Deutscher Bundestag Architektur für Sicherheit und Kooperation in Afrika Infobrief Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 2 – 3010 – 195/10 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 2 Architektur für Sicherheit und Kooperation in Afrika Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 – 3010 – 195/10 Abschluss der Arbeit: 1. Dezember 2010 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Sicherheitsarchitektur und Integration 4 2.1. Afrikanische Union 4 2.2. Regionale Organisationen 7 3. Politische Kooperation 9 4. Zusammenfassung 11 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 4 1. Einleitung Das Sachstandspapier stellt die aktuelle Sicherheitsarchitektur der „Afrikanischen Union“ ebenso vor wie wesentliche regionale Organisationen und schließt mit der Beschreibung des Beziehungsgeflechts zur Europäischen Union. 2. Sicherheitsarchitektur und Integration Zur Untermauerung der Loslösung von den Kolonialmächten wurde 1966 in Afrika die „Organisation Afrikanischer Einheit“ (OAU – „Organization of African Unity“) geschaffen. 36 Jahre später wurde diese durch die „Afrikanische Union“ (AU – „African Union“) abgelöst. Sie umfasst 53 der 54 Staaten des Kontinents und orientiert sich institutionell unter anderem an der Europäischen Union. Marokko ist „wegen des Konflikts um die von vielen Staaten nicht anerkannte Demokratische Arabische Republik Sahara“1 bisher noch kein Mitgliedsstaat. Die Bemühungen der Afrikanischen Union nach einer Sicherheitsarchitektur für den und Integration auf dem Kontinent werden ergänzt durch ihre Koordination von Aktivitäten einiger regionaler Organisationen. Diese definierten sich ursprünglich primär als Wirtschaftsgemeinschaften, gewinnen aber zunehmend auch in sicherheitspolitischen Fragen an Bedeutung. 2.1. Afrikanische Union Während in der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) ein Nicht-Interventions-Prinzip galt, behält sich die Afrikanische Union militärische Interventionen in Fällen von Kriegsverbrechen , Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.2 Darüber hinaus wird das Prinzip „Gute Regierungsführung“ als „Grundvoraussetzung für nachhaltige Entwicklung, Sicherheit und Armutsbekämpfung“3 angesehen. Vor diesem Hintergrund könnten verfassungswidrige Regierungswechsel auch zu Suspendierungen von Mitgliedschaftsrechten führen.4 1 Auswärtiges Amt. „Die Afrikanische Union“, http://www.auswaertigesamt .de/diplo/de/Aussenpolitik/RegionaleSchwerpunkte/Afrika/Afrikanische__Union.html [14.10.2010]. 2 African Union. „Constitutive Act oft he African Union“, Artikel 4 (h): “The right of the Union to intervene in a Member State pursuant to a decision of the Assembly in respect of grave circumstances, namely: war crimes, genocide and crimes against humanity.” http://www.africa-union.org/root/au/AboutAu/Constitutive_Act_en.htm [14.10.2010]. 3 Wolf Kinzel, Stiftung Wissenschaft und Politik (2008). „Die African Standby Force der Afrikanischen Union“, Seite 8, http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=5122 [14.10.2010]. 4 Zurzeit sind Mitgliedschaftsrechte suspendiert von: Niger, Guinea und Madagaskar. Vgl. BT-Drucksache 17/2833 vom 01.09.2010, Seite 33. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 5 „Vision“ der Afrikanischen Union ist vorrangig die Stärkung von Solidarität und Einigkeit, eine beschleunigte politische und sozio-ökonomische Integration des Kontinents sowie die Förderung von Frieden, Sicherheit und Stabilität.5 Zur Umsetzung dieser Vision hat sich die Afrikanische Union 14 „Ziele“ gesetzt, zu denen u.a. Bürger- und Menschenrechte sowie Demokratisierung und internationale Kooperationen gehören .6 Die Afrikanische Union hat für die Umsetzung zahlreiche Organe eingerichtet, die institutionell stark am Vorbild der Europäischen Union angelehnt sind.7 Hervorzuheben sind u.a.: 5 “The Vision of the AU: The AU is Africa's premier institution and principal organization for the promotion of accelerated socioeconomic integration of the continent, which will lead to greater unity and solidarity between African countries and peoples. The AU is based on the common vision of a united and strong Africa and on the need to build a partnership between governments and all segments of