© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 - 165/18 Eckpunkte und völkerrechtliche Bedeutung des Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Ziel 4: Ausstattung mit Identitäts- und Staatsangehörigkeitsnachweisen 10 2.2.2.3. Ziel 5: Verbesserung der Wege für eine reguläre Migration 10 2.2.2.4. Ziel 7: Schutz von Migranten in prekären Situationen 11 2.2.2.5. Ziel 8: Rettung von Menschenleben 12 2.2.2.6. Ziel 9: Grenzübergreifende Bekämpfung der Schleusung von Migranten 12 2.2.2.7. Ziel 10: Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel 12 2.2.2.8. Ziel 11: Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement 13 2.2.2.9. Ziel 13: Freiheitsentziehung bei Migranten 13 2.2.2.10. Ziel 15: Gewährleistung des Zugangs zu Grundleistungen 14 2.2.2.11. Ziel 16: Befähigung von Migranten und Gesellschaften zur Inklusion 14 2.2.2.12. Ziel 17: Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses 14 2.2.2.13. Ziel 18: Aus- und Weiterbildung sowie gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen 15 2.2.2.14. Ziel 21: Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr 15 2.2.2.15. Ziel 22: Schaffung von Mechanismen zur Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und erworbenen Leistungsansprüchen 16 2.3. Umsetzung des Globalen Migrationspaktes 16 2.4. „Follow-up“ und Überprüfung 16 3. Rechtliche Bindungswirkung des Paktes 18 3.1. Völkerrechtliche Einordnung des Migrationspaktes 18 3.2. Rechtliche Bedeutung des Migrationspaktes als „soft law“- Instrument 19 3.2.1. Entstehung von Völkergewohnheitsrecht 19 3.2.1.1. Allgemeine Rechtsüberzeugung („opinio iuris“) 20 3.2.1.2. Staatenpraxis 22 3.2.2. Konkretisierung von sog. „hard law“ 23 4. Reaktionen der Staatengemeinschaft 25 4.1. Position der Bundesregierung 26 4.2. Position der den Pakt ablehnenden Staaten 27 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 4 5. Zusammenfassung 30 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 5 1. Einleitung Die Generalversammlung (GV) der Vereinten Nationen (VN) verabschiedete im September 2016 einstimmig die New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten1 mit dem Ziel, im Rahmen eines zwischenstaatlichen Verhandlungsprozesses einen globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (Globaler Migrationspakt) auszuarbeiten.2 Ferner sollen in einem separaten Prozess unter dem Dach des VN-Flüchtlingskommissariats (UNHCR) ein Rahmenplan für Flüchtlingshilfemaßnahmen sowie ein Globaler Pakt für Flüchtlinge ausgearbeitet werden.3 Dem nun vorliegenden finalisierten Entwurf des Globalen Migrationspaktes4 haben am 13. Juli 2018 mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika, die sich nach der Wahl von Donald Trump zum U.S.-Präsidenten aus den Verhandlungen zurückgezogen hatten, alle Mitgliedstaaten der VN zugestimmt. Er soll auf einer zwischenstaatlichen Konferenz in Marrakesch am 10./11. Dezember 2018 von den Mitgliedstaaten der VN angenommen werden. Eine Unterzeichnung durch Staatenvertreter ist dabei nicht vorgesehen. Vielmehr erfolgt die Annahme im Konsens oder durch Abstimmung. Nach der Annahme wird der Text des Globalen Migrationspaktes an die VN-Generalversammlung übermittelt und in einer Resolution der VN-Generalversammlung förmlich angenommen („indossiert“).5 Im Folgenden werden zunächst die Eckpunkte des finalisierten Entwurfs des Globalen Migrationspakts dargelegt (Abschnitt 2.). Daran anschließend wird auf die Frage nach der völkerrechtlichen Bindungswirkung des Paktes eingegangen (Abschnitt 0). Abschließend erfolgt ein Überblick über die Position der Bundesregierung sowie die Position einzelner Länder, die den Pakt inzwischen nicht mehr annehmen wollen (Abschnitt 0.). 1 Aus sprachlichen Gründen wird im Folgenden nur von Migranten gesprochen. Damit sind aber jeweils auch Migrantinnen gemeint. 2 New York Declaration for Refugees and Migrants, VN-GV, A/RES/71/1, Annex II, Ziffer I, S. 21, http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=A/RES/71/1 (letzter Zugriff: 28.11.2018). 3 Ibid., Annex I, Ziffern 2 und 19. Der finalisierte Entwurf des Globalen Pakts für Flüchtlinge ist abrufbar unter: http://www.unhcr.org/5b3295167 (letzter Zugriff: 14.11.2018). Zum Entwicklungsprozess siehe die Internetseite des Hohen Flüchtlingskommissars der VN (UNHCR), http://www.unhcr.org/dach/de/was-wir-tun/auf-dem-wegzum -globalen-pakt-fuer-fluechtlinge (letzter Zugriff: 14.11.2018). 4 Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, Intergovernmentally Negotiated and Agreed Outcome, 13.7.2018, https://undocs.org/A/CONF.231/3 (letzter Zugriff: 21.11.2018); für die deutsche Übersetzung des finalisierten Entwurfs siehe den Entwurf des Ergebnisdokuments der Zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration in Marrakesch (Marokko), 10. und 11.12.2018, Punkt 10 der vorläufigen Tagesordnung, A/Conf.231/3, 30.07.2018, http://www.un.org/depts/german /migration/A.CONF.231.3.pdf (letzter Zugriff: 18.11.2018). Zum Entwicklungsprozess siehe die Internetseiten der Internationalen Organisation für Migration (IOM), https://www.iom.int/global-compact-migration (letzter Zugriff: 14.11.2018) sowie der VN, https://refugeesmigrants.un.org/migration-compact (letzter Zugriff: 14.11.2018). 5 Auswärtiges Amt, Ein globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration, 3.11.2018, https://www.auswaertiges -amt.de/de/aussenpolitik/internationale-organisationen/uno/globaler-migratiospakt/2157180 (letzter Zugriff: 14.11.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 6 2. Eckpunkte des finalisierten Entwurfs vom 13. Juli 2018 Der finalisierte Entwurf des Globalen Migrationspakts besteht aus einer Präambel, einem einführenden Teil über die gemeinsame Vision und die dem Pakt zugrundeliegenden Leitprinzipien (Abschnitt 2.1.), dem vereinbarten Kooperationsrahmen (Abschnitt 2.2.), Bestimmungen zu seiner Umsetzung (Abschnitt 2.3.) sowie zum „Follow-up“ und der Überprüfung (Abschnitt 2.4.). 2.1. Vision und Leitprinzipien Ziel des Migrationspaktes ist es, die Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Migration zu verbessern. Nach dem Pakt stellt Migration „eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung“ in unserer globalisierten Welt dar und diese positiven Auswirkungen könnten durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden. Anerkannt wird jedoch auch, dass Migration sehr unterschiedliche und manchmal unvorhersehbare Auswirkungen auf die Länder und Gesellschaften sowie die Migranten und ihre Familien habe. Migration wird begriffen als Tatsache, die es zum Nutzen aller zu gestalten gelte.6 Der Gesamtnutzen von Migration solle optimiert werden, gleichzeitig seien „die Risiken und Herausforderungen anzugehen , die sich den einzelnen Menschen und den Gemeinschaften in den Herkunfts-, Transitund Zielländern stellen.“ Eine sichere, geordnete und reguläre Migration soll erleichtert werden , während die irreguläre Migration und ihre negativen Auswirkungen reduziert werden sollten . Der Migrationspakt statuiert kein „Menschenrecht auf Migration“,7 sondern stellt lediglich fest, dass die Menschenrechte aller Migranten gewährleistet werden sollen und dabei gleichzeitig die Sicherheit und das Wohlergehen aller Gemeinschaften gefördert werden solle.8 Auch wird explizit festgehalten, dass die „nachteiligen Triebkräfte und strukturellen Faktoren“ minimiert werden sollen, die Menschen dazu veranlassen, ihre Heimatländer zu verlassen.9 Im Rahmen der zehn Leitprinzipien wird ausdrücklich auf die rechtliche Bindungswirkung und die Souveränität der Staaten eingegangen. Mit Blick auf erstere stellt der Pakt fest: „Der Globale Pakt ist ein rechtlich nicht bindender Kooperationsrahmen [„non-legally binding cooperative framework“], der anerkennt, dass Migration von keinem Staat allein gesteuert werden kann, da das Phänomen von Natur aus grenzüberschreitend ist und somit Zusammenarbeit und Dialog auf internationaler , regionaler und bilateraler Ebene erfordert. Die Autorität des Paktes beruht auf seinem Konsenscharakter, seiner Glaubwürdigkeit, seiner kollektiven 6 Global Compact (Fn. 4), Ziffern 8 f. 7 So auch Janik, Der Globale Migrationspakt: Zwischen Mythen und Sorgen, Völkerrechtsblog, 14.11.2018, https://voelkerrechtsblog.org/der-globale-migrationspakt-zwischen-mythen-und-sorgen/ (letzter Zugriff: 22.11.2018); ebenso Thym, Viel Lärm um nichts?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6; Nowak, Ausstieg aus Migrationspakt „fatales Signal“, ORF v. 31.10.2018, https://orf.at/stories/3088401/ (letzter Zugriff: 21.11.2018). 8 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 11. 9 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 7 Trägerschaft und seiner gemeinsamen Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung .“10 Bezüglich der staatlichen Souveränität bekräftigt der Pakt „das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. Innerhalb ihres Hoheitsbereichs dürfen die Staaten zwischen regulärem und irregulärem Migrationsstatus unterscheiden, einschließlich bei der Festlegung ihrer gesetzgeberischen und politischen Maßnahmen zur Umsetzung des Globalen Paktes, unter Berücksichtigung der verschiedenen nationalen Realitäten, Politiken, Prioritäten und Bestimmungen für Einreise, Aufenthalt und Arbeit und im Einklang mit dem Völkerrecht“.11 2.2. Kooperationsrahmen Der rechtlich nicht bindende12 Kooperationsrahmen umfasst 23 Ziele („objectives“) und deren Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung. Jedes der 23 Ziele enthält eine sog. Verpflichtung („commitment“)13 der Staaten und schlägt eine Reihe von Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung vor, die als relevante Politikinstrumente und bewährte Verfahren („best practice“) angesehen werden. Die jeweiligen, die Staaten lediglich politisch – und nicht auch rechtlich – bindenden Ziele und „commitments“, verpflichten die Staaten aber nicht zur Umsetzung sämtlicher Maßnahmen. Vielmehr können die Staaten jeweils frei wählen, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen sie umsetzen („… we will draw from the following actions: …“).14 Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die Ziele des Migrationspaktes gegeben (Abschnitt 2.2.1.). Daran anschließend wird der Inhalt der wichtigsten Verpflichtungen („commitments “) dargestellt. Dabei wird auch auf einzelne, zu ihrer Verwirklichung vorgeschlagene Maßnahmen eingegangen (Abschnitt 2.2.2). 