Strategien zur Bekämpfung des internationalen Drogenhandels Fortschritte, Widerstände und Alternative Entwicklung - INFO-BRIEF - © 2007 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000-157/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Strategien zur Bekämpfung des internationalen Drogenhandels. Fortschritte, Widerstände und Alternative Entwicklung INFO-BRIEF WD 2 – 3000-157/07 Abschluss der Arbeit: 26. November 2007 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einführung 4 1.1. Grundprinzipien einer Drogenökonomie 5 1.2. Wege der Drogenprofite 6 1.3. Drogenbekämpfungsmaßnahmen 7 2. Anbaubekämpfung und „Alternative Entwicklung“ 8 2.1. Die Andenregion (Kolumbien, Peru und Bolivien) 9 2.2. „Goldenes Dreieck“ (Laos, Thailand, Myanmar) 12 2.3. Afghanistan 14 3. Strafverfolgung der Produktion, des Schmuggels und des Vertriebs 18 4. Schlussbemerkungen 21 5. Grafiken 23 6. Literatur 30 - 4 - 1. Einführung Hinsichtlich der Notwendigkeit der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels sind sich die Staaten der Welt einig: Das Leid der Süchtigen und die Profite der Drogenhändler sind Probleme, die mit allen Mitteln bekämpft werden müssen. Der vorliegende Infobrief legt unterschiedliche Konzepte der Drogenbekämpfung dar und weist auf Widerstände bei deren Umsetzung hin. Der internationale Drogenhandel wird hier als ein Markt verstanden, bei dem mehrere Sektoren unterschieden werden. Dazu gehören der Anbau von Drogenpflanzen , die industrielle chemische Weiterverarbeitung zum stärkeren Rauschmittel, der Schmuggel und der Vertrieb der Drogen im Abnehmerland. Die verschiedenen Marktsegmente einer Drogenökonomie folgen jeweils eigenen Prinzipien und erfordern daher unterschiedliche Methoden zu ihrer Bekämpfung. Dazu gehören auch Angebote zur Entwicklungszusammenarbeit in Ländern, die nicht aus eigener Kraft des Drogenproblems Herr werden, sowie die Suchtprävention im eigenen Land. Demnach handelt es sich um Maßnahmen , die nur im weiter gefassten Sinn als Bekämpfungsstrategien verstanden werden können, insofern sie den Horizont um Alternativen zum Drogenkonsum oder Drogenhandel erweitern. Die folgende Arbeit konzentriert sich auf den internationalen Heroin- und Kokainmarkt, nicht nur, weil gerade diese beiden Rauschmittel durch eine sehr hohe Suchtgefahr charakterisiert sind und jährlich weltweit tausende Todesopfer einfordern, sondern auch, weil die Produktion der pflanzlichen Drogenausgangsprodukte oft in Ländern erfolgt, die bei der Drogenbekämpfung auf internationale Hilfe angewiesen sind.1 In Afghanistan und Kolumbien , den Hauptanbaugebieten für Opium und Koka, herrschen zudem seit Jahrzehnten Bürgerkriege, wobei die Profite des Drogenhandels, insofern sie die Kriegskassen der am 1 Illegale chemische Drogen wie Ecstasy und Amphetamine werden zumeist in Deutschland selbst hergestellt (UNODC 2007a). Cannabisprodukte werden zum Teil aus Marokko eingeführt, stellen aber zunehmend ein innereuropäisches Problem dar, da hochpotente Cannabispflanzen in Europa, besonders in den Niederlanden, angebaut werden (UNODC 2007a). Die Bekämpfung von Cannabisprodukten und von chemischen Drogen stellt aus diesem Grund eher ein Problem der Innenpolitik und des europäischen Binnenraums dar. Auf eine Untersuchung dieser Problematik wird darum in der folgenden Darstellung verzichtet. Diese methodische Einschränkung schließt aber nicht aus, dass Instrumente, die bei der Bekämpfung des Kokain- und Heroinmarktes eingesetzt werden, auch beim Kampf gegen andere illegale Drogen von Nutzen sein könnten. - 5 - Konflikt beteiligten bewaffneten Gruppen füllen, als „Treibstoff“ der andauernden Gewalt dienen. Die Drogenbekämpfung kann darum auch als eine Form der Sicherheitspolitik verstanden werden. Die vorliegende Arbeit bezieht sich auf unabhängige und regierungsnahe Statistiken sowie Analysen unterschiedlicher Experten. Besonders hilfreich sind die Daten des United Nations Office on Drugs and Crime (UNODC), das seit 1997 Statistiken und Informationen zu drogenökonomischen Zusammenhängen auf der Grundlage standardisierter Erhebungsmethoden bereitstellt.2 Da der illegale Drogenhandel seiner Natur nach im Verborgenen stattfindet und Drogenhändler nicht Buch über ihre Transaktionen führen, besteht hinsichtlich der erhobenen Daten jedoch immer eine gewisse Unsicherheit.3 1.1. Grundprinzipien einer Drogenökonomie Ökonomisch betrachtet weist der Drogenhandel funktionale Parallelen zu anderen kommerziellen Unternehmungen auf. Angebot und Nachfrage regulieren die Preise, die Anbieter versuchen, ihren Profit zu maximieren, und die Konsumenten suchen nach einem optimalen Preis-Leistungsverhältnis. Das Spezifikum des Drogengeschäfts ist dabei die Illegalität: Sie führt zu einer künstlichen Angebotsbegrenzung, welche die Wertsteigerung von einem Marktsegment zum anderen enorm anhebt. Vom Anbau des pflanzlichen Drogengrundstoffs bis zum Verkauf der Droge auf der Straße multipliziert sich der Preis um das hundert- bis hundertfünfzigfache. Dabei lassen sich vier aufeinander aufbauende Marktsegmente herausarbeiten, an deren Übergängen sprunghafte Zunahmen der Drogenpreise zu beobachten sind (siehe Tabelle): der Anbau des pflanzlichen Grundstoffes wie Cannabis, Mohn, Koka (Marktsegment 1), die (industrielle) Verarbeitung des Grundstoffes (Marktsegment 2), der Schmuggel (Export/Import) der Drogen (Marktsegment 3) und der Vertrieb im Ausland (Marktsegment 4). 2 Die von dem UNODC verwendeten Datenerfassungsmethoden werden bei UNODC (2004) erklärt. 3 Vgl. Clawson/Lee (1996: 4) - 6 - Tabelle: Preissteigerung (Kokain) Kokain (in Bolivien, Peru oder Kolumbien hergestellt) Dollar Marktsegment Für 200 Kilo Kokablätter (ergibt 1 Kilo Kokapaste) zahlt der Aufkäufer dem Bauern Für 1 Kilo Kokapaste erhält der Hersteller ca. 450 ca. 810 1 Für 1 Kilo Kokainhydrochlorid …erhält der kolumbianische Zwischenhändler ca. 1.500 2 …erhält der Großhändler in Deutschland ca. 35.000 3 Ertrag des Verkaufs an den Endverbraucher ca. 60.000 4 Quelle: Tenbrock (2007) & UNODC (2005) 1.2. Wege der Drogenprofite UNODC schätzt den jährlichen Umsatz des globalen illegalen Drogenhandels auf ca. 300 - 400 Milliarden US-Dollar.4 Häufig liegt es im Interesse der Drogenhändler, die Profite aus ihrem Geschäft nach dem Prinzip der „Geldwäsche“ zu legalisieren. Die Gelder werden dabei über Scheinfirmen in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust und mittels fiktiver Geschäftsabwicklungen mehrmals umgeschichtet („layering“), bis sich ihre Herkunft nur noch schwer ermitteln lässt.5 Dem kolumbianischen Ökonom Salomón Kalmanovitz zufolge ist nicht bei allen Staaten der Wille erkenntlich, die Geldwäsche konsequent zu verfolgen. In einer Analyse des kolumbianischen Drogenhandels der 1980er Jahre geht er davon aus, dass die illegalen Profite der Drogenunternehmer, nachdem sie einmal unbemerkt in legale Wertbestände investiert worden seien, sogar stabilisierende Effekte auf die kolumbianische Volkswirtschaft 4 Vgl. UNODC (2005a), (2007a). Dies bedeutet, dass nach Öl und Waffen mit keiner anderen Handelsware weltweit mehr Geld verdient wird (N.d.A.). 