Deutscher Bundestag Zum Rechtsrahmen des humanitären Völkerrechts in ausgewählten Bereichen Aufständische, Terroristen und Angehörige privater Militärunternehmen und Sicherheitsdienste als Teilnehmer an einem bewaffneten Konflikt Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 2 – 3000 – 147/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 2 Zum Rechtsrahmen des humanitären Völkerrechts in ausgewählten Bereichen Aufständische, Terroristen und Angehörige privater Militärunternehmen und Sicherheitsdienste als Teilnehmer an einem bewaffneten Konflikt Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 – 3000 – 147/10 Abschluss der Arbeit: 22. November 2010 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zulässigkeit des Einsatzes militärischer Gewalt in bewaffneten Konflikten 4 2.1. Konflikttypen und die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts 4 2.2. Internationale bewaffnete Konflikte 6 2.3. Nicht-internationale bewaffnete Konflikte 8 2.3.1. Allgemeines 8 2.3.2. Zum Begriff der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten 8 2.3.3. Schädigungshandlungen gegen Personen mit ständigem Kampfauftrag 9 2.3.4. Kritik an der Argumentationsfigur des ständigen Kampfauftrags 10 3. Gezielte Tötungen („targeted killings“) insbesondere von Terroristen 11 4. Humanitäres Völkerrecht und Private Militär- und Sicherheitsfirmen 13 4.1. Völkerrechtliche Einordnung 14 4.1.1. Mitarbeiter privater Militärfirmen als Kombattanten? 14 4.1.2. Mitarbeiter privater Militärfirmen als Zivilpersonen? 15 4.1.3. Sind Mitarbeiter einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma Söldner? 15 4.2. Verantwortlichkeit der Staaten für Handeln privater Militär- und Sicherheitsfirmen 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 4 1. Einleitung Militärische Gewalt wird in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt, in denen auch jeweils unterschiedliche Rechtsregime Anwendung finden. Bei der Bestimmung des rechtlichen Rahmens ist insbesondere von Bedeutung, ob die Schwelle zum bewaffneten Konflikt überschritten worden ist und daher die Regeln des humanitären Völkerrechts Anwendung finden. Diese Regeln begrenzen den Einsatz von Zwangsmitteln selbst in Zeiten bewaffneter Konflikte, in denen die menschenrechtlichen Gewährleistungen teilweise weitgehend eingeschränkt werden können.1 Daher wird zunächst dargestellt, welche Regelungen insoweit in unterschiedlichen Typen bewaffneter Konflikte gelten (unter 2.). Außerhalb eines bewaffneten Konflikts wird der Einsatz militärischer Gewalt durch die Menschenrechte demgegenüber stärker begrenzt. Bedeutung entfaltet dies unter anderem für die rechtliche Beurteilung sogenannter „gezielter Tötungen“, die von manchen Staaten im Zuge der Terrorismusbekämpfung durchgeführt werden (dazu unter 3.). Insofern wird für die Zwecke dieser Arbeit als Terrorismus primär der organisierte kriminelle Einsatz von Waffengewalt außerhalb eines bewaffneten Konflikts bezeichnet. Diese begriffliche Begrenzung soll die Abgrenzung zwischen den Konfliktkontexten erleichtern und so der Klarheit der Darstellung dienen. Dies verkennt jedoch nicht, dass terroristische Gruppen auch im Rahmen bewaffneter Konflikte aktiv sein können bzw. sich aufständische Gruppen terroristischer Methoden bedienen können, wenn darunter völkerrechtswidrige Angriffe zum Beispiel auf die Zivilbevölkerung verstanden werden. Auf sich hieraus ergebene rechtliche Fragen wird hingewiesen, soweit dies im Einzelfall erforderlich erscheint. Besondere Aufmerksamkeit in der politischen und völkerrechtlichen Diskussion hat in letzter Zeit weiterhin die Frage nach dem rechtlichen Rahmen des Handelns privater Militär- und Sicherheitsfirmen erhalten (dazu unter 4.). 2. Zulässigkeit des Einsatzes militärischer Gewalt in bewaffneten Konflikten 2.1. Konflikttypen und die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts Mit Blick auf bewaffnete Konflikte unterscheidet das Völkerrecht traditionell zwei Kategorien. Die erste Kategorie ist der „internationale bewaffnete Konflikt“, der zwischen mindestens zwei Staaten ausgetragen wird. Die zweite Kategorie bildet der „nicht-internationale bewaffnete Konflikt “, in dem die staatlichen Streitkräfte typischerweise internen Aufständischen gegenüberstehen . Diese Form von Konflikten ist oftmals von einer Asymmetrie der Konfliktparteien gekennzeichnet . Unterstützen internationale Truppen eine Regierung bei der Bekämpfung von Aufstän- 1 Knut Ipsen, Völkerrecht, 5. Auflage 2004, vor § 63; ausführlich zum Verhältnis von humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten Bothe, Humanitäres Völkerrecht und Schutz der Menschenrechte, in: Dupuy u.a. (Hrsg.), Völkerrecht als Wertordnung – Festschrift für Christian Tomuschat, 2006, S. 63. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 5 dischen, bleibt es nach überwiegender Ansicht trotz der internationalen Komponente bei der Einordnung als nicht-internationaler bewaffneter Konflikt. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts ist das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts. Die Kriterien hierfür unterscheiden sich für die beiden genannten Konflikttypen . Die Regeln des internationalen bewaffneten Konflikts sind mit Beginn des ersten Waffeneinsatzes durch die Streitkräfte eines Staates anwendbar.2 So soll sichergestellt werden, dass die gewaltbegrenzende Funktion des humanitären Völkerrechts nicht unterlaufen wird. Komplexer ist die Lage im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt. Hier finden die völkerrechtlichen Regelungen erst Anwendung, wenn eine bestimmte Schwelle der bewaffneten Auseinandersetzung zwischen organisierten Gruppen überschritten wird. Allerdings entfalten zuvor die menschenrechtlichen Gewährleistungen eine weitergehende Schutzwirkung. Einflussreich für die normative Bestimmung dieser Schwelle war insbesondere die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien. Er nimmt die Existenz eines bewaffneten Konflikts dann an, wenn in ausgedehnter bzw. andauernder Weise Waffengewalt („protracted armed violence“) zwischen den Beteiligten angewendet wird.3 Diese Formulierung wird so interpretiert, dass sie mehr auf die Intensität des Konflikts als auf seine zeitliche Dimension verweist.4 Das Kriterium der Intensität soll unter anderem die Abgrenzung zu vereinzelten terroristischen Akten ermöglichen.5 Als mögliche, aber nicht notwendige Faktoren für die Bemessung der Intensität werden u.a. die Zahl, Dauer und Intensität der einzelnen Konfrontationen, die eingesetzten Waffen , die Zahl der an den Kampfhandlungen Beteiligten, die Zahl der Opfer und das Ausmaß der Zerstörung sowie die Zahl der flüchtenden Zivilisten angesehen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, entscheidet sich nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Konfliktgebiet. Einer konstitutiven Entscheidung einer staatlichen Stelle bedarf es hingegen nicht.6 Das Rechtsregime des humanitären Völkerrechts umfasst einerseits Regeln, die in zahlreichen völkerrechtlichen Verträgen enthalten sind, und andererseits die Regeln des Völkergewohnheits- 2 Philip Alston, Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions, Human Rights Council Doc A/HRC/14/24/Add.6, § 51. 3 ICTY (Appeals Chamber), Prosecutor v. Tadić, IT-94-1-T, Decision on Defence Motion for Interlocutory Appeal on Jurisdiction, 2.10.1995, Rn. 70. Eine umfassende Aufarbeitung der internationalen Rechtsprechung und Staatenpraxis findet sich in International Law Association, Use of Force Committee, Final Report on the Meaning of Armed Conflict in International Law, 2010. 4 Siehe die umfangreichen Nachweise in International Law Association (Anm. 4), S. 15, 21, 29 f. 5 International Law Association (Anm. 4), S. 25, 28. Dies bedeutet nicht, dass terroristische Aktivitäten im Einzelfall nicht ein Indiz für das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts sein können. Zur sich verändernden Einordnung von al-Qaida in Afghanistan C. Kreß, Some Reflections on the International Legal Framework Governing Transnational Armed Conflicts, Journal of Conflict & Security Law 15 (2010), S. 245, 261 und ders., Interview , taz vom 2.3.2010. 6 Thym, Zwischen „Krieg“ und „Frieden“: Rechtsmaßstäbe für operatives Handeln der Bundeswehr im Ausland, DÖV 2010, 621, 626. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 6 rechts.7 Völkergewohnheitsrecht entsteht durch eine weitestgehend einheitliche, von der Rechtsüberzeugung der Staaten getragenen Praxis.8 Die Regeln des humanitären Völkergewohnheitsrechts sind Gegenstand einer umfassenden Studie des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), die in der völkerrechtlichen Diskussion als einflussreich angesehen werden kann.9 Wichtige Regeln des humanitären Völkerrechts, insbesondere zum Schutz der Zivilbevölkerung, werden als „repressalienfest“ eingestuft. Dies bedeutet, dass rechtswidriges Handeln der Gegenseite nicht dazu berechtigt, dies in gleicher Weise durch einen eigenen Verstoß zu vergelten.10 2.2. Internationale bewaffnete Konflikte Internationale bewaffnete Konflikte sind solche, die als