© 2019 Deutscher Bundestag WD 2- 3000 – 189/18 Einzelaspekte zum Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 2 Einzelaspekte zum Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration Aktenzeichen: WD 2- 3000 – 189/18 Abschluss der Arbeit: 4. Januar 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Unterscheidung von Flüchtlingen und Migranten 4 2. Zur Rolle des Heiligen Stuhls im Verhandlungsprozess 6 3. Obergrenze für reguläre Migration 6 4. Umsetzung des Migrationspaktes in Deutschland 7 5. Zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration (Ziel 17) 8 6. Behandlung des Globalen Paktes für Flüchtlinge im Deutschen Bundestag 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 4 1. Unterscheidung von Flüchtlingen und Migranten Nach der Präambel des Globalen Pakts für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (Migrationspakt )1 handelt es sich bei Flüchtlingen und Migranten2 um verschiedene Gruppen, die separaten Rechtsrahmen unterliegen, auch wenn beide dieselben allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten haben. Anders als Migranten haben Flüchtlinge jedoch ein Anrecht auf den spezifischen internationalen Schutz, den das internationale Flüchtlingsrecht vorsieht.3 Die Begriffe des „Migranten“ und des „Flüchtlings“ selbst werden weder im Migrationspakt noch im Globalen Pakt für Flüchtlinge4 definiert. Auch die New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten, auf welche die Ausarbeitung dieser beiden Pakte zurückgeht, enthält keine Begriffsbestimmung . Der Begriff des Flüchtlings wird jedoch in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) aus dem Jahre 1951 und dem dazugehörigen Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge aus dem Jahre 1967 definiert. Diese bilden das Hauptinstrument im internationalen Flüchtlingsrecht und enthalten eine Definition, welche weltweit anerkannt ist und gewissermaßen den Mindestkern des Flüchtlingsbegriffs bildet.5 Daneben gibt es auf regionaler Ebene Begriffsbestimmungen mit einem weitergehenden Anwendungsbereich.6 Nach der Genfer Flüchtlingskonvention und dem dazugehörigen Protokoll ist als Flüchtling jede Person anzusehen, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in 1 Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, 13.7.2018, https://undocs.org/A/CONF.231/3 (letzter Zugriff: 21.11.2018); für die deutsche Übersetzung siehe A/Conf.231/3, 30.07.2018, http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf (letzter Zugriff: 18.11.2018). Ausführlich zum Migrationspakt vgl. die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, Eckpunkte und völkerrechtliche Bedeutung des Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, WD 2 – 3000 – 165/18, https://www.bundestag .btg/Wissen/Dossiers/Ablage/7190/Ausarbeitung_7190_30.pdf (letzter Zugriff: 17.12.2018). 2 Aus sprachlichen Gründen wird im Folgenden nur von Migranten gesprochen. Damit sind aber jeweils auch Migrantinnen gemeint. 3 Vgl. Ziffer 4 des Migrationspaktes (Fn. 1). 4 Global Compact on Refugees, A/73/12 (Part II), https://www.unhcr.org/gcr/GCR_English.pdf; die deutsche Fassung ist abrufbar unter: http://www.un.org/depts/german/migration/a73-12-part-II.pdf (jeweils letzter Zugriff: 4.1.2019). 5 Die GFK hat 146 Vertragsparteien, vgl. United Nations Treaty Collection, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails II.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=V-2&chapter=5&Temp=mtdsg2&clang=_en; das dazugehörige Protokoll hat 147 Vertragsparteien; vgl. United Nations Treaty Collection, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails .aspx?src=TREATY&mtdsg_no=V-5&chapter=5&clang=_en (jeweils letzter Zugriff: 4.1.2019). 6 Zum Ganzen vgl. Kugelmann, Refugees, Rn. 1 f. und 4 ff., MPEPIL, März 2010, http://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e866?rskey=XDg7am&result=2&prd=EPIL (letzter Zugriff: 17.12.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 5 Anspruch nehmen will, oder die sich als Staatenlose infolge solcher Ereignisse außerhalb des Landes befindet, in welchem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und nicht dorthin zurückkehren kann oder wegen der erwähnten Befürchtungen nicht dorthin zurückkehren will.