civil society, in particular women, youth and the private sector, in order to strengthen solidarity and cohesion amongst the peoples of Africa. As a continental organization it focuses on the promotion of peace, security and stability on the continent as a prerequisite for the implementation of the development and integration agenda of the Union.” “The Objectives of the AU: To achieve greater unity and solidarity between the African countries and the peoples of Africa; To defend the sovereignty, territorial integrity and independence of its Member States; To accelerate the political and socio-economic integration of the continent; To promote and defend African common positions on issues of interest to the continent and its peoples; To encourage international cooperation, taking due account of the Charter of the United Nations and the Universal Declaration of Human Rights; To promote peace, security, and stability on the continent; To promote democratic principles and institutions, popular participation and good governance; To promote and protect human and peoples' rights in accordance with the African Charter on Human and Peoples' Rights and other relevant human rights instruments; To establish the necessary conditions which enable the continent to play its rightful role in the global economy and in international negotiations; To promote sustainable development at the economic, social and cultural levels as well as the integration of African economies; To promote co-operation in all fields of human activity to raise the living standards of African peoples; To coordinate and harmonize the policies between the existing and future Regional Economic Communities for the gradual attainment of the objectives of the Union; To advance the development of the continent by promoting research in all fields, in particular in science and technology; To work with relevant international partners in the eradication of preventable diseases and the promotion of good health on the continent.” African Union. „African Union in a nutshell”, http://www.africa-union.org/root/au/AboutAu/au_in_a_nutshell_en.htm [14.10.2010]. 6 Siehe Fußnote 5. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 6 Versammlung der Staats- und Regierungschefs („Assembly“): Sie ist das oberste Organ der Afrikanischen Union und vergleichbar mit dem „Europäischen Rat“ der Europäischen Union. Die Versammlung tagt wenigstens ein Mal pro Jahr unter jährlich wechselndem Vorsitz und fasst Beschlüsse, im Gegensatz zum Europäischen Rat mit Zweidrittelmehrheit. Exekutivrat („Executive Council“): Er besteht in der Regel aus den Außenministern der Mitgliedsländer und bereitet Treffen der Staats- und Regierungschefs vor. Er tagt mindestens halbjährlich und ist vergleichbar mit dem „Ministerrat“ der Europäischen Union. Kommission („Commission“): Sie umfasst acht Kommissare, die alle vier Jahre von der Versammlung gewählt werden. Sie fungiert vorrangig als zentrales Sekretariat der Afrikanischen Union und bleibt somit hinter den Befugnissen der „Europäischen Kommission“ zurück. Friedens- und Sicherheitsrat (PSC – „Peace and Security Council“): Ihm gehören 15 rotierende Mitglieder an. Er ist ein operatives Gremium mit weitreichenden Kompetenzen in Bezug auf Frieden und Sicherheit und orientiert sich am Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Pan-Afrikanisches Parlament (PAP - „Pan-African Parliament“): Es hat 265 Abgeordnete, die von den Parlamenten der Mitgliedsstaaten alle fünf Jahre gewählt werden. Es hat beratende und kontrollierende Funktionen. Wirtschafts-, Sozial- und Kulturrat (ECOSOCC – „Economic, Social and Cultural Council“): Er besteht aus 150 Mitgliedern der Zivilgesellschaft und ist ein beratendes Organ. Im Weiteren sind der Afrikanische Gerichtshof („Court of Justice“) für Menschenrechte8 sowie als Finanzinstitutionen die Zentralbank („African Central Bank“), die Investmentbank („African Investment Bank“) und der Währungsfonds („African Monetary Fund“) zu erwähnen . Die „Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung“ (NEPAD – „New Partnership for Africa‘s Development “), die ebenfalls Bestandteil der Afrikanische Union ist, stellt eines der wichtigsten Programme für die wirtschaftliche Entwicklung des Kontinents dar und zielt auf die sozioökonomische Integration Afrikas.9 Das Programm beinhaltet u.a. ein freiwilliges Verfahren gegenseitiger Beurteilung von „Guter Regierungsführung“ (APRM - „African Peer Review Mecha- 7 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2005). „Prinzipien, Ziele und Institutionen der Afrikanischen Union“, http://www.bpb.de/themen/V1Y7UH,1,0,Prinzipien_Ziele_und_Institutionen_der_Afrikanischen_Union.html [14.10.2010]. 