5 Moises Naim erklärt in seinem „Schwarzbuch des globalisierten Verbrechens“, wie der Vorgang der „Geldwäsche “ mittels fiktiver Unternehmen abläuft (Naim 2005: 187ff.). Wolfgang Hetzer beschreibt hingegen, wie die virtuellen und weitgehend deregulierten internationalen Finanzmärkte dazu missbraucht werden, die Herkunft illegaler Gelder beim Kauf von Aktien großer Unternehmen oder Hedgefonds zu verschleiern (Hetzer 2003). - 7 - ausgeübt hätten.6 Christian Tenbrock beschreibt die enge Vernetzung des Drogenhandels mit anderen „Branchen“ des organisierten Verbrechens. Die größten Profiteure des Drogenhandels (die Produzenten, Schmuggler und Großhändler) verfügten über gute Beziehungen zu Menschen- und Waffenhändlern und/oder so genannten „Markenpiraten“. Koalitionen zwischen den verschiedenen Geschäftszweigen der Illegalität setzten Synergieeffekte frei, da es z.B. sicherer und billiger sei, dieselben bestochenen Grenzpolizisten, Schmuggelrouten und Transportmittel gemeinsam zu nutzen.7 Kriegsanalytiker dagegen betonen den engen Zusammenhang zwischen bewaffneten Konflikten und Drogenökonomien, da häufig Waffen und Soldaten mit Drogengeldern bezahlt werden.8 Gerade in den beiden größten drogenproduzierenden Ländern der Welt (Kolumbien und Afghanistan) herrscht seit Jahrzehnten Krieg, und die beteiligten bewaffneten Gruppen (Guerillas, Warlords) finanzieren sich zum Teil durch die Einnahmen aus dem Drogengeschäft.9 1.3. Drogenbekämpfungsmaßnahmen Maßnahmen zur Drogenbekämpfung zielen darauf ab, die Marktbeziehungen des Drogenhandels zu stören. Theoretisch bedeutet dabei eine Unterbrechung der Wertschöpfungskette an einer Stelle das Ende des Drogengeschäfts insgesamt. Praktisch wird jedoch nur eine Verknappung des Angebots oder, im Fall der Suchtprävention und Suchttherapie, eine gewisse Reduktion der Nachfrage erreicht. Prinzipiell gilt, dass steigende Drogenpreise und sinkende Konsumentenzahlen ein Zeichen für den Erfolg von Drogenbekämpfungsmaßnahmen sind. 6 Kalmanovitz beschreibt die Konsequenzen, die bei einer plötzlichen Ausschaltung des Drogenhandels auftreten würden: „Ein Szenario, in dem die Deviseneinnahmen aus dem Kokain- und Marihuanahandel sich auf Null reduzieren und die illegalen Investitionen und der illegale Anbau vollkommen ausgeschaltet würden, hätte zu berücksichtigen, dass mehr als 30 Prozent der Importkapazitäten des Landes zunichte gemacht würden . (…) Es käme also zu einer Wechselkurskrise, einer akuten Geldentwertung, einer überproportionalen Inflation usw. Gleichzeitig ginge die Zahl der Arbeitsplätze zurück und die Arbeitslosigkeit würde noch weiter steigen.“ (Kalmanovitz 1990: 125); vgl. auch Zinnecker (2004: 10). 7 Vgl. Tenbrock (2007: 19). 8 Mit Kriegsökonomien und der Verbindung zwischen so genannten „Schattenökonomien“ und bewaffneten Gruppen befassen sich z.B. Kaldor (2002) und Münkler (2002a), (2002b). 9 Für Kolumbien vgl. z.B. Richani (1997); für Afghanistan vgl. z.B. Felbab-Brown (2006). - 8 - 2. Anbaubekämpfung und „Alternative Entwicklung“ Die Vernichtung des pflanzlichen Rohstoffes soll das Angebot an Drogengrundstoffen reduzieren und somit das Problem des Drogenhandels an der „Wurzel“ fassen. Die Zerstörung der Anbauflächen kann manuell oder mit Pflanzenvernichtungsmitteln, mit Einverständnis der Drogenbauern oder ohne deren Einwilligung erfolgen: Die manuelle Vernichtung von Drogenpflanzen ist arbeitsintensiv, aber nachhaltig . Polizeibeamte oder Anti-Drogeneinheiten müssen hierbei die Pflanzen mit Macheten zerstören und die Felder anschließend umpflügen.10 Anstelle der manuellen Zerstörung von Drogenpflanzen können auch Pflanzenvernichtungsmittel von speziellen Flugzeugen über den Feldern versprüht werden. Während in den 1970er und 80er Jahren Paraquat (kommerzieller Name: „Gramoxone“) benutzt wurde, werden heute meist die für Menschen und Tiere weniger giftigen Glyphosate (kommerzieller Name: Roundup) verwendet.11 Regierungen oder Hilfsorganisationen können die Drogenbauern zu einer freiwilligen Vernichtung ihrer Felder auffordern. Im Gegenzug erhalten sie finanzielle Entschädigungen oder Anleitungen und Hilfen zum Anbau legaler landwirtschaftlicher Produkte.12 Auch moralische oder religiöse Überzeugungen können die Bauern davon abhalten, überhaupt Drogenpflanzen anzubauen (siehe Anhang: Grafik 2). Der Drogenanbau ist für viele Bauern die profitabelste und/oder notwendigste landwirtschaftliche Option (siehe Anhang: Grafik 1). Das Risiko einer erzwungenen Erntevernichtung kann für die Bauern ein Grund sein, auf den Anbau zu verzichten (siehe Anhang: Grafik 2). Allein die Zerstörung der Anbauflächen ist nach Ansicht von Experten keine ausreichende Maßnahme zur nachhaltigen Reduzierung des Drogenangebotes. Denn häufig bleibt den Bauern keine andere Möglichkeit, ihre Familien zu ernähren, als der Anbau von Drogenpflanzen . In Regionen, in denen keine Straßen, keine effektiven Bewässerungsmöglichkeiten , keine Kreditmöglichkeiten und insbesondere keine verlässlichen stabilen Märkte und Absatzmöglichkeiten existieren, ist der Anbau und Vertrieb legaler landwirtschaftlicher 10 Die manuelle Zerstörung der Pflanzungen hat gegenüber Pflanzenvernichtungsmitteln den Vorteil, dass auch die Wurzeln und Samen der Pflanzen unbrauchbar gemacht werden können (Flamini 2002). 11 Der Kolumbienexperte Ricardo Vargas Meza berichtet von den Erfahrungen und Gefahren des Einsatzes der unterschiedlichen Pflanzenvernichtungsmitteln zur Elimination von Drogenpflanzen in Kolumbien (Meza 1999). 