10 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 15 lit. b). Gleichermaßen ist auch in der Präambel festgelegt, dass der Globale Pakt “einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen darstellt, der auf den Verpflichtungen aufbaut, auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben“; ibid. Ziffer 7. 11 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 15 lit. c). 12 Dazu s. die Abschnitte 2.1 und 0. So auch Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign?, in: EJIL: Talk! v. 21.11.2018, https://www.ejiltalk.org/the-global-compact-for-migration-to-sign-or-not-to-sign/ (letzter Zugriff: 21.11.2018). 13 Der Deutsche Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen übersetzt „commitment“ mit „Verpflichtung“, was angesichts des Umstands, dass der Migrationspakt lediglich einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen schafft (vgl. Fn. 12), missverständlich erscheint, da es sich bei den eingegangenen „commitments“ nicht um rechtliche, sondern um politische (Selbst-) Verpflichtungen handelt. 14 Vgl. Global Compact (Fn. 3), Ziffern 16 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 8 2.2.1. Ziele des Globalen Migrationspaktes Der Globale Migrationspakt nennt folgende Ziele für eine sichere, geordnete und reguläre Migration 15: 1. Erhebung und Nutzung korrekter und aufgeschlüsselter Daten als Grundlage für eine Politikgestaltung , die auf nachweisbaren Fakten beruht; 2. Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu zwingen, ihre Herkunftsländer zu verlassen; 3. Bereitstellung korrekter und zeitnaher Informationen in allen Phasen der Migration; 4. Sicherstellung dessen, dass alle Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen; 5. Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für reguläre Migration; 6. Förderung einer fairen und ethisch vertretbaren Rekrutierung von Arbeitskräften und Gewährleistung der Bedingungen für eine menschenwürdige Arbeit; 7. Bewältigung und Minderung prekärer Situationen im Rahmen von Migration; 8. Rettung von Menschenleben und Festlegung koordinierter internationaler Maßnahmen betreffend vermisste Migranten; 9. Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migranten; 10. Prävention, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel im Kontext der internationalen Migration; 11. Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement; 12. Stärkung der Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Migrationsverfahren zur Gewährleistung einer angemessenen Prüfung, Bewertung und Weiterverweisung; 13. Freiheitsentziehung bei Migranten nur als letztes Mittel und Bemühung um Alternativen; 14. Verbesserung des konsularischen Schutzes und der konsularischen Hilfe und Zusammenarbeit im gesamten Migrationszyklus; 15. Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen; 15 Die genannten Ziele und die Nummerierung entsprechen der deutschen Fassung des Global Compact (Fn. 4). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 9 16. Befähigung von Migranten und Gesellschaften zur Verwirklichung der vollständigen Inklusion und des sozialen Zusammenhalts; 17. Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung von Migration ; 18. Investition in Aus- und Weiterbildung und Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen; 19. Herstellung von Bedingungen, unter denen Migranten und Diasporas in vollem Umfang zur nachhaltigen Entwicklung in allen Ländern beitragen können; 20. Schaffung von Möglichkeiten für schnellere, sicherere und kostengünstigere Rücküberweisungen und Förderung der finanziellen Inklusion von Migranten; 21. Zusammenarbeit bei der Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr und Wiederaufnahme sowie einer nachhaltigen Reintegration; 22. Schaffung von Mechanismen zur Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und erworbenen Leistungsansprüchen; 23. Stärkung internationaler Zusammenarbeit und globaler Partnerschaften für eine sichere, geordnete und reguläre Migration. 2.2.2. Fragen zu den Verpflichtungen einzelner Ziele Wie bereits dargelegt, stellt der Migrationspakt den Staaten einen Katalog an Maßnahmen zur Verfügung, aus dem sie wählen können, welche der genannten Maßnahmen sie umsetzen, um ihre „commitments“ zu verwirklichen.16 Im Folgenden wird der Inhalt der wichtigsten Verpflichtungen („commitments“)17 dargestellt. Dabei wird auch auf einzelne, in der öffentlichen Diskussion thematisierte Maßnahmen eingegangen, die zu ihrer Verwirklichung vorgeschlagen wurden. 2.2.2.1. Ziel 2: Minimierung der Ursachen von Migration In Ziel 2 sieht der Migrationspakt eine Verpflichtung der Staaten vor, förderliche Bedingungen für das Leben der Menschen in ihrem eigenen Land zu schaffen und gleichzeitig dafür zu sorgen , dass „Verzweiflung und sich verschlechternde Umweltbedingungen sie nicht dazu veranlassen , durch irreguläre Migration anderswo eine Existenzgrundlage zu suchen.“ Daneben ver- 16 S.o. Abschnitt 2.2. 17 Vgl. dazu Fn. 12 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 10 pflichten sich die Staaten, insbesondere die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung umzusetzen , um „die Gesamtwirkung des Globalen Paktes zur Erleichterung einer sicheren, geordneten und regulären Migration zu erhöhen.“18 2.2.2.2. Ziel 4: Ausstattung mit Identitäts- und Staatsangehörigkeitsnachweisen Zur Erreichung dieses Ziels verpflichten sich die Staaten zum einen, das Recht aller Menschen auf eine rechtliche Identität zu erfüllen, indem alle Staatsangehörigen mit Nachweisen ihrer Staatsangehörigkeit und relevanten Dokumenten zur Feststellung ihrer Identität bei der Einreise , während des Aufenthaltes und zum Zwecke der Rückkehr ausgestattet werden. Zum anderen verpflichten sie sich, sicherzustellen, dass Migranten in allen Phasen der Migration ausreichende Dokumente und Personenstandsurkunden ausgestellt werden, um ihre Menschenrechte effektiv auszuüben.19 Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Verpflichtung sieht vor, dass die Staaten verstärkte Maßnahmen zur Verminderung der Staatenlosigkeit ergreifen, u.a. indem sie „neu geborene Migranten registrieren, dafür sorgen, dass Frauen und Männer gleichermaßen ihre Staatsangehörigkeit an ihre Kinder weitergeben können, und im Hoheitsgebiet eines anderen Staates geborenen Kindern die Staatsangehörigkeit zuerkennen, insbesondere in Fällen, in denen das Kind sonst staatenlos wäre, unter voller Achtung des Menschenrechts auf eine Staatsangehörigkeit und im Einklang mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften“. Die Regelung, dass Staaten den im Hoheitsgebiet eines anderen Staates geborenen Kindern die Staatsangehörigkeit zuerkennen sollen, erfasst schon nach dem Wortlaut lediglich den Fall, dass im Ausland geborene Kinder die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern bei sonst drohender Staatenlosigkeit erhalten sollen.20 Eine Pflicht für die Staaten, in ihrem Hoheitsgebiet geborenen Kindern ausländischer Eltern die Staatsangehörigkeit zuzuerkennen, lässt sich hieraus nicht ableiten. Im Übrigen müssen die vorgeschlagenen Maßnahmen im Einklang mit dem innerstaatlichen Recht stehen, so dass sich schon deshalb aus diesem Passus keine über das deutsche Recht hinausgehenden Maßnahmen ableiten lassen können. 2.2.2.3. Ziel 5: Verbesserung der Wege für eine reguläre Migration Dieses Ziel sieht eine Verpflichtung der Staaten vor, die Optionen und Wege für eine reguläre Migration anzupassen, welche die demografische Wirklichkeit und die Realität auf dem Arbeitsmarkt widerspiegelt und dabei Arbeitskräftemobilität und menschenwürdige Arbeit erleichtert, 18 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 18. 19 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 20. 20 Vgl. hierzu auch Auswärtiges Amt, 16 Antworten zum Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, 9.1.2018, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/migration/16-antworten-globaler -pakt-migration/2159234 (letzter Zugriff: 14.11.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 11 das Recht auf ein Familienleben wahrt und den Bedürfnissen von Migranten in einer prekären Situation gerecht wird.21 Der Maßnahmenkatalog zur Erreichung dieses Zieles sieht u.a. vor, dass die Staaten Verfahren für die Einreise und Aufenthalte von angemessener Dauer entwickeln oder bestehende Verfahren ausbauen für solche Migranten, die aufgrund plötzlicher Naturkatastrophen und anderer prekärer Situationen gezwungen sind, ihr Herkunftsland zu verlassen, solange eine Anpassung im Herkunftsland oder eine Rückkehr dorthin nicht möglich ist.22 Auch sollen die Staaten „bei der Ermittlung, Entwicklung und Verstärkung von Lösungen für Migranten zusammenarbeiten, die aufgrund von Naturereignissen und Umweltzerstörung gezwungen sind, ihr Herkunftsland zu verlassen.23 Ferner sieht der Maßnahmenkatalog vor, dass die Staaten für Migranten den Zugang zu Verfahren der Familienzusammenführung erleichtern, „einschließlich durch Überprüfung und Neufassung geltender Vorschriften, beispielsweise in Bezug auf Einkommen, Sprachkenntnisse, Aufenthaltsdauer , Arbeitsgenehmigung und Zugang zu sozialer Sicherheit und sozialen Diensten.“24 Die Entscheidung, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen die Staaten zur Verwirklichung ihres „commitment“ ergreifen, obliegt jedoch den Staaten.25 Im Übrigen sind die Maßnahmen auch so vage formuliert, dass den Staaten ein großer Handlungsspielraum verbleibt, ihre Migrationspolitik selbst zu bestimmen. Eine Aufnahmepflicht für eine bestimmte Anzahl von Migranten lässt sich hieraus nicht herleiten.26 2.2.2.4. Ziel 7: Schutz von Migranten in prekären Situationen Dieses Ziel sieht eine Verpflichtung der Staaten vor, auf die Bedürfnisse von Migranten einzugehen , die sich in prekären Situationen befinden können. Sie sollen im Einklang mit den (bestehenden ) völkerrechtlichen Verpflichtungen unterstützt und ihre Menschenrechte geschützt werden . Ferner verpflichten sich die Staaten in Situationen, in denen Kinder betroffen sind, jederzeit das Wohl des Kindes als vorrangigen Gesichtspunkt zu wahren und gegenüber Migranten in prekären Situationen einen geschlechtersensiblen Ansatz anzuwenden.27 Der Katalog an Maßnahmen, aus denen die Staaten zur Verwirklichung dieser Verpflichtung schöpfen können, sieht u.a. vor, dass die Staaten als Option, um prekäre Situationen zu mindern 21 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 21. 