“7 In den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention fallen daher alle politischen Flüchtlinge, nicht hingegen Personen, die allein vor Bürgerkriegen, Naturkatastrophen und wirtschaftlichen Krisen fliehen.8 Auch die sog. Binnenflüchtlinge fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Genfer Flüchtlingskonvention. Der Begriff des „Migranten“ ist im Völkerrecht nicht definiert. Im Allgemeinen versteht man unter (internationalen) Migranten sämtliche Personen, welche das Land, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz haben, nicht nur vorübergehend verlassen. Die Gründe der Migration oder der Rechtsstatus der Migranten sind für die Frage, ob eine Person als Migrant anzusehen ist, unerheblich .9 Legt man diese beiden Begriffsbestimmungen zugrunde, so stellen Flüchtlinge eine besondere Gruppe der Migranten dar. Der UNHCR grenzt dagegen Flüchtlinge und Migranten strikt voneinander ab und sieht als Migranten nur solche Personen an, die ihr Heimatland nicht aus Furcht vor Verfolgung wegen den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verlassen.10 7 Vgl. Art. 1 A Ziffer 2, S. 1. 8 Vgl. Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 7. Aufl., Abschnitt III, Rn. 298; Kugelmann, Refugees (Fn. 6) Rn. 4. 9 Vgl. UN News, Global Compact on Refugees: How is this different from the migrants´ pact and how will it help?, https://news.un.org/en/story/2018/12/1028641?utm_source=NEWS&utm_medium=email&utm_content =2nd+section+1st+story+un+news&utm_campaign=HQ_EN_therefugeebrief_external_20181217. Ähnlich auch der UNHCR: „… ‘migrant' describes any person who moves, usually across an international border, to join family members already abroad, to search for a livelihood, to escape a natural disaster, or for a range of other purposes.“; vgl. UNCHR Emergency Handbook, https://emergency.unhcr.org/entry/250459/migrant-definition. Nach der Internationalen Organisation für Migration (IOM) fallen auch Personen, die innerhalb eines Landes umziehen, unter den Begriff des Migranten: „IOM defines a migrant as any person who is moving or has moved across an international border or within a State away from his/her habitual place of residence, regardless of (1) the person’s legal status; (2) whether the movement is voluntary or involuntary; (3) what the causes for the movement are; or (4) what the length of the stay is.“, vgl. IOM, „Who is a migrant?“, https://www.iom.int/whois -a-migrant (jeweils letzter Zugriff: 18.12.2018). 10 UNHCR, UNHCR viewpoint: ´Refugee´ or ´migrant´ – Which is right?, https://www.unhcr.org/news/latest /2016/7/55df0e556/unhcr-viewpoint-refugee-migrant-right.html (letzter Zugriff: 18.12.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 6 2. Zur Rolle des Heiligen Stuhls im Verhandlungsprozess Als Oberhaupt der katholischen Kirche hat der Heilige Stuhl permanenten Beobachterstatus bei der VN-Generalversammlung.11 An den Verhandlungen zur Ausarbeitung des Migrationspaktes hat der Heilige Stuhl aktiv teilgenommen; so wurden nicht nur Stellungnahmen zu einzelnen Diskussionspunkten, sondern auch ein Dokument mit 20 Handlungsschwerpunkten12 übermittelt, welche sich um die vier Grundprinzipien „aufnehmen , schützen , fördern und integrieren“ drehen .13 3. Obergrenze für reguläre Migration Der Migrationspakt enthält keine Obergrenze für die reguläre Migration. Stattdessen bekräftigt er „das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. Innerhalb ihres Hoheitsbereichs dürfen die Staaten zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden, einschließlich bei der Festlegung ihrer gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Globalen Paktes, unter Berücksichtigung der verschiedenen nationalen Realitäten, Politiken, Prioritäten und Bestimmungen für Einreise, Aufenthalt und Arbeit und im Einklang mit dem Völkerrecht“.14 Im Rahmen von Ziel 5 des Pakts (Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für reguläre Migration) sieht der Staat eine (politische15) Verpflichtung der Staaten vor, die Optionen und Wege für eine reguläre Migration in einer Weise anzupassen, welche die demografische Wirklichkeit und die Realität auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt und dabei Arbeitskräftemobilität und menschenwürdige Arbeit erleichtert, das Recht auf ein Familienleben wahrt und den Bedürfnissen von Migranten in einer prekären Situation gerecht wird. Um diese lediglich politisch (und nicht auch rechtlich) bindende Verpflichtung zu verwirklichen, schlägt der Pakt eine Reihe 11 Vgl. United Nations, Non-member States, http://www.un.org/en/sections/member-states/non-member-states/index .html (letzter Zugriff: 18.12.2018). Dazu näher Kalbusch, Der Beobachterstatus des Heiligen Stuhls – historisches Relikt oder zukunftsweisendes Modell?, Vereinte Nationen 4/2012, S. 159 ff. (S. 161 ff.), https://zeitschrift -vereinte-nationen.