WD 2 - 3000 - 175/18 (5. Dezember 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Im Folgenden wird Bezug genommen auf den Landesbericht Deutschland, in: Kischel/Graf v. Kielmansegg (Hrsg.), Rechtsdurchsetzung mit militärischen Mitteln, Tübingen: Mohr Siebeck 2018, S. 1-55 (verfasst von Roman Schmidt-Radefeldt). I. Terrorbekämpfung durch die Bundeswehr im Innern Vgl. Landesbericht S. 27 ff. und 53 f. II. Militärische Unterstützung der Polizei im Wege der Amtshilfe Zur Abgrenzung zwischen „Amtshilfe“ und „Einsatz“ vgl. Landesbericht S. 20 ff. 1. Kooperation zwischen Spezialkräften der Polizei (GSG 9) und der Bundeswehr (KSK) Vgl. Landesbericht S. 40 ff. 2. Objektschutz durch die Bundeswehr Ist Hoheitliche Aufgabe (= Einsatz): Daher nicht als Amtshilfehandlung gem. Art. 35 Abs. 1 GG möglich, sondern nur unter den Bedingungen eines besonderen Unglücksfalls (Art. 35 Abs. 2 und 3 GG) von „katastrophischem Ausmaß“ (BVerfGE 132, 1) 3. Rettung aus Gefahrenzonen Ist klassische Amtshilfehandlung gem. Art. 35 Abs. 1 GG Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Rechtsfragen zu Bundeswehreinsätzen im Innern Kurzinformation Rechtsfragen zu Bundeswehreinsätzen im Innern Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 4. ABC-Abwehr Ist Amtshilfehandlung gem. Art. 35 Abs. 1 GG, vgl. dazu Landesbericht, S. 23 5. Sprengmittelentschärfung Ist Amtshilfehandlung gem. Art. 35 Abs. 1 GG, vgl. dazu Landesbericht, S. 23 6. Aufklärung („G8-Gipfel in Heiligendamm“) Vgl. Landesbericht S. 23-24. Ergänzung dazu: Für den „Einsatzcharakter“ der Tornadoflüge in Heiligendamm sprach das arbeitsteilige Zusammenwirken zwischen Polizei und Streitkräften, wobei die einen für die Aufklärung zur Feststellung von Störern und Straftätern und die anderen zum Einschreiten gegen diese Personengruppen zuständig waren. Das Handeln der Bundeswehr erfolgte damit in einem Einsatzzusammenhang. 7. Sog. „Renegade“-Fälle Vgl. Landesbericht S. 29 ff. 8. Einsätze auf See Zuständigkeit der Bundespolizei innerhalb des Küstenmeeres gem. § 2 Abs. 2 Nr. 3 BPolG (= Grenzschutzaufgabe) und außerhalb des Küstenmeeres (Hohe See) gem. § 6 BPolG; dort ist eine parallele Zuständigkeit der Bundesmarine möglich 9. Gesetzgeberische Vorschläge zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 35 und 87a GG) Solche Vorschläge hat es in Wissenschaft und Praxis immer wieder gegeben – vgl. etwa: Müllmann, Dirk, „Keine Ausdehnung der Innenkompetenz der Streitkräfte? Das Scheitern der Reform des Art. 35 GG und seine politischen Gründe“, online unter: http://fzk.rewi.huberlin .de/doc/sammelband/Keine_Ausdehnung_der_Innenkompetenz.pdf Bundestags-Drs. 17/11591 vom 20.11.2012 (Gesetzesentwurf zur Änderung des GG) http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/115/1711591.pdf. Kurzinformation Rechtsfragen zu Bundeswehreinsätzen im Innern Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 3 III. GETEX / BAYTEX-Übung Mit der sogenannten „GETEX“-Übung (Gemeinsame Terrorismusabwehr-Exercise) wurde erstmalig im März 2017 auf Stabsebene die operative Zusammenarbeit zwischen Polizeibehörden der Länder1, den Bundesministerien des Inneren (BMI) und der Verteidigung (BMVg), dem Bundeskriminalamt , dem Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundespolizei geprobt.2 Der GETEX-Übung lag ein fiktives terroristisches Bedrohungsszenario zugrunde, bei dem es sich um einen „besonders schweren Unglücksfall“ im Sinne des Artikel 35 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) handeln sollte. Die gemeinsame Zusammenarbeit von Polizeikräften der Länder und Einrichtungen des Bundes (insbesondere der Bundeswehr) bewerteten die beteiligten Akteure als konform mit den verfassungsrechtlichen Ausnahmetatbestanden, die in den