22 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 21 lit. g). 23 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 21 lit. h). 24 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 21 lit. i). 25 Dazu s.o. Abschnitt 2.2. 26 Vgl. auch Thym, Viel Lärm um nichts? FAZ v. 8.11.2018, S. 6; Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign? (Fn. 12). 27 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 23. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 12 „Migranten mit irregulärem Status auf Einzelfallbasis“ den Zugang zu einer individuellen Prüfung erleichtern, welche zu einem regulären Status führen kann, und somit ergebnisoffen ist.28 2.2.2.5. Ziel 8: Rettung von Menschenleben Ziel 8 verpflichtet die Staaten zur internationalen Zusammenarbeit mit dem Ziel, Menschenleben zu retten und den Tod und die Verletzung von Migranten zu verhindern. Ferner verpflichten sich die Staaten, die Toten oder Vermissten zur identifizieren und die Kommunikation mit den betroffenen Familien zu erleichtern.29 Der Maßnahmenkatalog, aus dem die Staaten zur Verwirklichung dieses „commitment“ schöpfen können, sieht u.a. vor, dass die Staaten Verfahren und Vereinbarungen für die Suche und Rettung von Migranten erarbeiten, die primär dem Ziel dienen, das Recht von Migranten auf Leben zu schützen. Ferner sollen sie das Verbot der Kollektivausweisung30 aufrechterhalten, ordnungsgemäße Verfahren und Einzelprüfungen garantieren, Aufnahme und Hilfskapazitäten verbessern und sicherstellen, dass die Bereitstellung von Hilfe aus rein humanitären Gründen nicht als rechtswidrig erachtet wird.31 2.2.2.6. Ziel 9: Grenzübergreifende Bekämpfung der Schleusung von Migranten Dieses Ziel sieht eine Verpflichtung der Staaten vor, die gemeinsamen Anstrengungen zur Prävention und Bekämpfung der Schleusung von Migranten zu intensivieren. Zu diesem Zwecke sollen die Kapazitäten und die internationale Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Schleusung mit dem Ziel verstärkt werden, der Straflosigkeit der Schleusernetzwerke ein Ende zu bereiten. Ferner verpflichten sich die Staaten, Migranten nicht strafrechtlich dafür zu verfolgen, dass sie Gegenstand der Schleusung waren.32 2.2.2.7. Ziel 10: Verhütung, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel Dieses Ziel verpflichtet die Staaten, gesetzgeberische oder sonstige Maßnahmen zu treffen, um Menschenhandel im Kontext von internationaler Migration zu verhüten, zu bekämpfen und zu beseitigen. Ferner sollen die Identifizierung, der Schutz und die Unterstützung von Migranten, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, verbessert werden.33 28 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 23 i). 29 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 24. 30 Dieses gilt für Deutschland bereits aufgrund von Artikel 4 Protokoll Nr. 4 zur Europäischen Menschenrechtskonvention sowie Artikel 19 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta. 31 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 24 a). 32 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 25. 33 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 26. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 13 2.2.2.8. Ziel 11: Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement Im Rahmen dieses Ziels verpflichten sich die Staaten zum einen, - das Management ihrer „nationalen Grenzen zu koordinieren, - die bilaterale und regionale Zusammenarbeit zu fördern, - die Sicherheit der Staaten, Gemeinschaften und Migranten zu gewährleisten, - sichere und reguläre Grenzübertritte zu ermöglichen und - gleichzeitig irreguläre Migration zu verhindern.“ Zum anderen verpflichten sie sich zu einer Grenzmanagementpolitik, die die nationale Souveränität , die Rechtsstaatlichkeit, die völkerrechtlichen Verpflichtungen und die Menschenrechte aller Migranten ungeachtet ihres Migrationsstatus achtet sowie nichtdiskminierend, geschlechtersensibel und kindergerecht ist.34 Der Maßnahmenkatalog, aus dem die Staaten zur Verwirklichung dieser Verpflichtung schöpfen können, sieht (u.a.) vor, dass die einschlägigen nationalen Verfahren der Grenzkontrolle, der Einzelfallprüfung und der Befragung überprüft und revidiert werden, um sicherzustellen, dass die Verfahren an internationalen Grenzen ordnungsgemäß ablaufen und dass alle Migranten im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsnormen behandelt werden. Ferner sollen die einschlägigen Gesetze und Vorschriften überprüft und revidiert werden, „um festzustellen, ob Sanktionen eine geeignete Antwort auf irreguläre Einreise oder irregulären Aufenthalt sind, und wenn ja, sicherzustellen, dass die Sanktionen verhältnismäßig, ausgewogen und nichtdiskriminierend sind und in vollem Umfang rechtsstaatlichen Verfahren und anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen entsprechen“. 2.2.2.9. Ziel 13: Freiheitsentziehung bei Migranten Dieses Ziel verpflichtet die Staaten, „zu gewährleisten, dass jegliche Freiheitsentziehung im Kontext der internationalen Migration einem rechtsstaatlichen Verfahren folgt, nicht willkürlich ist, auf der Grundlage des Gesetzes, der Notwendigkeit und einer Einzelprüfung erfolgt, von dazu befugtem Personal vorgenommen wird und von möglichst kurzer Dauer ist. Dies gilt unabhängig davon, ob sie bei der Einreise, beim Transit oder bei der Rückkehr stattfindet und an welchem Ort sie erfolgt. Ferner verpflichten sich die Staaten, Freiheitsentziehungen bei Migranten nur als letztes Mittel einzusetzen und sich um Alternativen zu bemühen.35 34 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 27. 35 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 29. Nach Thym, Viel Lärm um nichts? FAZ v. 8.11.2018, S. 6, sind lediglich die Aussagen zur Freiheitsbeschränkung im Migrationspakt für die Einreisekontrolle strenger als im geltenden Recht, was den Aufbau wirkungsvoller Hotspots an den EU-Außengrenzen erschweren könnte. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 14 2.2.2.10. Ziel 15: Gewährleistung des Zugangs zu Grundleistungen Dieses Ziel verpflichtet die Staaten, sicherzustellen, dass alle Migranten ihre Menschenrechte durch einen sicheren Zugang zu Grundleistungen wahrnehmen können.36 Auch sollen die Staaten Leistungserbringungssysteme, die Migranten einschließen, stärken. Dies gilt unabhängig davon , dass Staatsangehörige und reguläre Migranten möglicherweise Anspruch auf umfassendere Leistungen haben. Den Staaten bleibt es somit unbenommen, zwischen legalen und illegalen Migranten sowie ihren Staatsangehörigen zu differenzieren. Jede Ungleichbehandlung muss jedoch auf dem Gesetz beruhen, verhältnismäßig sein und einen rechtmäßigen Zweck verfolgen.37 2.2.2.11. Ziel 16: Befähigung von Migranten und Gesellschaften zur Inklusion Im Rahmen dieses Ziels verpflichten sich die Staaten zur Förderung inklusiver, von sozialem Zusammenhalt geprägter Gesellschaften. Erreicht werden soll dies zum einen, indem die Staaten Migranten dazu befähigen, zu aktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu werden. Zum anderen sollen die Staaten das gegenseitige Engagement der Bevölkerung des Aufnahmestaates und der Migranten fördern, einschließlich der Einhaltung der innerstaatlichen Gesetze und der Achtung der Gebräuche des Ziellandes. Darüber hinaus sollen die Staaten das Wohlergehen aller Mitglieder der Gesellschaft stärken. Zu diesem Zweck sollen Ungleichheiten so weit wie möglich verringert , Polarisierung vermieden und das Vertrauern der Öffentlichkeit in die Migrationspolitik und die mit Migration befassten Institutionen entsprechend der Erkenntnis, dass vollständig integrierte Migranten besser in der Lage sind, zum Wohlstand beizutragen, gestärkt werden.38 2.2.2.12. Ziel 17: Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses Dieses Ziel verpflichtet die Staaten, „alle Formen der Diskriminierung zu beseitigen sowie Äußerungen , Handlungen und Ausprägungen von Rassismus, Rassendiskriminierung, Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängender Intoleranz gegenüber allen Migranten zu verurteilen und zu bekämpfen.“ Ferner soll in Partnerschaft mit allen Teilen der Gesellschaft ein offener und auf nachweisbaren Fakten beruhender öffentlicher Diskurs gefördert werden, der zu einer realistischeren, humaneren und konstruktiveren Wahrnehmung von Migration und Migranten führt. Im Einklang mit dem Völkerrecht soll das Recht der freien Meinungsäußerung in der Erkenntnis geschützt werden, dass eine offene und freie Debatte zu einem umfassenden Verständnis aller Aspekte der Migration beiträgt.39 36 Die Staaten sollen Migranten somit nicht uneingeschränkten, sondern lediglich den menschenrechtlich gebotenen Zugang zu Grundleistungen gewähren. 37 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 31. 38 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 32. 39 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 33. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 15 Als eine mögliche Maßnahme zur Verwirklichung dieser Verpflichtung sieht der Pakt vor, dass die Staaten „unter voller Achtung der Medienfreiheit eine unabhängige, objektive und hochwertige Berichterstattung durch die Medien, einschließlich Informationen im Internet, fördern“. Dies kann u.a. durch Sensibilisierung und Aufklärung von Medienschaffenden, durch Investitionen in ethische Standards der Berichterstattung und Werbung und durch Einstellung der öffentlichen Finanzierung oder materiellen Unterstützung von solchen Medien geschehen, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern.40 2.2.2.13. Ziel 18: Aus- und Weiterbildung sowie gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen Im Rahmen dieses Ziels verpflichten sich die Staaten, in innovative Lösungen zu investieren, die die gegenseitige Anerkennung der Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen von Arbeitsmigranten erleichtern und eine bedarfsorientierte Aus- und Weiterbildung fördern. Hierdurch sollen zum einen Migranten auf dem formalen Arbeitsmarkt in den Zielländern und nach ihrer Rückkehr in die Herkunftsländer besser in der Lage sein, eine Beschäftigung zu finden. Zum anderen soll hierdurch eine menschenwürdige Arbeit für Arbeitsmigranten gewährleistet werden.41 2.2.2.14. Ziel 21: Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr Zur Verwirklichung dieser Ziels verpflichten sich die Staaten, eine sichere und würdevolle Rückkehr und Wiederaufnahme zu ermöglichen, dabei zusammenzuarbeiten und ordnungsgemäße Verfahren, Einzelfallprüfungen und effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten. Im Einklang mit den internationalen menschenrechtlichen Verpflichtungen wird das Verbot der kollektiven Ausweisung42 und der Rückführung von Migranten aufrechterhalten, wenn eine reale und vorhersehbare Gefahr von Tod, Folter und anderer grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe oder anderer nicht wiedergutzumachender Schädigung besteht.43 Ferner verpflichten sie sich, sicherzustellen, dass ihre Staatsangehörigen ordnungsgemäß empfangen und wiederaufgenommen werden, sowie förderliche Bedingungen für persönliche Sicherheit , wirtschaftliche Stärkung, Inklusion und sozialen Zusammenhalt in Gemeinschaften zu schaffen, damit die Reintegration der Migranten nach der Rückkehr in ihre Herkunftsländer nachhaltig ist.44 40 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 33 c). 41 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 34. 42 Dazu s.o. Fn. 30. 43 Das in Art. 33 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention niedergelegte sog. Refoulement-Verbot ist völkergewohnheitsrechtlich anerkannt; vgl. Kälin/Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz, 3. Aufl. 2013, Rn. 1492 f. 44 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 16 2.2.2.15. Ziel 22: Schaffung von Mechanismen zur Übertragbarkeit von Sozialversicherungsund erworbenen Leistungsansprüchen Im Rahmen dieses Ziels verpflichten sich die Staaten, Arbeitsmigranten dabei zu helfen, in den Zielländern Zugang zu Sozialschutz zu erhalten und von der Übertragbarkeit geltender Sozialversicherungs - und erworbener Leistungsansprüche in ihren Herkunftsländern oder beim Entschluss zur Aufnahme einer Beschäftigung in einem anderen Land zu profitieren.45 Diese Bestimmung erleichtert Migranten somit den Zugang zum Sozialversicherungssystem sowie die Mitnahme erworbener sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche beim Wegzug in ein anderes Land. 2.3. Umsetzung des Globalen Migrationspaktes Die Staaten verpflichten sich, die im Globalen Pakt niedergelegten Ziele und Verpflichtungen zu erfüllen und zu diesem Zweck wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um eine in allen Phasen sichere , geordnete und reguläre Migration zu ermöglichen. Dabei wird ausdrücklich festgestellt, dass die Umsetzung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Realitäten, Kapazitäten und Entwicklungsstufen sowie unter Beachtung der nationalen Politiken und Prioritäten erfolgt.46 Die Umsetzung des Migrationspaktes soll durch eine verstärkte bilaterale, regionale und multilaterale Zusammenarbeit erfolgen.47 Darüber hinaus sieht der Migrationspakt die Einrichtung eines Kapazitätsaufbaumechanismus´ („capacity-building mechanism“) innerhalb der VN vor, der die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Paktes unterstützen soll.48 Ein neu zu schaffendes Migrationsnetzwerk der Vereinten Nationen soll sicherstellen, dass die Staaten entsprechend ihren Bedürfnissen bei der Umsetzung des Migrationspaktes unterstützt werden, und dass die Umsetzung des Pakts weiterverfolgt und überprüft wird. Als Koordinatorin und Sekretariat wird dieses Netzwerkes soll die Internationale Organisation für Migration (IOM) fungieren.49 2.4. „Follow-up“ und Überprüfung Auf globaler Ebene soll die Umsetzung des Migrationspaktes mittels eines zwischenstaatlichen Forums, dem sog. „Überprüfungsforum Internationale Migration“ (International Migration Review Forum“) unter Beteiligung aller relevanten Interessenträger überprüft werden. In diesem Forum, welches alle vier Jahre im Rahmen der VN-Generalversammlung tagt, sollen die Mitgliedstaaten Fortschritte und Erfahrungen bei der Umsetzung des Globalen Migrationspakts erörtern und austauschen. Vorgesehen ist also kein unabhängiges Kontrollorgan; vielmehr bleibt die 45 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 38. 46 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 41. 47 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 42 48 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 43. 49 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 45. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 17 Kontrolle über die Umsetzung in der Hand der Regierungen. Durch die Beteiligung aller relevanten Interessenträger können Nichtregierungsorganisationen aber politischen Druck auf die Regierungen ausüben.50 Daneben werden regionale Plattformen und Organisationen eingeladen, die Umsetzung des Paktes auf regionaler Ebene im Wechsel mit dem o.g. Überprüfungsforum zu überprüfen. Vorgesehen ist darüber hinaus ein Austausch im Rahmen anderer zwischenstaatlicher Foren, wie z.B. dem Globalen Forum für Migration und Entwicklung. 51 Die genauen Modalitäten und organisatorischen Aspekte der Überprüfungsforen sollen durch die Präsidentschaft der VN-Generalversammlung unter Konsultation der Mitgliedstaaten festgelegt werden.52 50 Vgl. Löwenstein, Großer Druck durch weiche Gesetze, FAZ v. 17.11.2018, S. 10. 51 Global Compact (Fn. 3), Ziffern 48 ff. 52 Global Compact (Fn. 3), Ziffer 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 18 3. Rechtliche Bindungswirkung des Paktes 3.1. Völkerrechtliche Einordnung des Migrationspaktes Anders als die deutsche Übersetzung des Titels vermuten lässt, handelt es sich bei dem Globalen Migrationspakt nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag.53 Dies gilt schon deshalb, weil es den Mitgliedstaaten am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt.54 So will der Pakt ausdrücklich keinen rechtlich bindenden Rahmen für die Zusammenarbeit der Staaten im Bereich der Migration schaffen.55 Weiter sprechen gegen einen Rechtsbindungswillen auch die Entstehungsgeschichte des Paktes56 sowie die Nichtbeobachtung der für völkerrechtliche Verträge üblichen internationalen und nationalen Verfahrensregeln.57 Da es sich bei dem Migrationspakt nicht um einen völkerrechtlichen Vertrag handelt, bedarf es auch keines Ratifikationsgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG.58 Der Migrationspakt stellt somit zunächst einmal eine politische Absichtserklärung der VN-Mitgliedstaaten dar, die nach ihrer Annahme auf einer Staatenkonferenz in Form einer Resolution von der VN-Generalversammlung angenommen werden soll.59 Resolutionen der VN-Generalversammlung sind als solche rechtlich nicht bindend, sondern haben grundsätzlich nur empfehlenden Charakter.60 Gleiches gilt auch für Erklärungen von Staatenkonferenzen, denen eine überwie- 53 So auch Tomuschat, Ein globales Recht auf Migration?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6; Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign? (Fn. 12); Janik, Der Globale Migrationspakt: Zwischen Mythen und Sorgen (Fn. 7). Herdegen, Fallstricke des Gutgemeinten, in: Cicero online, https://www.cicero.de/aussenpolitik/un-migrationspakt -afd-migration-fluechtlinge-merkel/plus. Auch das Auswärtige Amt teilt diese Ansicht, vgl. „Ein globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ (Fn. 5). 54 Ausführlich dazu Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign? (Fn. 12). Zur Erforderlichkeit des Rechtsbindungswillens vgl. nur Herdegen, Völkerrecht, 17. Auflage 2018, § 15 Rn. 2. 55 Dazu s.o. Abschnitt 2.1. Auch nach den Äußerungen des Auswärtigen Amtes ist der Migrationspakt nicht rechtsverbindlich; Auswärtiges Amt, Ein globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration (Fn. 5). 56 Dazu vgl. Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign? (Fn. 12), nach der sich die EU bei den Verhandlungen klar gegen einen völkerrechtlichen Vertrag ausgesprochen hat. 57 Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, 2. Kapitel, Rn. 167. 58 So auch Tomuschat, Ein globales Recht auf Migration?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6. S. aber das Interview mit A. Fischer -Lescano, in: Die Kraft der Verratsiegenden, SZ v. 29.11.2018, der wegen der politischen Bedeutung des Migrationspaktes eine Beteiligung von Bundestag und Bundesrat nach Art. 59 GG fordert. 59 Dazu s.o. Abschnitt 1. So auch Janik, Der Globale Migrationspakt: Zwischen Mythen und Sorgen (Fn. 7). 60 Vgl. Art. 10 f. i.V.m. Art. 13 f. der VN-Charta. Siehe auch Herdegen, Völkerrecht (Fn. 54), § 20 Rn. 2; Ruffert /Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, 2. Auflage 2015, Rn. 94 sowie Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht , 14. Auflage 2017, Rn. 134, nach dem den Staaten wegen der rechtlichen Unverbindlichkeit von Beschlüssen der VN-Generalversammlung bei deren Annahme in der Regel der Rechtsfolgewillen fehlt. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 19 gende Mehrheit von Staaten ohne Rechtsbindungswillen zugestimmt hat. Da beide von einer großen Anzahl von Staaten getragen werden, sind sie rechtlich jedoch nicht bedeutungslos, sondern als sog. „soft law“ zu qualifizieren.61 3.2. Rechtliche Bedeutung des Migrationspaktes als „soft law“-Instrument Als „soft law“ kommt dem Migrationspakt somit zunächst einmal eine hohe politische Signalund Bindungswirkung zu, zumal er aller Voraussicht nach von einer ganz überwältigenden Mehrheit der VN-Mitglieder auf einer gesondert einberufenen Staatenkonferenz angenommen und in Form einer Resolution der VN-Generalversammlung indossiert werden wird. „Soft law“ kann zur Entstehung von rechtlich verbindlichem Völkerrecht (sog. „hard law“) beitragen, indem es in völkerrechtliche Verträge aufgenommen wird oder sich im Laufe der Zeit zu Völkergewohnheitsrecht entwickelt (Abschnitt 3.2.1). Darüber hinaus kann „soft law“ auch durch die Konkretisierung von geltendem Völker- oder nationalem Recht Steuerungskraft entfalten (Abschnitt 3.2.2).62 Nicht zuletzt ist zu bedenken, dass auch das sog. „soft-law“ einen gewissen Umsetzungsdruck erzeugen kann und seine Missachtung daher politisch nicht folgenlos bleiben dürfte.63 3.2.1. Entstehung von Völkergewohnheitsrecht Resolutionen der VN-Generalversammlung oder rechtlich nicht bindende Beschlüsse von Staatenkonferenzen („soft-law“) können als Initiator oder Katalysator zur Herausbildung von Völkergewohnheitsrecht oder zur Konkretisierung allgemeiner Grundsätze des Völkerrechts beitragen.64 Das Völkergewohnheitsrecht setzt als „allgemeine, als Recht anerkannte Übung“ voraus, dass die weit überwiegende Mehrheit der Staaten die entsprechende Rechtsauffassung (sog. opinio iuris) teilt und in dem Bewusstsein befolgt, zu dem entsprechenden Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein (Staatenpraxis).65 61 Vgl. zum "Soft Law“ allgemein Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 6. Auflage 2013, § 22 II 2c; Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 20, Rn. 20 ff. m.w.N.; Siehe auch Thym, Viel Lärm um nichts?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6; Tomuschat, Ein globales Recht auf Migration?, FAZ v. 8.11.2018, S.6; Janik, Der Globale Migrationspakt: Zwischen Mythen und Sorgen (Fn. 7). 62 Reiling, Die Anwendung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit auf rechtsunverbindliche internationale Standards, in: ZaöRV 2018, S. 311 ff. (318 f.). 63 Näher dazu Reiling, Die Anwendung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit auf rechtsunverbindliche internationale Standards, in: ZaöRV 2018, S. 311ff. (319 f.): „Soft Law“ formuliere trotz seiner rechtlichen Unverbindlichkeit „verhaltensbezogene Erwartungen“, was es von Gentlemen´s Agreements und Völkerrechtscourtoisie unterscheide. „Soft law“ komme daher eine „Verbindlichkeit jenseits der Rechtsverbindlichkeit“ zu. 64 Zum Begriff der allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht , 6. Aufl. 2014, § 17, Rn. 43: „Ihre Besonderheit gegenüber den sonstigen Normen des Völkergewohnheitsrechts folgt daraus, dass sie in der internationalen Gemeinschaft derart verfestigt und allgemein anerkannt sind, dass ein gesonderter Nachweis durch Staatenpraxis nicht mehr erforderlich ist.“ 65 Vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 17 Rn. 2 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 20 Die Frage, ob eine bestimmte Norm bereits als Völkergewohnheitsrecht anzusehen ist und damit die internationale Staatengemeinschaft jenseits etwaiger völkervertraglicher Verpflichtungen bindet , bedarf stets einer Einzelfallprüfung.66 Schwierigkeiten bereitet dabei zum einen, dass es an eindeutigen und abschließenden Kriterien zur Bestimmung der notwendigen Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis fehlt. Zum anderen können sich Rechtsüberzeugung und Staatenübung auch gegenseitig beeinflussen: So ist es möglich, von einer regelmäßigen Übung auf eine (sich bildende ) Rechtsüberzeugung zu schließen sowie umgekehrt eine breite Rechtsüberzeugung für die Feststellung einer korrespondierenden Staatenpraxis heranzuziehen.67 3.2.1.1. Allgemeine Rechtsüberzeugung („opinio iuris“) Resolutionen der VN-Generalversammlung oder Erklärungen von Staatenkonferenzen können als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung und damit als eines der beiden Merkmale des Völkergewohnheitsrechts angesehen werden.68 Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Staaten auch tatsächlich in dem Bewusstsein handeln, den Inhalt der Resolution oder der Erklärung als rechtlich verbindlichen Standard anzuerkennen.69 Der Migrationspakt will jedoch gerade keinen rechtlich bindenden Rahmen für die Zusammenarbeit der Staaten im Bereich der Migration schaffen. Wollen jedoch die Staaten die im Migrationspakt festgelegten „commitments “ gar nicht erst als Rechtsverpflichtung ansehen, so lässt sich in der Annahme des Migrationspaktes durch die Staatenkonferenz auch kein Indiz für eine allgemeine Rechtsüberzeugung erblicken.70 Gleiches dürfte auch für die geplante Indossierung des Pakts in Form einer Resolution der VN- Generalversammlung gelten. Zwar bleibt abzuwarten, in welcher Art und Weise die Resolution auf den Migrationspakt Bezug nimmt und mit welcher Mehrheit die Staaten in der VN-Generalversammlung die Resolution zum Migrationspakt annehmen. Dass die Staaten in der Resolution 66 Zur „Überlagerung“ des Vertragsrechts durch das Gewohnheitsrecht vgl. z.B. Crootof, Change without consent: How customary international law modifies treaties, in: Yale Journal of International Law 2016, S. 237 ff. 67 Vgl. Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 131. 68 Siehe Herdegen, Völkerrecht (Fn. 54), § 20 Rn. 2 und § 16 Rn. 6; Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 94 unter Hinweis darauf, dass der IGH explizit anerkannt hat, dass eine Reihung inhaltlich deckungsgleicher Resolutionen die für die Gewohnheitsrechtsbildung notwendige Rechtsüberzeugung zum Ausdruck bringen kann. Ob die notwendige Rechtsüberzeugung vorliege, sei jedoch stets im Einzelfall zu prüfen. 69 Siehe Herdegen, Völkerrecht (Fn. 54), § 20 Rn. 2; Treves, Customary International Law, MPEPIL, November 2006, Rn. 44. Siehe auch Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 134 unter Hinweis darauf, dass aufgrund der rechtlichen Unverbindlichkeit von Beschlüssen der VN-Generalversammlung die entsprechende opinio iuris der zustimmenden Staaten nicht ohne weiteres unterstellt werden könne. 70 So auch Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign? (Fn. 12). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 21 von der intendierten Rechtsnatur des Migrationspaktes abweichen und ihm völkerrechtliche Verbindlichkeit zusprechen werden, erscheint jedoch mit Blick auf seine Entstehungsgeschichte und die jüngsten Reaktionen in der Staatengemeinschaft71 unwahrscheinlich. Darüber hinaus ließe sich aus dem Beschluss der Staatenkonferenz über die Annahme des Migrationspaktes bzw. der Resolution auch dann keine allgemeine Rechtsüberzeugung herleiten, wenn eine kleine, aber wichtige Gruppe von Staaten dem Migrationspakt ihre Zustimmung versagt, solange deren Position nicht völlig isoliert ist.72 Der Entstehung einer gewohnheitsrechtlichen Norm können einzelne Staaten dadurch entgegenwirken , dass sie als sog. „persistent objector“ durch entsprechende Erklärungen und beharrlichen Widerspruch zu erkennen geben, dass sie nicht bereit sind, eine eventuelle Bindungswirkung einer Norm anzuerkennen.73 Ein persistent objector kann die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht zwar nicht verhindern, wird jedoch durch die entstandene Norm selbst nicht gebunden – zumindest solange diese nicht zum sog. ius cogens (zwingenden Völkerrecht) erstarkt ist. Mit Blick auf den Globalen Migrationspakt hat Österreich die „Rolle“ eines „persistent objector eingenommen.74 Selbst wenn sich innerhalb der Staatengemeinschaft zu einem späteren Zeitpunkt ein Konsens bilden würde, von der intendierten Rechtsnatur des Migrationspaktes abzuweichen und den Migrationspakt als rechtlich verbindlich anzuerkennen, dürfte es schwierig sein, aus dem Migrationspakt konkrete Rechtsfolgen abzuleiten, da die meisten „commitments“, die der Migrationspakt den Staaten auferlegt, sehr allgemein und eher als politische Leitprinzipien formuliert sind.75 Auch dürften sich dem Maßnahmenkatalog, der zur Verwirklichung der „commitments“ vorgeschlagen wird, keine konkreten völkerrechtlichen Pflichten entnehmen lassen, da die Staaten die vorgeschlagenen Maßnahmen nicht umsetzen müssen, sondern wählen können, welche dieser Maßnahmen sie ergreifen.76 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann also weder aus dem Migrationspakt selbst, noch aus seiner geplanten Indossierung als VN-Resolution, auf die für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht notwendige allgemeine Rechtsüberzeugung geschlossen werden. Vielmehr müssten sich im 71 Dazu s.u. Abschnitt 4. 72 Dazu s. Herdegen, Völkerrecht (Fn. 54), § 20 Rn. 2 und § 16 Rn. 3. Vgl. auch Graf Vitzthum, Begriff, Geschichte und Rechtsquellen des Völkerrechts, in: Graf Vitzthum/Proelß, Völkerrecht, 7. Auflage 2016, I Rn. 69. Dazu s.u. Abschnitt 4.2. 73 Zur Rechtsfigur des persistent objector vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 17, Rn. 26; Herdegen, Völkerrecht (Fn. 54), § 16 Rn. 4 und 13; Stein/von Buttlar, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 137; Janik, Der Globale Migrationspakt: Zwischen Mythen und Sorgen (Fn. 7). 74 Vgl. Abschnitt 4.2. 75 Siehe nur die im Abschnitt 2.2.2 genannten „commitments“. Ähnlich auch Thym, Viel Lärm um nichts?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6. Siehe auch Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 123. 76 Dazu s.o. Abschnitt 2.2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 22 Laufe der Zeit andere Indizien ergeben, die darauf schließen lassen, dass die Staaten den Migrationspakt als Ganzes oder einzelne seiner Verpflichtungen als rechtlich verbindlich anerkennen . 3.2.1.2. Staatenpraxis Selbst wenn sich im Laufe der Zeit weitere Indizien ergeben, die darauf schließen lassen, dass die Staaten den Migrationspakt als Ganzes oder einzelne seiner Verpflichtungen als rechtlich verbindlich anerkennen, entstünde jedoch nur dann Völkergewohnheitsrecht, wenn die erforderliche Rechtsüberzeugung auch von einer entsprechenden allgemeinen Übung der Staaten begleitet wird.77 Voraussetzung dafür ist, dass die Staatenpraxis von gewisser Dauer, Einheitlichkeit und Verbreitung ist.78 Der ganz überwiegende Teil der betroffenen Staaten muss sich also hinreichend konsistent verhalten. Eine identische Übung ist nicht erforderlich; vielmehr genügt ein deutliches Maß an Übereinstimmung.79 Auch muss die Staatenpraxis über einen gewissen – wenn auch von Fall zu Fall durchaus erheblich variierenden – Zeitraum erfolgt sein.80 Die bloße Annahme einer einzelnen Resolution durch die VN-Generalversammlung stellt keine hinreichend verfestigte allgemeine Übung dar, selbst wenn sie mit überwältigender Mehrheit oder sogar einstimmig erfolgte.81 Vielmehr müssten die Staaten – einschließlich die staatlichen Gerichte – den Migrationspakt in der Praxis über einen längeren Zeitraum hinweg als rechtlich verbindliches Instrument der Migrationssteuerung interpretieren und entsprechend anwenden. 