Der rechtliche Status palästinensischer Flüchtlinge - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 2 - 219/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Der rechtliche Status palästinensischer Flüchtlinge Kurzinformation WD 2 - 219/06 Abschluss der Arbeit: 20.12.2006 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhalt Seite 1. Vorbemerkung 4 2. Internationale Regelungen zum Schutz von Flüchtlingen 4 3. Der rechtliche Status der palästinensischen Flüchtlinge 5 3.1. Die UNRWA 5 3.2. Anwendbarkeit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) auf palästinensische Flüchtlinge 6 3.3. Weitere Schutzvorschriften 7 4. Das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge 8 5. Die Aufnahme und die Integration palästinensischer Flüchtlinge in arabischen Nachbarstaaten 9 6. Einzelne Länderprofile 10 6.1. Jordanien 10 6.2. Syrien 11 6.3. Libanon 11 - 4 - 1. Vorbemerkung Das palästinensische Flüchtlingsproblem im Nahen Osten ist seit Jahrzehnten ungelöst. Die Situation der palästinensischen Flüchtlinge in den arabischen Nachbarstaaten ist dabei nicht ohne die Betrachtung der (völker-) rechtlichen Grundlagen zu beurteilen. In diesem Zusammenhang spielt insbesondere das von den Palästinensern geforderte „Rückkehrrecht“ eine wesentliche Rolle: Mit Blick auf dieses Rückkehrrecht erfolgt die Weigerung der arabischen Staaten, die palästinensischen Flüchtlinge vollständig in ihre jeweilige Gesellschaft zu integrieren, wodurch der unsichere Status der palästinensischen Flüchtlinge dauerhaft gefestigt wird. Daher befasst sich auch der erste Teil der Ausarbeitung insbesondere mit den Regelungen zum Schutz von Flüchtlingen, deren Anwendbarkeit auf die palästinensischen Flüchtlinge sowie mit dem Rückkehrrecht , während im zweiten Teil auf die faktische Aufnahme der Flüchtlinge in den arabischen Nachbarstaaten eingegangen wird. 2. Internationale Regelungen zum Schutz von Flüchtlingen Angesichts der Völkervertreibungen in Europa infolge des Zweiten Weltkrieges wurde die besondere Verletzlichkeit von Flüchtlingen deutlich.1 Deshalb wurde im Jahr 1951 das Amt des Hohen Flüchtlingskommissars (UNHCR) als Nebenorgan der Generalversammlung der Vereinten Nationen (VN) auf Grundlage des Art. 22 VN-Charta geschaffen . Dieser hat den Auftrag, Flüchtlinge zu schützen und dauerhafte Lösungen für sie zu finden.2 Seine Tätigkeit beruht auf einer Reihe völkerrechtlicher Verträge und Normen, darunter die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die vier Genfer Konventionen von 1949 zum humanitären Völkerrecht, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte sowie der Internationale Pakt über soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte von 1966. Das Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, die so genannte Genfer Flüchtlingskonvention (GFK)3, wurde am 28. Juli 1951 von der Generalversammlung verabschiedet und gehört mit 145 Vertragsstaaten4 zu den Kernelementen des internationalen Flüchtlingsrechts. Die Konvention definiert, wer als Flüchtling anzuerkennen ist und legt die Mindeststandards für die Behandlung von Flüchtlingen fest. Dazu zählen u.a. Religions- und Bewegungsfreiheit sowie das Recht zu arbeiten, das Recht auf Bildung 1 Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam. Im Internet unter: http://news.uni-potsdam.de/u/ mrz/stichw/ stichw9. htm. 2 Graf Vitzthum, Wolfgang, Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 2004, S. 172 Rn. 16. 3 BGBl. 1953 II, S. 560. 