8 Zum Thema „Internationale Menschenrechtsgerichte“ siehe auch Wissenschaftlicher Dienst, Deutscher Bundestag, Aktueller Begriff Nr. 50/09 vom 23. Juni 2009. 9 Nähere Angaben dazu auf den Internetseiten der „NEPAD Planungs- und Koordinationsagentur“ unter der URL: http://www.nepad.org/ [14.10.2010]. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 7 nism“). Laut Bundeszentrale für politische Bildung folgt APRM auch dem Vorbild der „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ (OECD).10 Die Afrikanische Union hat Grundlagen für eine „Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur “ (APSA – „African Peace and Security Architecture“) geschaffen. Hierzu zählen u.a. eine „Gemeinsame Afrikanische Verteidigungs- und Sicherheitspolitik“ (CADSP – „Common African Defence and Security Policy“), die auf der „Solemn Declaration on a Common African Defence and Security Policy“11 basiert. Zentrales Organ der „Gemeinsamen Afrikanischen Verteidigungsund Sicherheitspolitik“ ist der „Friedens- und Sicherheitsrat“ (PSC). Unterstützt wird er zum einen von einem „Rat der Weisen“ (POW – „Panel of the Wise“), der aus fünf hochgeachteten afrikanischen Persönlichkeiten besteht und Vermittlerfunktionen wahrnehmen soll, und zum anderen von einem Militärstab (MSC – „Military Staff Committee“). Zur Umsetzung von Beschlüssen sind „Afrikanische Bereitschaftskräfte“ (ASF – „African Standby Forces“) in „jeder der fünf Regionen (Nord-, Ost-, Südliches-, West- und Zentralafrika)“ mit „je einer Brigade von etwa 3.000 bis 5.000 Soldaten für Friedensmissionen“12 vorgesehen. Die „Afrikanischen Bereitschaftskräfte “ sollen gemäß Kapitel VI der Charta der Vereinten Nationen für die „Friedliche Beilegung von Streitigkeiten“ eingesetzt werden. Ein System der frühzeitigen Erkennung von Krisen und Konflikten auf dem Kontinent (CEWS – „Continental Early Warning System“) soll eingerichtet werden. Die „Afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur“ ist nach Auffassung der Bundesregierung „wesentliches und bisher am besten ausgebildetes Element“13 der Afrikanischen Union. 2.2. Regionale Organisationen Die Afrikanische Union koordiniert Aktivitäten der nachfolgend aufgeführten regionalen Organisationen 14, „die die politische und wirtschaftliche Integration vorantreiben sollen“ und „heute als 10 Vgl. dazu Fußnote 7. 11 African Union. „ Solemn Declaration on a Common African Defence and Security Policy”, http://www.africaunion .org/News_Events/2ND%20EX%20ASSEMBLY/Declaration%20on%20a%20Comm.Af%20Def%20Sec.pdf [14.10.2010]. 12 Siehe Fußnote 3. 13 BT-Drucksache 17/2833 vom 01.09.2010, Seite 32. 14 Auf folgende zwei Regionalorganisationen, die ebenfalls von der Afrikanischen Union koordiniert werden, wird im Sachstandspapier nicht weiter eingegangen: „Communauté des Etats Sahélo-Sahariens“ (CEN-SAD), „Common Market for Eastern and Southern Africa“ (COMESA). Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 8 Bindeglied zwischen den panafrikanischen Prozessen („Neue Partnerschaft für Afrikas Entwicklung “ und Afrikanische Union) und der nationalen Ebene“15 stehen: Nordafrika: die „Arabische Maghreb Union“ (AMU – „Arab Maghreb Union“) hat fünf Mitgliedsstaaten 16; Ägypten ist noch nicht beigetreten. Bislang existiert dort keine Brigade der „African Standby Forces“, obwohl diese in Planung ist. Westafrika: die „Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft“ (ECOWAS – „Economic Community of West African States“) vereint alle 15 Mitgliedsstaaten17 der Region und verfügt bereits über „African Standby Forces“. Laut „German Institute of Global and Area Studies“ (GI- GA) ist ECOWAS „aus sicherheitspolitischer Sicht die am weitesten entwickelte Regionalorganisation in Afrika.