77 Von der erforderlichen Staatenpraxis könnte lediglich dann abgewichen werden, wenn die im Migrationspakt oder in einzelnen seiner Verpflichtungen niedergelegten Grundsätze als sog. allgemeine Grundsätze des Völkerrechts angesehen werden könnten. Zur Möglichkeit der Ableitung allgemeiner Rechtsgrundsätze aus dem Migrationspakt vgl. Geistlinger, Auswirkungen der Annahme des Global Compact über Migration für Österreich, https://www.bmoeds.gv.at/cms/site/attachments/1/1/6/CH1669/CMS1542712326916/auswirkungenannahmeglobmigrationspakt .pdf (letzter Zugriff: 26.11.2018), S. 5 ff. sowie die zugrundeliegende Studie Impact of the Adoption of the Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration for Austria v. 9.11.2018, https://www.bmoeds.gv.at/cms/site/attachments/1/1/6/CH1669/CMS1542712326916/impactsadoptionglobcompactmigration .pdf (letzter Zugriff: 26.11.2018), S. 11 ff., der sich hierfür maßgeblich auf die Dissertation von A. Farahat, „Progressive Inklusion. Zugehörigkeit und Teilhabe im Migrationsrecht“ aus dem Jahr 2014 bezieht und auf dessen Gutachten sich die Votumserklärung der österreichischen Regierung zum Migrationspakt (dazu s.u. Abschnitt 4.2) stützt. Die sog. „allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts“ werden zum Teil dem Völkergewohnheitsrecht unter der Maßgabe zugeordnet, dass aufgrund ihrer Verfestigung und allgemeinen Anerkennung in der Staatengemeinschaft ein gesonderter Nachweis durch die Staatenpraxis nicht mehr erforderlich sei; so Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 17 Rn. 43; vgl. auch Stein/von Buttlar /Kotzur, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 161. Andere ordnen sie wiederum den „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit c) IGH-Statut zu; vgl. etwa Schweisfurth, Völkerrecht, 2006, 2. Kapitel Rn. 107. Anhaltspunkte dafür, dass die im Migrationspakt oder in einzelnen seiner Verpflichtungen niedergelegten Grundsätze bereits derart verfestigt sind, sind indes nicht zu erkennen. 78 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 6. Auflage 2014, § 17 Rn. 7. 79 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 128. 80 Zum Element der „Dauer“ vgl. Heintschel von Heinegg, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 17 Rn. 8. 81 Herdegen, Völkerrecht (Fn. 54), § 16 Rn. 4; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht (Fn. 60), Rn. 134. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 23 Festzuhalten bleibt damit, dass in Abwesenheit einer allgemeinen Rechtsüberzeugung und einer begleitenden Staatenpraxis zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Migrationspakt als Völkergewohnheitsrecht völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt.82 Welche praktische Bedeutung und rechtliche Steuerungskraft dem Migrationspakt im Laufe der Zeit auf internationaler und nationaler Ebene zukommt, hängt somit maßgeblich davon ab, in welcher Art und Weise die Staaten die dort enthaltenen „commitments“ auch tatsächlich umsetzen .83 3.2.2. Konkretisierung von sog. „hard law“ Als „soft law“ kann der Globale Migrationspakt zur Konkretisierung von geltendem Völker- oder nationalem Recht (sog. „hard law“) herangezogen und damit normativ aufgewertet werden (sog. „hardening of soft law“). Auf internationaler Ebene geht es dabei um die Möglichkeit einer Präzisierung und Konkretisierung von Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen. Auf nationaler Ebene geht es um die Berücksichtigung durch Behörden und Gerichte.84 Eine gewisse Tendenz zur Aufwertung des rechtsbegleitenden „soft law“ lässt sich mittlerweile in der Instanzgerichtsbarkeit beobachten, die vor allem im Umwelt- und Arbeitsrecht unverbindliche internationale Standards als Auslegungshilfe und Argumentationsmuster heranzieht.85 Dreh- und Angelpunkt dabei ist das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung innerstaatlichen Rechts, welches Ausfluss des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist. Danach ist einer Norm bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten möglichst diejenige Bedeutung beizumessen, die mit den völkerrechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung greift insbesondere bei der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln sowie bei der Ausübung und Kontrolle von Ermessensund Beurteilungsspielräumen.86 Unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte sowie des Abstimmungsverhaltens der Staaten kann hierbei von den nationalen Gerichten auch das sog. „soft law“ berücksichtigt werden.87 82 So auch Janik, Der Globale Migrationspakt: Zwischen Mythen und Sorgen (Fn. 7); Thym, UN-Migrationspakt. Einseitig und unpräzise formuliert, in: Legal Tribune Online, 21.11.2018, https://www.lto.de/recht/hintergruende /h/un-migrationspakt-kritik-unverbindlich-fluechtlingspakt-klimawandel-fluechtlinge-gewohnheitsrecht/ (letzter Zugriff: 22.11.2018). 83 So auch Thym, Viel Lärm um nichts?, FAZ v. 8.11.2018, S. 6. 84 Vgl. Peters, The Global Compact for Migration: to sign or not to sign? (Fn. 12). 85 Reiling, Die Anwendung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit auf rechtsunverbindliche internationale Standards, in: ZaöRV 2018, 311 ff. unter Verweis auf BVerwGE 55, 250, 259; BAG 104, 155, 167 und 169 f. sowie Durner, in: Landmann/Rohmer (Hrsg.), Umweltvölkerrecht, 2017 (Losebl., 82. Erg.-Lief.), Rn. 37. 86 Dazu ausführlich Reiling, Die Anwendung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit auf rechtsunverbindliche internationale Standards, in: ZaöRV 2018, 311, 316 ff. 87 Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 38 II. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 24 Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass der Globale Migrationspakt erstens gerade keinen rechtlich verbindlichen Rahmen vorgeben will, dass es sich zweitens bei den „commitments“ nur um politische „Verpflichtungen“ handelt und dass drittens die Staaten nicht zur Umsetzung sämtlicher vorgeschlagener Maßnahmen verpflichtet werden, sondern wählen können, welche sie umsetzen.88 Ohne eine entsprechende Grundlage im innerstaatlichen Recht, das einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung zugänglich ist, lassen sich deshalb allein aus dem Migrationspakt zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder rechtliche Verpflichtungen staatlicher Organe noch subjektive Ansprüche von Migranten herleiten.89 Ob und ggf. in welchem Maße der Globale Migrationspakt künftig eine normative Aufwertung durch die Rechtsprechung nationaler und internationaler Gerichte erfahren wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. 88 Im Übrigen dürfte sich in der Bundesrepublik Deutschland auch bei einer Berücksichtigung des Paktes durch die Gerichte kaum etwas im Umgang mit Migranten ändern, da die meisten Bestimmungen ohnehin geltendem Recht entsprechen; vgl. dazu nur das Interview mit A. Fischer-Lescano, Die Kraft der Verratsiegenden, SZ v. 29.11.2018, S. 13; Herdegen, Fallstricke des Gutgemeinten (Fn. 53). 89 Vgl. aber im Kontext des Strafprozess- und Strafvollzugsrechts (Haftbedingungen) Reiling, Die Anwendung des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit auf rechtsunverbindliche internationale Standards, in: ZaöRV 2018, 311 ff. (331 ff., 337). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 25 4. Reaktionen der Staatengemeinschaft Da dem nun vorliegenden finalisierten Entwurf des Globalen Migrationspaktes mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika alle Mitgliedstaaten der VN zugestimmt haben, ist davon auszugehen, dass er auf der zwischenstaatlichen Konferenz in Marrakesch am 10./11. Dezember 2018 von einer überwältigenden Mehrheit der VN-Mitgliedstaaten angenommen werden wird. Nach den Angaben des Auswärtigen Amtes wollen mehr als 180 der 193 Mitgliedstaaten dem Globalen Migrationspakt in Marokko zustimmen.90 Zu den Staaten, welche angesichts der Ankündigung anderer Staaten, den Pakt nicht annehmen zu wollen,91 nochmals ihren Willen zur Annahme des Paktes kundgetan haben, gehören aus den Reihen der EU-Mitglieder Estland92, Frankreich93, Griechenland94, die Niederlande95, Slowenien96 und wohl auch Kroatien97.98 Daneben hat auch Kanada die Annahme des Paktes angekündigt.99 Diskussionen über die Annahme 90 Auswärtiges Amt, Ein globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration (Fn. 5). 91 Dazu s.u. Abschnitt 4.2. 92 Vgl. Riigikogu adopts declaration in support of UN Compact on Migration, ERR News, 27.11.2018, https://news.err.ee/880211/riigikogu-adopts-declaration-in-support-of-un-compact-on-migration (letzter Zugriff: 28.11.2018): Danach richtet sich die Regierung Estlands nach der Entscheidung des Parlaments, den Migrationspakt zu unterstützen. Dazu s. auch The Riigikogu passed the Statement on the UN Global Compact for Migration , Pressemitteilung des estnischen Parlaments v. 26.11.2018, https://www.riigikogu.ee/en/press-releases/plenary -assembly/riigikogu-passed-statement-un-global-compact-migration/ (letzter Zugriff: 28.11.2018). 93 Auch Israel und Polen lehnen Migrationspakt ab, Spiegel-Online v. 20.11.2018, http://www.spiegel.de/politik /ausland/israel-und-polen-lehnen-uno-migrationspakt-ab-a-1239449.html (letzter Zugriff: 22.11.2018). 94 Kálnoky, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt, WELT v. 14.11.2018, https://www.welt.de/politik/ausland/article183822406/Heftige-Debatten-Wer-macht-mit-So-steht-es-um-den- UN-Migrationspakt.html (letzter Zugriff: 22.11.2018) 95 Das liberal-christliche niederländische Kabinett hat sich grundsätzlich für die Annahme des Migrationspakts ausgesprochen. Auf Wunsch einiger Abgeordneter sollte das Abkommen aber noch einmal rechtlich analysiert werden. Am 4. Dezember findet im niederländischen Parlament nochmals eine Debatte über den Pakt statt. Vgl. Brech, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt (Fn. 94). 