12 Wie z.B. in Afghanistan geschehen: 2002 erhielten afghanische Opiumbauern 1,250 Dollar Kompensationszahlungen für jeden zerstörten Hektar Mohnfeld (Chouvy 2003). - 9 - Produkte meist nicht möglich. „Alternative Entwicklungsprojekte“13 sollen Rahmenbedingungen für den Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Drogenanbau schaffen und den Bauern Substitutionsangebote (z.B. kostenloses Saatgut und/oder Subventionen auf landwirtschaftliche Produkte) unterbreiten.14 Im Folgenden werden die in den drei Hauptanbaugebieten Andenregion, „Goldenes Dreieck“ und Afghanistan praktizierten Anbaubekämpfungsmethoden und die erzielten Fortschritte dargestellt sowie hierbei auftretende Widerstände und unerwünschte Begleiterscheinungen aufgezeigt. 2.1. Die Andenregion (Kolumbien, Peru und Bolivien) Die UNO schätzt, dass 97 Prozent des weltweit konsumierten Kokains aus den kokaproduzierenden südamerikanischen Staaten Kolumbien, Peru und Bolivien stammt.15 Das feuchtwarme Klima der Andenregion ist besonders günstig für das Wachstum der Kokapflanze , so dass während eines Jahres mehrere Ernten eingebracht werden können.16 Die unzugänglichen Bergregionen bieten den Kokabauern und der kokaverarbeitenden Industrie außerdem eine gewisse Sicherheit vor staatlichen Zugriffen. Darüber hinaus gewähren linke Guerillaverbände (z.B. Sendero Luminoso, FARC)17, die in denselben entlegenen Dschungel - und Bergregionen ihr Einflussgebiet haben, den Bauern Schutz vor staatlichen Antidrogenmaßnahmen . Im Gegenzug erheben die Guerillas Anspruch auf einen Teil der Einnahmen aus dem Verkauf der Kokapflanzen.18 Als Mitte der 1980er Jahre der Kokainkonsum in den USA dramatisch zunahm, überzeugte die US-Regierung Bolivien und Peru, ihre Bemühungen bei der Bekämpfung des Anbaus von Koka zu verstärken.19 In Kolumbien, wo bis Mitte der 1990er Jahre die Kokaanbauflächen im Vergleich zu den Nachbarländern eine geringe Ausdehnung hatten, wurden erst 1994 auf Drängen der USA erstmals Pflanzenvernichtungsmittel gegen die Kokapflanze angewendet.20 Bei dem Versuch, die Kokagesamtproduktion in den drei Ländern Peru, Ko- 13 Der Begriff wird in Anführungszeichen gesetzt, da es sich um eine Übersetzung des englischen Fachterminus „Alternative Development“ handelt. 14 Eine Sammlung von Online-Publikationen zum Thema „Alternative Entwicklung“ findet sich beim UNODC (2007c). 15 Vgl. UNODC (2005d). 16 Vgl. Schmittbauer/Scheidt (2003: 186-202); Lessmann (1996: 19-20). 17 FARC: Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia; Sendero Luminoso: „Leuchtender Pfad“ 18 Clawson/Lee (1996: 217 ff.) behaupten, dass der „Leuchtende Pfad“ in Peru in Folge der Anbauvernichtungsmaßnahmen verstärkten politischen Rückhalt bei den Kokabauern erlangte. Hinsichtlich der Koalition zwischen den Kokabauern und der kolumbianischen FARC vgl. Labrousse (1999: 318). 19 Vgl. Clawson/Lee (1996: 211 ff.). 20 Vgl. UNODC (2005d). - 10 - lumbien und Bolivien einzudämmen, blieben Erfolge zunächst aus. Stattdessen hatten sich die Anbauflächen in den Anden nach 15 Jahren Drogenbekämpfung von 1984 bis 1999 sogar mehr als verdoppelt.21 Dies schien zunächst erstaunlich, hatten doch Peru und Bolivien Anfang der 1990er Jahre tatsächlich Erfolge bei der Vernichtung von Kokaanbauflächen erzielt. Die in diesen Ländern erreichte Reduzierung der Anbauflächen hatte jedoch den Kokaanbau nach Kolumbien gedrängt (siehe Anhang: Grafik 3), das in den 1990er Jahren zum führenden Kokaproduktionsland im lateinamerikanischen Raum aufstieg und dies bis heute geblieben ist (siehe Anhang: Grafik 4).22 Diese forcierte Verdrängung des Anbaus in die Nachbarregionen oder –länder wird, meist von Kritikern der Anbaubekämpfung, auch als „Balloneffekt“ bezeichnet.23 Wie die Luft eines Ballons beim Druck auf eine Stelle an die elastischen Ränder gedrängt wird, verlagern sich die Kokaanbauregionen, wenn die Felder in einer Region vernichtet werden. Notwendige und förderliche Bedingungen für diesen Prozess sind, dass die Nachfrage nach der Droge stabil bleibt oder sogar zunimmt und dass andere geeignete Anbaugebiete existieren. Die Vernichtung der Felder treibt zudem die Preise für den Drogenrohstoff in die Höhe, so dass für die Bauern nun ein verstärkter Anreiz entsteht, erneut oder zum ersten Mal Drogenpflanzen zu kultivieren.24 Exkurs – Weitere Beispiele für den „Balloneffekt“ Die von den USA initiierten Besprühungsmaßnahmen von Cannabisfeldern in Mexiko und Jamaika mit dem Pflanzenvernichtungsmittel Paraquat führten zwar dazu, dass in diesen Ländern die Anbauflächen zurückgingen, hatten aber auch zur Folge, dass nun Kolumbien die Aufgabe übernahm, Cannabis anzubauen und die amerikanischen Konsumenten zu bedienen.25 Trotz nationaler Erfolge bei der Totalreduktion des Mohnanbaus in Myanmar beobachtete das United Nations Office on Drugs and Crime, dass den Bekämpfungsmaßnahmen in der Region des nördlichen Shans eine Verlagerung des Anbaus ins 21 Vgl. International Narcotic Control Strategy Report (2000). Der Bericht wird jährlich vom US-Außenministerium veröffentlicht (http://www.state.gov/p/inl/rls/nrcrpt/). 22 Das UNODC (2005) schätzt, dass 70 Prozent des weltweit konsumierten Kokains aus Kolumbien kommt. 23 Zu den Kritikern der Anbaubekämpfung im Andenraum gehört z.B. das „Center for International Policy (CIP)“, ein wissenschaftliches Forum von Friedens- und Menschenrechtsaktivisten. Für eine Beschreibung des „Balloneffekts“: Vgl. Center for International Policy (2005). 24 Vgl. Clawson/Lee (1996: 216). 25 Vgl. Krauthausen (1997: 302ff.). - 11 - südliche Shan folgte.26 Nicht nur regional, sondern auch global lässt sich eine Verdrängung der Drogenproduktion beobachten: Als die Türkei auf Drängen der USA 1973 den Mohnanbau aus ihrem Land verbannte , übernahmen Laos, Thailand und Myanmar (Birma) die Aufgabe, die globale Opium- und Heroinnachfrage zu befriedigen.27 Als nun wiederum diese drei Länder, das so genannte „Goldene Dreieck“, den Opiumanbau auf internationalen Druck bekämpften, so dass die Opiumanbauflächen seit 1998 bis heute effektiv verringert wurden, konnte Afghanistan zum größten Opiumproduzenten der Welt aufsteigen (siehe Anhang: Grafik 7).28 Die verstärkte Bekämpfung des Drogenanbaus im Rahmen des von den USA und der EU finanzierten „Plan Colombia“29 scheint, den Angaben der Vereinten Nationen zufolge, in den letzten Jahren in Kolumbien erste Erfolge zu verzeichnen. Seit Beginn des Programms im September 1999 konnten die Anbauflächen im gesamten Andenraum um bis zu 29 Prozent reduziert werden (siehe Anhang: Grafik 4),30 was nach Einschätzung der kolumbianischen und der US-amerikanischen Regierung auf die verstärkte Besprühung der Felder mit Pflanzenvernichtungsmitteln zurückführen ist.31 Die International Crisis Group (ICG)32 kritisiert allerdings die Aussagekraft dieser Ergebnisse . Es lasse sich vielmehr ein Trend beobachten, demzufolge die Bauern die Größe ihrer Felder seit dem Jahr 2000 reduzierten, um so unentdeckt weiterhin Koka anbauen zu können .33 Zudem hätten die Bauern Methoden entwickelt, den Ertrag der Felder weiter zu stei- 26 Vgl. UNODC (2005c). 