AUSARBEITUNG Thema: Auswirkungen auf das Petitionsrecht durch Ernennung besonderer Beauftragter seitens der Bundesregierung hier: Bereich Menschenrechte / Humanitäre Hilfe Fachbereich II Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Tel.: Verfasser: Abschluss der Arbeit: 13. Dezember 2004 Reg.-Nr.: WF II – 173/04 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Welche Beauftragten der Bundesregierung gibt es, an die sich die Bürger in den Bereichen Menschenrechte und Humanitäre Hilfe beschwerdeführend wenden können? Welche Stellung haben diese Beauftragten a) im Verhältnis zum übergeordneten Ressort b) im Verhältnis zum Parlament? 3 1.1. Die Aufgaben des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt (BMHH) 3 1.2. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz (BMRJ) 4 2. Welche Befugnisse / Verpflichtungen haben die Beauftragten gegenüber a) dem übergeordneten Ressort bzw. dem nachgeordneten Bereich und b) gegenüber Beschwerde führenden Bürgern? 4 3. Wie stellt sich die Transparenz des Handelns der Beauftragten dar? In welcher Weise legen sie wem gegenüber Rechenschaft ab? 4 4. Wie wird das Nebeneinander von Beauftragtem und dem Petitionsausschuss aus der Sicht des Bürgers wahrgenommen? 5 5. Gibt es Erkenntnisse, bei wem der Beschwerde führende Bürger eher eine Lösungskompetenz für sein Anliegen sieht? 6 6. Kann die Vielzahl der Regierungsbeauftragten zu einer Schwächung der parlamentarischen Kontrolle führen? 7 7. Anhang: Literaturhinweise 8 - 3 - 1. Welche Beauftragten der Bundesregierung gibt es, an die sich die Bürger in den Bereichen Menschenrechte und Humanitäre Hilfe beschwerdeführend wenden können? Welche Stellung haben diese Beauftragten a) im Verhältnis zum übergeordneten Ressort b) im Verhältnis zum Parlament? Im Zusammenhang mit dem Themenbereich „Menschenrechte“ und „Humanitäre Hilfe“ gibt es zwei Bundesbeauftragte.1 Es sind dies der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt und der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz2 Beide Beauftragte haben nicht die Funktion von Ombudspersonen, an die sich Bürger Beschwerde führend wenden können. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Rolle in der Öffentlichkeit vereinzelt so wahrgenommen wird.3 1.1. Die Aufgaben des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt (BMHH) Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt wurde im November 1998 eingerichtet. Erster Amtsinhaber war Gerd Poppe. Am 24. März 2003 wurde als seine Nachfolgerin Claudia Roth ernannt. Zentrale Aufgabe des BMHH ist die Vertretung der Bundesregierung in Fragen der Menschenrechte und Humanitären Hilfe nach außen. Hierzu zählt insbesondere, den bilateralen und multilateralen Dialog mit Regierungen und Nichtregierungsorganisationen mitzugestalten und Vorschläge zur Gestaltung der Politik der Bundesregierung in diesem Bereich zu unterbreiten. Das Amt des BMHH ist als Querschnittsaufgabe angelegt und soll die Menschenrechtsarbeit der verschiedenen Bundesministerien koordinie- 1 Der Begriff eines „Beauftragen der Bundesregierung“ bzw. einer „Bundesbeauftragen“ ist hinsichtlich Status und Funktion nicht eindeutig definiert. Die jeweiligen Aufgabenbeschreibungen und Zuständigkeiten variieren stark. 2 Zu den Aufgaben des BMHH und des BMRJ s.a.: www.auswaertiges–amt.de, hier: Außenpolitik /Menschenrechte - 4 - ren. Im Bereich der Humanitären Hilfe ist der BMHH an der Schaffung effizienter Rahmenbedingungen mit dem Ziel einer effektiven Hilfe im Katastrophenfall beteiligt. 