© 2015 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 148/15 Kapazitätsgrenzen beim Grundrecht auf Asyl Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 2 Kapazitätsgrenzen beim Grundrecht auf Asyl Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 148/15 Abschluss der Arbeit: 29. September 2015 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Grundrechtsschranken im Lichte der Entwicklung des Asylgrundrechts 4 2. Begrenzung des Asylrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit 5 3. Verfassungsimmanente Kapazitätsschranken 6 4. Abwehr- oder Leistungsrecht ? 6 5. Notstandsähnliche Extremsituationen 7 6. Rechtliche Handlungsspielräume für den Gesetzgeber 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 4 Das Statement von Bundeskanzlerin Merkel, wonach das Grundrecht auf Asyl „keine Obergrenze “ kenne,1 hat im politischen Raum die Frage nach möglichen Kapazitätsschranken des Asylrechts aufgeworfen. Eine rechtwissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema ist aber – von vereinzelten Stimmen abgesehen2 – bislang nicht in Gang gekommen. Neuere rechtswissenschaftliche Beiträge vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse gibt es (soweit ersichtlich) nicht.3 1. Grundrechtsschranken im Lichte der Entwicklung des Asylgrundrechts Ausgangspunkt der – bislang weitgehend rechtsdogmatisch gebliebenen – Diskussion über die Grenzen des Asylrechts ist die Feststellung, dass jede Verfassungsauslegung nicht ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Verhältnisse und Folgen einer bestimmten Auslegung vorgenommen werden könne.4 Die Frage nach den (Kapazitäts-)Grenzen des Asylrechts wirft dabei zunächst einmal grundrechtsdogmatische Probleme hinsichtlich der Grundrechtsschranken (und damit nach der verfassungsrechtlich zulässigen Beschränkbarkeit) des Asylrechts auf. Zu berücksichtigen ist dabei die Entwicklung des Asylgrundrechts, welches in Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG alte Fassung (a.F.) zunächst ohne Gesetzesvorbehalt, d.h. einschränkungslos gewährleistet war und erst durch die Asylrechtsneuregelung im Jahre 1993 in den Absätzen 2 bis 5 des Art. 16a GG gewisse Begrenzungen erfahren hat. Im Vorfeld der Asylrechtsneuregelung hatte sich die rechtswissenschaftliche Literatur zum Teil recht eingehend mit den möglichen Grenzen des Asylgrundrechts aus Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a.F. befasst;5 allerdings ist die Diskussion in den Jahren nach der Neuregelung und des daraus resultierenden deutlichen Rückgangs der Asylbewerberzahlen weitgehend verstummt. 1 http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/merkel-grundrecht-auf-asyl-kennt-keine-obergrenze- 13797029.html. 2 So etwa das Interview von dem Strafrechtler Reinhard Merkel im Deutschlandfunk unter http://www.podcast.de/episode/276707082/Interview+mit+Reinhard+Merkel,+Rechtswissenschaftler/ sowie ders., in: FAZ v. 22.9.2015, S. 9 („Das Leben der anderen – armselig und kurz“). 3 Eine aktuelle GG-Kommentierung führt aus: „Angesichts seit Jahren sinkender Asylbewerberzahlen dürfte sich die Frage nach einem dem Grundgesetz immanenten Kapazitätsvorbehalt praktisch erledigt haben“ (v. Arnauld, in: Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, München: Beck, 6. Aufl. 2012, Art. 16a, Rdnr. 33). 4 Hailbronner, Ausländerrecht. Kommentar, Losebl. (32. Erg.-Lfg. Mai 2003), Ordner 3, B 1, Art. 16a, Rdnr. 43. 5 Vgl. Schwartz, Roland, Wirtschaftliche Grenzen und Schranken des Asylgrundrechts, Münster: LIT-Verlag 1992, S. 167 ff.; grundlegend dazu auch Gusy, Christoph, Grenzen des Asylrechts, in: Beitz/Wollenschläger (Hrsg.), in: Handbuch des Asylrechts, Bd. I, Baden-Baden: Nomos 1981, S. 251-307. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 5 Einigkeit bestand jedoch darüber, dass das Asylgrundrecht in seiner alten Fassung (Art. 16 Abs. 2 S. 2 GG a.F.), auch wenn es schrankenlos formuliert war, jedenfalls nicht grenzenlos gewährleistet werden könne, sondern vielmehr sog. „verfassungsimmanenten Schranken“ unterliegt.6 In der Folge ergab sich die Frage, ob die Neufassung des Asylrechts und seiner Grundrechtsbegrenzungen (Art. 16a GG Absätze 2 bis 5) die verfassungsimmanenten Schranken des Grundrechts hat obsolet werden lassen.7 Nach überwiegender Auffassung in der Literatur sollte mit den Abs. 2 bis 5 des neuen Art. 16a GG jedoch kein abschließendes Begrenzungsregime für das Asylrecht geschaffen werden, so dass (mögliche) verfassungsimmanente Grundrechtsbegrenzungen auch nach der Neufassung des Asylgrundrechts ihre Bedeutung beibehalten.8 2. Begrenzung des Asylrechts aus Gründen der öffentlichen Sicherheit Begrenzungen des Asylrechts wurde vor allem mit Blick auf die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik (u.a. Terrorismus) diskutiert. Dieser Ausnahmetatbestand findet Anklang in der Genfer Flüchtlingskonvention9 sowie im EU-Recht.10 So hatte das BVerwG schon früher eine „Opfergrenze “ beim Asylrecht im Hinblick auf Sicherheitsinteressen des Staates und seiner Bevölkerung postuliert, vor denen das Asylrecht nach Maßgabe der Gesamtumstände zurückzutreten habe .11 6 Becker, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, München: Vahlen, 6. Aufl. 2010, Art. 16a, Rdnr. 145; Gusy, Christoph, Grenzen des Asylrechts, in: Beitz/Wollenschläger (Hrsg.), in: Handbuch des Asylrechts, Bd. I, Baden-Baden: Nomos 1981, S. 279 ff. Verfassungsimmanente Schranken ergeben sich aus den mit Verfassungsrang ausgestattete Rechtspositionen. 7 Zum Teil wird bezweifelt, ob es sich bei den Abs. 2-4 überhaupt um Grundrechtsschranken im rechtstechnischen Sinne handelt (so Sachs, in: Stern, Staatsrecht Bd. IV/1, München: Beck 2006, S. 848). 8 Randelzhofer, in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz - Kommentar, München: Beck, Losebl., 49. Lfg. (Stand: März 2007), Art. 16a, Rdnr. 129 mit der Begründung, dass sich die Abs. 2-5 des Art. 16a GG nicht mit dem Status des Asylberechtigten, sondern dem Status des Asylbewerbers befassen würden; Randelzhofer, in: Isensee /Kirchhof, HBdStR Bd. VII, Heidelberg: Müller, 3. Aufl. 2009, § 153, Rdnr. 62; ebenso Sachs, in: Stern, Staatsrecht Bd. IV/1, München: Beck 2006, S. 848. 9 Vgl. Art. 1 F und Art. 32 Abs. 1 GFK. 10 Vgl. RL 2011/95/EU des EP und des Rates v. 13.12.2011. § 4 AsylVerfG, der die europäische Rechtslage umsetzt, lautet: Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder eine schwere Straftat begangen hat (…) oder eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt. 11 BVerwGE 49, 202 (209). Diese Rechtsprechung hat das Gericht trotz erheblicher Kritik in der Literatur (vgl. etwa Schweitzer, DVBl. 1976, 502; Schnapp, NJW 1976, 493; Huber, NJW 1977, 1557, 1561 f.; Kimminich, JZ 1976, 61) im Jahre 1999 ausdrücklich wieder bestätigt (BVerwGE 109, 1 (3 ff.)). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 6 3. Verfassungsimmanente Kapazitätsschranken Im Zuge der aktuellen Entwicklungen in diesem Sommer ist die Frage nach einem allgemeinen (wirtschaftlichen) „Kapazitätsvorbehalt“ des Asylrechts aufgeworfen worden. Eine solche verfassungsimmanente „Kapazitätsschranke“ ist in der Kommentarliteratur in Ansätzen diskutiert worden. Nach Auffassung einiger Kommentatoren finde eine solche Schranke sogar einen mittelbaren Anklang in den Absätzen 2 und 3 des Art. 16a GG, da hinter der Dritt- und Herkunftsstaatenregelung des Grundgesetzes vor allem das Bedürfnis stehe, das deutsche Asylverfahren zu entlasten.12 In der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 ist ein solcher Kapazitätsvorbehalt nicht enthalten. Umstritten ist in diesem Zusammenhang, ob die Inanspruchnahme des