4 Unter anderem haben die USA, Mexiko, Indien und zahlreiche arabische Staaten die Genfer Flüchtlingskonvention bislang nicht ratifiziert. - 5 - und das Recht auf den Erhalt von Reisedokumenten. Von besonderer Bedeutung ist Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention. Er enthält das „Non-Refoulement-Prinzip“5, d.h. das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung eines Flüchtlings in Staaten, „in denen sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht sein würde“. Dagegen enthält die Konvention keinen Anspruch auf Asyl, sondern begründet nur die Pflicht der Staaten, das Vorbringen eines Asylbewerbers in einem objektiven und effektiven Verfahren zu prüfen und ihm während des Verfahrens ein vorläufiges Bleiberecht zu gewähren. Des Weiteren definiert sie auch Pflichten, die Flüchtlinge gegenüber ihrem Aufnahmeland zu erfüllen haben.6 Durch das Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge7 wurden u. a. die ursprünglichen zeitlichen und territorialen Beschränkungen des Anwendungsbereichs der Genfer Konvention aufgehoben.8 3. Der rechtliche Status der palästinensischen Flüchtlinge Die Situation der palästinensischen Flüchtlinge ist aufgrund der hohen Zahl der betroffenen Menschen sowie der lang anhaltenden Dauer des Problems in der Moderne einmalig. Die Palästinenser nehmen zudem im internationalen Flüchtlingsschutzsystem eine rechtliche Sonderstellung ein. 3.1. Die UNRWA Seit dem 1. Mai 1950 hat die „United Nations Relief and Work Agency“ (UNRWA) für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten ein Mandat9 zur materiellen Unterstützung all derjenigen, die 1948 ihre angestammten Gebiete im neu gegründeten Israel verlassen mussten und in den arabischen Nachbarstaaten Zuflucht suchten. UNRWA wurde infolge des Arabisch-Israelischen Krieges auf der Grundlage der Resolution 302 (IV) der VN-Generalversammlung vom 8. Dezember 1949 gegründet, um „in Zusammenarbeit mit den örtlichen Regierungen […] direkte Nothilfe- und Wiederaufbauprogramme [für palästinensische Flüchtlinge] durchzuführen“ und „mit den interessierten Regierungen im Nahen Osten Maßnahmen zu beraten, die diese ergreifen sollten, sofern internationa- 5 Das Non-Refoulement-Prinzip wird weithin als Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts anerkannt. Das bedeutet, dass auch Staaten, die der GFK nicht beigetreten sind, diesen Grundsatz zu beachten haben . 6 UNHCR. Im Internet unter: http://www.unhcr.org/home/RSDLEGAL/3ece3aa54.pdf; Menschenrechtszentrum der Universität Potsdam. Im Internet unter: http://www.uni-potsdam.de/u/mrz/stichw/stichw 9.htm. 7 BGBl. 1969 II, S. 1294. 8 Vereinte Nationen. UNCHR. Im Internet unter: http://www.unhcr.de/unhcr.php/aid/169. 9 Das aktuelle Mandat läuft bis zum 30. Juni 2008. Aufgrund der anhaltenden Notlage der palästinensischen Bevölkerung wird es alle 3 Jahre erneuert. - 6 - le Hilfe nicht mehr zur Verfügung steht“.10 Der Tätigkeitsbereich der UNRWA erstreckt sich geographisch auf die Gebiete des Gazastreifens und des Westjordanlandes (West Bank) sowie auf die Staaten Jordanien, Libanon und Syrien. Das Gebiet der von UN- RWA betreuten Flüchtlingslager wird ihnen von den jeweiligen Gastländern zur Verfügung gestellt. Es handelt sich dabei immer um staatlichen Besitz, wobei in der Regel Grundstücke von UNRWA geleast werden. Weder die UNRWA noch die Bewohner der Lager sind eigentumsberechtigt.11 Die UNRWA erkennt als hilfsberechtigte palästinensische Flüchtlinge Personen an, „deren Wohnort Palästina in dem Zeitraum vom 1. Juni 1946 bis 15. Mai 1948 war und die infolge des 1948er Konfliktes sowohl ihr Zuhause als auch ihren Lebensunterhalt verloren haben“. Die Anerkennung erstreckt sich auch auf die Nachkommen der registrierten Flüchtlinge.12 Nach offiziellen Angaben der UN- RWA gibt es derzeit 4.375.050 registrierte palästinensische Flüchtlinge.13 Palästinenser, die in anderen Staaten, beispielsweise in Ägypten, Irak oder Kuwait leben, unterstehen dagegen nicht dem Schutz der UNRWA.14 3.2. Anwendbarkeit der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) auf palästinensische Flüchtlinge Soweit und solange ein palästinensischer Flüchtling durch UNRWA betreut wird, genießt er nicht die Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention. Dies ergibt sich aus der Ausschlussklausel des Art. 1 D Satz 1 GFK, die wie folgt lautet: „Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der VN mit Ausnahme des Hohen Flüchtlingskommissars der VN genießen.