekten der Länder nicht vom Unternehmensgegenstand gedeckt.14 Das InfrGG enthält in § 10 Abs. 1 S. 1 eine Übergangsregelung. Danach kann die Gesellschaft bereits ab dem 1. Januar 2020 im Einvernehmen mit dem jeweiligen Land vor dem 1. Januar 2021 die Planung und den Bau von Bundesautobahnen wahrnehmen. Weitere Übergangsvorschriften , z. B. zu sonstigen Bundesstraßen, enthält das Gesetz jedoch nicht. Dies spricht eher gegen eine auch nur vorübergehende Einbeziehung von Bundesstraßen, die in der Auftragsverwaltung von 13 Ländern stehen. Allerdings ist zu beachten, dass der Begriff „Unternehmensgegenstand“ auf zwei Ebenen eine Bedeutung hat: – Auf gesetzlicher Ebene, im InfrGG, und – auf der (unterhalb des Gesetzes stehenden) gesellschaftsvertraglichen Ebene. Auf der gesellschaftsvertraglichen Ebene ist das Argument15 schlüssig, dass für eine vorübergehende Wahrnehmung von Aufgaben der Unternehmensgegenstand nicht anzupassen ist.16 Es ist aber fraglich , ob der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 InfrGG den Unternehmensgegenstand lediglich gesellschaftsrechtlich umreißen und dem Gesellschafter der GmbH bei der Ausgestaltung Ermessen einräumen wollte. Die Regelungsdichte des InfrGG zu den Aufgaben der Autobahn GmbH ist eher ein gutes 14 Vgl. dazu auch Bericht des Bundesrechnungshofes vom 25. Juni 2020 (Gz.: V 5 – 2018 – 1129), S. 11 f., https://www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen -2020/verschmelzung-der-deutsche-einheit-fernstrassenplanungs-und-bau-gmbh-auf-die-autobahngmbh -des-bundes-pdf. 15 Siehe zu diesem Argument Bericht des Bundesrechnungshofes (Fn. 14), S. 11: „Der Gesellschaftsvertrag lasse Geschäfte bereits dann zu, wenn sie geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen [...].“ 16 So jedenfalls Stephan/Tieves, Münchener Kommentar GmbHG, 3. Auflage 2019, § 37 Rn. 54: „Eine Über- oder Unterschreitung des Unternehmensgegenstands liegt nicht vor, wenn die entsprechenden Maßnahmen nur vorübergehender Natur sind.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 7 Argument gegen diese Sichtweise. Insofern unterscheidet sich eine GmbH in Privatbesitz von einer GmbH in öffentlicher Hand mit gesetzlich definiertem Unternehmensgegenstand. Dieser Unterschied drückt sich unter anderem auch in folgendem Hinweis der „Grundsätze guter Unternehmens- und Beteiligungsführung im Bereich des Bundes“17 aus: „Der Unternehmensgegenstand spiegelt die mit der Beteiligung durch den Bund verfolgten Ziele wider und sollte daher möglichst konkret gefasst werden.“ Insgesamt sprechen gute Gründe dagegen, dass das InfrGG eine Übernahme von Projekten im Zuständigkeitsbereich der Länder (Auftragsverwaltung, eigene Projekte) – wenn auch nur vorübergehender Natur – grundsätzlich zulässt. Allerdings bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, sich mittels einer dem InfrGG nachfolgenden künftigen gesetzlichen Regelung (z. B. ein künftiges Gesetz über die Verschmelzung von DEGES und Autobahn GmbH) über die Vorgaben des InfrGG auch nur implizit hinwegzusetzen. Das später erlassene Gesetz geht insoweit vor (sogenannte lex posterior-Regel).18 Eine explizite Änderung des InfrGG wäre hierfür nicht erforderlich (aber selbstverständlich ebenfalls möglich). 4. Verfassungsrechtliche Aspekte (Fachbereich WD 3) Verfassungsrechtlich könnte die Verschmelzung der DEGES GmbH mit der Autobahn GmbH unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungskompetenzen (Art. 83 ff. GG) problematisch sein. Nach dem Gutachten des Bundesrechnungshofs würde dieses Vorhaben wegen einer mangelnden Aufgabentrennung zwischen Bund und Ländern zu einer unzulässigen Mischverwaltung führen.19 Zuvor gingen zwei von Rechtsanwaltskanzleien im Auftrag des BMVI angefertigte Gutachten davon aus, die verfassungsrechtlichen Grenzen seien durch die übergangsweise stattfindende Tätigkeit der Autobahn GmbH für einzelne Bundesstraßenprojekte der Länder