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2012/Heft_4_2012/04_kalbusch _VN_4-12_02-08-2012.pdf (letzter Zugriff: 18.12.2018). 12 Antworten auf die Bedürfnisse von Flüchtlingen und Migranten: 20 pastorale Handlungsschwerpunkte, https://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/microsites/fluechtlingshilfe/Vatikan_20-pastorale-Handlungsschwerpunkte _kurz.pdf (letzter Zugriff: 18.12.2018). 13 Zur Position des Heiligen Stuhls zu einzelnen Punkten des Migrationspaktes vgl. die Stellungnahme des Erzbischofs Bernardito Auza, The Holy See in the Preparatory Processes of the Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, http://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/2018/documents/rc-seg-st- 20181019_meeting-diplomatici-auza_en.html# (letzter Zugriff: 18.12.2018). 14 Vgl. Ziffer 15 lit. c) des Migrationspaktes (Fn. 1). 15 Dazu näher vgl. Abschnitt 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 7 von Maßnahmen vor, die als relevante Politikinstrumente und bewährte Verfahren („best practice “) angesehen werden. Die Staaten sind jedoch nicht zur Umsetzung sämtlicher Maßnahmen verpflichtet, sondern können frei wählen, welche Maßnahmen sie umsetzen.16 4. Umsetzung des Migrationspaktes in Deutschland Der Migrationspakt bekräftigt die Souveränität der Staaten zur Regelung ihrer nationalen Migrationspolitik .17 Er umfasst einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen mit 23 Zielen („objectives“) sowie deren Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung. Jedes der 23 Ziele enthält eine sog. Verpflichtung („commitment“)18 der Staaten und schlägt eine Reihe von Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung vor, die als relevante Politikinstrumente und bewährte Verfahren („best practice“) angesehen werden.19 Die meisten Verpflichtungen, die der Migrationspakt den Staaten auferlegt, sind sehr allgemein und eher als politische Leitprinzipien formuliert.20 Auch verpflichten die jeweiligen, die Staaten lediglich politisch – und nicht auch rechtlich – bindenden Ziele und „commitments“, die Staaten nicht zur Umsetzung sämtlicher Maßnahmen. Vielmehr können die Staaten jeweils frei wählen , welche der vorgeschlagenen Maßnahmen sie umsetzen („… we will draw from the following actions: …“).21 Auch soll die Umsetzung der im Globalen Pakt niedergelegten Ziele und Verpflichtungen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Realitäten, Kapazitäten und Entwicklungsstufen und unter Beachtung der nationalen Politiken und Prioritäten erfolgen .22 16 Vgl. Ziffern 16 und 21 des Migrationspaktes (Fn. 1). 17 Dazu s.o. Abschnitt 3. 18 Der Deutsche Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen übersetzt „commitment“ mit „Verpflichtung“, was angesichts des Umstands, dass der Migrationspakt lediglich einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen schafft, missverständlich erscheint, da es sich bei den eingegangenen „commitments“ nicht um rechtliche, sondern um politische (Selbst-) Verpflichtungen handelt. 19 Zur rechtlichen Unverbindlichkeit des Migrationspaktes vgl. auch BVerfG, Beschluss v. 7.12.2018, 2 BvQ 105/18 u.a., Rn. 16, https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen /DE/2018/12/qk20181207_2bvq010518.html (letzter Zugriff: 19.12.2018). 20 Zu einzelnen Verpflichtungen und zu ihrer Verwirklichung vorgeschlagenen Maßnahmen siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, Eckpunkte und völkerrechtliche Bedeutung des Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, WD 2 – 3000 – 165/18, Abschnitt 2.2.2, https://www.bundestag.btg/Wissen/Dossiers /Ablage/7190/Ausarbeitung_7190_30.pdf (letzter Zugriff: 17.12.2018). 