Asylgrundrechts unter dem grundsätzlichen Vorbehalt der sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten des aufnehmenden Staates steht. Dies wird von Vertretern des „konservativen Lagers“ in der Rechtswissenschaft zum Teil auch so gesehen.13 So räumte der renommierte Völkerrechtler Lauterpacht schon 1950 ein, dass die Aufnahme von Flüchtlingen „nur innerhalb der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Zufluchtsstaates“ erfolgen könne.14 Andere Teile der Literatur treten der Annahme einer „diffusen Opfergrenze als immanente Begrenzung des asylrechtlichen Schutzbereichs“ entgegen15 und vertreten die Auffassung, das Asylrecht sei nicht nur nach Maßgabe verfügbarer Haushaltsmittel, sondern als strikt zu beachtendes Abwehrrecht garantiert.16 4. Abwehr- oder Leistungsrecht ? Der Streit dreht sich im Kern darum, inwieweit es sich beim Asylgrundrecht um ein Abwehrrecht oder um ein Leistungsgrundrecht (wirtschaftliches bzw. soziales Recht) handelt.17 12 Randelshofer, in: Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz - Kommentar, München: Beck, Losebl., 49. Lfg. (Stand: März 2007), Art. 16a, Rdnr. 131. 13 So Hailbronner, Ausländerrecht. Kommentar, Losebl. (32. Erg.-Lfg. Mai 2003), Ordner 3, B 1 , Art. 16a, Rdnr. 43 m.w.N.; ebenso Randelzhofer, in: Isensee/Kirchhof, HBdStR Bd. VII, Heidelberg: Müller, 3. Aufl. 2009, § 153, Rdnr. 62. 14 Lauterpacht, Hersch, International Law and Human Rights, London 1950, S. 345. 15 So v. Arnauld, in: Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, München: Beck, 6. Aufl. 2012, Art. 16a, Rdnr. 32. 16 Sachs, in: Stern, Staatsrecht Bd. IV/1, München: Beck 2006, S. 848. 17 Vgl. allgemein zu den Leistungsgrundrechten Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, München: Beck, 6. Aufl. 2011, vor Art. 1, Rdnr. 46 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 7 Während Inhalt und Reichweite eines klassischen Leistungsgrundrechts (etwa das grundrechtliche Existenzminimum, das Recht auf Arbeit, auf Wohnung etc.) durch den Gesetzgeber konkretisiert werden müssen, um dieses Recht überhaupt justitiabel zu machen, folgt die Grundrechtsberechtigung beim klassische Abwehrrecht (z.B. Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Demonstrationsfreiheit usw.) unmittelbar aus dem „Status“ des Grundrechtsinhabers (als Mensch oder Staatsbürger). Zwar ergibt sich ein positiver (leistungsrechtlicher) Gehalt des Asylgrundrechts Art. 16a GG daraus , dass politisch Verfolgten durch den mit der Schutzgewährung verbundenen Aufenthaltstitel Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) gewährt werden. Doch handelt es sich bei diesen Leistungen lediglich um finanzielle Folgelasten der Inanspruchnahme des Grundrechts, d.h. um eine Ausgestaltung der aus dem grundrechtlichen Asylbewerberstatus18 folgenden Rechtsstellung.19 Diese Unterscheidung wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass auch die (massenhafte ) grundrechtliche Inanspruchnahme von klassischen Abwehrrechten (z.B. das Demonstrations- oder Streikrecht) finanzielle Belastungen für den Staat (Polizeieinsätze, Absperrungen, Steuereinbußen etc.) nach sich ziehen kann – gleichwohl lässt sich etwa das Demonstrationsrecht nicht schon aufgrund seiner massenhaften Inanspruchnahme und mit Blick auf die finanziellen Folgelasten, sondern nur aus Sicherheitsgründen einschränken . Aus der grundrechtsdogmatischen Einordnung des Asylrechts als Abwehrrecht ergibt sich nach (derzeit) herrschender Auffassung, dass das Asylrecht keinem „staatlich-fiskalischen Leistungsfähigkeitsvorbehalt “ unterliegt.20 5. Notstandsähnliche Extremsituationen Diese Aussage bezieht sich freilich auf den „normalen Geschäftsgang“. Dies schließt indes nicht aus, dass eine verfassungsimmanente Kapazitätsgrenze des Asylrechts in einer „notstandsähnlichen Extremsituation“ durchaus aufleben könnte.21 18 Dieser Asylbewerberstatus folgt aus der „politischen Verfolgung“ des Prätendenten. 