1.2. Der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz (BMRJ) Im Jahr 1970 wurde Das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz eingerichtet. Die Tätigkeit des BMRJ ist rein juristischer Natur. Der Beauftragte hat nicht die Funktion einer Ombudsperson, sondern vertritt die Bundesregierung beispielsweise vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte4, der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarats (ECRI) sowie vor den Menschenrechtsausschüssen der Vereinten Nationen.5 2. Welche Befugnisse / Verpflichtungen haben die Beauftragten gegenüber a) dem übergeordneten Ressort bzw. dem nachgeordneten Bereich und b) gegenüber Beschwerde führenden Bürgern? Die Funktion des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt kann gegenüber dem Auswärtigen Amt als politikberatend und koordinierend, die des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen im Bundesministerium der Justiz als weisungsgebunden charakterisiert werden. In beiden Fällen ist ein besonderes Verhältnis zum Parlament nicht definiert. Gegenüber Beschwerde führenden Bürgern existieren in beiden Fällen keinerlei definierte Befugnisse oder Verpflichtungen. 3. Wie stellt sich die Transparenz des Handelns der Beauftragten dar? In welcher Weise legen sie wem gegenüber Rechenschaft ab? In regelmäßigen Abständen legt die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag einen Bericht über ihre Menschenrechtspolitik in den Auswärtigen Beziehungen vor.6 In den 4 S.a. Kap. 4. 5 Zur Beantwortung der Frage nach der Stellung der Beauftragten sowie deren Verhältnis zum übergeordneten Ressort und im Verhältnis zum Parlament s. Beantwortung der Frage 2.). 6 Zuletzt am 6. Juni 2002 auf BT-Drucksache 14/9323 als 6. Bericht. - 5 - Berichten wird auch zur Arbeit der oben genannten Bundesbeauftragten Stellung genommen . Der 7. Bericht ist zurzeit in Vorbereitung.7 4. Wie wird das Nebeneinander von Beauftragtem und dem Petitionsausschuss aus der Sicht des Bürgers wahrgenommen? Hinsichtlich dieser Fragestellung liegen im Zusammenhang mit den beiden oben genannten Beauftragten derzeit keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Die Eingabestatistik des Petitionsausschusses im Hinblick auf die Themenstellungen „Menschenrechte“ und „Humanitäre Hilfe“ stellen sich wie folgt dar: 8 Bereich „Menschenrechte“ 13. WP 394 Eingaben 14. WP 172 Eingaben 15. WP 109 Eingaben (lfd.) Bereich „humanitäre Hilfe“ 13. WP 41 Eingaben 14. WP 17 Eingaben 15. WP 4 Eingaben (lfd.) Ob die signifikant abnehmende Tendenz der Eingaben von der 13. bis zur laufenden 15. Wahlperiode in beiden Bereichen in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Installierung des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt steht oder andere Ursachen hat, kann mit letzter Sicherheit an dieser Stelle nicht belegt werden. Hierzu wäre eine eingehende Untersuchung der Motivlagen der Petenten notwendig, die sich an den Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt oder an den Petitionsausschuss gewandt hatten. Der Petitionsausschuss als auch der Bundesbeauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt sind Teil eines institutionellen Netzwerkes und Instrumentariums, das in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts einen qualitativen Quantensprung erlebt hat. Während zuvor Interventionsmöglichkeiten von Einzelpersonen und Gruppen im Zusammenhang mit dem Schutz bzw. der Realisierung von Menschenrechten über nur begrenzte Interventi- 7 Angabe aus dem Auswärtigen Amt nach telefonischer Rückfrage. - 6 - onsmöglichkeiten verfügten, gibt es heute vielfältige Möglichkeiten ein Anliegen durchzusetzen. Hierbei ist die Einrichtung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein besonders augenfälliges Beispiel. So stieg die Anzahl der beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anhängigen Beschwerden im Zeitraum von 1998 bis 2001 von 5979 auf 13858.9 Ein weitere Zäsur der Menschenrechtspolitik auf europäischer Ebene war die