21 Vgl. Ziffern 15 lit. b) und 16 ff. (Fn. 1) des Migrationspaktes. Ausführlich dazu vgl. die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, Eckpunkte und völkerrechtliche Bedeutung des Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, WD 2 – 3000 – 165/18, https://www.bundestag.btg/Wissen/Dossiers/Ablage/7190/Ausarbeitung _7190_30.pdf (letzter Zugriff: 17.12.2018). 22 Vgl. Ziffer 41 des Migrationspaktes (Fn. 1). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 8 Ob die Bundesrepublik Deutschland schon jetzt sämtliche (lediglich politisch und nicht auch rechtlich bindenden) Verpflichtungen und die zu ihrer Verwirklichung vorgeschlagenen Maßnahmen erfüllt, kann im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht im einzelnen untersucht werden, zumal der Pakt – wie bereits festgestellt – zu einem Großteil politische Zielbestimmungen enthält .23 Soweit ersichtlich, gehen die Bestimmungen des Migrationspaktes jedoch allenfalls punktuell 24 über das in der Bundesrepublik Deutschland bereits jetzt geltende Recht hinaus.25 5. Zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration (Ziel 17) Ziel 17 des Migrationspaktes verpflichtet die Staaten, „alle Formen der Diskriminierung zu beseitigen sowie Äußerungen, Handlungen und Ausprägungen von Rassismus, Rassendiskriminierung , Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz gegenüber allen Migranten zu verurteilen und zu bekämpfen.“ Ferner soll in Partnerschaft mit allen Teilen der Gesellschaft ein offener und auf nachweisbaren Fakten beruhender öffentlicher Diskurs gefördert werden, der zu einer realistischeren, humaneren und konstruktiveren Wahrnehmung von 23 Vgl. nur Ziffer 17 des Migrationspaktes (Fn. 1): „Wir verpflichten uns, die globale Faktengrundlage zur internationalen Migration zu stärken und zu diesem Zweck die Erhebung, Analyse und Verbreitung genauer, verlässlicher und vergleichbarer Daten, …, zu verbessern und darin zu investieren und dabei gleichzeitig das Recht auf Privatheit gemäß den internationalen Menschenrechtsnormen zu wahren und personenbezogene Daten zu schützen. Wir verpflichten uns ferner, sicherzustellen, dass diese Daten die Forschung fördern, als Orientierung für eine faktengestützte Politikgestaltung und einen aufgeklärten öffentlichen Diskurs dienen und eine wirksame Überwachung und Evaluierung der Umsetzung der Verpflichtungen im Laufe der Zeit ermöglichen.“ 24 Hierzu vgl. Thym, UN-Migrationspakt: Einseitig und unpräzise formuliert, in: Legal Tribune Online, 21.11.2018, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/un-migrationspakt-kritik-unverbindlich-fluechtlingspakt-klimawandel -fluechtlinge-gewohnheitsrecht/ (letzter Zugriff: 22.11.2018): „Allenfalls an zwei Stellen geht der Pakt punktuell über die deutsche und europäische Menschenrechtsjudikatur hinaus, wenn eine Freiheitsbeschränkung „bei der Einreise“ nur aufgrund einer Einzelfallprüfung als Ultima Ratio erfolgen darf (Nr. 29) und zudem eine Ungleichbehandlung beim Sozialleistungszugang immer eine Verhältnismäßigkeitskontrolle fordert (Nr. 31).“ 25 So auch die Einschätzung von Tomuschat, Ein globales Recht auf Migration?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6: „Weite Teile spiegeln lediglich geltendes Recht wider, dessen Einhaltung für die Bundesrepublik selbstverständlich ist. …“; S. auch Knaus, Dem Pakt nicht beizutreten ist ein Zeichen von Schwäche, Die Welt v. 10.11.2018, S. 4: „Der Pakt setzt Standards bei Migrantenrechten, die in vielen Teilen der Welt noch nicht beachtet werden… In Deutschland werden diese Rechte bereits respektiert.“; Fischer-Lescano, Die Kraft der Vertragslegenden, SZ v. 29.11.2018: „Der Pakt … versucht vielmehr, Regeln, die in Europa längst rechtsverpflichtend sind, auch für andere Regionen und Länder aufzustellen. In diesem Pakt gibt es keine einzige Regelung, die die deutsche oder europäische Politik zu etwas verpflichten würde, das nicht bereits verbindlich wäre.“; Herdegen, UN-Migrationspakt : Fallstricke des Gutgemeinten, Cicero online v. 27.11.2018, https://www.cicero.de/aussenpolitik/unmigrationspakt -afd-migration-fluechtlinge-merkel/plus.: „Eine völkerrechtliche Verpflichtung zur Änderung nationaler Gesetze begründet der Pakt also nicht. Für die Bundesrepublik Deutschland entspricht das nationale Recht ohnehin durchgehend den Anforderungen des Paktes.