“ Gemäß Art. 1 D Satz 2 GFK fallen jedoch diejenigen Palästinenser unter die Bestimmungen der GFK, die zuvor unter der Betreuung der UNRWA standen, wenn dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grund weggefallen ist.15 So ist der UNHCR ist der Auffassung, dass „ein Palästinenser ohne weiteres als Konventionsflüchtling im Sinne des Art. 1 D S. 2 GFK anzusehen ist, wenn ihm eine Rückkehr in das UNRWA-Mandatsgebiet endgültig verwehrt wird“. Einer Prüfung der Voraussetzungen des Art. 1 A Nr. 2 GFK bedürfe es im Fall einer Rückkehrverweigerung zur Begründung des Konventionsflüchtlingsstatus nicht, da – wie auch das Bun- 10 Vgl. GA Res. 302 (IV) v. 8. Dezember 1949, Ziff. 7. 11 , Die palästinensischen Flüchtlingslager im Nahen Osten, WD 2 - 174/06, Sachstand v. 9. Oktober 2006, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Berlin, S. 9. 12 Vereinte Nationen. UNCHR. Im Internet unter: http://www.unhcr.de/unhcr. php/cat/32/aid/1256. 13 Stand: März 2006. 14 , Die palästinensischen Flüchtlingslager im Nahen Osten, WD 2 - 174/06, Sachstand v. 9. Oktober 2006, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Berlin, S. 9. 15 Art. 1 D Satz 2 GFK lautet: „Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grund weggefallen , ohne dass das Schicksal dieser Personen endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso iure unter die Bestimmungen dieses Abkommens.“ - 7 - desverwaltungsgericht in einer Grundsatzentscheidung16 anerkannt hat – Art. 1 D S. 2 GFK eine eigenständige Anwendungsklausel darstelle.17 Hält sich ein palästinensischer Flüchtling außerhalb der Einsatzgebiete von UNRWA auf, kann er sich folglich auf die Rechte der Genfer Flüchtlingskonvention berufen, sofern sein Aufenthaltsstaat der Konvention beigetreten ist und er die entsprechende Flüchtlingseigenschaft i.S.d. Art. 1 A GFK erfüllt.18 In allen anderen Fällen haben Palästinenser keinen Flüchtlingsstatus und gelten als Staatenlose. Nach Ansicht des UNHCR unterstehen zwei Gruppen von palästinensischen Flüchtlingen dem UNRWA-Mandat und fallen folglich unter die Ausschlussklausel des Art. 1 D S. 1 GFK: 1. Palästinensische Flüchtlinge im Sinne der Resolution 194 (III) der VN- Generalversammlung vom 11. Dezember 1948, die aus dem Teil Palästinas , der später den Staat Israel bildete, „vertrieben“ wurden und die bisher nicht in das Gebiet zurückkehren konnten.19 2. Palästinenser, die „vertriebene Personen“ im Sinne der Resolution 2252 (ES-V) der VN-Generalversammlung vom 4. Juli 1967 sind und die bisher nicht in die seit 1967 von Israel besetzten Gebiete zurückkehren konnten.20 3.3. Weitere Schutzvorschriften Weitere einschlägige Vorschriften, die den Status palästinensischer Flüchtlinge betreffen , finden sich in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (1948), im Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen (1954), im Pakt über bürgerliche und politische Rechte (1966) sowie im Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1966). Diese völkerrechtlichen Dokumente beinhalten menschenrechtliche Standards, die auch für die Behandlung palästinensischer Flüchtlinge gelten. Obwohl die meisten arabischen Aufnahmestaaten die Konventionen ratifiziert haben, mangelt es 16 BVerwG, Urteil v. 4. Juni 1991, NVwZ 1992, S. 180 ff. 17 Vereinte Nationen. UNCHR. Im Internet unter: http://www.unhcr.de/unhcr. php/cat/32/aid/1256. 18 Von den arabischen (Haupt-)Aufnahmestaaten hat lediglich Ägypten die GFK ratifiziert. Für die palästinensischen Flüchtlinge in Nichtunterzeichnerstaaten gelten somit nur die Bestimmungen, die völkergewohnheitsrechtliche Geltung beanspruchen. 