Deutscher Bundestag Besuchsverbot für Pharmareferenten in Arztpraxen Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 002/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 2 Besuchsverbot für Pharmareferenten in Arztpraxen Verfassungsrechtliche Zulässigkeit Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 002/13 Abschluss der Arbeit: 5. Februar 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes 4 3. Vereinbarkeit eines Besuchsverbots mit den Grundrechten der Pharmareferenten 5 3.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Pharmareferenten, Art. 12 GG 5 3.2. Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit der Pharmareferenten, Art. 14 Abs. 1 GG 7 3.3. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit der Pharmareferenten, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG 7 4. Vereinbarkeit eines Besuchsverbotes mit den Grundrechten der Pharmaunternehmen 7 4.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit von Pharmaunternehmen, Art. 12 GG 7 4.2. Vereinbarkeit mit der Meinungsäußerungs- und Eigentumsfreiheit von Pharmaunternehmen, Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 8 5. Vereinbarkeit eines Besuchsverbotes mit den Grundrechten der Ärzte 8 5.1. Vereinbarkeit mit der Informationsfreiheit der Ärzte, Art. 5 Abs. 1 GG 8 5.2. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung von Ärzten, Art. 13 Abs. 1 GG 8 5.3. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Ärzte, Art. 12 GG und Art. 2 Abs. 1 GG 9 6. Vereinbarkeit eines Besuchsverbots für Pharmareferenten mit europäischem Recht 9 6.1. Vereinbarkeit eines Besuchsverbots mit Richtlinie 2001/83/EG 9 6.2. Vereinbarkeit mit den europarechtlich garantierten Grundfreiheiten und Grundrechte 10 7. Ergebnis 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 4 1. Einleitung Nach dem geltenden Recht dürfen Pharmaberater, die über eine ausreichende Sachkenntnis verfügen , im Auftrag von Pharmaunternehmen Angehörige von Heilberufen, also insbesondere Ärzte, aufsuchen, um diese fachlich über Arzneimittel zu informieren, § 75 AMG1. Über besondere Sachkenntnis in diesem Sinne verfügen unter anderem Apotheker, Apothekerassistenten sowie Pharmareferenten . Die Ausbildung zum Pharmareferenten ist durch eine Verordnung2 geregelt. Die Werbung bei Fachkreisen für verschreibungspflichtige Arzneimittel unterliegt dem Verbot von Werbegaben gemäß § 7 HWG3; darüberhinausgehende Beschränkungen für die Werbung bei Fachkreisen bestehen nicht. Im Folgenden wird daher geprüft, ob ein Verbot für Pharmareferenten, Ärzte in deren Praxen (innerhalb oder außerhalb der Sprechzeiten) zu Informationsgesprächen aufzusuchen (im Folgenden: Besuchsverbot) mit deutschem Verfassungsrecht vereinbar wäre. 2. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Dem Bund müsste die Gesetzgebungskompetenz zustehen. Gemäß Art. 70 Grundgesetz (GG) liegt die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich bei den Ländern, soweit das Grundgesetz sie nicht dem Bund gesondert zuweist. Art. 72, Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG weist dem Bund die konkurrierende Zuständigkeit in abschließend aufgezählten Bereichen des Gesundheitswesens zu. Hierzu gehört auch das Recht der Arzneien, wobei neben dem „gesamten Umgang mit den genannten Stoffen“ auch die Werbung für diese Produkte gehört.4 Richtet sich das Besuchsverbot also exklusiv an die Pharmareferenten, dann bestehen hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Bedenken. Auch soweit sich das Verbot an die Ärzte richtet, bleibt der Bund zuständig. Zwar obliegt dem Bund nicht die Regelung der ärztlichen Berufsausübung.5 Ein Werbeverbot für Pharmazeutika in den Räumlichkeiten von Arztpraxen bezieht sich aber nicht in erster Linie auf die Berufsausübung der Ärzte, sondern vielmehr auf die Vermarktung von Arzneimitteln, so dass der Bund sich weiterhin auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG als Kompetenztitel stützen kann. 1 Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) geändert worden ist. 2 Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Pharmareferent/Geprüfte Pharmareferentin vom 26. Juni 2007 (BGBl. I S. 1192). 