© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 001/17 Das deutsch-französische Tandem und die Herausforderungen der Flüchtlingskrise Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 001/17 Seite 2 Das deutsch-französische Tandem und die Herausforderungen der Flüchtlingskrise Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 001/17 Abschluss der Arbeit: 23.01.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 001/17 Seite 3 1. Herausforderungen der Flüchtlingskrise Zentrale Herausforderungen der Flüchtlingskrise sind die Steuerung der Migration sowie die Gewährleistung der Integration. Über welche Handlungsspielräume die nationalen Gesetzgeber der EU-Mitgliedstaaten insoweit zukünftig verfügen, hängt vom Ausgang der Reformbemühungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ab. Die Vorschläge der EU-Kommission zielen auf eine weitere Harmonisierung der Anerkennungs-, Aufnahme- und Verfahrensbedingungen, insbesondere um die Anreize für die Weiterreise in EU-Mitgliedstaaten mit günstigeren Asylbedingungen zu senken („Asyl-Shopping“, „Sekundärmigration“). Hinzu kommt die geplante Reform des Dublin- Zuständigkeitssystems, wonach u.a. ein Korrekturmechanismus zur Aufteilung der Verantwortung zwischen den EU-Mitgliedstaaten eingeführt werden soll. Einstweilen hat der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der sog. Asylpakete I und II sowie durch das Integrationsgesetz bedeutende konzeptionelle Weichenstellungen vorgenommen. 2. Konzeptionelle Weichenstellungen des deutschen Gesetzgebers 2.1. Bleibeperspektive Die Migrations- und Integrationsbedingungen wurden eng mit der Bleibeperspektive der Asylbewerber verknüpft. Zu den Asylbewerbern ohne gute Bleibeperspektive gehören insbesondere diejenigen aus sicheren Herkunftsstaaten. Für sie haben sich die Aufnahme- und Verfahrensbedingungen deutlich verschärft: Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten müssen für die Dauer des Asylverfahrens in der Erstaufnahmeeinrichtung wohnen, dürfen keine Erwerbstätigkeit ausüben und haben keinen Zugang zu Integrationsangeboten. Für Asylbewerber ohne gute Bleibeperspektive wurde darüber hinaus die Möglichkeit beschleunigter Asylverfahren geschaffen, die innerhalb von einer Woche durchzuführen sind und den Aufenthalt in besonderen Aufnahmeeinrichtungen vorsehen. Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive hingegen wurde der Zugang zu Integrationskursen , zur berufsbezogenen Deutschsprachförderung und zur Ausbildungsförderung eröffnet. Für sie stellt die Bundesagentur für Arbeit ferner Arbeitsgelegenheiten bereit („Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen “), die der Heranführung an den deutschen Arbeitsmarkt dienen sollen. Mit diesen Neuregelungen ist die Bedeutung der Einstufung von Drittstaaten als sichere Herkunftsstaaten stark gestiegen. Nach der Einstufung der Westbalkanstaaten als sichere Herkunftsstaaten im Oktober 2015 steht ein Beschluss des Bundesrates zur im Mai 2016 vom Bundestag beschlossenen Bestimmung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten aus. 2.2. „Fördern und Fordern" Das Integrationskonzept „Fördern und Fordern“ ist so ausgestaltet, dass es Integrationsangebote für Asylbewerber und asylrechtlich Schutzberechtigte einerseits ausweitet, ihre Wahrnehmung andererseits aber auch einfordert. Mit dem Integrationsgesetz wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, um im Einzelfall Teilnahmepflichten an Integrationskursen und Arbeitsgelegenheiten zu begründen und die Nichtteilnahme mit Leistungskürzungen zu sanktionieren. Auch die Erteilung einer unbefristeten Niederlassungserlaubnis kommt für Asylberechtigte und Flüchtlinge nur dann in Betracht, wenn sie bestimmte Integrationsleistungen erbracht haben (z.B. hinreichende Deutschkenntnisse, überwiegende Unterhaltssicherung). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 001/17 Seite 4 Zum Integrationskonzept gehört ferner die Wohnsitzregelung. Sie verpflichtet asylrechtlich Schutzberechtigte dazu, für einen Zeitraum von drei Jahren ihren Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland und ggf. auch an einem bestimmten Ort zu nehmen. Ausnahmen von der Wohnsitzregelung gelten bei vorzuweisenden Integrationsleistungen (Aufnahme einer Beschäftigung, einer Berufsausbildung oder eines Studiums). Die Wohnsitzzuweisung an einen bestimmten Ort kommt insbesondere dann in Betracht, wenn dadurch eine angemessene Wohnraumversorgung, der Erwerb hinreichender mündlicher Deutschkenntnisse und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit erleichtert werden kann. Auf der anderen Seite kann auch der Zuzug an einen bestimmten Ort untersagt werden, um „soziale und gesellschaftlicher Ausgrenzung“ zu vermeiden („Zuzugssperre“). 2.3. Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten Mit dem Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren wurde der Familiennachzug zu Ausländern, die über eine international subsidiäre Schutzberechtigung nach § 4 Asylgesetz (AsylG) verfügen (z.B. Bürgerkriegsflüchtlinge), für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt. Regelungstechnisch erfolgte die Aussetzung des Familiennachzugs durch eine Übergangsvorschrift (§ 104 Abs. 13 Aufenthaltsgesetz – AufenthG). Diese sieht vor, dass der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten, die nach dem 17.3.2016 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, bis zum 16.3.2018 nicht gewährt wird. Dabei gilt die Aussetzung des Familiennachzugs auch für den Nachzug zu minderjährigen Kindern. Die Übergangsvorschrift enthält allerdings einen ausdrücklichen Hinweis auf die Anwendbarkeit der §§ 22, 23 AufenthG, nach denen eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen aus dem Ausland im Rahmen von Ermessensentscheidungen weiterhin möglich bleibt. 3. Probleme beim Vollzug der Ausreisepflicht Ein besonderes Problem stellt der Vollzug der Ausreisepflicht dar. Vielfach scheitern Abschiebungen – auch die von abgelehnten Asylbewerbern – an der mangelnden Bereitschaft der Herkunftsstaaten, bei der Aufnahme ihrer Staatsangehörigen zu kooperieren. Die Einstufung von Staaten als sichere Herkunftsstaaten berührt den Vollzug der Ausreisepflicht nicht. Nach geltender Rechtslage sind abgelehnte Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten jedoch unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet, bis zum Vollzug ihrer Ausreisepflicht in der für ihre Aufnahme zuständigen Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (§ 48 Abs. 1a S. 1 Asylgesetz). Soweit es um vollziehbar ausreisepflichtige Gefährder geht, plant die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Ausweitung der Abschiebungshaft. ***