© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 154/19 Zur Rolle der Bundeswehr(Zentral)krankenhäuser im Rahmen der Re-Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung sowie zur Frage unter welchen Voraussetzungen die Bundeswehr im Bedarfsfall auf zivile Krankenhäuser zurückgreifen kann Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Allgemeine Vorbemerkung 4 1.2. Über den Auftrag des Sanitätsdienstes der Bundeswehr 5 1.3. Derzeitige Fähigkeiten im Vergleich zum „Kalten Krieg“ 5 2. Die Bundeswehr-Krankenhäuser 6 2.1. Struktur und Grundbetrieb 6 2.2. Übersicht der Bundeswehr-Einrichtungen 7 2.2.1 Bundeswehrkrankenhaus Berlin 7 2.2.2 Bundeswehrkrankenhaus Hamburg 7 2.2.3 Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz 7 2.2.4 Bundeswehrkrankenhaus Ulm 8 2.2.5 Bundeswehrkrankenhaus Westerstede 8 3. Herausforderungen im Zusammenhang mit der Re- Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung 9 4. Rechtlicher Rahmen für die Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr durch zivile Akteure im Krisen- und Konfliktfall 10 4.1. DRK-Gesetz 10 4.2. Öffentliche Krankenhäuser 11 4.3. Private Krankenhäuser 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 4 1. Einleitung 1.1. Allgemeine Vorbemerkung Der zentrale Sanitätsdienst der Bundeswehr (ZSanDstBw) ist einer der militärischen Organisationsbereiche der Bundeswehr. Die dem Bundesministerium der Verteidigung unmittelbar nachgeordnete höhere Kommandobehörde mit truppen-, fachdienstlicher und fachlicher Führungsverantwortung ist das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr (KdoSanDstBw) in Koblenz. Im November 2019 verfügt der Sanitätsdienst über knapp 20.000 Soldatinnen und Soldaten. Zum gleichen Zeitpunkt leisten rund 183.000 Soldatinnen und Soldaten ihren Dienst bei der Bundeswehr1. Der Sanitätsdienst betreibt in Deutschland fünf Krankenhäuser mit etwa 1.760 Betten. Laut dem Bundesamt für Statistik gibt es in Deutschland um die 1.900 Krankenhäuser mit insgesamt 497.000 Betten. Diese haben eine Auslastungsquote von knapp 78 Prozent, so dass knapp 110.000 Betten – rein rechnerisch – als Reserve verfügbar wären.2 Der Anteil der öffentlichen Einrichtungen ist seit Jahren beständig rückläufig, er ist von 44,6 Prozent (1992) auf 28,8 Prozent (2017) gesunken.3 Bei den Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft handelt es sich jedoch überwiegend um große Einrichtungen der Regel- und Maximalversorgung oder auch um die großen Universitätskliniken. Der Bettenanteil in öffentlicher Hand lag 2017 deshalb immer noch bei 48 Prozent.4 1 Wie groß ist die Bundeswehr, Stand November 2019, Bundeswehr, abgerufen am 15. Januar 2019 https://www.bundeswehr .de/de/ueber-die-bundeswehr/zahlen-daten-fakten/personalzahlen-bundeswehr 2 Krankenhäuser, Einrichtungen, Betten und Patientenbewegungen, Statistisches Bundesamt, abgerufen am 16. Januar 2019 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenhaeuser/Tabellen/gd-krankenhaeuser -jahre.html 3 Krankenhäuser und Betten nach Trägerschaft 1992 – 2017, Sozial Politik Aktuell, Institut Arbeit und Qualifikation an der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen (IAQ), 2017, abgerufen am 17. Januar 2020 http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung /PDF-Dateien/abbVI32b.pdf 4 Krankenhäuser und Betten nach Trägerschaft 1992 – 2017, Sozial Politik Aktuell, Institut Arbeit und Qualifikation an der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg-Essen (IAQ), 2017, abgerufen am 17. Januar 2020 http://www.sozialpolitik-aktuell.de/tl_files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Gesundheitswesen/Datensammlung /PDF-Dateien/abbVI32b.