3 Heilmittelwerbegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3068), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 19. Oktober 2012 (BGBl. I S. 2192) geändert worden ist. 4 Oeter in: von v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, 6. Auflage 2010, Art. 74, Rn. 138 m.w.N. 5 BVerwGE 39, 110 (112); 61, 169 (174f.); Oeter (Fn. 4), Art. 74, Rn. 136. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 5 3. Vereinbarkeit eines Besuchsverbots mit den Grundrechten der Pharmareferenten 3.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Pharmareferenten, Art. 12 GG Das Besuchsverbot für Pharmareferenten könnte gegen deren Berufsfreiheit, die Art. 12 GG gewährleistet , verstoßen. Unter Beruf ist „jede auf Erwerb gerichtete Tätigkeit zu verstehen, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.“ 6 Die Tätigkeit eines Pharmaberaters wird in § 75 AMG erwähnt, das Berufsbild in einer Verordnung konkretisiert.7 Danach gehört das Aufsuchen von Ärzten zur Tätigkeit von Pharmaberatern und -referenten. Eine Regelung, die das Aufsuchen von Pharmareferenten in Arztpraxen verbietet oder einschränkt , stellt folglich einen Eingriff in den Schutzbereich der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG dar. Allerdings gilt die Berufsfreiheit nur für deutsche sowie Pharmareferenten aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU). Dieser Eingriff müsste gerechtfertigt sein. Die Anforderungen an eine solche Rechtfertigung richten sich im Falle des Art. 12 Abs. 1 GG danach, ob die Regelung die Berufswahl oder lediglich die Berufsausübung eines Grundrechtsträgers beeinträchtigt.8 Eine Regelung bezieht sich nicht nur dann auf die Berufswahl, wenn sie die Bedingungen für dessen Ergreifung zum Gegenstand hat, sondern auch dann, wenn sie mit derartigen Konsequenzen für einen Beruf verbunden ist, dass dessen Ausübung nicht nur in Einzelfällen faktisch unmöglich gemacht wird.9 Dies wäre bei einem Besuchsverbot von Pharmareferenten allerdings nicht der Fall. Zwar werden wohl sowohl Arzt als auch Pharmareferent einem Gespräch in der Arztpraxis aus praktischen Gründen den Vorzug vor anderen Räumlichkeiten geben. Ein persönliches Gespräch außerhalb der Praxis oder ein fernmündliches Gespräch bleibt aber immer noch möglich, so dass die Berufswahl des Pharmareferenten nicht betroffen ist. Vielmehr handelt es sich um eine Regelung zur Berufsausübung. Berufsausübungsregelungen sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, „wenn sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls dienen und den Berufstätigen nicht übermäßig oder unzumutbar treffen .“10 Als vernünftiger Zweck des Allgemeinwohls kommen der Schutz der angemessenen Gesundheitsversorgung der Allgemeinheit11 sowie die Sicherung der Stabilität und Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung12 in Betracht. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Maßnahmen ist der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung sozialpolitischer Ziele und insbesondere im Bereich der Gesundheitsvorsorge durch die gesetzliche Krankenversicherung zu beachten.13 6 BVerfGE 102, 197 (212). 7 Vgl. Fn. 2. 8 Jarass in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 12. Auflage, 2012, Art. 12, Rn. 45 ff. 9 BVerfGE 65, 116 (127 f.); BVerfGE 123, 186 (239); Jarass (Fn. 6), Art. 12, Rn. 37 m.w.N. 10 BVerfGE 85, 248 (259) m.w.N. 11 BVerfGE 78, 179 (192). 12 BVerfGE 103, 172 (184 f.). 13 BVerfGE 103, 172 (185). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 6 Ein Besuchsverbot soll wohl bewirken, dass Ärzte nicht aufgrund der Werbung durch einzelne Pharmaunternehmen veranlasst werden, nur noch deren Produkte – und nicht gleichwertige, aber kostengünstigere Alternativen – zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu verschreiben . Ferner soll wohl der Gefahr vorgebeugt werden, dass sich Ärzte bei der Verordnung von Medikamenten von anderen Beweggründen als der medizinischen Erforderlichkeit leiten lassen. Die Verordnung medizinisch nicht notwendiger Arzneimittel oder von solchen zu überhöhten Preisen kann die Gesundheitsversorgung der Allgemeinheit sowie die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung beeinträchtigen. Gemeinsam mit anderen Mitteln der Gesundheitspolitik , wie etwa Budgetierung und angedrohtem Arzneimittelregress, könnte ein entsprechendes Besuchsverbot die Verschreibungspraxis zugunsten der Krankenversicherer ändern, da hierdurch die Kontaktaufnahme von Vertretern der Pharmaindustrie mit den Ärzten und damit die Werbung erschwert wird. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) betont gerade im Bereich der Gesundheitspolitik den besonders weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers und unterstreicht, dass die Verfassung keine politische Option vorgibt.14 Vor diesem Hintergrund ist ein Besuchsverbot in Arztpraxen zur Erreichung der genannten Ziele zumindest nicht vollkommen ungeeignet. Es kann auch erforderlich, also das mildeste Mittel zur Erreichung des Ziels sein. Ein generelles Werbeverbot für Medikamente wäre kein milderes Mittel , da hierdurch auch die Information der Fachwelt über medizinische Neuerungen unterbunden und somit schwerwiegender in die Berufsausübung der Pharmareferenten – und Ärzte – eingegriffen würde. Das Besuchsverbot muss auch angemessen sein, das heißt der Eingriff in die Rechte der betroffenen Pharmareferenten darf nicht schwerer wiegen als die öffentlichen Interessen, denen das Besuchsverbot dienen soll. Die Sicherung der Leistungsfähigkeit und der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sind nach der Rechtsprechung des BVerfG eine Gemeinwohlaufgabe von hohem Rang.15 Auf der anderen Seite steht das Interesse der Pharmareferenten an einer freien Ausübung ihres Berufes. Selbst bei einem Verbot des Besuchs von Pharmareferenten in Arztpraxen steht dem Pharmareferenten noch die Möglichkeit der Kontaktaufnahme außerhalb der Praxis – in eigenen Räumen, in den Privaträumen des Arztes oder in öffentlich zugänglichen Räumen oder im Rahmen von berufsspezifischen Veranstaltungen – zur Verfügung. Ihm wird seine Arbeit damit nicht unzumutbar erschwert. Soweit man das Besuchsverbot für geeignet hält, die Verschreibungspraxis zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherung einzuschränken, griffe ein Besuchsverbot zumindest bei Ärzten, die kassenärztlich zugelassen sind, nicht unverhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Pharmareferenten ein. 14 BVerfGE 103, 172 (189). 15 BVerfGE 103, 172 (192). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 7 3.2. Vereinbarkeit mit der Eigentumsfreiheit der Pharmareferenten, Art. 14 Abs. 1 GG Das Besuchsverbot müsste ferner mit der Eigentumsfreiheit der Pharmareferenten vereinbar sein. Zwar schützt Art. 14 GG auch das sog. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb .16 Geschützt werden aber nur die Grundlagen eines Gewerbebetriebs, nicht günstige tatsächliche oder rechtliche Positionen.17 Es werden also nicht bloße Chancen oder Hoffnungen auf die Erzielung eines bestimmten Gewinns erfasst, die dem Schutzbereich des oben erläuterten Art. 12 Abs.1 GG zuzuordnen sind.18 Ein Besuchsverbot für Pharmareferenten wird höchstwahrscheinlich deren Gewinnmöglichkeiten reduzieren, von einer Gefährdung der Grundlagen ihres Betriebes kann aber nicht die Rede sein. 3.3. Vereinbarkeit mit der Meinungsfreiheit der Pharmareferenten, Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG Das Besuchsverbot müsste ferner mit dem Grundrecht der Pharmareferenten auf Meinungsfreiheit vereinbar sein. Dabei kann es dahin stehen, ob der Anwendungsbereich des Grundrechts überhaupt eröffnet ist: Dies wäre der Fall, wenn die Information durch den Pharmareferenten über die jeweiligen Arzneimittel mindestens auch wertende und meinungsbildende Inhalte hat.19 Das Besuchsverbot wäre jedenfalls als Eingriff in die Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Bei einem Besuchsverbot handelt es sich um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG, das sich nicht gegen eine Meinung als solche richtet, sondern dem Schutz eines Rechtsgutes unabhängig von einer bestimmten Meinung gilt.20 Dieses Gesetz greift auch nur verhältnismäßig in die Rechte des Pharmareferenten ein: Für die Abwägung gelten die unter Punkt 3.1 dargelegten Argumente. 4. Vereinbarkeit eines Besuchsverbotes mit den Grundrechten der Pharmaunternehmen 4.1. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit von Pharmaunternehmen, Art. 12 GG Durch das Besuchsverbot in Arztpraxen könnte auch die durch Art. 12 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit der Pharmaunternehmen tangiert sein, der auch die Werbetätigkeit des Unternehmens – bspw. durch beauftragte Pharmareferenten – schützt.21 Das Recht der Berufsfreiheit ist gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auch auf inländische juristische Personen, mithin auch Pharmaunternehmen mit Sitz in Deutschland, anwendbar. Dieser Eingriff ist aber verhältnismäßig und damit gerechtfertigt. Das Besuchsverbot soll, wie bereits unter 3.1 ausgeführt, einerseits der Volksgesundheit und andererseits der Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen dienen. Für die Angemessenheit der Maßnahme gegen- 16 Bryde in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, 6. Auflage 2012, Art. 14, Rn. 18. 17 Bryde (Fn. 16), Art. 14, Rn. 20. 18 Bryde (Fn. 16), Art. 14, Rn. 21. 19 BVerfG, GRUR 2001, 1058 (1059). 20 St. Rspr., vgl. Nachweise bei BVerfGE 113, 63, 78. 21 BVerfGE 60, 215 (229); 71, 162 (173). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 8 über den Pharmaunternehmen spricht insbesondere, dass diese auf diese spezielle Form der Werbung nicht angewiesen sind. Ihnen stehen vielmehr andere Möglichkeiten der Außendarstellung nicht nur gegenüber der Öffentlichkeit, sondern auch gegenüber Angehörigen der Heilberufe zur Verfügung. 4.2. Vereinbarkeit mit der Meinungsäußerungs- und Eigentumsfreiheit von Pharmaunternehmen , Art. 5 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Aus den unter 3.1 dargestellten Gründen scheidet auch eine Verletzung der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und des Rechts auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) der Pharmaunternehmen aus. Ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG könnte zwar vorliegen, wäre aber aufgrund seiner geringen Intensität gerechtfertigt. Hingegen ist der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG nicht einmal eröffnet. 5. Vereinbarkeit eines Besuchsverbotes mit den Grundrechten der Ärzte 5.1. Vereinbarkeit mit der Informationsfreiheit der Ärzte, Art. 5 Abs. 1 GG Das Besuchsverbot in Arztpraxen könnte die durch Art. 5 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 GG geschützte Informationsfreiheit der Ärzte verletzen. Dies ist aber nur dann der Fall, wenn den Ärzten eine Informationsbeschaffung aus allgemein zugänglichen Quellen untersagt wird. Allgemein zugänglich ist die Informationsquelle dann, wenn sie „technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit , d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu beschaffen “.22 Der Besuch von Pharmaberatern bei Ärzten in deren Praxen ist aber eine Unterredung zwischen den Beteiligten, so dass von einer allgemein zugänglichen Quelle nicht die Rede sein kann und somit der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 Halbsatz 2 GG nicht eröffnet ist. 5.2. Vereinbarkeit mit dem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung von Ärzten, Art. 13 Abs. 1 GG Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung schützt grundsätzlich auch Arbeits-, Betriebs - und Geschäftsräume,23 also auch Arztpraxen. Allerdings dient dieses Grundrecht der Abwehr des Eindringens Fremder in den geschützten Bereich. Dem Wohnungseigentümer soll es möglich sein, sich in einen geschützten Raum zurückzuziehen.24 Nicht geschützt ist die Freiheit des Wohnungseigentümers zu entscheiden, wer seine Räume betreten darf bzw. soll und wer nicht. Das Besuchsverbot für Pharmareferenten als solches tangiert folglich nicht den Schutzbereich von Art. 13 GG. Anders wäre eine Regelung zu beurteilen, die zur Kontrolle des Besuchsverbots Zutrittsrechte staatlicher Behörden zu den Arztpraxen vorsieht. Betretungs- und Besichtigungsrechte von Be- 22 BVerfGE 27, 71 (83). 23 BVerfGE 76, 83 (88); 96, 44 (51); 120, 274 (309); Jarass in: Jarass/Pieroth (Fn. 8), Art. 13 Rn. 5. 24 Kunig in: von Münch/Kunig (Fn. 16), Art. 13, Rn. 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 9 hörden betreffen den Schutzbereich des Art. 13 GG.25 Allerdings werden solche Maßnahmen nicht als Eingriffe, sondern als bloße Beeinträchtigungen des Grundrechts aus Art. 13 GG verstanden , wenn es sich um Arbeits-, Betriebs- oder Geschäftsräume handelt.26 Diese gehören zum Schutzbereich von Art. 13 GG, genießen aber eine schwächere Schutzintensität.27 Solche spezialgesetzlichen Betretungs- und Besichtigungsrechte können also bei Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit auch ohne Einhaltung der hohen Anforderungen von Art. 13 Abs. 7 GG gerechtfertigt sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist dann gewahrt, wenn der Zweck des Betretungs- und Besichtigungsrechts der jeweiligen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage eindeutig entnommen werden kann, die Maßnahme zur Erreichung dieses Zweckes erforderlich ist, die Räume des Grundrechtsträgers nur zu Zeiten betreten werden, zu welchen sie zur Ausübung der geschäftlichen Tätigkeit bestimmt sind und dieser zuvor informiert wird.28 Unter diesen Voraussetzungen wären auch Betretungs- und Besichtigungsrechte zur Überwachung eines Besuchsverbot für Pharmareferenten mit dem Schutz der Wohnung vereinbar. 