19 Vgl. auch die VN-Resolution der Generalversammlung 3236 (XXIX) v. 22. November 1974. 20 Vereinte Nationen. UNHCR. Im Internet unter: http://www.unhcr.org/publ/RSDLEGAL/3dca83437. pdf. - 8 - häufig an der Einhaltung bzw. Umsetzung der Bestimmungen in das jeweilige nationale Recht.21 Ein Recht auf Staatsangehörigkeit oder Einbürgerung ist im Völkerrecht nur schwach verankert. Zwar findet sich eine solche Vorschrift in Art. 15 Abs. 1 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, diese ist jedoch rechtlich nicht verbindlich.22 4. Das Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge Die Frage des Rückkehrrechts ist von zentraler Bedeutung, da sie den Umgang der arabischen Nachbarstaaten mit den palästinensischen Flüchtlingen wesentlich beeinflusst. Die offizielle palästinensische Forderung eines Rückkehrrechtes für die Flüchtlinge ist im Nahostfriedensprozess immer wieder ausgeklammert worden. Trotzdem gilt das Rückkehrrecht nach wie vor als eine der Schlüsselfragen für eine dauerhafte Lösung der Situation im Nahen Osten. Ob ein solches Rückkehrrecht existiert bzw. aus welchen (völker-) rechtlichen Grundlagen es sich ableiten lässt, ist umstritten. Als wichtigste „Rechtsquelle“ im Zusammenhang mit dem Recht der Palästinenser auf Rückkehr in die Heimat wird die Resolution 194 (III) der VN-Generalversammlung vom 11. Dezember 1948 angesehen. Unter Punkt 11 heißt es dort: Die Generalversammlung „beschließt, dass den Flüchtlingen, die zu ihren Heimstätten zurückkehren und mit ihren Nachbarn in Frieden leben möchten, dies zum frühest möglichen Datum gewährt werden sollte, und dass denjenigen, die sich entscheiden, nicht zurückzukehren, für ihr Eigentum Entschädigung gezahlt werden sollte“. Außerdem „sollte für Verlust oder Schaden an Eigentum , gemäß den Grundsätzen des Völkerrechts oder nach Billigkeit, durch die verantwortlichen Regierungen oder Behörden Wiedergutmachung geleistet werden“.23 Der Abschnitt, der sich ausdrücklich auf die Rückkehr bezieht, ist jedoch unscharf formuliert . Ein Bezug zum Völkerrecht wird allein bei der Formulierung des Anspruches auf Entschädigung hergestellt. Zuletzt bekräftigte die Generalversammlung in ihrer Resolution 56/54 vom 10. Dezember 2001 „das Recht aller infolge der Feindseligkeiten vom Juni 1967 und späteren Feindseligkeiten vertriebenen Personen auf Rückkehr an ihre Heimstätten oder früheren Wohnorte in den seit 1967 von Israel besetzten Gebieten“ und äußerte die Hoffnung, dass „die Rückkehr der vertriebenen Personen beschleunigt wird“. 21 Palestinian Diaspora and Refugee Centre. Im Internet unter: http://www.shaml.org/publication/monos/ mono1.htm. 22 Das Recht auf Staatsangehörigkeit ist, mangels übereinstimmender gemeinsamer Rechtsüberzeugung einer Vielzahl von Staaten sowie lang anhaltender Übung, noch nicht in völkergewohnheitsrechtliche Geltung erwachsen. Vgl. dazu Graf Vitzthum, Wolfgang, Völkerrecht, 3. Aufl., Berlin 2004, S. 72 ff. Rn 131 ff. sowie S. 196 ff Rn. 99 ff. 23 Vgl. GA Res. 194 (III) v. 11. Dezember 1948, Ziff. 11. - 9 - Auch wenn Resolutionen der Generalversammlung grundsätzlich die Rechtsüberzeugung der an der Abstimmung beteiligten Staaten widerspiegeln und bei entsprechender Staatenpraxis zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht beitragen können, sind sie völkerrechtlich nicht verbindlich und haben lediglich empfehlenden Charakter (vgl. Art. 13 f. VN-Charta).24 Die rechtsverbindliche Resolution 242 des Sicherheitsrates vom 22. November 1967 betont zwar, dass weiterhin die Notwendigkeit [...] besteht, „eine gerechte Beilegung des Flüchtlingsproblems zu erzielen“, ohne jedoch weiter auszuführen, durch welche speziellen Maßnahmen dies zu erfolgen hat.25 5. Die Aufnahme und die Integration palästinensischer Flüchtlinge in arabischen Nachbarstaaten Die tatsächliche Situation der palästinensischen Flüchtlinge hängt weniger von ihrem rechtlichen Status, als