nicht überschritten.20 Im Folgenden werden die verfassungsrechtlichen Grenzen für das Zusammenwirken von Bund und Ländern aufgezeigt und geprüft, ob diese Grenzen bei einer Verschmelzung der DEGES GmbH mit der Autobahn GmbH möglicherweise überschritten würden. Eine abschließende Beurteilung des Vorhabens kann jedoch nicht geleistet werden, da nicht alle tatsächlichen Umstände bekannt sind und die rechtliche Ausgestaltung des zukünftigen Verhältnisses der Länder zur Autobahn GmbH noch offen ist. 17 S. 6, https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Bundesvermoegen/Privatisierungs _und_Beteiligungspolitik/Beteiligungspolitik/grundsaetze-guter-unternehmensfuehrung-anlagede .pdf?__blob=publicationFile (Hervorhebung durch Autor). 18 Vgl. dazu auch Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, WD 3-3000 -260/19, 4. Dezember 2019, https://www.bundestag.de/resource/blob/683270/2678b8fd9f33ad21b6538e49eacb9222/WD-3-260-19-pdfdata .pdf, S. 19. 19 Bericht des Bundesrechnungshofs vom 25. Juni 2020 (Fn. 5), S. 4, 10. 20 BT-Drs. 19/23523, S. 4 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 8 4.1. Verwaltungskompetenzen und Mischverwaltung Die Kompetenzaufteilung im Bereich der Verwaltung nach den Art. 30, 83 ff. GG ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine wichtige Ausformung des bundesstaatlichen Prinzips des Grundgesetzes.21 Sie diene dazu, die Länder vor einem Eindringen des Bundes in den ihnen vorbehaltenen Bereich der Verwaltung zu schützen. Die Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern seien grundsätzlich getrennt und könnten selbst mit Zustimmung der Beteiligten nur in den vom Grundgesetz vorgesehenen Fällen zusammengeführt werden. Eine rechtsstaatliche , hinreichend klare Zuordnung von Verwaltungszuständigkeiten sei nicht zuletzt wegen des Demokratieprinzips erforderlich. Der Bürger müsse wissen können, wen er wofür – auch durch Vergabe oder Entzug seiner Wählerstimme – verantwortlich machen könne. Der zuständige Verwaltungsträger habe die ihm zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich durch eigene Verwaltungseinrichtungen , also mit eigenem Personal, eigenen Sachmitteln und eigener Organisation wahrzunehmen (Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung). Gegenüber der grundsätzlichen Aufgabentrennung stehen Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse des Bundes im Aufgabenbereich der Länder oder umgekehrt, welche als Mischverwaltung bezeichnet werden.22 Diese ist nach der heutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht generell verboten. Ein Zusammenwirken von Bund und Ländern kann etwa im Grundgesetz selbst vorgesehen sein. Es kann aber von einem grundsätzlichen Verbot der Mischverwaltung gesprochen werden, soweit sie sich als Abweichung von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nach den Art. 30, 83 ff. GG darstellt.23 Begrenzte Ausnahmen können aber auch in diesem Fall unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein (siehe unter 4.4.). 4.2. Mischverwaltung im Falle der Verschmelzung von DEGES GmbH und Autobahn GmbH Die DEGES GmbH diente bisher zwölf Ländern zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Bereich der Straßenbaulast (siehe unter 1.). Vergeben wurden an die DEGES GmbH nicht nur Aufträge im Bereich der Bundesautobahnen, welche nunmehr der Bundesverwaltung unterfallen (Art. 90 Abs. 2 GG, Art. 143e Abs. 1 GG), sondern auch im Bereich der sonstigen Bundesfernstraßen, d.h. Gegenstände der Auftragsverwaltung der Länder (Art. 90 Abs. 3 GG), sowie mit Landesstraßenprojekten auch Gegenstände der vom Einfluss des Bundes prinzipiell freien Landesverwaltung (Art. 30 GG). Bereits gegenüber der Struktur der DEGES GmbH erhob der Bundesrechnungshof wegen der Einwirkungsmöglichkeiten des Bundes als Anteilseigner der DEGES GmbH auf die Aufgaben der Länder den Vorwurf unzulässiger Mischverwaltung.24 Die Autobahn GmbH ist als beliehene privatrechtliche Gesellschaft, die zu 100 Prozent im Anteilseigentum des Bundes und unter Aufsicht ihres Beleihenden (des BMVI) steht, der mittelbaren 21 Siehe zum Folgenden BVerfGE 119, 331 (364 ff., insb. 366 f., 372 ff.) m.w.N. 22 BVerfGE 39, 36 (120); BVerfGE 119, 331 (365). 