Verabschiedung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union am 7. Dezember 2000 auf dem EU-Gipfel in Nizza.10 Es ist nicht auszuschließen, dass die Erweiterung dieses Instrumentariums auch zu einer Ausdifferenzierung der jeweiligen Nutzung, orientiert an den unterschiedlichen Zielen eines Anliegens führte oder dass Petenten heute ihr Anliegen an eine Non- Governmental-Organisation (NGO)11 weiterleiten, die dann über ihre spezifische Nutzung des vorhandenen Instrumentariums das Anliegen aufgreift. Die zunehmende Anzahl von Bundesbeauftragten und Beauftragten der Bundesgierung ist in diesem Zusammenhang auch eine Reaktion auf die zunehmende gesellschaftspolitische Bedeutung von Nicht-Regierungsorganisationen (NRO). Für diese sind Bundesbeauftragte in vielen Fällen Ansprechpartner auf Regierungsseite mit einer Querschnittsaufgabe . 5. Gibt es Erkenntnisse, bei wem der Beschwerde führende Bürger eher eine Lösungskompetenz für sein Anliegen sieht? Hinsichtlich der Wahrnehmung der jeweiligen Problemlösungskompetenz durch Petenten liegen ebenfalls keine wissenschaftlichen Untersuchungen vor. Allerdings existiert in einigen Fällen die Wahrnehmung der Petenten, insbesondere im Hinblick auf den Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, dass dort eine Zuständigkeit im Sinne eines Ombudsperson vorläge. 8 Information aus dem Referat PET A . 9 Zur Geschichte und Aufgabe des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte weitere Informationen auf der Internet-Seite des Europarates: http://www.coe.int/T/D/Menschenrechtsgerichtshof . 10 Vgl. Sturm, Roland, Die Grundrechtscharta der Europäischen Union – Wird Europa bürgernäher?, in: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik, Jahrgang 52, 2003, Heft 3, S. 297 – 305. 11 Auch “NRO” (Nicht-Regierungs-Organisation). Zur Aufgabenstellung, Struktur und Arbeitsweise von NRO/NGO, vgl. Neubert, Dieter, Nichtregierungsorganisationen in der Diskussion, in Gesellschaft – Wirtschaft – Politik, Jahrgang 52, 2003, Heft 2, S. 257 – 282. - 7 - Wenn Petenten sich mit dieser Wahrnehmung an die derzeitige Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt, , MdB, wenden, wird explizit auf die Möglichkeit hingewiesen, sich mit dem Anliegen an den Petitionsausschuss wenden zu können.12 6. Kann die Vielzahl der Regierungsbeauftragten zu einer Schwächung der parlamentarischen Kontrolle führen? Aus den spezifischen Rollenzuweisungen an die beiden oben genannten Regierungsbeauftragen , insbesondere im Hinblick auf die jeweils explizit nicht zugewiesene Rolle als Ombudsperson, lässt sich eine Schwächung der parlamentarischen Kontrolle nicht vermuten , zumal die Tätigkeit der beiden genannten Beauftragten nicht einer Geheimhaltungsstufe unterliegt und somit im Rahmen der Geschäftsordnung durch das Parlament hinterfragt werden kann. 12 Angabe aus dem Abgeordnetenbüro von , MdB, nach telefonischer Rückfrage. - 8 - 7. Anhang: Literaturhinweise Arnim, Gabriele von, et. al., Jahrbuch Menschenrechte 2003 – Schwerpunkt Terrorismusbekämpfung und Menschenrechte, Frankfurt 2002, S. 361 – 385 Klein, Eckart, Menke, Christoph (Hrsg.), Menschheit und Menschenrechte - Probleme der Universalisierung und Institutionalisierung, Berlin 2002 Neubert, Dieter, Nichtregierungsorganisationen in der Diskussion, in Gesellschaft – Wirtschaft – Politik, Jahrgang 52, 2003, Heft 2, S. 257 – 282 Nolte, Georg, Schreiber, Hans-Ludwig (Hrsg.), Der Mensch und seine Rechte - Grundlagen und Brennpunkte, Göttingen 2004 Sturm, Roland, Die Grundrechtscharta der Europäischen Union – Wird Europa bürgernäher ?, in: Gesellschaft – Wirtschaft – Politik, Jahrgang 52, 2003, Heft 3, S. 297 – 305 Internetseiten: Europarat: www.coe.int, hier: Menschenrechtsgerichtshof Auswärtiges Amt: www.auswaertiges–amt.de, hier: Außenpolitik/Menschenrechte