vielmehr von der Praxis der arabischen Aufnahmeländer ab, in denen sie leben. In einem engen Zusammenhang mit der palästinensischen Forderung nach Umsetzung des „Rückkehrrechts“ steht auch die Weigerung vieler arabischer Staaten , ihre Flüchtlinge vollständig in die Gesellschaft zu integrieren. Den Flüchtlingen wird in ihren Gastländern oft nur ein „humanitäres Aufenthaltsrecht“, aber keine Anerkennung als Flüchtlinge gewährt.26 Die meisten arabischen Staaten, darunter Ägypten, Libanon, Syrien und Irak, stellen den palästinensischen Flüchtlingen spezielle Flüchtlingsdokumente aus, die, abhängig von den jeweiligen innerstaatlichen Konditionen, alle 6 Monate bis 3 Jahre erneuert werden müssen.27 Diese zwei gegensätzlichen Prinzipen der arabischen Staaten, einerseits Solidarität gegenüber den palästinensischen Flüchtlingen zu zeigen, andererseits die vollständige Integration der Flüchtlinge abzulehnen, finden sich auch im Casablanca Protokoll wieder, das die Liga der Arabischen Staaten im Jahr 1964 verabschiedete. Darin wird den palästinensischen Flüchtlingen u.a. ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, das Recht zu arbeiten sowie das Recht auf Freizügigkeit eingeräumt, ohne sie jedoch mit den eigenen Staats- 24 Schaller, Christian, Notstandsresolutionen gegen Blockaden im Sicherheitsrat. Die Arafat-Resolution der UN-Generalversammlung, SWP-aktuell 37/2003, 4 S., Berlin, S. 3. 25 Vgl. Resolution des Sicherheitsrates 242 v. 22. November 1967, Ziff. 2b; Gesellschaft für bedrohte Völker. Die Genfer Initiative und das Rückkehrrecht der Palästina-Flüchtlinge, Dokumentation, Bern, November 2004, S. 28. Die Aussagen dieser Resolution werden durch die Resolution 338 v.22. Oktober 1973 bekräftigt. 26 Gesellschaft für bedrohte Völker. Die Genfer Initiative und das Rückkehrrecht der Palästina- Flüchtlinge, Dokumentation, Bern, November 2004, S. 26. 27 Palestinian Diaspora and Refugee Centre. Im Internet unter: http://www.shaml.org/publication/monos/ mono1.htm. - 10 - bürgern gleichzustellen. Allerdings findet das Protokoll nicht in allen Staaten uneingeschränkte Anwendung, insbesondere aufgrund fehlender innerstaatlicher Umsetzung.28 Es lässt sich mithin festhalten, dass eine Integration der palästinensischen Flüchtlunge in die Gesellschaft der Gastländer nur sehr eingeschränkt stattfindet und qualitativ zwischen den einzelnen Staaten differiert, in denen sich Flüchtlingslager befinden. 6. Einzelne Länderprofile Abschließend soll insbesondere auf die rechtliche Situation palästinensischer Flüchtlinge in einigen ausgewählten arabischen Aufnahmestaaten eingegangen werden.29 6.1. Jordanien Die Palästinenser sind heute in Jordanien im Vergleich zu den anderen Drittstaaten, in denen UNRWA-Lager existieren, relativ gut integriert. Der Großteil der palästinensischen Flüchtlinge besitzt die jordanische Staatsbürgerschaft, inklusive des aktiven und passiven Wahlrechtes. Diese Regelung gilt allerdings nicht für die ca. 100.000 Flüchtlinge , die ursprünglich aus dem Gazastreifen stammen. Sie können auf zwei Jahre befristete Pässe beantragen, haben aber kein Wahlrecht. Nach den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Freischärlern (PLO-Milizen) und der jordanischen Armee im Jahre 1970 verschlechterte sich die Integration der Palästinenser in den kommenden Jahrzehnten. Erst nachdem die PLO ihr Hauptquartier in den Libanon verlegt hatte und Jassir Arafat über Ägypten nach Beirut geflohen war, beruhigte sich die Situation im Verhältnis zwischen dem jordanischen Staat und den dort lebenden palästinensischen Flüchtlingen wieder.30 Die Regelung der palästinensischen Flüchtlingsfrage ist für Jordanien von besonderer Bedeutung, da über die Hälfte der jordanischen Bevölkerung palästinensischer Herkunft ist. Das Auswärtige Amt weist zudem darauf hin, dass „jede durch die israelische Besetzung oder den Bau der