27 Vgl. McCoy (2003: 513-597). 28 Vgl. UNODC (2005b); UNODC (2005c). 29 Der „Plan Colombia“ ist ein Programm der kolumbianischen Regierung, das neben der Durchführung sozialer Entwicklungsprojekte vor allem das Militär und die Polizei beim Kampf gegen die Drogenproduktion unterstützen soll. Der Plan Colombia wird von den USA und der EU finanziell unterstützt. Ein guter Überblick über die Inhalte des Plan Colombia findet sich beim „Center for International Policy“ (2007). 30 Vgl. UNODC (2007a). 31 Vgl. International Narcotics Control Strategy Report (2003). 32 Die International Crisis Group (ICG) ist eine internationale Nichtregierungsorganisation, die Informationen zu mehr als 50 Krisengebieten der Welt anbietet (www.crisisgroup.org). 33 Vgl. International Crisis Group (2005: 23). Die UNO räumt ein, dass ab einer bestimmten Größe die Felder nicht mehr leicht auf ihren Satellitenbildern erkannt werden können. „The analysis of the census data also showed that the average coca field size decreased from 1.3 hectares in 2004 to 1.13 hectares in 2005 (-13%). - 12 - gern.34 Auch hätten die Besprühungsmaßnahmen keinen Effekt auf die kokainproduzierende Industrie. So habe im Gegenteil die Produktion von Kokainhydrochlorid (so die korrekte chemische Bezeichnung für Kokain) in den vergangenen Jahren sogar zugenommen, während der Großhandelspreis in Europa und den USA gesunken sei (siehe Anhang: Grafiken 5 und 6). Medien und Nichtregierungsorganisationen betonen immer wieder die unerwünschten sozialen und ökologischen Folgen der im Andenraum praktizierten Bekämpfungsstrategie. Umweltorganisationen warnen beispielsweise vor der Schädlichkeit des Entlaubungsmittels „Roundup“ für Mensch und Umwelt. Ihrer Meinung nach können Fehlgeburten und Lungenkrankheiten die Folge einer Glyphosatvergiftung sein.35 Die Besprühung der Felder hat aus Sicht der International Crisis Group eine weitere umweltschädliche Folge: Sofern die Bauern nach der Zerstörung ihrer Felder in noch unerschlossene Dschungelregionen abwandern , um dort wieder Koka anzubauen, bedeute das für die bedrohten Tropenwälder erneute Rodungen, um Platz für neue Plantagen zu schaffen.36 Hinzu kommen Bedenken hinsichtlich der sozialen Folgen der Bekämpfungsmaßnahmen. Viele Bauern bauen Koka an, weil sie keine andere Möglichkeit haben, sich und ihre Familien zu ernähren. Der Plan Colombia bietet Kritikern zufolge den Bauern keine ökonomischen Ausweichmöglichkeiten an. Es gebe zu wenig „Alternative Entwicklungsprojekte“, und der Anbau von alternativen Feldfrüchten werde nicht ausreichend finanziell unterstützt, so dass die Bauern entweder ihrer Lebensgrundlage beraubt würden oder gezwungen wären, ihr Land zu verlassen , um in anderen, hierfür noch unerschlossenen Gebieten erneut Koka anzubauen.37 2.2. „Goldenes Dreieck“ (Laos, Thailand, Myanmar) Thailand, Laos und Myanmar produzierten in den 1980er Jahren 70 Prozent der weltweit illegal konsumierten Opiate. Seit 1998 haben zahlreiche Anbauvernichtungsmaßnahmen zu einer stetigen Abnahme der Produktion von Opium geführt.38 A possible explanation could be that farmers are reducing the size of their coca fields to avoid detection and aerial spraying” (UNODC 2006b: 111). 34 Vgl. Clawson/Lee (1996: 216). 35 Vgl. Livingston (2003: 137); US Environmental Protection Agency (EPA) (2006); New York Times (2001: 8). 36 Vgl. International Crisis Group (2005: 23). 37 Vgl. New York Times (2000: 8). 38 Vgl. UNODC (2007a). - 13 - Thailand gilt heute als opiumfrei.39 Hier konnten „Alternative Entwicklungsprojekte“, die von den Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft unterstützt wurden, den Umstellungsprozess auf legale landwirtschaftliche Produkte erleichtern.40 Beispielsweise half das „Deutsch-Thailändische Hochland Entwicklungsprogramm“ 18 Jahre lang (1981- 1998) den Bauern, legale Nutzpflanzen anzubauen.41 Der Anbau von Opium in Myanmar konnte auch im Jahr 2007 wieder effektiv bekämpft werden. Harte Strafen für Opiumbauern42 und Zwangsumsiedelungen der opiumproduzierenden Bergbevölkerung in Regionen, in denen andere landwirtschaftliche Produkte angebaut werden können und eine bessere polizeiliche Kontrolle möglich ist, verringerten die Anbauflächen von 1998 bis heute um 87 Prozent.43 Laos konnte die Opiumanbauflächen seit 1998 um mehr als 90 Prozent reduzieren.44 Wie in Myanmar wurden in Laos die Opiumbauern von den Bergen in Regionen umgesiedelt , in denen der Anbau anderer landwirtschaftlicher Produkte möglich ist. Dem Report „Alternative Development: A Global Thematic Evaluation“ des UNODC zufolge sollen „Alternative Entwicklungsprogramme“ eine wichtige Rolle dabei gespielt haben, die Bauern dazu zu bewegen, auf den Anbau von Mohn zu verzichten.45 Das Angebot für Opium auf dem Weltmarkt hat sich jedoch nicht verringert, da Afghanistan in der Zwischenzeit zum Anbaugebiet Nummer 1 der Welt aufstieg (siehe Anhang: Grafiken 7 und 8).46 Kritikern zufolge konnten die Erfolge der Anbaubekämpfungsmaßnahmen im „Goldenen Dreieck“ allerdings nur mit bedenklichen sozialen und ökologischen Nebenwirkungen erkauft werden. Das Transnational Institute47 beschreibt, wie die Zwangsumsiedelungen in 39 Vgl. UNODC (2005b); UNODC (2005c) 40 Renard schildert in seinem Buch „Opium reduction in Thailand 1970-2000“, wie die thailändische Regierung in Zusammenarbeit mit der UNO ein Anbauverbot vor dem Hintergrund eines „Alternativen Entwicklungskonzepts “ erfolgreich durchsetzte (Renard 2001). 41 Das Entwicklungsprogramm wurde maßgeblich von der GTZ unterstützt. Ein Bericht der GTZ über die Ergebnisse des Programms findet sich bei Dirksen (2007). 42 Laut „Central Committee for Abuse Control“ (http://www.myanmar-narcotic.net/); (das Informationsportal der Anti-Drogen-Polizei in Myanmar) wird seit 1994 für den Anbau von Drogen bei wiederholter Missachtung des Verbots die Todesstrafe verhängt. Auch der Schmuggel von Opium über die chinesische Grenze wird mit dem Tod bestraft. Vgl. Central Commitee for Abuse Control (2007). 43 Vgl. UNODC (2007a). 