23 Vgl. BVerfGE 119, 331 (365). 24 Bericht des Bundesrechnungshofs vom 25. Juni 2020 (Fn. 5), S. 7 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 9 Bundesverwaltung im Sinne des Art. 86 GG zuzuordnen.25 Durch die Verschmelzung der DEGES GmbH mit der Autobahn GmbH würde in Zukunft entgegen der allgemeinen Zuständigkeitsverteilung primär der Bund Aufgaben der Auftragsverwaltung der Länder bzw. der Landesverwaltung erfüllen. Als verfassungsrechtlich unproblematisch können neben den Altaufträgen der DEGES GmbH im Bereich der Bundesautobahnverwaltung nur die Altaufträge der Länder Berlin, Bremen und Hamburg im Bereich der sonstigen Bundesfernstraßen eingestuft werden. Diese unterfallen nach Stellen des Antrags nach Art. 143e Abs. 2 GG ebenfalls der Bundesverwaltung (siehe unter 1.). Eine Vermischung der Verwaltungskompetenzen kann sich zum einen dann ergeben, wenn den Ländern aufgrund der jeweiligen privatrechtlichen Dienstleistungsverträge mit der DEGES GmbH Weisungsrechte zu konkreten Projekten vorbehalten bleiben.26 Zudem könnten den Ländern auf Grundlage von neuen Vereinbarungen umfassende Einwirkungsrechte auf sämtliche in ihrem Aufgabenbereich stattfindenden Projekte der Autobahn GmbH eingeräumt werden. Die Autobahn GmbH müsste in diesen Fällen unter Umständen entgegen der eigenen Kompetenz nach dem Willen der Länder tätig werden.27 Unabhängig von etwaigen Einwirkungsrechten der Länder erscheint jedenfalls dadurch eine Abweichung von der Kompetenzordnung der Art. 83 ff. GG gegeben, dass der Bund Aufgaben der Länder mit seinen eigenen personellen, organisatorischen und sächlichen Mitteln wahrnehmen würde. Im Ergebnis dürfte es sich daher um Mischverwaltung handeln. Es ist somit zu untersuchen, ob diese im vorliegenden Einzelfall verfassungsrechtlich zulässig ist. 4.3. Im Grundgesetz vorgesehenes Zusammenwirken? Zunächst ist zu prüfen, ob das Zusammenwirken von Bund und Ländern ausdrücklich im Grundgesetz vorgesehen ist.28 In Art. 90 GG ist allerdings eine klare Trennung der Verwaltung der Bundesautobahnen (Bundesverwaltung gem. Art. 90 Abs. 2 GG) von der Verwaltung sonstiger Bundesfernstraßen (obligatorische Auftragsverwaltung der Länder gem. Art. 90 Abs. 3 GG) vorgesehen. Die Übernahme der Bundesfernstraßen in die Bundesverwaltung gemäß Art 90 Abs. 4 GG bzw. Art. 143e Abs. 2 GG ist nur auf Antrag eines Landes und für sämtliche in diesem Land liegenden Bundesfernstraßen möglich. Während im Bereich der Auftragsverwaltung dem Bund gemäß Art. 85 GG bestimmte Einwirkungsrechte auf das mit der Aufgabenwahrnehmung beauftragte Land zustehen, besteht vorliegend der umgekehrte Fall: Der Bund soll die Aufgabe wahrnehmen, während ggf. den Ländern bestimmte Einwirkungsrechte verbleiben. Diese Art des Zusammenwirkens ist dem Grundgesetz fremd. 25 Vgl. allgemein zu Beliehenen Ibler, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 86 Rn. 77. 26 Siehe exemplarisch zu Weisungsrechten der Länder gegenüber der DEGES GmbH in bestehenden Dienstleistungsverträgen die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages vom 2. Dezember 2020, „Bau von Bundesfernstraßen durch die Länder im Auftrag des Bundes“, WD 5 - 3000 - 121/20, S. 8 f., https://www.bundestag .de/resource/blob/815810/54ae4329366b39c273cfce00e76d64cb/WD-5-121-20-pdf-data.pdf. 27 Bericht des Bundesrechnungshofs vom 25. Juni 2020 (Fn. 5), S. 10 f. 28 BVerfGE 119, 331 (364). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 10 Die Trennung der Kompetenzen gilt erst recht für die Gegenstände der Landesstraßenverwaltung. Der Vollzug von Landesgesetzen ist nach Art. 30 GG den Ländern zugewiesen. Die Ausführung von Landesgesetzen durch den Bund ist nach dem Grundgesetz prinzipiell ausgeschlossen.29 4.4. Zulässige Ausnahme? Die festgestellte Abweichung von den verfassungsrechtlichen Kompetenz- und Organisationsnormen kann nur als Ausnahme zulässig sein. Dazu müsste nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein besonderer sachlicher Grund für die Abweichung vorliegen und nur eine eng umgrenzte Verwaltungsmaterie betroffen sein.30 Es ist nicht von vornherein auszuschließen, dass hier ein besonderer sachlicher Grund angeführt werden könnte. So können etwa haushaltsökonomische Gründe angeführt werden.31 Fraglich ist aber, ob die hier betroffene Verwaltungsmaterie eng umgrenzt ist. Das Bundesverfassungsgericht stellte hierfür in der Vergangenheit etwa auf Bedeutung und Umfang des Verwaltungsbereichs sowie auf die Anzahl der von den jeweiligen Regelungen Betroffenen und das Finanzvolumen ab.32 Hier wäre etwa das Finanzvolumen der Altaufträge zu berücksichtigen. Es liegen – soweit ersichtlich – keine Aufstellungen vor, die nach den in den Zuständigkeitsbereich der Landesverwaltung fallenden Projekten aufgeschlüsselt sind. Insgesamt betreute die DEGES mit Stand zum 1. September 2020 204 Straßenbauprojekte; mit Stand zum 31. Dezember 2019 betrug das gesamte noch zu realisierende Auftragsvolumen ca. 21,7 Milliarden Euro.33 Es ist allerdings zu bedenken, dass durch die Beschränkung auf Altaufträge nicht die gesamte Straßenbaulast der Länder betroffen wäre, sondern nur ein – wenn auch möglicherweise sehr gewichtiger – Teil. Die Bundesregierung verweist außerdem darauf, dass die Autobahn GmbH Planungs- und/oder Bauaufgaben der Länder „lediglich übergangsweise“ ausführen würde.34 Allerdings ist zu beachten, dass die geplante Fertigstellung von Altaufträgen der DEGES GmbH nach Aussage der Bundesregierung in mehreren Bundesländern bis 2025 bzw. 2026 dauern soll und sich für andere Projekte noch gar keine belastbaren Aussagen zu deren Abschlusszeitpunkt treffen lassen.35 Letztlich kann an dieser Stelle nicht ausgeschlossen werden, dass ein besonderer sachlicher Grund für die Abweichung von der Kompetenzordnung besteht und eine eng umgrenzte Verwaltungsmaterie betroffen ist. 29 Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 25 f. m.w.N. 30 BVerfGE 63, 1 (41); BVerfGE 119, 331 (370 ff.). 31 Broß/Mayer, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 83 Rn. 17. 32 BVerfGE 119, 331 (370 f.). 33 BT-Drs. 19/23523, S. 8 f. 34 BT-Drs. 19/23523, S. 4 f. 35 BT-Drs. 19/23523, S. 8 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/21; WD 5 - 3000 - 001/21 Seite 11 4.5. Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung Zusätzlich muss der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung beachtet werden.36 Demnach muss jedenfalls die Letztentscheidungskompetenz und Letztverantwortlichkeit der beteiligten Verwaltungsträger für den jeweils eigenen Aufgabenbereich gewahrt sein. Es fehlt am erforderlichen demokratischen Legitimationsniveau, wenn die Aufgaben der Verwaltung durch Organe oder Amtswalter unter Bedingungen wahrgenommen werden, die eine klare Verantwortungszuordnung nicht ermöglichen.37 Deshalb bestünden jedenfalls dann verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Integration der DEGES in die Autobahn GmbH des Bundes, wenn aufgrund der Integration die Verteilung der Verantwortung für die jeweiligen Aufgaben von Bund und Ländern im Bereich der Straßenverwaltung nicht eindeutig bestimmt wäre. Problematisch wäre es auch, wenn Einwirkungsrechte der Länder auf die Autobahn GmbH den Bund bei der Wahrnehmung seiner eigenen Aufgaben beeinträchtigen. Eine Beurteilung kann an dieser Stelle nicht erfolgen, da unklar ist, inwieweit und in welcher genauen Ausgestaltung den Ländern Einwirkungsrechte auf die Autobahn GmbH zustehen würden. *** 36 BVerfGE 119, 331 (372 ff., 389). 37 BVerfGE 119, 331 (366 f.).