© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 002/19 Organspende und Datenschutz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/19 Seite 2 Organspende und Datenschutz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 002/19 Abschluss der Arbeit: 24. Januar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/19 Seite 3 1. Einleitung Es wäre denkbar, eine Bundesbehörde wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), gesetzlich zu verpflichten, die Bürger in einem regelmäßigen Turnus (z. B. 1-2 Jahre) mit Informationen zum Thema Organspende zu versorgen. Die Daten von Bürgern, die sich für eine Organspende entscheiden, könnten in einem zentralen Organspenderegister gespeichert werden, auf das dann die Krankenhäuser im Falle des Hirntods Zugriff erhielten. Es stellen sich die folgenden Fragen: – Bestehen gegen eine solche Regelung verfassungsrechtliche Bedenken? – Welche höchstrichterliche Rechtsprechung behandelt die Weitergabe personenbezogener Daten zwischen staatlichen Einrichtungen und Institutionen aufgrund eines Gesetzes? – Stehen datenschutzrechtliche Bestimmungen der Weitergabe von Daten der Einwohnermeldeämter (Postadressen) an die BZgA entgegen? – Welche Regelungsbeispiele lassen sich anführen, die eine Datenweitergabe zwischen staatlichen Stellen zum Zweck der Information von Bürgern zum Gegenstand haben? – Bestehen wesentliche datenschutzrechtliche Unterschiede, wenn eine Behörde oder eine gemeinnützigen GmbH oder Stiftung das Organspenderegister führen würde? 2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Es ist verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig, wenn der Staat seine Bürger mit dem Thema Organspende befasst und Daten von Bürgern erhebt, die bereit sind, ihre Organe zu spenden. Entscheidend ist, dass der Lebens- und Gesundheitsschutz der potentiellen Organspendenempfänger einen verfassungsrechtlich hohen Schutz genießt. In der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste WD 3 - 3000 - 071/11 heißt es hierzu zusammenfassend auf S. 15: „Die Verpflichtung zur rechtsverbindlichen Abgabe einer Erklärung über die Organspendenbereitschaft dürfte bei entsprechender verfahrensrechtlicher Ausgestaltung keine Verletzung des negativen Selbstbestimmungsrechts gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG darstellen. Zwar würde die Pflicht zur Willenserklärung eine unmittelbar belastende Wirkung für den Einzelnen darstellen, diese wäre jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Es gilt, zwischen zwei verfassungsrechtlich geschützten Gütern abzuwägen: das Recht, sich grundsätzlich frei zu entscheiden, sich mit dem Thema der Organspende zu beschäftigen und das Ziel, mehr Spenderorgane zu erhalten, um so Leben und körperliche Unversehrtheit einer größeren Anzahl von Personen zu schützen. Überwiegen dürfte der Lebens- und Gesundheitsschutz der potentiellen Organspendenempfänger. Um den Eingriff in das negative Selbstbestimmungsrecht so gering wie möglich zu halten, könnte der Gesetzgeber die Antwortmöglichkeiten ‚ja‘, ‚nein‘ oder ‚keine Äußerung bzw. weiß nicht‘ vorsehen. […] Zu keiner Grundrechtsverletzung dürfte die Speicherung der Willenserklärung, bei entsprechender Ausgestaltung der datenschutzrechtlichen Vorkehrungen, auf dem elektronischen Personalausweis oder in einem Organspendenregister führen.“1 1 https://www.bundestag.de/blob/421900/75d79d8b1d95d6f87a20651dd9f22cb5/wd-3-071-11-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/19 Seite 4 3. Grundlegende Rechtsprechung Grundlegend bis heute ist das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1983, mit dem das Gericht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung definiert hat.2 Die zentrale Stelle der Entscheidung (unter C II 1 a) lautet: „Das Grundrecht [auf informationelle Selbstbestimmung ] gewährleistet insoweit die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.