Sperranlage im Westjordanland und um Jerusalem bewirkte weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage im Westjordanland in Jordanien zu 28 Einschränkungen sind speziell beim Recht auf Arbeit zu finden. Vgl. die stark eingeschränkte Berufswahl im Libanon. Generaldelegation Palästinas in der Bundesrepublik Deutschland. Im Internet unter: http://www.palaestina.org/politik/offene_fragen/fluechtlinge.php; Palestinian Diaspora and Refugee Centre. Im Internet unter: http://www.shaml.org/publication/monos/ mono1.htm. 29 Es ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass sich der Sachstand „Die Palästinensischen Flüchtlingslager im Nahen Osten“ mit der tatsächlichen Situation der in den von der UNRWA betreuten Flüchtlingslagern lebenden Palästinensern auseinandersetzt. In der Monographie „The Status of Palestinian Refugees in International Law“ von Takkenberg wird zudem detailliert die Aufnahme palästinensischer Flüchtlinge in den einzelnen arabischen Nachbarstaaten seit 1948 dargestellt. 30 , Die palästinensischen Flüchtlingslager im Nahen Osten, WD 2 - 174/06, Sachstand v. 9. Oktober 2006, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Berlin S. 11. - 11 - Sorge vor weiteren palästinensischen Flüchtlingen führt, die das politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Gefüge des Staates überfordern könnten“.31 6.2. Syrien In Syrien leben etwa eine halbe Million registrierter palästinensischer Flüchtlinge, die mit Ausnahme des Wahlrechts nahezu sämtliche Bürgerrechte besitzen und Zugang zu öffentlichen Schulen, Universitäten sowie Berufen haben. Syrien ist der einzige arabische Staat, der palästinensische Flüchtlinge in seine Armee einberuft. Trotz der Einräumung nahezu sämtlicher Bürgerrechte können die palästinensischen Flüchtlinge in der Regel nicht die syrische Staatsangehörigkeit erwerben.32 6.3. Libanon Die Folgen des Bürgerkrieges bleiben im palästinensisch-libanesischen Verhältnis bis heute erkennbar. Das Leben der 405.425 registrierten Flüchtlinge ist von zahlreichen gesetzlichen Einschränkungen geprägt. Sie erhalten vom Staat de facto keine Sozialleistungen und benötigen spezielle Aus- und Einreisedokumente (Visa), um den Staat vorübergehend verlassen zu können. Auch bei der Berufswahl bestehen zahlreiche Beschränkungen , da die palästinensischen Flüchtlinge eine Arbeitserlaubnis des Nationalen Wirtschaftsministeriums benötigen, um gesetzliche Vergütungen erhalten zu können oder um bestimmte Berufe (z.B. Arzt, Anwalt, Selbstständiger in der Industrie) ausüben zu dürfen. Die meisten der palästinensischen Flüchtlinge leben am Rande der libanesischen Gesellschaft und werden weitgehend als Staatenlose behandelt.33 Für Libanon ist die Regelung der Flüchtlingsfrage ein wichtiges Anliegen. Der Staat betreibt eine aktive Politik der Nicht-Integration palästinensischer Flüchtlinge – auch um das Gleichgewicht zwischen den libanesischen Religionsgemeinschaften nicht zu stören – und besteht auf deren Rückkehr im Rahmen einer umfassenden Friedenslösung .34 31 Auswärtiges Amt. Länderinformation: Jordanien. Im Internet unter: http://www.auswaertiges-amt.de/ diplo/de/Laenderinformationen/Jordanien/Aussenpolitik.html. 32 Takkenberg, Lex, The Status of Palestinian Refugees in International Law, Oxford 1998, S. 168. 33 Takkenberg, Lex, The Status of Palestinian Refugees in International Law, Oxford 1998, S. 162 ff. 34 Auswärtiges Amt. Länderinformation: Libanon. Im Internet unter: http://www.auswaertiges-amt.de/ diplo/de/Laenderinformationen/Libanon/Aussenpolitik.html. - 12 - Anlagen (2006): Die Palästinensischen Flüchtlingslager im Nahen Osten, Sachstand WD 2 - 174/06 vom 9. Oktober 2006, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Berlin. – Anlage 1 – Takkenberg, Lex (1998): The Status of Palestinian Refugees in international Law, Oxford . [M 564418] – Anlage 2 – (auszugsweise)