“ S. auch Leubecher, Deutschland – Vorbild für den Migrationspakt, Die Welt v. 13.11.2018, S. 4: „Die Bundesrepublik hat nämlich alle wesentlichen Ziele des politisch , nicht aber rechtlich verbindlichen Abkommens bereits heute erfüllt; in vielen Punkten sogar auf einem höheren Niveau als vorgesehen.“ mit einem Überblick über die Erfüllung einzelner Verpflichtungen des Migrationspakts in Deutschland. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 9 Migration und Migranten führt. Im Einklang mit dem Völkerrecht soll das Recht der freien Meinungsäußerung in der Erkenntnis geschützt werden, dass eine offene und freie Debatte zu einem umfassenden Verständnis aller Aspekte der Migration beiträgt.26 Im innerstaatlichen Recht bestimmt der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG bestimmt , dass niemand wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache , seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Ferner darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Beide Grundrechtsbestimmungen schützen vor Ungleichbehandlungen durch Träger öffentlicher Gewalt und entfalten auch bei der Auslegung und Anwendung privatrechtlicher Normen Austrahlungswirkung. Daneben bietet auf der Ebene der einfachen Gesetze insbesondere das seit dem Jahr 2006 in Deutschland geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Schutz vor „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.“ Es gilt für private Akteure und findet in den Bereichen von Beschäftigung und Arbeit, Sozialschutz, Bildung sowie dem Zugang zu und der Versorgung mit öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, einschließlich von Wohnraum Anwendung.27 Wie bereits festgestellt, nimmt der Migrationspakt ausdrücklich auf das Recht der freien Meinungsäußerung Bezug und gewährleistet somit bereits selbst den Schutz der Meinungsfreiheit.28 In der Bundesrepublik Deutschland ist die Meinungsfreiheit in Art. 5 GG geregelt. Danach hat jeder das Recht, „seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen und solche, deren Unwahrheit bereits im Zeitpunkt der Äußerung unzweifelhaft feststeht, fallen nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit .29 Eingriffe in die Meinungsfreiheit können jedoch vor allem durch die Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG gerechtfertigt sein, welche insbesondere die Möglichkeit einer Einschränkung durch die allgemeinen Gesetze vorsieht.30 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf den Straftatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB). 26 Vgl. Ziffer 33 des Migrationspaktes (Fn. 1). 27 Vgl. Art. 1 und 2 AGG. 28 Vgl. Fn. 26 und dazugehöriger Text. 29 Vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 7. 30 Näher dazu Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG-Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 5 Rn. 20 und 66 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2- 3000 – 189/18 Seite 10 6. Behandlung des Globalen Paktes für Flüchtlinge im Deutschen Bundestag Beim Globalen Pakt für Flüchtlinge handelt es sich ebenso wie beim Migrationspakt nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag, sondern um eine Resolution der VN-Generalversammlung, welcher keine Rechtsverbindlichkeit zukommt.31 Einer Beteiligung des Bundesgesetzgebers nach § 59 Abs. 2 GG bedarf es somit nicht. Zum Globalen Pakt für Flüchtlinge gab es bisher lediglich am 30. November 2018 eine Aktuelle Stunde auf Verlangen der AfD-Fraktion.32 Entsprechende Anträge wie zum Globalen Migrationspakt 33 haben die Fraktionen bisher nicht eingebracht. 31 So auch BVerfG, Beschluss v. 7.12.2018, 2 BvQ 105/18 u.a., Rn. 16 f., https://www.bundesverfassungsgericht .de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/12/qk20181207_2bvq010518.html (letzter Zugriff: 19.12.2018). 32 Vgl. BT-Plenarprotokoll 19/69, S. 8105A - 8121C. 33 Vgl. insbesondere den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 27.11.2018: Mit dem Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration die internationale Zusammenarbeit in der Migrationspolitik stärken und Migration besser regeln und steuern, BT-Drs. 19/6065.