“ Einschränkungen des Grundrechts sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig und bedürfen einer Rechtfertigung. Das Volkszählungsurteil hat eine Vielzahl bereichsspezifischer Datenschutzregelungen, wie insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz, veranlasst.3 4. Datenweitergabe und Regelungsbeispiele Nach § 34 Bundesmeldegesetz (BMG) darf die Meldebehörde „einer anderen öffentlichen Stelle […] im Inland aus dem Melderegister folgende Daten übermitteln, soweit dies zur Erfüllung der in ihrer Zuständigkeit oder in der Zuständigkeit des Empfängers liegenden öffentlichen Aufgaben erforderlich ist: 1. Familienname, […] 3. Vornamen unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens, […] 6. derzeitige und frühere Anschriften, Haupt- und Nebenwohnung; […].“ Das BMG enthält auch Bestimmungen u. a. zu „Regelmäßigen Datenübermittlungen“ (§ 36) und zum „Automatisierten Abruf“ (§ 38). Die Datenempfänger dürfen die Daten und Hinweise, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur für die Zwecke verarbeiten oder nutzen, zu deren Erfüllung sie ihnen übermittelt oder weitergegeben wurden (§ 41). 5. Regelungsbeispiele Gleichwohl ist eine Datenübermittlung nach § 34 BMG grundsätzlich möglich, um Bürger zu informieren . Zur Datenübermittlung zwischen öffentlichen Stellen bestehen neben der vorgenannten Grundvorschrift des § 34 BMG zahlreiche Sondervorschriften. Die Datenübermittlung geschieht hier jedoch nicht zur Information der Bürger. Die einzige regelmäßige Information von Bürgern durch den Staat sind Wahlbenachrichtigungen. Allerdings ist hierfür die gleiche öffentliche Stelle zuständig, die auch die Melderegister führt (§ 17 Bundeswahlgesetz: „Die Gemeindebehörden führen für jeden Wahlbezirk ein Verzeichnis der Wahlberechtigten“; § 19 Bundeswahlordnung: „Spätestens am Tage vor der Bereithaltung des Wählerverzeichnisses zur Einsichtnahme benachrichtigt die Gemeindebehörde jeden Wahlberechtigten, der in das Wählerverzeichnis eingetragen ist […]“). Bei der Benachrichtigung im Zusammenhang mit der Schulpflicht handelt es sich weniger um eine Information, als um die Durchsetzung der Schulpflicht (vgl. § 98 Abs. 3 Schulgesetz Hamburg). Ähnlich verhält es sich mit Benachrichtigung zum Rundfunkbeitrag (§ 14 Abs. 9a Rundfunkbeitragsstaatsvertrag). Im Anhang sind drei Beispiele von Datenübermittlungen aufgeführt, die nicht der Information von Bürgern dienen. 2 BVerfG, Urteil vom 15.12.1983, Az. 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz /Themen/Melderecht_Statistiken/VolkszaehlungArtikel/151283_VolkszaehlungsUrteil.html. 3 Möllers, Wörterbuch der Polizei, 3. Auflage 2018, Volkszählungsurteil (VZU). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/19 Seite 5 6. Rechtsform der Registerstelle Nach § 2 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gelten auch Stiftungen oder Gesellschaften im Bundesbesitz als „öffentliche Stelle“. Insoweit ergibt sich datenschutzrechtlich kein Unterschied, ob eine Behörde oder eine GmbH des Bundes das Organspenderegister führt. Aber auch soweit eine in Privatbesitz (z. B. der Krankenkassen) befindliche GmbH das Register führen würde, ergäbe sich kein wesentlicher Unterschied. Zunächst sprechen gute Gründe dafür, eine solche GmbH funktional als öffentliche Stelle anzusehen, weil sie einer öffentlichen Funktion dient.4 Abgesehen davon sind die grundsätzlichen Verpflichtungen zum Datenschutz bei der zweckbestimmten Verwendung von Daten für öffentliche und nicht-öffentliche Stellen im Wesentlichen gleich. Unterschiede ergeben sich