© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 152/15 Völkerrechtliche Bewertung der Intervention Saudi-Arabiens im Jemen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 152/15 Seite 2 Völkerrechtliche Bewertung der Intervention Saudi-Arabiens im Jemen Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 152/15 Abschluss der Arbeit: 29. September 2015 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 152/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Hintergründe der Intervention 4 2. Völkerrechtliche Bewertung 5 2.1. Ius ad bellum 5 2.2. Ius in bello 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 152/15 Seite 4 1. Hintergründe der Intervention Seit Ende März 2015 interveniert eine von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz im Jemen, der neben Saudi-Arabien noch weitere Golfstaaten u.a. Staaten der Arabischen Liga angehören. Die Operation wird von NATO-Staaten (USA u.a.) logistisch unterstützt. Als offizielles Ziel der Militäroperation soll der Jemen stabilisiert und die Übernahme des Staates durch die Houthi- Rebellen verhindert werden. Die Militärallianz greift in innerjemenitische Kämpfe aufseiten des jemenitischen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi ein, der von Teilen der jemenitischen Armee sowie von sunnitischen Stammesmilizen unterstützt wird. Gegner der internationalen Militärallianz sind schiitische Houthi-Rebellen, die ihrerseits von Stammesmilizen unterstützt werden. Die Houthi-Rebellen hatten die Hauptstadt Sanaa im Sommer 2014 eingenommen und die Zentralregierung unter Präsident Hadi abgesetzt. Die Rebellen kontrollieren inzwischen weite Teile des Nordjemens sowie Teile des Zentral- und Südjemens.1 Hadi war Anfang Februar 2015 von Sanaa in die südjemenitische Hafenstadt Aden geflohen, hatte seinen zunächst erklärten Rücktritt widerrufen und Aden zur neuen Hauptstadt des Jemen ausgerufen. Nachdem Aden von den Houthi-Rebellen eingenommen wurde, setzte sich Präsident Hadi nach Riad (Saudi-Arabien) ab.2 Die Rebellen üben in der Hauptstadt Sanaa faktisch die Herrschaftsgewalt aus, sind aber international nicht als legitime Regierung des Jemens anerkannt . Hadi ist damit (legitimer) Exil-Präsident. 1 Näher zum Jemen-Konflikt: Mareike Transfeld, Gescheiterte Transformation im Jemen. Der gewaltsame Vorstoß der Houthi-Bewegung und die Fragmentierung des Staates, SWP-Aktuell 2015/A 08, Februar 2015, verfügbar unter: http://www.swp-berlin.org/publikationen/swp-aktuell-de/swp-aktuelldetail /article/jemen_transformation_gescheitert.html, sowie Interview im Deutschlandfunk v. 7.4.2015 mit Guido Steinberg: Konflikt droht religiöse Dimension zu bekommen, http://www.deutschlandfunk.de/schwere-kaempfe-im-jemen-konflikt-drohtreligioese .694.de.html?dram:article_id=316310. 2 N-tv vom 26.3.2015, "Unter saudischem Schutz. Hadi flieht aus dem Jemen“, verfügbar unter http://www.ntv .de/politik/Hadi-flieht-aus-dem-Jemen-article14788871.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 152/15 Seite 5 2. Völkerrechtliche Bewertung 2.1. Ius ad bellum Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat deutlich gemacht, dass die Vornahme bewaffneter Handlungen auf fremdem Staatsgebiet keine (verbotene) Gewaltanwendung darstellt, wenn und soweit sie von der Zustimmung der betroffenen Regierung getragen ist (Intervention auf Einladung). 3 Eine solche Einladung und damit die Zustimmung der (international anerkannten) jemenitischen (Exil-)Regierung liegt vor: Nachdem Exil-Präsident Hadi am 24. März 2015 zunächst dem VN-Sicherheitsrat einen Brief übermittelt hatte, in dem er für eine Autorisierung einer VN- Intervention warb, teilte Hadi mit, er habe außerdem Mitglieder des Golfkooperationsrates und die Arabische Liga gebeten, umgehend „alle nötigen Schritte zum Schutz des jemenitischen Volkes vor der anhaltenden Houthi-Aggression“ zu ergreifen.4 Einer völkerrechtlichen Legitimation des Militäreinsatzes durch den VN-Sicherheitsrat nach Kapitel VII der VN-Charta bedarf es folglich