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 5 1.2. Über den Auftrag des Sanitätsdienstes der Bundeswehr Der Sanitätsdienst der Bundeswehr hat den Auftrag5 die sanitätsdienstliche Versorgung der deutschen Streitkräfte weltweit zu gewährleisten. Im Grundbetrieb stellt der Sanitätsdienst der Bundeswehr die gesundheitliche Versorgung und Begutachtung der Soldatinnen und Soldaten sowie aller ihm anvertrauten zivilen Patientinnen und Patienten nach den geltenden Standards und dem aktuellen Stand der Wissenschaft sicher. Im Falle von Großschäden und Katastrophen steht der Sanitätsdienst bereit den Betroffenen, mit allen zur Verfügung stehenden Kräften und Mitteln Hilfe zu leisten. 1.3. Derzeitige Fähigkeiten im Vergleich zum „Kalten Krieg“ Zurzeit des „Kalten Krieges“ stellten 13 Bundeswehrkrankenhäuser die flächendeckende klinische Versorgung als „Krankenhäuser der ersten Stunden“ sicher. Noch bis 1990 verfügte die Bundeswehr zudem planerisch über 126 Reservelazarettgruppen mit 126.000 Betten6. Heute verfügt der Sanitätsdienst über nur noch fünf Krankenhäuser mit ca. 1.760 Betten und ist darauf ausgerichtet, zweimal 10.000 Soldatinnen und Soldaten in zwei Einsatzgebieten in abgestufter Durchhaltefähigkeit zu unterstützen. 7 5 Auftrag und Selbstverständnis des Sanitätsdienstes, Bundeswehr, abgerufen am 15. Januar 2019 https://www.bundeswehr .de/de/organisation/sanitaetsdienst/auftrag-und-selbstverstaendnis 6 Die Rolle der Bw(Z)Krhs im Rahmen der Re-Fokussierung auf Landes-verteidigung / Bündnisverteidigung, E. Dybilasz, PH. Géronne, S. Fricke, Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2018, , abgerufen am 15. Januar 2019 https://wehrmed.de/article/3606-die-rolle-der-bw-z-krhs-im-rahmen-der-re-fokussierung-auf-landes-verteidigungbuendnisverteidigung .html 7 Die Rolle der Bw(Z)Krhs im Rahmen der Re-Fokussierung auf Landes-verteidigung / Bündnisverteidigung, E. Dybilasz, PH. Géronne, S. Fricke, Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2018 https://wehrmed.de/article/3606-dierolle -der-bw-z-krhs-im-rahmen-der-re-fokussierung-auf-landes-verteidigung-buendnisverteidigung.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 6 2. Die Bundeswehr-Krankenhäuser8 2.1. Struktur und Grundbetrieb Der Sanitätsdienst betreibt in Deutschland fünf Bundeswehrkrankenhäuser. Neben den Standorten in Koblenz, Ulm, Berlin und Hamburg gibt es in Westerstede ein Bundeswehrkrankenhaus in Kooperation mit der Ammerland-Klinik GmbH9. Die Bundeswehrkrankenhäuser sind als fester Bestandteil in die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung integriert. Nach dem sogenannten Landesbettenplan des jeweiligen Bundeslandes, stellen die Bundeswehrkrankenhäuser Behandlungs- und Pflegekapazitäten zur Verfügung. Notärzte und Notfallsanitäter des Sanitätsdienstes der Bundeswehr sind regional im Rettungsdienst tätig.10 Als Teil des weltweiten Rettungssystems des Sanitätsdienstes der Bundeswehr bilden die Bundeswehrkrankenhäuser nicht nur das fachliche und personelle Rückgrat aller Sanitätseinrichtungen in den Einsatzgebieten, sondern gewährleisten auch die abschließende medizinische Versorgung im Heimatland. Mit der Bereitstellung von diagnostischen und klinischen Leistungen tragen sie als Teil der unentgeltlichen truppenärztlichen Versorgung zur sanitätsdienstlichen Versorgung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr bei.11 8 Umgangssprachlich als „BWK“ bezeichnet. 