Artikeln 35 Abs. 1 Grundgesetz (GG) (Grundsatz der Rechts- und Amtshilfe) und 35 Abs. 2 S. 2 GG (regionaler Katastrophennotstand ) verankert sind.3 Unter Führung der bayerischen Landespolizei fand im Juni 2018 die Großübung „BAYTEX 2018“ (Bayerische Terrorismusabwehr Exercise) statt, in welche auf Seiten des Bundes die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), die Bundespolizei und die Bundeswehr eingebunden waren.4 Auch die in diesem Übungsszenario simulierten Maßnahmen bewegten sich laut der Bundesregierung auf dem Boden der Artikel 35 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 GG.5 Im Anschluss an die GETEX-Übung erarbeiteten die beteiligten Akteure einen gemeinsamen Auswertungsbericht, in den die jeweiligen Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Stabsrahmenübung eingearbeitet wurden. Der „Auswertungsbericht Bundeswehr – Gemeinsame Terrorismusabwehr Übung 2017 (GETEX17)“ des Kommandos Streitkräftebasis der Bundeswehr liegt dem Fachbereich WD 2 als VS-eingestuftes Dokument vor. 1 Die an der Übung beteiligten Bundesländer waren Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein. 2 Vgl. dazu die Meldung auf der Webseite des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg), „Ministerin zufrieden mit Ablauf von Antiterror-Übung GETEX“, 9.3.2017, http://www.verteidigungsministerium.de/de/aktuelles/ministerin-zufrieden-mit-ablauf-von-antiterror-uebunggetex -11160. 3 Siehe dazu die Antwort der Bundesregierung zu den Fragen 5, 5 a) und 7 vom 25.4.2017, BT-Drs. 18/12066 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Christine Buchholz, Annette Groth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 18/11759, http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/120/1812066.pdf. 4 Siehe dazu die Antwort der Bundesregierung vom 1.8.2018 zu der Frage 4, BT-Drs. 19/3650, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 19/3170, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/036/1903650.pdf. 5 Vgl. die Antwort der Bundesregierung vom 1.8.2018 zu der Frage 2, BT-Drs. 19/3650, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LIN- KE., BT-Drs. 19/3170, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/036/1903650.pdf. Kurzinformation Rechtsfragen zu Bundeswehreinsätzen im Innern Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 4 In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage zum Thema „Schlussfolgerungen aus der Terrorabwehr- Übung „GETEX“ von Polizei und Bundeswehr im Jahr 2017“ vom 16. März 2018 lehnte die Bundesregierung eine Übersendung des Berichts und anderer Unterlagen im Zusammenhang mit der GETEX ab. Sie fasste jedoch die nach eigenem Bekunden „grundlegenden Aussagen“ des Berichtes zusammen, die in fünf „wesentlichen Handlungsempfehlungen“ Ausdruck gefunden hätten: Bei der Antragstellung gemäß Artikel 35 Absatz 1 und 2 Grundgesetz (GG) bedürfen die Entscheidungsabläufe einer weiteren Beschleunigung und verständlicheren Darstellung. Die Intensivierung und Verfestigung der Zusammenarbeit zwischen Verwaltungs- und Polizeistäben der Länder und Verbindungselementen der Bundeswehr wird angeregt. Es wird die Etablierung gemeinsamer Informations- und Fortbildungsveranstaltungen zwischen Polizeien und Bundeswehr angeregt. Zur Gewährleistung eines angemessenen Informationsaustauschs zwischen zivilen Behörden der Gefahrenabwehr, Polizei und Bundeswehr sind die Kommunikationswege zu überprüfen und belastbare Verfahrensweisen zu entwickeln. Die Anpassung der Prozesse und Kommunikationswege ist in künftigen Übungen zu kontrollieren und zu optimieren.6 Eine Änderung der einfach- oder verfassungsrechtlichen Grundlagen für das Tätigwerden der Bundeswehr im Inland hält die Bundesregierung nicht für