u. a. lediglich in organisatorischer Hinsicht: So bestimmt das BDSG z. B. in § 40 für nicht-öffentliche Stellen eine Aufsichtsbehörde oder enthält für den Datenschutzbeauftragten eine Sondervorschrift in § 38. Hinzuweisen ist noch darauf, dass die Verhängung von Bußgeldern nur gegen nicht-öffentliche Stellen möglich ist.5 7. Anhang: Regelungsbeispiele 7.1. Zensusvorbereitungsgesetz 20216 § 9 Übermittlung von Daten der Meldebehörden „(1) Die nach Landesrecht für das Meldewesen zuständigen Stellen übermitteln den statistischen Ämtern der Länder für den Aufbau des Steuerungsregisters und für die Überprüfung der Daten zu den Auskunftspflichtigen für die Gebäude- und Wohnungszählung mit Stichtag 12. November 2017 innerhalb der auf den Stichtag folgenden vier Wochen für alle im Melderegister gemeldeten Einwohnerinnen und Einwohner einschließlich der Einwohnerinnen und Einwohner mit Auskunftssperre gemäß § 51 des Bundesmeldegesetzes und Einwohnerinnen und Einwohner mit bedingtem Sperrvermerk gemäß § 52 des Bundesmeldegesetzes die Daten zu folgenden Merkmalen: 1. gegenwärtige Anschrift einschließlich des amtlichen Gemeindeschlüssels, 2. Status der Wohnung, unterteilt nach alleiniger Wohnung, nach Haupt- und nach Nebenwohnung , 3. Ordnungsmerkmal der Meldebehörde, 4. soweit statistische Ämter der Länder diese Daten anfordern, zusätzlich Daten zu Familienname , Geburtsname, Vornamen und Geburtsdatum. 4 Vgl. Franzen, in: Franzen, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 19. Auflage 2019, BDSG, § 2 Rn. 1; ähnlich Klar/Kühling, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 2. Auflage 2018, § 2 Rn. 4. 5 Brodowski/Nowak, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 26. Edition Stand: 01.11.2018, § 41 BDSG Rn. 12. 6 http://www.gesetze-im-internet.de/zensvorbg_2021/. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 002/19 Seite 6 (2) Die statistischen Ämter der Länder überprüfen die Daten nach Absatz 1 auf Vollständigkeit und Vollzähligkeit und übermitteln dem Statistischen Bundesamt die vollständigen und vollzähligen Angaben spätestens acht Wochen nach dem jeweiligen Stichtag der Datenübermittlungen .“ 7.2. Meldedatenverordnung Bayern7 § 15 Datenübermittlungen an die Behörden nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz und nach dem Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz „Die zuständigen Behörden nach dem Bayerischen Wohnungsbindungsgesetz (BayWoBindG) und nach dem Bayerischen Wohnraumförderungsgesetz (BayWoFG) können zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1, Art. 5 Satz 2 BayWoBindG, Art. 13 Abs. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 BayWoFG aus dem nach Art. 7 Abs. 1 BayAGBMG geschaffenen zentralen Meldedatenbestand folgende Daten automatisiert abrufen: 1. Familienname [Datenblätter] 0101 bis 0106, 2. Vornamen und frühere Vornamen [Datenblätter] 0301 bis 0304, […] 6. derzeitige und frühere Anschriften (Haupt- und Nebenwohnung) […].“ 7.3. Landeskrebsregistergesetz Nordrhein-Westfalen8 § 2 Abs. 4 Begriffsbestimmungen „Identitätsdaten sind 1. der Familienname, Geburtsname, die Vornamen, frühere Namen und Titel, […] 4. die Wohnanschrift im Zeitpunkt der Meldung (Postleitzahl, Wohnort, Straße und Hausnummer ) […].“ § 3 Abs. 2 Registerführung „Die Datenannahmestelle 1. vergibt im Rahmen der von ihr durchgeführten Melderverwaltung eine dauerhafte eindeutige Identifizierungsnummer für jede meldepflichtige Person, 2. nimmt die dem Landeskrebsregister übermittelten Daten entgegen […].“ *** 7 http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayMeldDV?AspxAutoDetectCookieSupport=1. 8 https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=2&gld_nr=2&ugl_nr=21260&bes_id=34084&aufgehoben =N&menu=1&sg=.