9 Die Bundeswehrkrankenhäuser des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Bundeswehr, abgerufen am 15. Januar 2019 https://www.bundeswehr.de/de/organisation/sanitaetsdienst/kommando-und-organisation-sanitaetsdienst/bundeswehrkrankenhaeuser 10 Die Bundeswehrkrankenhäuser des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Bundeswehr, abgerufen am 15. Januar 2020 https://www.bundeswehr.de/de/organisation/sanitaetsdienst/kommando-und-organisation-sanitaetsdienst/bundeswehrkrankenhaeuser 11 Die Bundeswehrkrankenhäuser des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Bundeswehr, abgerufen am 15. Januar 2020 https://www.bundeswehr.de/de/organisation/sanitaetsdienst/kommando-und-organisation-sanitaetsdienst/bundeswehrkrankenhaeuser Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 7 2.2. Übersicht der Bundeswehr-Einrichtungen 2.2.1 Bundeswehrkrankenhaus Berlin Das Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Berlin12 13 ist fest in die stationäre und notfallmedizinische Versorgung Berlins integriert. Es ist darüber hinaus ein akademisches Lehrkrankenhaus der Charité. Das Krankenhaus hat 1.400 Mitarbeiter, wovon 320 Zivilisten sind. 400 dieser Mitarbeiter gehören zum ärztlichen Personal (Ärzte, Assistenzärzte, Psychologen, etc.). Jedes Jahr werden ca. 11.000 Patienten stationär behandelt (davon ca. 7.400 zivile Patienten); Dazu kamen 2018 etwa 101.000 Patienten zur ambulanten Behandlung in die Fachärztlichen Untersuchungsstellen. 190 der knapp 370 Krankenhausbetten sind vertraglich für zivile Patienten reserviert. Der Rettungsdienst hatte im Jahr 2018 knapp 15.000 RTW-Einsätze14 sowie etwa 5.700 NEF-Einsätze15 zu verzeichnen. 2.2.2 Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg16 verfügt über knapp 310 Betten. Dort werden jährlich etwa 11.000 Patientinnen und Patienten stationär sowie etwa 85.000 ambulant von etwa 1.300 Personen, davon 300 Ärztinnen und Ärzten, betreut. Das Bundeswehrkrankenhaus ist Bestandteil des Hamburgischen Krankenhausplans, so dass nicht nur Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte sondern auch Bürgerinnen und Bürger behandelt werden. 2.2.3 Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Das Bundeswehrzentralkrankenhaus (BwZKrhs) in Koblenz ist das älteste und größte Krankenhaus der Bundeswehr. Das Krankenhaus verfügt über ca. 500 Betten und beschäftigt knapp 1.500 militärische und zivile Mitarbeiter, wovon ca. 325 dem medizinischen Personal (Ärzte, Assis- 12 Gästeinformation, Bundeswehrkrankenhaus Berlin, abgerufen am 15. Januar 2020 https://berlin.bwkrankenhaus .de/fileadmin/user_upload/berlin/bilder/Abteilungen/Controlling/Brosch%C3%BCre_BwK_Berlin _G%C3%A4steinformation_3.pdf 13 Fakten und Zahlen, Bundeswehrkrankenhaus Berlin, abgerufen am 15. Januar 2020 https://berlin.bwkrankenhaus .de/startseite/ueber-uns/zahlen-und-fakten.html 14 Rettungswagen 15 Notarzteinsatzfahrzeug 16 Referenzbericht 2017, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, abgerufen am 17. Januar 2020 https://hamburg.bwkrankenhaus .de/fileadmin/user_upload/hamburg/Dokumente/2017_Qualit%C3%A4tsbericht.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 8 tenzärzte, Psychologen...) zuzuordnen sind. Auch dort werden sowohl zivile als auch militärische Patienten behandelt. Jährlich werden rund 16.000 Patienten stationär betreut und 80.000 ambulante Behandlungen durchgeführt17. Das Rettungszentrum betreibt – neben einigen Rettungsfahrzeugen – den Rettungshubschrauber (RTH) Christoph 23, einen Eurocopter (H)EC 135 P2+. Dieser wird im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit von Bundeswehr und ADAC betrieben und stellt die Notarztversorgung in einem Einsatzgebiet von 50 bis 70 km Luftlinie um Koblenz sicher. 