96 Vgl. Zustimmung vieler Länder zum UN-Migrationspakt ungewiss, Wiener Zeitung Online v. 21.11.2018, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/1003476_Zustimmung-vieler-Laender-zum-UN- Migrationspakt-ungewiss.html (letzter Zugriff: 22.11.2018). 97 Zustimmung vieler Länder zum UN-Migrationspakt ungewiss (Fn. 96). S. auch Gillert/Kálnoky, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt (Fn. 94). 98 Dazu s. auch Stössel, Diese Länder sind ausgestiegen und diese zweifeln, Die Welt v. 29.11.2018, https://www.welt.de/politik/ausland/article184300122/Slowakei-stimmt-gegen-UN-Migrationspakt-Diese-Laender -sind-ausgestiegen-und-diese-zweifeln.html (letzter Zugriff: 30.11.2018); Urech/Misteli/Mijnssen, Diese Länder verweigern dem Uno-Migrationspakt die Unterstützung, NZZ v. 29.11.2018, https://www.nzz.ch/international /deutscher-bundestag-stimmt-fuer-uno-migrationspakt-andere-laender-haben-ihn-bereits-abgelehntld .1438476 (letzter Zugriff: 30.11.2018). 99 Wergin, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt (Fn. 94). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 26 des Paktes gibt es zurzeit100 noch in Belgien101, Dänemark102, Italien103, Japan104, Norwegen105 und der Schweiz106.107 4.1. Position der Bundesregierung Die Bundesregierung unterstützt die Annahme des Migrationspaktes. Flucht und Migration seien ein globales Problem, auf das die Staaten nur gemeinsam eine Antwort finden könnten.108 Der Pakt dokumentiere den gemeinsamen Willen der internationalen Gemeinschaft, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, um Migration weltweit zu steuern und zu ordnen. Er sei ein guter Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen von Herkunfts-, Transit- und Zielländern . Zwar sei er rechtlich nicht bindend, ihm komme aber eine hohe politische Signalwirkung zu. Durch eine verbesserte internationale Zusammenarbeit zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielländern könnten die Vorteile und Chancen von Migration besser genutzt werden.109 Gleichzeitig enthalte er das Leitprinzip, illegale Migration zu reduzieren.110 Da der Migrationspakt kein völkerrechtlicher Vertrag sei, würden durch ihn weder völkerrechtliche Verpflichtungen der 100 Stand: 29.11.2018. 101 Vgl. Zustimmung vieler Länder zum UN-Migrationspakt ungewiss (Fn. 96). 102 Hinrichs, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt (Fn. 94). 103 Italien wird wohl nicht an der Konferenz in Marrakesch teilnehmen, sondern die Zustimmung zum Migrationspakt von der Entscheidung des italienischen Parlaments abhängig machen; vgl. Migrationspakt: Italien lässt Beitritt offen, ZDF-Nachrichten v. 29.8.2018, https://www.zdf.de/nachrichten/heute/un-migrationspakt-italienlaesst -beitritt-offen-100.html (letzter Zugriff: 30.11.2018); s. auch Salvinin „absolut gegen“ UN-Migrationspakt, FAZ v. 28.11.2018, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/italiens-innenminister-salvini-absolut-gegen-unmigrationspakt -15913412.html?service=printPreview (letzter Zugriff: 30.11.2018). 104 Vgl. Stössel (Fn. 98). 105 Hinrichs, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt (Fn. 94). 106 Die Schweiz wird keinen Vertreter auf die Staatenkonferenz nach Marrakesch entsenden. Zwar befürwortet die Regierung weiterhin die Annahme des Paktes; sie will jedoch den Ausgang der parlamentarischen Debatte abwarten , bevor sie abschließend über die Annahme des Paktes entscheidet. Ausführlich dazu Forster, Der Bundesrat will zuerst die Meinung des Parlaments zum Migrationspakt einholen, NZZ v. 21.11.2018, https://www.nzz.ch/schweiz/zuwarten-beim-migrationspakt-ld.1438583 (letzter Zugriff: 22.11.2018). 107 Unklar ist die Position von China und Südkorea; vgl. Erling, in: Wer macht mit? So steht es um den UN-Migrationspakt (Fn. 94). 108 Vgl. die Rede der Bundeskanzlerin in der 64. Sitzung des Deutschen Bundestages, Plenarprotokoll 19/64 v. 21.11.2018, S. 7300 f. 109 Siehe „Verhandlungen zum Globalen Migrationspakt der Vereinten Nationen erfolgreich abgeschlossen“ (Artikel),16.07.2018, Auswärtiges Amt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/migration /globaler-migrationspakt-vn/2118966 (letzter Zugriff: 23.10.2018). 110 Auswärtiges Amt, Ein globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration (Fn. 5). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 27 Bundesregierung begründet noch entfalte er in der nationalen Rechtsordnung Rechtswirkung. Auch berühre er nicht die nationale Souveränität.111 4.2. Position der den Pakt ablehnenden Staaten Die USA zogen sich bereits im Dezember 2017 aus den Verhandlungen über den Globalen Flüchtlingspakt zurück und begründeten dies mit der Möglichkeit, dass ein solcher Pakt ihre Souveränität im Bereich der Migrationspolitik und des Grenzschutzes einschränken könnte.112 Ungarn erklärte kurz nach der Verabschiedung des finalisierten Entwurfs des Flüchtlingspaktes, dass es diesen nicht annehmen werde. Begründet wurde dies damit, dass die ungarische Regierung die positive Einstellung des Paktes gegenüber Migration nicht teile. Migration dürfe nicht gefördert, sondern müsse gestoppt werden. Der Pakt stehe Ungarns Sicherheitsinteressen entgegen und enthalte Verpflichtungen, die Ungarn nicht verwirklichen würde.113 Als zweiter EU-Mitliedstaat erklärte Österreich seine Ablehnung des Migrationspaktes. In einer Votumserklärung an die Vereinten Nationen erklärte Österreich, dass das Land souverän über die Zulassung von Migranten entscheide, die Schaffung der nicht existenten völkerrechtlichen Kategorie des „Migranten“ zurückweise und der Pakt die Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Migration verwässere. Die Votumserklärung führt 17 Punkte des Paktes auf und lehnt diese ab, soweit sie über geltendes österreichisches Recht hinausgehen. Österreich verwehrt sich dagegen , dass der Pakt ein Österreich bindendes Völkergewohnheitsrecht begründet oder im Wege von soft law rechtliche Wirkung entfalten könne. Auch wird seine Heranziehung zur Konkretisierung von Rechtsvorschriften abgelehnt und festgestellt, dass der Pakt keine Kompetenzverschiebungen innerhalb der EU bewirken könne. Abschließend wird festgestellt, dass Österreich den Pakt als völkerrechtlich nicht verbindlich erkläre und der Pakt weder für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht noch zur Ableitung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes gedeutet werden 111 Vgl. die Stellungnahme des Sprechers des Auswärtigen Amtes in der Regierungspressekonferenz vom 12.10.2018, https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/pressekonferenzen/regierungspressekonferenzvom -12-oktober-2018-1537878 (letzter Zugriff: 28.11.2018). 112 Siehe U.S. Department of State, „U.S. Ends Participation in the Global Compact on Migration”, 3.12.2017, https://www.state.gov/secretary/20172018tillerson/remarks/2017/12/276190.htm (letzter Zugriff: 16.11.2018). 113 Näher dazu die Internetseite der ungarischen Regierung, “Hungary officially announces its exit from the adoption process of the UN Global Compact for Migration”, 24.7.2018, http://www.kormany.hu/en/ministry-of-foreign -affairs-and-trade/news/hungary-officially-announces-its-exit-from-the-adoption-process-of-the-un-globalcompact -for-migration (letzter Zugriff: 16.11.2018). Siehe auch Deutsche Welle, „Hungary joins US in refusing UN's safe global migration compact“, 18.07.2018, https://www.dw.com/en/hungary-joins-us-in-refusing-unssafe -global-migration-compact/a-44733306 (letzter Zugriff: 16.11.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 28 könne, Österreich vielmehr in diesem Falle als „persistent objector“ anzusehen sei. Auch beansprucht Österreich im Falle, dass eine Norm auf der Grundlage des Paktes entstehen oder angenommen werden solle, völkerrechtlich nicht gebunden zu sein.114 Australien erklärte kurz darauf ebenfalls, dass es den Migrationspakt nicht annehmen werde. Das Land sieht in dem Pakt eine Gefahr für die Effektivität seines Grenzmanagements und für seine erfolgreiche Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Der Pakt unterscheide nicht angemessen zwischen legalen und illegalen Migranten und könne eine illegale Einreise fördern.115 Insbesondere nimmt das Land Anstoß an den Formulierungen des Paktes zur Freiheitsentziehung von Migranten (Ziel 13), nach denen diese nur als letztes Mittel eingesetzt werden darf und nach denen die einschlägigen Gesetze und Praktiken mit dem Ziel überprüft und revidiert werden sollen, dass die Freiheitsentziehung nicht der Abschreckung diene oder als Form grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung eingesetzt werde.116 Inzwischen haben sich auch Bulgarien, Israel, Polen, die Tschechische Republik und die Slowakei 117 gegen eine Annahme des Migrationspaktes ausgesprochen.118 Die Tschechische Republik begründete dies damit, dass der Pakt bestimmte tschechische Prioritäten nicht enthalte, wie z.B. eine klare Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten von Migranten und eine klare Aussage darüber, dass illegale Migration abzulehnen sei.119 114 Vgl. die Presse, UN-Migrationspakt: Das sind die 17 Punkte, die Österreich ablehnt. Österreichs Votumserklärung im Wortlaut, 31.10.2018, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5522097/UNMigrationspakt _Das-sind-die-17-Punkte-die-Oesterreich-ablehnt (letzter Zugriff: 16.11.2018). An den Verhandlungen zum Migrationspakt hatte Österreich dagegen noch maßgeblich mitgewirkt. Vgl. EU criticises Austria for not signing UN global migration pact, The Guardian v. 1.11.2018, https://www.theguardian.com/world/2018/nov/01/austria -criticised-not-signing-un-global-migration-compact-european-commission (letzter Zugriff: 29.11.2018). 115 Vgl. die gemeinsame Pressemitteilung des Premierministers, des Innen- und des Außenministers zum Global Compact for Migration, 21.11.2018, https://www.pm.gov.au/media/global-compact-migration (letzter Zugriff: 22.11.2018). 116 Vgl. Remeikis/Doherty, „Dutton says Australia won’t `surrender our sovereignty´ by signing UN migration deal, The Guardian v. 25.07.2018, https://www.theguardian.com/australia-news/2018/jul/25/dutton-says-australiawont -surrender-our-sovereignty-by-signing-un-migration-deal (letzter Zugriff: 16.11.2018). 