44 Vgl. UNODC (2007a, 2005b). 45 Vgl. UNODC (2005) “Alternative Development: A Global Thematic Evaluation, Final Synthesis Report”, (S. 4-7), (http://www.unodc.org/documents/alternative-development/05-82516_Ebook.pdf). 46 Vgl. UNODC (2007a). 47 Das Transnational Institute (http://www.tni.org/) ist ein kritischer, liberaler Think Tank, der eng mit dem bekannteren „Institute for Policy Studies“ (http://www.ips-dc.org/) zusammenarbeitet. - 14 - Myanmar viele Bauern, welche an die neuen klimatischen Bedingungen nicht gewöhnt waren , erkranken ließen. Der einzigen Einkommensquelle beraubt sollen zudem viele ehemalige Opiumbauern erwerbslos geworden sein. Die Armutsquote unter ihnen sei infolgedessen stark angestiegen.48 Dem Nachrichtendienst BBC zufolge führten die Zwangsumsiedelungen auch in Laos zu einer höheren Sterblichkeitsrate unter der ehemals opiumproduzierenden Bergbevölkerung .49 Allerdings soll den Bauern von der laotischen Regierung im Gegensatz zu Myanmar besser geholfen worden sein, legale landwirtschaftliche Produkte anzubauen.50 In Thailand gestaltete sich im Rahmen der „Alternativen Entwicklungsprojekte“ die Einführung von Monokulturen und neuer landwirtschaftlicher Produkte problematisch, da diese gegenüber Schädlingen und Krankheiten weniger resistent waren als die zuvor kultivierten Mohnpflanzen. Aus diesem Grund mussten mehr Pestizide und Dünger, die Wasserreserven und Flüsse belasten, benutzt werden. Um mit den Produkten legaler Landwirtschaft ein vergleichbares Einkommen zu erreichen wie durch den Verkauf von Opium, bedarf es außerdem größerer Anbauflächen, die nur durch weitere Rodungen des bedrohten thailändischen Regenwalds zu erschließen sind.51 2.3. Afghanistan In den 1990er Jahren begann der Aufstieg Afghanistans zum größten Opiumproduzenten der Welt. Den Vereinten Nationen zufolge stammen heute 92 Prozent der weltweit illegal konsumierten Opiate aus Afghanistan.52 Aus dem trockenen Klima und dem zerklüfteten Terrain erwächst dem äußerst robusten und auch bei derart widrigen landwirtschaftlichen Bedingungen kultivierbaren Schlafmohn ein wichtiger Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Feldfrüchten.53 Hinzu kommt, dass leichte und wertvolle Produkte wie Opium 48 Vgl. Jelsma/Kramer (2005). 49 Tom Fawthorp berichtet im BBC von einer Sterblichkeitsrate bei den ehemaligen Opiumbauern von über vier Prozent: Eine Rate, die sich eher in Kriegs- oder Flüchtlingsarealen finden lässt (Fawthorp 2004). 50 Vgl. UNODC (2005b). 51 Eine kurze kritische Fallstudie zum Hochland-Entwicklungsprogramm findet sich bei Williamson (2006). 52 Vgl. UNODC (2007a). 53 Jorrit Kamminga vom internationalen Think Tank “Senlis Council” (www.senliscouncil.net) bescheibt in dem Aufsatz „Agricultural aspects of Afghanistan’s opium economy“ (Kamminga 2005) detailliert die landwirtschaftlichen Vorteile des Opiumanbaus in Afghanistan. Hier lassen sich auch interessante Details über Anbau, Ernte, unterschiedliche Schlafmohnsorten etc. finden. - 15 - bzw. Heroin gerade bei der (zum Teil kriegsbedingten) Abwesenheit guter Transportwege eine beliebte Handelsware werden.54 Conrad Schetter beschreibt in seinem Buch „Die Kleine Geschichte Afghanistans“, wie schwer es den meisten Machthabern in Afghanistan stets gefallen sei, das gesamte ethnisch fragmentierte Staatsgebiet zu kontrollieren.55 Laut einem Bericht der Weltbank sei gerade die mangelnde infrastrukturelle, organisatorische und juristische Durchdringung des afghanischen Staatsgebiets dafür verantwortlich, dass weiterhin rechtsfreie Räume existierten, die illegalen Wirtschaftszweigen und nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen optimale Entfaltungsmöglichkeiten böten.56 Afghanistanexperten sehen enge Zusammenhänge zwischen dem Opiumanbau und den andauernden Konflikten in Afghanistan. Seit Jahren würden „Warlords“ und Talibanmilizen ihre Militärs mit dem Anbau, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Opium und Heroin finanzieren. 57 Schon bevor der Friedenseinsatz der International Security Assistance Force (ISAF) und der von den USA geführte Anti-Terroreinsatz der Operation Enduring Freedom (OEF) in Afghanistan begonnen hatten, hatten die Taliban 2001, zu einer Zeit, als bis zu 90 Prozent der Fläche Afghanistans von ihnen kontrolliert wurde, ein Anbauverbot erlassen und Opiumfelder zerstört (siehe Anhang: Grafik 8).58 Nach der Zerschlagung der Talibanherrschaft 54 Zu der Kategorie „leicht und wertvoll“ gehören auch typische „Kriegswährungen“ wie Diamanten (Sierra Leone), Smaragde (Kolumbien und Afghanistan) oder Tantal (Coltan) zur Computerchipherstellung (Kongo) (N.d.A). 55 Eine knappe Einführung in die konfliktreiche Geschichte Afghanistans findet sich bei Schetter (2004). 56 Die Weltbank bezeichnet das Wechselspiel aus unzureichender staatlicher Durchsetzungskraft und der Drogenökonomie als „Teufelskreis“. Die Drogenökonomie kann durch den Staat aufgrund seiner Schwäche nicht ausreichend zurückgedrängt werden. Sie finanziert darüber hinaus Warlords, die das staatliche Machtmonopol weiter untergraben können (World Bank 2005: 111ff.). 57 Felbab-Brown (2006) und Thamm (2007) berichten über die Verstrickungen der unterschiedlichen bewaffneten Gruppen im Drogengeschäft. Felbab-Brown gibt eine sehr differenzierte Darstellung des Zusammenhangs zwischen Opiumanbau und Gewalt in Afghanistan in den letzten 30 Jahren. Dieser Zusammenhang sei insofern problematisch, als man nicht von einem eindimensionalen kausalen Zusammenhang zwischen Drogenprofiten und Gewalt ausgehen könne: Zwar stimme es, dass sich die Kriegsparteien über den Drogenhandel finanzierten. Daraus könne aber nicht geschlossen werden, dass der Krieg dann zu einem Ende komme, wenn der Drogenhandel besiegt werde. Im Gegenteil werde ein Angriff auf die Opiumproduktion in Afghanistan Gegenreaktionen der Koalition aus Opiumbauern und den militärischen Gruppen, die vom Anbau profitieren, zur Folge haben. 