“18 Ostafrika: keine der beiden nachfolgend aufgeführten regionalen Organisationen vereint alle Staaten der Region. Die „Zwischenstaatliche Behörde für Entwicklung“ (IGAD – „Intergovernmental Authority on Development“) hat sieben Mitgliedsstaaten.19 Sie wurde von der Afrikanischen Union als verantwortlich für die Streitkräfte der „African Standby Forces“ in Ostafrika bestimmt, hat aber aufgrund interner Streitigkeiten Probleme bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe.20 Die „Ostafrikanische Gemeinschaft“ (EAC – „East African Community“) hat hingegen lediglich fünf Mitgliedsstaaten21 und verfügt über eigene militärische Kapazitäten. Zentralafrika: die „Wirtschaftsgemeinschaft Zentralafrikanischer Staaten“ (ECCAS – „Economic Community of Central African States“) vereint 10 Staaten der Region22, dessen „African Standby Forces“ aber bislang keine aktive Rolle spielen konnten. Südliches Afrika: die „Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrikas“ (SADC – „Southern African Development Community“) umfasst alle 15 Staaten der Region23, darunter das wirt- 15 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. „Afrika südlich der Sahara“, http://www.bmz.de/de/was_wir_machen/laender_regionen/subsahara/index.html [14.10.2010]. 16 AMU-Mitgliedsstaaten: Algerien, Libyen, Marokko (was kein Mitglied der AU ist), Mauretanien, Tunesien. 17 ECOWAS-Mitgliedsstaaten: Benin, Burkina Faso, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Kap Verde, Liberia, Mali, Niger, Nigeria, Senegal, Sierra Leone, Togo. 18 Wolf Kinzel, German Institute of Global and Area Studies (2007). „Afrikanische Sicherheitsarchitektur – ein aktueller Überblick”, Seite 3, http://www.giga-hamburg.de/content/publikationen/pdf/gf_afrika_0701.pdf [14.10.2010]. 19 IGAD-Mitgliedsstaaten: Äthiopien, Dschibuti, Eritrea, Kenia, Somalia, Sudan, Uganda. 20 Vgl. Fußnote 3, Seite 18. 21 EAC-Mitgliedsstaaten: Burundi, Kenia, Ruanda, Uganda, Tansania. 22 ECCAS-Mitgliedsstaaten: Angola, Burundi, Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Äquatorialguinea, Gabun, São Tomé und Príncipe. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 9 schaftlich und politisch wichtige Südafrika. Die SADC ist zuständig für „African Standby Forces“, betont jedoch das Nichteinmischungsgebot in innere Angelegenheiten anderer Staaten .24 „Spürbare Beiträge zur regionalen Konfliktvermeidung und zur Friedenssicherung“25 haben laut Bundesregierung alle Regionalorganisationen bis auf die aus Zentral- und Nordafrika erbracht. Die Stiftung Wissenschaft und Politik betont, dass „die Prävention und Bearbeitung von Konflikten … auch in Zukunft wesentlich auf die Bereitschaft einzelner afrikanischer Staaten angewiesen sein“ wird und setzt damit auf deren Bereitschaft, „eine Vorreiter- und Führungsrolle zu übernehmen.“26 3. Politische Kooperation Die Afrikanische Union ist für politische Kooperationen mit anderen internationalen Organisationen und Staaten zuständig. Sie pflegt – neben der G8 und den Vereinten Nationen – enge Kontakte mit der Europäischen Union. Gemäß Internetportal des Auswärtigen Amtes ist die Europäische Union „der wichtigste Partner … im Hinblick auf finanzielle Unterstützung und den Kapazitätenaufbau .“27 Seit dem Jahr 2000 fanden drei EU-Afrika-Gipfel statt, der dritte zuletzt im November 2010 in Libyen. Beim zweiten EU-Afrika-Gipfel 2007 in Lissabon wurde eine „Gemeinsame EU-Afrika-Strategie“ entwickelt, die auf eine strategische Partnerschaft beider Parteien setzt. Es solle eine „Arbeit auf Augenhöhe“ stattfinden, die die „Afrikapolitik nicht länger mit Entwicklungszusammenarbeit“ gleich setzt28. Im Gegensatz zu ihrem Vorläufer, der „EU-Strategie für Afrika“ aus dem Jahr 2005, die vor allem auf das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele ausgerichtet war, sollte die neue Strategie auch eine Partnerschaft in den Bereichen Energie, Klimawandel, Migration und guter Regierungsführung bilden und über rein „afrikanische Fragen“ hinausgehen.29 23 SADC-Mitgliedsstaaten: Angola, Botsuana, Demokratische Republik Kongo, Lesotho, Madagaskar, Malawi, Mauritius, Mosambik, Namibia, Sambia, Seychellen, Simbabwe, Swasiland, Tansania, Südafrika. 24 Vgl. Fußnote 17. 25 BT-Drucksache 17/2833 vom 01.09.2010, Seiten 2, 3 und 31. 