19 So im Erg. Becker, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, München: Vahlen, 6. Aufl. 2010, Art. 16a, Rdnr. 146. Zum abwehrrechtlichen Gehalt des Asylgrundrechts vgl. ebenda, Art. 16a, Rdnr. 119. 20 Vgl. etwa v. Arnauld, in: Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, München: Beck, 6. Aufl. 2012, Art. 16a, Rdnr. 33; Becker, in: Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 1, München: Vahlen, 6. Aufl. 2010, Art. 16a, Rdnr. 146; Masing, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Bd. 1, 3. Aufl. 2013, Art. 16a, Rdnr. 100. 21 v. Arnauld, in: Münch/Kunig (Hrsg.), GG-Kommentar, München: Beck, 6. Aufl. 2012, Art. 16a, Rdnr. 33. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 8 Wann eine solche Notstandssituation im Bereich des Asylrechts erreicht sein soll, lässt sich quantitativ-numerisch kaum bestimmen und ist in der Fachliteratur zu recht weitgehend offen geblieben. Vereinzelt finden sich in der Literatur Ansätze, die Schranken des Asylrechts etwa durch eine Kennzahl zu definieren, die eine nicht zu überschreitende Einwohnerzahl pro Flächeninhalt festschreibt oder sich am Bruttosozialprodukt orientiert,22 doch lassen solche Konkretisierungen – abgesehen von der praktischen Umsetzbarkeit – den Notstandscharakter nicht hinreichend deutlich werden. Inwieweit die verfassungsrechtlichen Notstandstatbestände (z.B. Art. 87a Abs. 4 GG oder Art. 91 GG: Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung) oder haushaltsrechtliche Tatbestände wie die Haushaltsnotlage (Art. 109a Abs. 1 Nr. 2 GG)23 im asylrechtlichen Zusammenhang relevant werden können, bedürfte einer weiteren Untersuchung. 6. Rechtliche Handlungsspielräume für den Gesetzgeber Für den Gesetzgeber ergeben sich derweil folgende rechtliche Handlungsspielräume: Der einfache Gesetzgeber könnte zwar (rechtlich gesehen) die Leistungen nach dem AsylbLG (bis zu einer bestimmten, im Existenzminimum wurzelnden „Untermaßgrenze“) beschneiden, jedoch nicht die grundrechtliche Asylberechtigung „politisch Verfolgter“ (also den Grundrechtsstatus als solchen) unter einen – wie auch immer gearteten – Kapazitäts- oder Haushaltsvorbehalt stellen . Einer (echten oder vermeintlichen) wirtschaftlichen oder finanziellen Überbelastung Deutschlands durch Asylbewerber könnte jedoch der verfassungsändernde Gesetzgeber im Wege der Verfassungsänderung entgegentreten.24 Das Asylrecht ist nämlich weder insgesamt noch bezüglich seines personellen und sachlichen Anwendungsbereichs einer Weiterentwicklung oder grundlegenden Neustrukturierung durch Verfassungsänderung entzogen.25 22 So Schwartz, Roland, Wirtschaftliche Grenzen und Schranken des Asylgrundrechts, Münster: LIT-Verlag 1992, S. 196. 23 Vgl. zur extremen Haushaltsnotlage BVerfGE 116, 327 (387 ff.) – Berliner Haushaltslage. 24 So Sachs, in: Stern, Staatsrecht Bd. IV/1, München: Beck 2006, S. 848. 25 Näher zu den Handlungsspielräumen Hailbronner, Ausländerrecht. Kommentar, Losebl. (32. Erg.-Lfg. Mai 2003), Ordner 3, B 1, Art. 16a, Rdnr. 7 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 148/15 Seite 9 Gleichwohl stellt sich im Zusammenhang mit einer Belastungsobergrenze (Kapazitätsvorbehalt) für die Inanspruchnahme des Asylgrundrechts die schwierige Frage dessen verfassungsrechtlicher Konkretisierung. Art. 19 Abs. 2 GG fordert in diesem Zusammenhang, dass „in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet“ werden dürfe (Wesensgehaltsgarantie). Belastungsobergrenzen führen jedoch zwangsläufig zu einer (vorübergehenden) faktischen Aussetzung des Grundrechts. Eine sowohl menschenrechts- als auch sozial verträgliche Auflösung dieses Spannungsfeldes ist derzeit noch nicht in Sicht. Ende der Bearbeitung