2.2.4 Bundeswehrkrankenhaus Ulm Das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm ist ein Krankenhaus der Maximalversorgung mit Schwerpunkt traumatologische Notfallversorgung. Insgesamt verfügt die Klinik über ca. 445 Betten. Es ist im Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg mit ca. 325 Betten verankert, die für die stationäre Behandlung von zivilen Patienten zur Verfügung stehen. Patientinnen und Patienten werden von knapp 1.600 Mitarbeitern, davon 320 Ärztinnen und Ärzten, versorgt.18 19 Darüber hinaus ist der Rettungshubschrauber (RTH) Christoph 2220, ein MBB/KHI21 BK 117, im Rahmen der zivil-militärischen Zusammenarbeit von Bundeswehr und ADAC in Ulm stationiert und trägt zur Notarztversorgung der Bevölkerung bei. Es werden etwa 1.500 Einsätzen pro Jahr geflogen. Der Einsatzradius beträgt etwa 50 bis 80 km. 2.2.5 Bundeswehrkrankenhaus Westerstede Im Verbund mit der Ammerland-Klinik GmbH verkörpert das Bundeswehrkrankenhaus Westerstede seit 2008 die erste Zusammenarbeit zweier Krankenhäuser aus dem zivilen und militärischen Bereich in Deutschland. Das Bundeswehrkrankenhaus verfügt über 135 Betten und etwa 17 Über uns, Bundeswehrkrankenhaus Koblenz, abgerufen am 15. Januar 2020 https://koblenz.bwkrankenhaus .de/startseite/ueber-uns/zahlen-und-fakten.html 18 Referenzbericht 2016, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, abgerufen am 16. Januar 2020 https://ulm.bwkrankenhaus .de/fileadmin/user_upload/ulm/Referenzbericht_2016.pdf 19 Über uns, Bundeswehrkrankenhaus Koblenz, abgerufen am 15. Januar 2020 https://ulm.bwkrankenhaus.de/startseite /ueber-uns.html 20 Luftrettungsstation Christoph 22, Bundeswehrkrankenhaus Ulm, abgerufen am 16. Januar 2020 https://ulm.bwkrankenhaus .de/startseite/kliniken/anaesthesiologie-und-intensivmedizin/unsere-leistungen/zentrale-interdisziplinaerenotaufnahme /rettungsmittel/luftrettungsstation-christoph-22.html 21 Messerschmitt-Bölkow-Blohm / Kawasaki Heavy Industries Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 9 600 Mitarbeiter, davon ca. 90 Ärzte. Diese betreuen jährlich ca. 4.500 Patientinnen und Patienten stationär, sowie 56.000 Patientinnen und Patienten ambulant.22 23 3. Herausforderungen im Zusammenhang mit der Re-Fokussierung auf Landes- und Bündnisverteidigung In einem Artikel24 in der Fachzeitschrift Wehrmedizin und Wehrpharmazie von 2018 stellen die Autoren – unter anderem auf Berufung auf die im November 2016 eingerichtete Arbeitsgruppe „Re-Fokussierung SanDstBw25“ – folgende Herausforderungen fest: „Während in der Landesverteidigung auch Sicherstellungsgesetze zum Tragen kommen – Stichwort „DRK-Gesetz“ –, muss derzeit davon ausgegangen werden, dass beim Bündnisfall unterhalb der Schwelle der Landesverteidigung diese Maßnahmen nicht greifen und Grundbetriebsaufgaben auch in den Bundeswehrkrankenhäusern weitestgehend fortzusetzten sind (...). Um die mit der Re-Fokussierung des Sanitätsdienstes verbundenen Anforderungen an das künftige „System Bundeswehrkrankenhäuser“ zu identifizieren (…) laufen erste Untersuchungen. Fest steht bereits, dass die Bundeswehrkrankenhäuser nicht in der Lage sein werden, diese Herausforderung alleine zu bewältigen. Für die Spitzenlast der Patientenversorgung in der Bündnis- /Landesverteidigung [unter Umständen mehrere hundert Fälle pro Tag, Anm.d.R.] würden selbst 20 Krankenhäuser der Größe des