nicht. Gleichwohl hat sich der VN-Sicherheitsrat des Konflikts im Jemen angenommen und mit der Resolution 2216 (2015) vom 14. April 2015 (vgl. Anlage)5 ein Waffenembargo gegen die Houthi- Rebellen im Jemen verhängt. Die Sicherheitsratsresolution sieht zudem Strafmaßnahmen gegen den Rebellenchef Abdul-Malik al-Houthi und den ältesten Sohn des mit den Aufständischen verbündeten ehemaligen jemenitischen Präsidenten Ali Abdullah Salih vor. Beide sollen einem Reiseverbot unterliegen und ihre Vermögen eingefroren werden. Der VN-Sicherheitsrat fordert die schiitischen Aufständischen zum Rückzug aus den von ihnen besetzten Gebieten auf und ermahnt zugleich die Konfliktparteien, die Friedensgespräche wieder aufzunehmen. 3 IGH-Urteil Armed Activities on the Territory of the Congo v. 19.12.2005, ICJ-Report 2005, S. 189 f. Zur Intervention auf Einladung vgl. näher Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 52, Rdnr. 41 ff. 4 Vgl. die Berichte auf ZEIT online v. 23.3.2015 („Jemens Präsident bittet um Militärhilfe“), http://www.zeit.de/politik/ausland/2015-03/jemen-hadi-saudi-arabien-intervention. Welt online v. 25.3.2015, http://www.welt.de/politik/ausland/article138754750/Praesident-Hadi-flieht-vor-Huthi-Rebellen-aus- Aden.html. Tagesschau v. 29.3.2015, „Arabische Liga beschließt Eingreiftruppe“, http://www.tagesschau.de/ausland/jemen-267.html sowie FAZ net v. 29.3.2015, http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/buergerkrieg-im-jemen-arabische-liga-beschliesst-gemeinsameeingreiftruppe -13512189.html. 5 http://www.un.org/en/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/RES/2216(2015). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 152/15 Seite 6 2.2. Ius in bello Für den inner-jemenitischen (als einem nicht-internationalen bewaffneten) Konflikt gelten grundsätzlich die humanitär-völkerrechtlichen Regeln des internen Konflikts (also der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen sowie das 2. Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen). Infolge der Intervention Saudi-Arabiens u.a. auswärtiger Staaten (= internationale Militärallianz) in diesen Konflikt aufseiten der (international anerkannten) jemenitischen (Exil-)Regierung wird der interne (nicht-internationale) Konflikt („Bürgerkrieg“) im Jemen gewissermaßen „internationalisiert “. Es handelt sich nun um einen internationalisierten nicht-internationalen bewaffneten Konflikt.6 Solche internationalisierten Bürgerkriege werfen Fragen nach der Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts auf. So ist nicht vollständig geklärt, ob für den aufseiten der legitimierten Regierung intervenierenden Drittstaat im Verhältnis zu den aufständischen Rebellen (nur) die Regeln des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts (2. Zusatzprotokoll) oder des internationalen bewaffneten Konflikts (Genfer Konventionen und 1. Zusatzprotokoll) zur Anwendung kommen sollen.7 Die Frage entschärft sich dadurch, dass rudimentäre Postulate des humanitären Völkerrechts (insb. Schutz der Zivilbevölkerung) sowohl im internationalen als auch im nichtinternationalen Konflikt gelten. Diese Postulate scheinen in dem Konflikt offenbar massiv verletzt worden zu sein. So kritisierten die VN die im Frühjahr 2015 geführten Luftangriffe der von Saudi-Arabien angeführten Militärallianz scharf als völkerrechtswidrig. Auch VN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte am 30. April 2015 Angriffe, die auch Zivilisten und die „zivile Infrastruktur“ nicht aussparten, darunter Depots von Hilfsorganisationen und VN-Einrichtungen, als „inakzeptabel“ und das humanitäre Völkerrecht verletztend.8 Ende der Bearbeitung 6 Vgl. zum Begriff Gasser, Hans-Peter, Einführung in das humanitäre Völkerrecht, Bern u.a. 1995, S. 90. 7 Differenzierend Gasser, ebenda, S. 90. 8 „UN-Chef Ban besorgt über anhaltende Kämpfe im Jemen“, in: FAZ net vom 1.5.2015, http://www.faz.net/agenturmeldungen/dpa/un-chef-ban-besorgt-ueber-anhaltende-kaempfe-im-jemen- 13568998.html.