58 Es gibt unterschiedliche Antworten auf die Frage, warum die Taliban im Jahr 2001 ein Anbauverbot erließen. Der Drogenexperte James D. Medler glaubt, dass die Taliban durch das Verbot einerseits international Anerkennung erlangen wollten und andererseits den Preis für bereits existierende Bestände in die Höhe treiben wollten, um im Fall eines Krieges ihre Liquidität steigern zu können (Medler 2004: 282). Martin Jelsma vom „Transnational Institute“ behauptet, dass die UNO in Verhandlungen mit den Taliban die Erwartung auf Kompensationen und internationale Annerkennung geweckt habe, um sie zu einem Anbauverbot zu bewegen. Nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center im September 2001 hätten die Vereinten Nationen, Jeslma zufolge, von ihren Zugeständnissen, deren praktische Umsetzung schon vor den Anschlägen fraglich erschien, sofort abgesehen (Jelsma 2005). - 16 - veranlasste auch die afghanische Übergangsregierung ein Verbot für jede Form von Mohnanbau, Opiumproduktion und -handel. Die Anbaubekämpfungsmaßnahmen der afghanischen Polizei werden von der internationalen Gemeinschaft finanziell unterstützt.59 Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass in Folge des Verbots jährlich bis zu 20.000 Hektar Mohnpflanzen zerstört worden seien.60 Einige Opiumbauern übernahmen selbst die Aufgabe, ihre Felder zu zerstören. Als Anreiz wurden ihnen Kompensationsangebote in der Höhe von 250 - 350 Dollar pro umgepflügtem Morgen Land (0,4 Hektar) unterbreitet. Der Erfolg der Kompensationskampagne ist jedoch umstritten.61 Weder erzwungene noch freiwillige, auf Kompensationsversprechen basierende Anbauvernichtungsstrategien konnten die bis heute expandierende Mohnproduktion stoppen (siehe Anhang: Grafik 8). Die Drogenbekämpfung in Afghanistan, so kritisiert Antonio Maria Costa, der Leiter des UNODC, scheine angesichts des „Krieges gegen den Terrorismus“ nur von untergeordneter Bedeutung zu sein. Von den 100 Millionen Dollar, die internationale Geberländer der afghanischen Regierung für Anti-Drogen-Programme zukommen lassen hätten, seien bisher nur 2,5 Prozent überhaupt genutzt worden.62 Diese Zurückhaltung wird einigen Berichten der deutschsprachigen Presse zufolge als ein Resultat pragmatischer militärischer Erwägungen verstanden, insofern die Bekämpfung der Taliban im Vordergrund stehe. Denn die verstärkte Bekämpfung des Mohnanbaus könne derzeit friedliche Drogenbarone und Mohnbauern dazu bewegen, sich den Bekämpfungsmaßnahmen gewaltsam zu widersetzen .63 Neben der aktiven Anbaubekämpfung mit dem Ziel der Zerstörung von Mohnfeldern laufen in Afghanistan bereits verschiedene Projekte der „Alternativen Entwicklung“. Die Euro- 59 Stellvertretend für die internationale Gemeinschaft koordiniert das Vereinigte Britische Königreich in Afghanistan die „Central Poppy Eradication Force (CPEF)“. Die Homepage des britischen „Foreign and Commenwealth Office“ bietet viele Informationen über die aktuellen Antidrogenmaßnahmen der britische Regierung im Ausland (Foreign and Commenwealth Office 2007). 60 Vgl. UNODC (2007) 61 Eine umfassende Kritik der politischen Initiative „Dollars gegen zerstörte Felder“ findet sich bei Rubin (2004), der davon ausgeht, dass die versprochenen Kompensationszahlungen nicht immer vollständig ausgezahlt worden seien, so dass gerade die ärmsten Opiumbauern von den Anbaureduktionsmaßnahmen getroffen würden, während die reicheren Bauern, die über große gewinnbringende Felder verfügten, gar nicht erst auf das Angebot eingingen. Dem Handelsblatt zufolge hätten einige Bauern größere Felder angegeben, als sie tatsächlich besäßen und Kompensationen kassiert, ohne tatsächlich etwas gegen den Anbau getan zu haben (Ziener: 2005). 62 Vgl. Möllhoff (2007: 6) 63 Vgl. Neue Züricher Zeitung (2006: 6); vgl. Buck (2007: 2); vgl. Der Spiegel Online (31.8.2006). Joellen Perry hält es für möglich, dass eine rigorose Antidrogenpolitik auch innerhalb der afghanischen Antiterrorkoalition zu einem Bruch führen könnte, denn auch Mitglieder der afghanischen Regierung würden derzeit verdächtigt, in den Drogenhandel verwickelt zu sein (Perry 2005). - 17 - päische Union fördert beispielsweise mit 20 Millionen Euro das von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ)64 in Afghanistan geleitete Project for Alternative Livelihoods in Eastern Afghanistan (PAL). PAL richtet sich an Bauern in den östlichen Regionen Afghanistans, denen es überregionale Absatzmöglichkeiten für landwirtschaftliche Produkte und Kreditmöglichkeiten für den Kauf von Düngern und legalem Saatgut anbietet .65 Vergleichbare Hilfsangebote gibt die United States Agency for International Development (USAID)66, die für „Alternative Entwicklungsprojekte“ im Süden des Landes 211 Millionen Dollar zur Verfügung stellt. Auch das britische Entwicklungshilfeministerium67 fördert mit einem Budget von 130 Millionen Dollar auf drei Jahre verteilt alternative landwirtschaftliche Projekte. Da „Alternative Entwicklungsprojekte“ meist lange Laufzeiten benötigen, ist es für eine abschließende Beurteilung der einzelnen Projekte derzeit noch zu früh.68 Im September 2005 präsentierte Emmanuel Reinert, Direktor des Senlis Council Forschungsinstitut für Drogenpolitik, der Regierung in Kabul den in der Presse viel diskutierten Vorschlag, durch die Entwicklung einer lizensierten Opiumwirtschaft mehrere Ziele miteinander zu vereinbaren: Durch die Verarbeitung des Opiums in Afghanistan zu Morphium und Kodein könne der weltweit existierende Bedarf an Schmerzmitteln vor allem auch in Ländern Lateinamerikas, Asiens und Afrikas gedeckt werden. Durch die Beteiligung der Bauern an diesem Prozess legaler Opiumproduktion könnten deren Nettoeinkommen mindestens so hoch sein wie durch ihren Anteil am illegalen Drogenhandel.69 In einer Pressemitteilung der NATO kritisiert allerdings Antonio Maria Costa, der Direktor des United Nations Office on Drugs and Crime, die Vorstellung, durch die Legalisierung des Mohnanbaus in Afghanistan das Drogenproblem lösen zu wollen. Zum einen habe Afghanistan im Jahr 2006 8.200 Tonnen Rohopium produziert, eine Menge, die in Kodein /Morphin umgewandelt für fünf Jahre den weltweiten Bedarf an schmerzstillenden Medikamenten decken würde und damit die globale Nachfrage bei weitem übersteige. Zum anderen sei der Bedarf an Opiaten in den Ländern der so genannten „Dritten Welt“ nur theo- 64 Internetpräsenz der GTZ (http://www.gtz.de). 65 Vgl. Internetpräsenz des PAL (http://www.palinfo.org/). 66 Vgl. Internetpräsenz der USAID (http://afghanistan.usaid.gov/en/Program.20a.aspx). 67 Vgl. Internetpräsenz des Department for Internatinal Development (DfID). http://www.dfid.gov.uk/countries/asia/afghanistan.asp). 68 Auf den Internetseiten von PAL, USAID und DfID gibt es Berichte über den aktuellen Stand der Entwicklungsprojekte . 