Zentralkrankenhauses in Koblenz nicht ausreichen. Wenn zudem nicht davon ausgegangen werden kann, dass neue Bundeswehrkrankenhäuser gebaut werden , bleiben nur wenige Optionen: Kooperationsvereinbarungen, Sicherstellungsübereinkommen oder gar bi- und multinationale Abkommen und der Aufbau einer leistungsstarken Verteilorganisation . Sicher wird man auch „Reserve“ neu denken oder etwa das Thema „Gesamtverteidigung“ zeitnah angehen müssen. Auch den aktuellen Personalkörper unserer Bundeswehrkrankenhäuser könnte man unter dem Stichwort „resiliente Strukturen“ neu bewerten. Zudem bedürfen Fragen nach den Fähigkeiten zur Behandlung von Kampfstoffverletzten einer Antwort“. Weiter fragen die Autoren: „Ist es realistisch, dass sich die Bundeswehr über Erlasse oder Gesetze den regelhaften, prioritären Rückgriff auf zivile Ressourcen der klinischen Versorgung sichert?“ und beantworten die Frage, wie folgt: 22 Zahlen und Fakten, Bundeswehrkrankenhaus Westerstede, abgerufen am 16. Januar 2020 https://westerstede .bwkrankenhaus.de/startseite/qm/zahlen-und-fakten.html 23 Referenzbericht 2015, Bundeswehrkrankenhaus Westerstede, abgerufen am 16. Januar 2020 https://www.ktq.de/fileadmin/Q_Berichte/GeQB_143.pdf 24 Die Rolle der Bw(Z)Krhs im Rahmen der Re-Fokussierung auf Landes-verteidigung / Bündnisverteidigung, E. Dybilasz, PH. Géronne, S. Fricke, Wehrmedizin und Wehrpharmazie 4/2018 https://wehrmed.de/article/3606-dierolle -der-bw-z-krhs-im-rahmen-der-re-fokussierung-auf-landes-verteidigung-buendnisverteidigung.html 25 Sanitätsdienst der Bundeswehr. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 10 „Vermutlich kommen hier eher vertragliche Vereinbarungen über die Bereithaltung klinischer Ressourcen mit zivilen Krankenhausträgern, wie den Berufsgenossenschaften, in Deutschland zum Tragen, die mit Akutkliniken auf eine qualitativ hochwertige Behandlung von (Arbeits-)Unfällen spezialisiert sind und als Partner zur Sicherstellung der Traumaversorgung von Soldatinnen und Soldaten dienen könnten. Vielleicht könnte man ja sogar – wenn dies im Interesse des Bundes ist – die mit der Neuordnung der Krankenhauslandschaft freifallenden Bettenkapazitäten oder Infrastrukturen für Zwecke der LV/BV26 nutzen.“ Im Fazit befinden die Autoren, dass während die lange vernachlässigte Landes- und Bündnisverteidigung wieder in den Vordergrund rückt, der Sanitätsdienst weder personell noch materiell hinreichend aufgestellt ist. Sie empfehlen grundsätzlich, dass der Sanitätsdienst auf die gesamte Breite des Auftragsspektrums der Bundeswehr im In- und Ausland auszurichten sei. Dafür gelte es nicht nur die Ausbildung auf die Belange der LV/BV anzupassen, sondern auch Übungen und einsatzgleichen Verpflichtungen für die Weiterbildung von Fachpersonal – besonders hinsichtlich der Interoperabilität mit internationalen und zivilen Partnern – zu nutzen. Auch die Infrastruktur der Häuser sei zukunftsweisend auszurichten. Dies betreffe bauliche Erfordernisse, wie etwa zur Absicherung, für Reservekapazitäten oder besondere Patientenlagen bei ABC-Ereignissen. Darüber hinaus müsse die IT-Infrastruktur und die Digitalisierung zielführend implementiert werden, um sich gegen Cyber-Attacken zu wappnen bzw. eine größere Anzahl an Verwundeten und deren bruchfreie medizinische Dokumentation bewältigen zu können, so die Autoren weiter. Letztlich befinden sie, dass die glaubhafte Vorsorge und – schlimmstenfalls – die wirksame Wahrnehmung der komplexen, bereichsübergreifenden Aufgaben der Gesundheitsversorgung bei der Landes- und Bündnisverteidigung nach einer geeigneten Führungsorganisation verlange. Die Autoren kommen letztendlich zum Schluss, dass „sich nur ein europaweit harmonisierter und koordinierter Sanitätsdienst den möglichen, kommenden Herausforderungen erfolgreich wird stellen können“. 