26 Heinrich Bergstresser / Denis M. Tull, Stiftung Wissenschaft und Politik (2008). „Nigeria als regionale Ordnungsmacht in Westafrika“, http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=4717 [14.10.2010]. 27 Siehe Fußnote 1. 28 Stefan Mair / Denis M. Tull, Stiftung Wissenschaft und Politik (2009). „Deutsche Afrikapolitik“, http://www.swpberlin .org/common/get_document.php?asset_id=5855 [14.10.2010]. 29 Europäische Union (2007). „Von einer Afrikastrategie hin zu einer strategischen Partnerschaft EU/Afrika“, http://europa.eu/legislation_summaries/development/african_caribbean_pacific_states/r13009_de.htm [14.10.2010]. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 10 Der dritte EU-Afrika-Gipfel fand am 30. November 2010 in Lybien statt. Die Bundesregierung stellte fest, dass „für unsere gemeinsame Diskussion über Investitionen, Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze die Frage“ unverzichtbar sei, „wie die EU und Afrika gemeinsam für mehr Sicherheit und Frieden sorgen können. Wohlstand entsteht nur in Sicherheit, und dauerhafte Sicherheit nur in einem Rechtsstaat, der Menschenrechte schützt.“ Daraus folge, dass „das Ziel einer Sicherheitsarchitektur in Afrika, die für afrikanische Probleme afrikanische Lösungen finden kann, (alle) eint.“ Frieden und Wohlstand in Afrika liege daher „auch im europäischen Interesse .“30 Zum Ergebnis des EU-Afrika Gipfels informiert die Bundesregierung auf ihrem Internetportal, dass die „strategische Zusammenarbeit bekräftigt“ wurde. Der beschlossene Aktionsplan bis zum nächsten EU-Afrika-Gipfel 2013 in Brüssel umfasse die „Bereiche Sicherheit und Menschenrechte “. Ein wichtiges Ziel sei, dass „Afrika nach dem Willen der Europäer in den internationalen Gremien ein stärkeres Gewicht erhalten (soll)“. Für die Staaten Europas stehe bei der Zusammenarbeit nach wie vor der „Kampf gegen die Piraterie sowie die Flüchtlingsströme im Mittelpunkt des Interesses“. Auch die Klimapolitik sei „für Europa von zentraler Bedeutung.“31 Presseberichten zufolge hätte der Kommissionspräsident der Afrikanischen Union, Jean Ping, dem EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigt, dass beide Seiten sich „in die richtige Richtung" bewegten. Allerdings seien auch drei Problembereiche, nämlich „Hilfen der EU an afrikanische Länder, Investitionen und Handel“, benannt worden. Im Gegenzug für den Zugang zum EU-Markt hätten die Europäer eine umfassende Öffnung der afrikanischen Märkte für EU-Exporte verlangt. Die afrikanischen Staaten würden die Marktöffnung dagegen an Zugeständnisse der Europäer knüpfen, „allen voran an die Einhaltung der sogenannten Millenniumsziele der Vereinten Nationen“. In der Gipfel-Abschlusserklärung habe die EU ihr Ziel bekräftigt, „bis 2015 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes als Entwicklungshilfen bereitzustellen.“32 Eine EU-Vertretung bei der Afrikanischen Union in Addis-Abeba wurde Anfang 2008 eingerichtet .33 Auch ein gemeinsames Internetportal „Africa and Europe in Partnership“ wurde eingerichtet .34 30 Außenminister Westerwelle am 30.11.2010 in Tripolis, URL: http://www.auswaertigesamt .de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2010/101130-BM-EU-Afrika-Gipfel-Rede.html?nn=357230 31 http://www.bundesregierung.de/nn_774/Content/DE/Artikel/2010/12/2010-12-01-EU-Afrika-Gipfel.html 32 http://www.tagesschau.de/ausland/euafrikagipfel104.html 33 Vgl. BT-Drucksache 17/2833 vom 01.09.2010, Seite 32. 34 http://www.africa-eu-partnership.org/ [27.10.2010] Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 195/10 Seite 11 4. Zusammenfassung In 2012 wird die Afrikanische Union ihr erstes Jahrzehnt abschließen. Eng angelehnt an das Vorbild der Europäischen Union hat es der Kontinent mit Ausnahme eines Staates geschafft, eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur für das 21. Jahrhundert zu verabschieden. Es lässt sich vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Europäischen Union mit 27 Mitgliedsstaaten nur erahnen, welche Herkulesaufgabe die Bemühungen darstellen müssen, 53 Staaten für Sicherheit und Kooperation in Afrika unter einen Hut zu bekommen. Der Tatbestand, dass 2013 in Brüssel der vierte EU-Afrika-Gipfel vorgesehen ist, und somit erneut 80 Staats- und Regierungschefs gemeinsam tagen werden, stellt einen Wert an sich dar.