5.3. Vereinbarkeit mit der Berufsfreiheit der Ärzte, Art. 12 GG und Art. 2 Abs. 1 GG Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Ärzte wäre wohl mit den oben unter Punkt 3.1 dargelegten Argumenten zumindest für sozialrechtlich zugelassene Ärzte, die ihre Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse abrechnen, gerechtfertigt. 6. Vereinbarkeit eines Besuchsverbots für Pharmareferenten mit europäischem Recht Der deutsche Gesetzgeber könnte ein Besuchsverbot für Pharmavertreter jedoch nur gesetzlich regeln, wenn dieses nicht durch Europarecht ausgeschlossen ist. 6.1. Vereinbarkeit eines Besuchsverbots mit Richtlinie 2001/83/EG Die werbliche Tätigkeit von Arzneimittelvertretern ist unionsrechtlich insbesondere durch Richtlinie 2001/83/EG29 (im Folgenden: Richtlinie) geregelt. Der deutsche Gesetzgeber kann ein Besuchsverbot für Pharmavertreter nur erlassen, soweit diese Richtlinie den Mitgliedsstaaten einen eigenen Handlungsspielraum belässt. Wie der Fachbereich Europa (PE 6) geprüft hat, lässt sich diese Frage nicht eindeutig beantworten.30 Soweit man wie der Fachbereich Europa zu der Auffassung gelangt, die besseren Argumente sprächen dafür, dass die Richtlinie 2001/83/EG auch Vorgaben für die grundsätzliche Zulässigkeit für Besuche von Pharmareferenten macht und diesen Bereich vollharmonisiert, besteht für den deutschen Gesetzgeber kein Handlungsspielraum. 25 Kunig (Fn. 24), Art. 13, Rn. 58; vgl. BVerfGE 32, 54 (75). 26 BVerfG, NVwZ 2007, 1049f.; Kunig (Fn. 24), Art. 13, Rn. 58 f. 27 Kunig (Fn. 24), Art. 13, Rn. 59. 28 Kunig (Fn. 24), Art. 13, Rn. 59. 29 Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. Nr. L 311 S. 67, ber. ABl. 2003 Nr. L 302 S. 40), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndRL 2012/26/EU vom 25. 10. 2012 (ABl. Nr. L 299 S. 1). 30 Ausführlich zum Ganzen Rathke, Unionsrechtliche Zulässigkeit eines Werbeverbots für Arzneimittelvertreter in Arztpraxen, Unterabteilung Europa des Deutschen Bundestages, PE 6 – 3000 – 009/13, 2013, S. 4 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 002/13 Seite 10 Soweit man der gegenteiligen Auffassung folgt, wäre dem deutschen Gesetzgeber ein Handlungsspielraum eröffnet; allerdings müssten seine Maßnahmen mit europäischem Primärrecht übereinstimmen . 6.2. Vereinbarkeit mit den europarechtlich garantierten Grundfreiheiten und Grundrechte Soweit ein Handlungsspielraum eröffnet ist, dürfte das Besuchsverbot nicht gegen die Grundfreiheiten – insbesondere die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) und die Berufsfreiheit (Art. 15 Charta der Grundrechte der EU) – verstoßen. Hierzu wird auf die Ausarbeitung des Fachbereichs Europa (PE 6) verwiesen.31 7. Ergebnis Ein Besuchsverbot für Pharmareferenten bei Ärzten ließe sich wohl durch ein Bundesgesetz verfassungskonform ausgestalten. Im Bereich der Gesundheitspolitik steht dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. In diesem Rahmen kann er wohl ein Besuchsverbot für Pharmareferenten bei sozialrechtlich zugelassenen Ärzten für geeignet und erforderlich halten, um die Verschreibung überteuerter oder medizinisch nicht notwendiger Arzneimittel zu vermindern und damit die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherungen zu erhalten. Ein Besuchsverbot griffe dann nur verhältnismäßig in die Berufsfreiheit der Pharmareferenten und der Ärzte ein, da es ihnen unbenommen bliebe, außerhalb der Praxisräume Informationsgespräche zu führen. Ob ein Besuchsverbot auch im Einklang mit Europarecht stünde, wird in einer Ausarbeitung des Fachbereichs Europa (PE 6) erörtert. 31 Unionsrechtliche Zulässigkeit eines Werbeverbots für Arzneimittelvertreter in Arztpraxen, Unterabteilung Europa des Deutschen Bundestages, PE 6 – 3000 – 009/13, 2013, S. 8 ff.