69 Vgl. The Senlis Council (2005) - 18 - retisch gegeben, praktisch würde es Jahrzehnte dauern, die medizinische Nutzung von Opiumderivaten in Entwicklungsländern, in deren Krankenhäusern bisher nicht mit Opiaten gearbeitet werde, einzuführen. Außerdem sei ein Kilo Opium, das für den illegalen Konsum bestimmt sei, immer noch dreimal so viel wert wie Opium, das für medizinische Zwecke hergestellt werde. Schließlich zweifelt Costa an der Möglichkeit, den Anbau zu legalen Zwecken derzeit ausreichend kontrollieren zu können.70 3. Strafverfolgung der Produktion, des Schmuggels und des Vertriebs Vom pflanzlichen Drogenrohstoff bis zum Vertrieb des industriell „veredelten“ Produkts auf der Straße in den Abnehmerländern ist es ein weiter Weg, der zudem noch den Schmuggel der Droge, meist über mehrere Grenzen hinweg, einschließt. An jeder Stelle dieses Weges kann die jeweils verantwortliche Exekutivmacht strafrechtliche Maßnahmen einleiten. Dazu gehören: Die Kontrolle von Vorläufersubstanzen71, die zur Herstellung der Drogen benötigt werden, die Zerschlagung der illegalen Produktion und Synthese von Drogen wie Heroin und Kokain in speziellen Chemielabors sowie Grenzkontrollen. Hinzu kommen die Strafverfolgung von Drogenhändlern im Abnehmerland und strafrechtliche Konsequenzen für Konsumenten illegaler Drogen.72 Die Marktsektoren der Drogenproduktion und des Schmuggels sind, dem lateinamerikanischen Journalisten und Kolumbienexperten Ciro Krauthausen zufolge, die empfindlichsten Segmente des internationalen Drogenhandels, da sich hier oft große Mengen illegaler Drogen in den Händen weniger Personen befänden.73 Einen erfolgreichen Schlag der Polizei gegen den Drogenhandel und die Drogenproduktion, der weitreichende Folgen für das Heroinangebot in den USA und Europa hatte, beschreibt 70 Vgl. Pressemitteilung Costas auf der Homepage der „North Atlantic Treaty Organisation“ (NATO 2007). 71 Da Drogenvorläufersubstanzen nicht nur bei der illegalen Drogenproduktion zum Einsatz kommen, sondern auch legale Verwendungszwecke haben (insbesondere in der Arzneimittelproduktion), können sie nicht einfach verboten werden. Regelungen erfolgen in Deutschland gemäß dem Grundstoffüberwachungsgesetz (GüG), der Verordnung (EWG) Nr. 3677/90 sowie dem BtMG. 72 Eine Aufzählung der einzelnen Betäubungsmittelstraftatbestände findet sich bei den drei Abkommen über illegale Rauschdrogen der Vereinten Nationen (UN Crime and Drug Conventions 1961, 1971, 1988). Die Bestimmungen gelten für alle Staaten, die die Konventionen unterzeichnet haben, und damit auch für alle Länder der Europäischen Union. 73 Krauthausens Buch „Moderne Gewalten - Organisierte Kriminalität in Kolumbien und Italien“ gibt einen detaillierten Einblick in die klandestinen Strukturen von Kartellen und der Mafia. Der Marktsektor der Produktion und des Schmuggels sei, ihm zufolge, der am besten organisierte Bereich des Drogenhandels (Krauthausen 1997: 97ff.). - 19 - der Drogenexperte Alfred McCoy in seinem Buch „Die CIA und das Heroin“.74 Nachdem US-Präsident Richard Nixon 1971 in seiner Rede zur Lage der Nation den „War on Drugs“ erklärt hatte, verstärkte die US-Regierung die Anstrengungen, den Fluss von Heroin in die USA zu verhindern. Ein Großteil der in den 1960er Jahren in den USA illegal konsumierten Opiate wurde in der Türkei angebaut und in Südfrankreich von der so genannten „French Connection“ in Marseilleser Drogenlabors zu Heroin verarbeitet, um dann nach Amerika geschmuggelt zu werden. McCoy zufolge habe die Nixon-Administration die Türkei mit 35,7 Mio. US-Dollar bei ihren Bemühungen, den Opiumanbau zu reduzieren, unterstützt und die französische Polizei dazu veranlasst, hart gegen die Heroinindustrie vorzugehen. „Anfang der 70er Jahre war es mit dem ‚klassischen’ europäischen Heroinhandel , wie er seit den späten 40er Jahren betrieben worden war, vorbei.“75 Innerhalb kürzester Zeit sollen sich die Straßenpreise für Heroin in New York verdreifacht und die Anzahl der Süchtigen um mehr als 50 Prozent verringert haben - deutliche Anzeichen für eine Verknappung des Angebots.76 Jedoch schon bald sollte sich, McCoy zufolge, der internationale Drogenhandel von dieser Niederlage wieder erholen. Die Anbauregionen sowie die Produktion von Heroin verlagerten sich in den 1980er Jahren nach Südostasien, und die Drogenhändler erschlossen sich in Europa einen neuen Absatzmarkt. Während der Heroinkonsum in den Vereinigten Staaten von Amerika in den 80ern noch relativ niedrig blieb, überschwemmte Kolumbien zu dieser Zeit die USA mit Kokain. Anfang der 90er Jahre erreichten dann auch wieder größere Mengen Heroin (diesmal aus Südostasien) die USA, in der Folge stiegen die Konsumentenraten , und die Preise fielen (Siehe Anhang: Grafiken 9 und 10). Das Beispiel zeigt nach McCoy, dass Drogenbekämpfungsmaßnahmen zwar kurzfristig eine Angebotsreduzierung zur Folge hätten, gleichzeitig aber den internationalen Drogenhandel dahingehend stimulierten , dass dieser neue Resistenzkräfte entwickle und sich weltweit weiter ausbreite: Der Anbau und die Drogenproduktion hatte sich in Länder verlagert, in denen eine staatliche Kontrolle kaum vorhanden war, der Drogenschmuggel nutzte andere Schmuggelrouten, und die Drogenverkäufer hatten einen neuen Absatzmarkt gefunden.77 74 Der Professor für südostasiatische Geschichte an der University of Wisconsin, Alfred W. McCoy, wurde durch sein Buch „Die CIA und das Heroin“ bekannt, in dem er Verwicklungen von Mitgliedern der Geheimdienste in den internationalen Drogenhandel beschreibt (siehe z.B. Iran-Contra-Affäre). Die Veröffentlichung dieses Buches löste in den USA einen Skandal aus. Heute gilt McCoys umfangreiches und gut recherchiertes Werk „Die CIA und das Heroin“ als Standardwerk und wird viel zitiert. 75 Vgl. McCoy (2003: 130). 76 Vgl. McCoy (2003: 522). 