117 Die Ablehnung des Migrationspaktes führte zu einem heftigen Streit in der Regierung Kroatiens und zum Rücktritt des kroatischen Außenministers, nachdem sich das Parlaments mit großer Mehrheit gegen den Migrationspakt ausgesprochen hatte; vgl. Urech/Misteli/Mijnssen, Diese Länder verweigern dem Uno-Migrationspakt die Unterstützung (Fn. 98). 118 Israel und Polen lehnen den Migrationspakt ab (Fn. 93). Siehe auch Vgl. Zustimmung vieler Länder zum UN- Migrationspakt ungewiss (Fn. 96); Stössel (Fn. 98). 119 Vgl. Prag lehnt UN-Migrationspakt ab, FAZ v. 15.11.2018, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 29 Polen gab an, dass der Pakt nicht ausreichend das souveräne Recht der Staaten garantiere, darüber zu entscheiden, wer auf ihrem Territorium aufgenommen werde. Auch fehle dem Pakt eine klare Unterscheidung zwischen legaler und illegaler Migration.120 Israel begründete seine Ablehnung damit, dass das Land weiterhin seine Grenzen vor illegalen Migranten schützen werde.121 120 Vgl. Israel und Polen lehnen den Migrationspakt ab (Fn. 93). 121 Vgl. die Internetseite des Büros des israelischen Premierministers, PM Netanyahu on Global Migration Compact, http://www.pmo.gov.il/English/MediaCenter/Spokesman/Pages/spoke_immigration201118.aspx (letzter Zugriff: 22.11.2018). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 30 5. Zusammenfassung Dem Entwurf des Globalen Migrationspaktes haben am 13. Juli 2018 mit Ausnahme der Vereinigten Staaten von Amerika alle Mitgliedstaaten der VN zugestimmt. Er soll auf einer zwischenstaatlichen Konferenz in Marrakesch am 10./11. Dezember 2018 von den Mitgliedstaaten der VN angenommen werden. Nach seiner Annahme wird der Migrationspakt an die VN-Generalversammlung übermittelt und in einer Resolution der VN-Generalversammlung förmlich angenommen („indossiert“). Es ist davon auszugehen, dass der Globale Migrationspakt von einer überwältigenden Mehrheit der VN-Mitgliedstaaten angenommen werden wird. Abgelehnt wird der Pakt nach gegenwärtigem Stand von den USA, Ungarn, Österreich, Australien, Bulgarien, Israel, Polen, der Tschechischen Republik und der Slowakei. Diskussionen über die Annahme des Paktes gibt es zurzeit (Stand: 29.11.2018) noch in Belgien, Dänemark, Italien, Japan, Norwegen, der Schweiz. Ziel des Migrationspaktes ist es, die Zusammenarbeit im Bereich der internationalen Migration zu verbessern. Migration wird begriffen als Tatsache, die es zum Nutzen aller zu gestalten gelte. Der Pakt will eine sichere, geordnete und reguläre Migration erleichtern und gleichzeitig die irreguläre Migration und ihre negativen Auswirkungen reduzieren. Er statuiert kein „Menschenrecht auf Migration“, will aber Migranten schützen und ihre Menschenrechte gewährleisten. Der Pakt stellt ausdrücklich klar, dass er einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen bildet. Auch bekräftigt er „das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln.“ Der (rechtlich nicht bindende) Kooperationsrahmen des Migrationspaktes umfasst 23 Ziele („objectives “) und deren Umsetzung, Weiterverfolgung und Überprüfung. Jedes der 23 Ziele enthält eine sog. Verpflichtung („commitment“) der Staaten und schlägt eine Reihe von Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung vor, die als relevante Politikinstrumente und bewährte Verfahren („best practice“) angesehen werden. Die jeweiligen, die Staaten politisch, nicht jedoch rechtlich bindenden Ziele und „commitments“ verpflichten die Staaten aber nicht zur Umsetzung sämtlicher Maßnahmen. Vielmehr können die Staaten jeweils frei wählen, welche der vorgeschlagenen Maßnahmen sie umsetzen. Als Ziele für eine sichere, geordnete und reguläre Migration nennt der Migrationspakt u.a. - die Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu zwingen, ihre Herkunftsländer zu verlassen, - die Ausstattung aller Migranten mit Identitäts- und Staatsangehörigkeitsnachweisen, - die Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für eine reguläre Migration, - die Bewältigung und Minderung prekärer Situationen im Rahmen von Migration, - die Rettung von Menschenleben, - die Verstärkung der grenzübergreifenden Bekämpfung der Schleusung von Migranten, - die Prävention, Bekämpfung und Beseitigung von Menschenhandel im Kontext der internationalen Migration, - Freiheitsentziehung bei Migranten nur als letztes Mittel, - die Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen, - die Zusammenarbeit bei der Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr und Wiederaufnahme von Migranten sowie Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 31 - die Schaffung von Mechanismen zur Übertragbarkeit von Sozialversicherungs- und erworbenen Leistungsansprüchen. Die Umsetzung der im Globalen Pakt niedergelegten Ziele und Verpflichtungen soll unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Realitäten, Kapazitäten und Entwicklungsstufen und unter Beachtung der nationalen Politiken und Prioritäten erfolgen. Vorgesehen sind eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Staaten, die Einrichtung eines Kapazitätsaufbaumechanismus ´ innerhalb der VN, der die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Paktes unterstützen soll sowie ein neu zu schaffendes Migrationsnetzwerk der VN, das die Staaten bei der Umsetzung des Migrationspaktes unterstützen und sicherstellen soll, dass die Umsetzung des Pakts weiterverfolgt und überprüft wird. Mit Blick auf die Weiterverfolgung und Überprüfung des Migrationspaktes ist auf globaler Ebene ein zwischenstaatliches Forum („Überprüfungsforum Internationale Migration“) unter Beteiligung aller relevanten Interessenträger vorgesehen, welches alle vier Jahre im Rahmen der VN- Generalversammlung tagt. In diesem Forum sollen die Mitgliedstaaten Fortschritte und Erfahrungen bei der Umsetzung des Globalen Migrationspakts erörtern und austauschen. Daneben werden regionale Plattformen und Organisationen eingeladen, die Umsetzung des Paktes auf regionaler Ebene zu überprüfen. Der Globale Migrationspakt ist kein völkerrechtlicher Vertrag; vielmehr stellt er eine politische Absichtserklärung der VN-Mitgliedstaaten dar, die nach ihrer Annahme auf einer Staatenkonferenz in Form einer Resolution von der VN-Generalversammlung angenommen werden soll. Resolutionen der VN-Generalversammlung sind als solche rechtlich nicht bindend, sondern haben grundsätzlich nur empfehlenden Charakter. Gleiches gilt auch für Erklärungen von Staatenkonferenzen , denen eine überwiegende Mehrheit von Staaten ohne Rechtsbindungswillen zugestimmt hat. Da beide von einer großen Anzahl von Staaten getragen werden, sind sie rechtlich jedoch nicht bedeutungslos, sondern als sog. „soft law“ zu qualifizieren. Als solches kann der Migrationspakt einen gewissen Umsetzungsdruck erzeugen mit der Folge, dass seine Missachtung politisch nicht folgenlos bleiben dürfte. Darüber hinaus kann „soft law“ zum einen zur Entstehung von rechtlich verbindlichem Völkerrecht (sog. „hard law“) beitragen, indem es in völkerrechtliche Verträge aufgenommen wird oder sich im Laufe der Zeit zu Völkergewohnheitsrecht entwickelt. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann weder aus dem Migrationspakt selbst, noch aus seiner geplanten Indossierung als VN-Resolution , auf die für die Entstehung von Völkergewohnheitsrecht notwendige allgemeine Rechtsüberzeugung geschlossen werden. Vielmehr müssten sich im Laufe der Zeit andere Indizien ergeben , die darauf schließen lassen, dass die Staaten den Migrationspakt als Ganzes oder einzelne seiner Verpflichtungen als rechtlich verbindlich anerkennen. Zudem müsste die erforderliche Rechtsüberzeugung (opinio iuris) von einer entsprechenden allgemeinen Übung der Staaten begleitet sein. Zum anderen kann „soft law“ auch durch die Konkretisierung von geltendem Völker- oder nationalem Recht Steuerungskraft entfalten. Auf internationaler Ebene geht es dabei um die Möglichkeit einer Präzisierung und Konkretisierung von Verpflichtungen aus völkerrechtlichen Verträgen . Auf nationaler Ebene geht es um die Berücksichtigung von „soft law“ durch Behörden und Gerichte. Dreh- und Angelpunkt dabei ist das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung innerstaatlichen Rechts, welches Ausfluss des Grundsatzes der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ist. Danach ist einer Norm bei mehreren Auslegungsmöglichkeiten möglichst Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 – 165/18 Seite 32 diejenige Bedeutung beizumessen, die mit den völkerrechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung greift insbesondere bei der Konkretisierung von unbestimmten Rechtsbegriffen und Generalklauseln sowie bei der Ausübung und Kontrolle von Ermessens- und Beurteilungsspielräumen. Unter Berücksichtigung seiner Entstehungsgeschichte sowie des Abstimmungsverhaltens der Staaten kann hierbei auch das sog. „soft law“ berücksichtigt werden. Zu berücksichtigen ist somit beim Globalen Migrationspakt, dass dieser erstens gerade keinen rechtlich verbindlichen Rahmen vorgeben will, dass es sich zweitens bei den „commitments “ nur um politische „Verpflichtungen“ handelt und dass drittens die Staaten nicht zur Umsetzung sämtlicher vorgeschlagener Maßnahmen verpflichtet werden, sondern wählen können , welche sie umsetzen. Ohne eine entsprechende Grundlage im innerstaatlichen Recht, das einer völkerrechtsfreundlichen Auslegung zugänglich ist, lassen sich deshalb allein aus dem Migrationspakt zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder rechtliche Verpflichtungen staatlicher Organe noch subjektive Ansprüche von Migranten herleiten. Ob und ggf. in welchem Maße der Globale Migrationspakt künftig eine normative Aufwertung durch die Rechtsprechung nationaler und internationaler Gerichte erfahren wird, lässt sich heute noch nicht abschätzen. Welche praktische Bedeutung und rechtliche Steuerungskraft dem Migrationspakt im Laufe der Zeit auf internationaler und nationaler Ebene zukommt, hängt somit maßgeblich davon ab, in welcher Art und Weise die Staaten die dort enthaltenen „commitments“ auch tatsächlich umsetzen .