erforderlich.7 Auch BAYTEX 2018 wurde intern ausgewertet. Neben den bayerischen Innenbehörden hat auch die Bundeswehr die Übung evaluiert, um dem BMVg darüber Bericht zu erstatten. Die erwarteten Ergebnisse verbleiben im Geschäftsbereich des BMVg und werden nicht veröffentlicht. Laut der Bundesregierung spreche der interne Bericht jedoch die Empfehlung aus, weitere Übungen durchzuführen, um die praktische Zusammenarbeit zwischen der Polizei, nichtpolizeilichen Gefahrenabwehrbehörden, den Hilfsorganisationen sowie der Bundeswehr zu optimieren.8 6 Siehe dazu die Antwort der Bundesregierung vom 16.3.2018 zu der Frage 8, BT-Drs 19/1243, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 19/907, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/012/1901243.pdf. 7 Siehe dazu die Antwort der Bundesregierung vom 16.3.2018 zu der Frage 6, BT-Drs 19/1243, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE., BT-Drs. 19/907, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/012/1901243.pdf. 8 Siehe dazu die Antwort der Bundesregierung vom 1.8.2018 zu der Frage 12, BT-Drs. 19/3650, auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. André Hahn, Gökay Akbulut, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 19/3170, http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/036/1903650.pdf. Kurzinformation Rechtsfragen zu Bundeswehreinsätzen im Innern Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 5 Der bayerische Innenminister bewertete die Großübung als „vollen Erfolg“ und befürwortete eine Vertiefung der gemeinsamen Zusammenarbeit in weiteren Übungen.9 IV. Einsatzkonzept Polizei / Bundeswehr Ein öffentlich zugängliches „Einsatzkonzept“, das die Zusammenarbeit von Bundeswehr, der Bundespolizei und den 16 Länderpolizeien im Einzelnen offiziell regelt, existiert nicht. Wie oben ausgeführt, wird die Zusammenarbeit auf Stabsebene mit den Länderpolizeibehörden und der Bundespolizei in gemeinsamen Übungen geprobt (siehe dazu GETEX, BAYTEX) und anschließend von den beteiligten Akteuren ausgewertet. Dass die Bundesregierung eine effektive Zusammenarbeit der Bundeswehr mit den Bundes- und Landesbehörden im Katastrophenfall in den eng gesteckten verfassungsrechtlichen Grenzen für erforderlich hält, ergibt sich auch bereits aus dem aktuellen Weißbuch der Bundeswehr.10 Darüber hinaus ist auf dem Feld der „zivil-militärischen Zusammenarbeit im Inland“ das „Kommando Territoriale Aufgaben“ der Bundeswehr der militärische Partner für die zivilen Behörden . Die ihm unterstellten Landeskommandos sind Ansprechpartner der Innenministerien in den Bundesländern und geben Auskunft über die zur Verfügung stehende militärische Kräfte, Fähigkeiten sowie eine mögliche Leistung von Amtshilfe.11 *** 9 Vgl. die Pressemitteilung „Erste praktische Großübung von Bayerischer Polizei, Bundeswehr und weiteren Einsatzorganisationen zur Terrorabwehr“ auf der Webseite des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, 19.6.2018, http://www.stmi.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2018/202b/index.php. 10 Siehe dazu das „Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“, 2016, S. 110, https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975292/736102/64781348c12e4a80948ab1bdf25cf057/weissbuc h-zur-sicherheitspolitik-2016-download-data.pdf?download=1. 11 Vgl. die Selbstbeschreibung des Kommandos auf der Webseite der Streitkräftebasis, http://www.kommando.streitkraeftebasis.de/portal/a/kdoskb/start/terraufg/kdoterraufgbw/ueberuns/!ut/p/z1/04 _Sj9CPykssy0xPLMnMz0vMAfIjo8zinSx8QnyMLI2MfHxNDQ08_YKCgwLcTQwM3M31wwkpiAJKG- AAjgb6wSmp-pFAM8xxmmFhqBs H6UflZVYllihV5BfVJKTWqKXmAxyoX5kRmJeSk5qQH6yI0SgIDei3KDcUREAIkuIOA!!/dz/d5/L2dBISEvZ0FBI S9nQSEh/#Z7_B8LTL2922LM510INRSRPG40081.