77 Vgl. McCoy (2003: 513-597). - 20 - Ein anderes Beispiel für eine erfolgreiche Polizeiaktion gegen die Produktion und den Schmuggel von Drogen ist die Zerschlagung der beiden großen kolumbianischen Kokain -Kartelle, des Medellin-Kartells und des Cali-Kartells. Als im August 1989 die kolumbianische Regierung einen Großteil der Mitglieder des Medellin-Kartells festnahm und große Mengen exportfertiges Kokain beschlagnahmte, erhöhten sich in der Folge die Großhandelspreise für Kokain in New York um 40 Prozent, und der durchschnittliche Reinheitsgrad der Droge sank in den USA um 8 Prozent. Vergleichbare Auswirkungen soll die Auflösung des Cali-Kartells Mitte der 1990er Jahre gehabt haben.78 Die Kokainpreise stabilisierten sich jedoch bald wieder auf einem niedrigeren Niveau.79 Kriminalexperten kamen zu dem Ergebnis, dass die Eliminierung der Drogenkartelle zwar den Einfluss einiger weniger koordiniert zusammenarbeitender Krimineller verringert, dafür aber ein neues Problem geschaffen hätte: Eine Vielzahl kleiner „Baby-Kartelle“ sei auf lokaler Ebene entstanden, während die Kapazitäten hinsichtlich Produktion und Vermarktung fortbestünden.80 Der Direktor der kolumbianischen Geheimpolizei Colonel Oscar Naranjo schätzt die Zahl der kleinen, aber geschäftlich extrem funktionsfähigen Organisationen, die sich oft nur auf einzelne Teile des Kokaingeschäfts spezialisiert haben, auf mehr als 400. Der Drogenhandel der Kleinkartelle sei aufgrund seiner dezentralen und loseren Organisationsform für Polizei und Geheimdienste schwerer zu durchdringen, und die Erfolge beschränkten sich meist nur auf Festnahmen kleiner Gruppen von Drogenhändlern oder Produzenten, die für die Fahndung über nur wenig weiterhelfende Informationen verfügen würden.81 Seit Anfang des 21. Jahrhunderts konnten weltweit jedes Jahr zunehmend größere Mengen Heroin und Kokain sichergestellt werden (siehe Anhang: Grafiken 12 und 13). Das United Nations Office on Drugs and Crime macht die verstärkte internationale Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Drogenhandels sowie ein erhöhtes Drogenangebot für die Zunahme der Menge beschlagnahmter Rauschdrogen verantwortlich.82 Dieses Jahr seien 42 Prozent des weltweit produzierten Kokains und 26 Prozent des weltweit produzierten Heroins beschlagnahmt worden. Acht Länder berichteten 2007, sie hätten Heroinlabore in ihrem Land zerstören können. Insgesamt sollen 844 Heroinlabore ausgehoben worden sein, die meisten davon in Russland, Moldavien und Afghanistan. Auch 210 Kokainlabore sollen im 78 Vgl. Clawson/Lee (1996: 225). 79 Vgl. UNODC (2007a). 80 Vgl. Fischer (1998: 320). 81 Vgl. El Tiempo (2004). 82 Vgl. UNODC (2007a). - 21 - Jahr 2005 weltweit zerstört worden sein, die größte Anzahl davon in Kolumbien. Die Erfolge der Drogenfahnder würden allerdings durch die weltweit steigenden Konsumentenzahlen und sinkende Preise für Kokain und Heroin konterkariert (siehe Anhang: Grafiken 10 und 11).83 4. Schlussbemerkungen Trotz vermehrter Anstrengungen seitens der internationalen Gemeinschaft, das Angebot und den Konsum von Drogen einzuschränken, bleibt der Drogenhandel für Kriminelle weiterhin ein lukratives Geschäft. Die hier dargestellten Tendenzen und Ursachen hinsichtlich des weltweiten drogenökonomischen Wachstums und der Erfahrungen mit Ansätzen der Drogenbekämpfung werden keine Antworten auf die Fragen geben können, wie das Drogengeschäft sich in Zukunft entwickeln wird und welche geeigneten Maßnahmen gegen den Drogenhandel am wirksamsten sind. Dennoch legt die vorliegende Übersicht über Drogenbekämpfungsmaßnahmen die folgenden Interpretationen nahe: Zum einen funktioniert der globale Heroin- bzw. Kokainhandel als eine Kette aus verschiedenen aufeinander aufbauenden Marktsegmenten, so dass stets mehrere Möglichkeiten der Bekämpfung existieren. Dabei hat die erfolgreiche Bekämpfung eines Marktsegments immer auch Auswirkungen auf die anderen Segmente des Drogenmarktes. Dasselbe gilt auch umgekehrt für verpasste Chancen der Drogenbekämpfung. Wenn beispielweise in einem Land nicht ausreichend Suchtpräventionsangebote existieren, kann die in der Folge steigende Nachfrage in einem Produktionsland dazu führen, dass hier der Anbau von Drogenpflanzen lukrativer wird und zunimmt. Andererseits kann ein erfolgreicher Polizeischlag gegen die Produktion oder den Vertrieb von Drogen dazu führen, dass der Straßenpreis der Droge steigt und die Konsumentenzahlen sinken. Zum anderen führen die einzelnen Bekämpfungsmaßnahmen stets zu einer Reihe von gewünschten und unerwünschten Nebeneffekten. Die Vernichtung von Drogenpflanzen in einer Region kann beispielsweise dazu führen, dass bewaffnete Gruppierungen wie z.B. Talibanmilizen, die von der Produktion der Drogen profitieren, ihrer kriegsökonomischen Grundlage beraubt werden. Gleichzeitig kann die Zerstörung von Drogenfeldern Bauern, sofern sie vom Anbau des Drogenrohstoffes finanziell abhängig sind und ihnen kein alternativer Lebensunterhalt angeboten wird, die Existenzgrundlage entziehen. 83 Vgl. UNODC (2007a). - 22 - Eine nationale Regierung, die sich an dem Kampf der internationalen Gemeinschaft gegen den illegalen Drogenhandel mit all seinen negativen Auswirkungen beteiligen will, sieht sich daher stets einer engen Verbindung innen- und außenpolitischer Fragestellungen gegenübergestellt sowie der Herausforderung, eine Vielzahl von möglichen Wechselwirkungen zwischen angewandter Bekämpfungsstrategie und Auswirkungen auf die ökonomische , soziale und ökologische Situation und auf das in der betroffenen Region herrschende Kräfteverhältnis zu reflektieren. - 23 - 5. Grafiken Grafik 1: Gründe für den Anbau von Mohn aus der Sicht afghanischer Bauern 2007 (n=724 Farmer von 1500 Dörfern) (Quelle: UNODC 2007b) Grafik 2: Gründe für den Verzicht auf den Anbau von Mohn aus der Sicht afghanischer Bauern 2007 (n=2,272 Farmer von 1500 Dörfern) (Quelle: UNODC 2007b) - 24 - Grafik 3: Kokaanbau in den Anden von 1980 bis 1998 (Quelle: Die Daten sind ein Produkt der International Narcotic Strategy Reports. Die Grafik stammt von der Internetseite (http://www.drcnet.org/wol/coca-growing.gif).) Grafik 4: Kokaanbau (in Hektar) in den Anden 1990 bis 2006 (Quelle: UNODC 2007a) - 25 - Grafik 5: Kokainproduktion (in Tonnen) in den Anden 1990- 2006 (Quelle: UNODC 2007) Grafik 6: Großhandelspreise für Kokain in Europa und den USA, 1990-2006 (US$/Gram) (Quelle: UNODC 2007a) - 26 - Grafik 7: Weltweiter Anbau von Schlafmohn (in Hektar) 1990-2000 (Quelle: UNODC 2007a) Grafik 8: Opiumanbau in Afghanistan (in Hektar) 1990-2006 (Quelle: UNODC 2007a) - 27 - Grafik 9: Verbreitung des Heroinkonsums an amerikanischen High-schools (12. Klasse) 1980-2005 (Quelle: UNODC 2007a) Grafik 10: Großhandelspreise für Heroin in Europa und den USA, 1990-2006 (US$/Gram) (Quelle: UNODC 2007a) - 28 - Grafik 11: Weltweiter illegaler Opiatkonsumtrend 1992-2005 (Quelle UNODC 2007a) Grafik 12: Weltweite Opiatbeschlagnahmungen (in Heroinäquivalenten) 1985-2005 (Quelle: UNODC 2007a) - 29 - Grafik 13: Weltweite Kokainbeschlagnahmungen 1985-2005 (Quelle: UNODC 2007a) - 30 - 6. Literatur Bundeskriminalamt (2006). 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