4. Rechtlicher Rahmen für die Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr durch zivile Akteure im Krisen- und Konfliktfall 4.1. DRK-Gesetz Mit dem Gesetz über das Deutsche Rote Kreuz und andere freiwillige Hilfsgesellschaften im Sinne der Genfer Rotkreuz-Abkommen (kurz: DRK-Gesetz bzw. DRKG) vom 5. Dezember 2008 wurde dem DRK Aufgaben übertragen, die der Bundesrepublik Deutschland als Vertragsstaat aus den Genfer Abkommen erwachsen. Aufgabe des DRK ist somit die Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Falle eines bewaffneten Konflikts. Das Gesetz sieht folgende Verfahrensweise vor: 26 Landesverteidigung / Bündnisverteidigung. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 11 § 2 Aufgaben (1) Das Deutsche Rote Kreuz e. V. nimmt als freiwillige Hilfsgesellschaft die Aufgaben wahr, die sich aus den Genfer Rotkreuz-Abkommen von 1949 und ihren Zusatzprotokollen ergeben, insbesondere 1. die Unterstützung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr im Sinne des Artikels 26 des I. Genfer Abkommens einschließlich des Einsatzes von Lazarettschiffen gemäß Artikel 24 des II. Genfer Abkommens (…) (2) Für die Aufgaben nach Absatz 1 Nr. 3 erhält das Deutsche Rote Kreuz e. V. im Rahmen der im Bundeshaushaltsplan jeweils zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel Zuwendungen gemäß § 44 der Bundeshaushaltsordnung und den dazu erlassenen Verwaltungsvorschriften und Nebenbestimmungen . 4.2. Öffentliche Krankenhäuser Das Grundgesetz regelt in seinem Art. 35 (1) die Amtshilfe, wie folgt: (1) Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe. Im Geltungsbereich des Grundgesetzes ist es also möglich für die Bundeswehr beim Eintreten des Krisen- oder Kriegsfalls auf öffentliche Krankenhäuser und deren Personal zurückzugreifen . Zu den Behörden der Länder (n. Art. 35 (1) GG) rechnen auch die der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts.27 Privatrechtlich organisierte Verwaltungseinheiten, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen, sind wegen der diesbezüglichen Formenwahlmöglichkeit des Staates und dem gleichbleibenden sachlichen Bedürfnis für die Rechts- und Amtshilfe einzubeziehen (Jarass/Pieroth, 2014) 28. 4.3. Private Krankenhäuser Private Krankenhäuser sind von der Amtshilfe ausgenommen. Es ist nicht bekannt, dass Rahmenverträge zur Behandlung von Soldatinnen und Soldaten im Konfliktfall zwischen der Bundeswehr und privaten Krankenhäusern schon abgeschlossen worden wären. 27 Hans D. Jarass & Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art 35 GG, Rz. 3, 13. Auflage, C.H. Beck, 2014. 28 Hans D. Jarass & Bodo Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, Art 35 GG, Rz. 3, 13. Auflage, C.H. Beck, 2014. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 – 154/19 Seite 12 Dennoch existiert in Deutschland eine de facto Behandlungspflicht auch für private Krankenhäuser , denn § 323c StGB bestraft die unterlassene Hilfeleistung: (1) Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik hätten folglich selbst private Krankenhäuser beim Eintreten des Krisen- oder Kriegsfalls die gesetzliche Pflicht behandlungsbedürftige Soldatinnen und Soldaten zu versorgen. Allerdings hätten Soldatinnen und Soldaten gegenüber anderen Bedürftigen keinen Anspruch auf prioritäre Behandlung. ***