Konfliktparteien vornehmlich Staaten kennen (vgl. Gemeinsamer Artikel 2 der Genfer Konventionen). Anwendbarkeitsvoraussetzung ist dementsprechend die Zurechenbarkeit des zu bewertenden Verhaltens zu einem Völkerrechtssubjekt .11 Gewohnheitsrechtlich anerkannt findet für Aufständische das Recht des internationalen bewaffneten Konflikts nur dann Anwendung, wenn ein Staat diese einseitig als kriegsführende Partei anerkennt. Darüber hinaus können theoretisch gemäß Artikel 1 (4) des Ersten Zusatzprotokolls (1977) auch Völker in Ausübung ihres Rechts auf Selbstbestimmung Parteien eines internationalen bewaffneten Konflikts sein.12 Nur Kampfhandlungen von Kombattanten sind in internationalen bewaffneten Konflikten völkerrechtlich gestattet. Kombattanten sind solche Personen, die als Teil der Streitkräfte unmittelbar 7 Zu den wichtigsten Verträgen gehören die Haager Landkriegsordnung und die Genfer Konventionen (1949) zum Schutz von Verwundeten und Kranken zu Land (I. GK) und zur See (II. GK), Kriegsgefangenen (III. GK) und der Zivilbevölkerung (IV. GK) sowie das erste und das zweite Zusatzprotokoll (1777) zu den Genfer Konventionen (1949) (I. und II. ZP). 8 Vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut, dazu IGH, North Sea Continental Shelf Case, ICJ Reports 1969, S. 44. Siehe auch Ipsen (Anm. 1), § 16 Rn 2. 9 Henckaerts/Doswald-Beck (Hrsg.), Customary International Humanitarian Law; Online Version unter http://www.icrc.org/customary-ihl/eng/docs/home (15.11.2010). Dazu Bothe, Customary International Humanitarian Law, Yearbook of International Humanitarian Law 8 (2005), S. 143; Bellinger/Haynes, A US Government Response to the International Committee of the Red Cross Study “Customary International Humanitarian Law”, International Review of the Red Cross 89 (2007), S. 443. 10 Oeter, in Fleck (Hrsg.), The Handbook of International Humanitarian Law, 2. Auflage 2008, Rule 476-479. 11 Ipsen (Anm. 1), § 66 Rn 7. 12 Ipsen (Anm. 1), § 67 Rn 7 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 7 an den Kampfhandlungen teilnehmen.13 Sie haben sich insbesondere von Zivilpersonen durch ein Unterscheidungsmerkmal abzugrenzen (Unterscheidungsgebot)14 und das humanitäre Völkerrecht (insbesondere den Schutz der Zivilbevölkerung) einzuhalten15. Darüber hinaus können ausnahmsweise auch die Teilnehmer eines Widerstandes der Zivilbevölkerung gegen den herannahenden Feind (sog. levee-en-masse)16 und die Guerilla in besetzten Gebieten17 Kombattanten sein, solange sie die Waffen bei ihrem Einsatz offen tragen. Im Fall ihrer Gefangennahme haben Kombattanten einen Anspruch auf Kriegsgefangenenstatus18, sind also für ihre Kampfhandlungen per se nicht bestrafbar19, jedoch für Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht20. Terroristische Gewalthandlungen können – soweit sie im Rahmen eines bewaffneten Konflikts (also durch eine Konfliktpartei) begangen werden (z.B. als „Staatsterrorismus“) – einen Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht darstellen (Artikel 51 (2) ZP I). Sie sind dann auch als Kriegsverbrechen strafbar. Dabei ist auch die völkerrechtliche Verantwortlichkeit eines Staates von Bedeutung , der Terroristen entsendet oder duldet. Da ein Terrorist oftmals gerade nicht dem Unterscheidungsgebot nachkommen wird, ist er im internationalen bewaffneten Konflikt regelmäßig unrechtmäßiger Kämpfer („unlawful combattant “). Gehört er eigentlich den Streitkräften an, so verliert er während des Angriffs sein Recht auf Kriegsgefangenenstatus.21 Galt er als Zivilperson, so hat er den Kombattanten- und Kriegsgefangenenstatus nie erlangt (bzw. erlangen können) und verliert während der unmittelbaren Teilnahme an Kampfhandlung auch den Schutz als Zivilperson. Während der Dauer der unmittelbaren Teilnahme ist er daher legitimes militärisches Ziel.22 Nach Beendigung der Kampfhandlungen kann er als Zivilperson nur der Strafgerichtsbarkeit vorgeführt werden. 13 Gasser, Humanitäres Völkerrecht, 2007, S.73; Fleck (Hrsg.), The Handbook of International Humanitarian Law, 2. Auflage 2008, Rule 301. 14 Fleck (Anm. 13), Rule 308 und 309. 15 Fleck (Anm. 13), Rule 311; Artikel 44 (2) I. ZP. 16 Dazu Fleck (Anm. 13), Rule 310. Allerdings hat diese Regelung angesichts der modernen militärischen Waffentechnik und der daraus resultierenden Übermacht der Streitkräfte faktisch an Bedeutung verloren. 17 Artikel 44 (3) I. ZP. Diese Ausnahme war sehr umstritten und der Grund dafür, dass einige Staaten das I. ZP nicht ratifiziert haben. 18 Fleck (Anm. 13), Rule 312; Artikel 44 (1) I. ZP. 19 Fleck (Anm. 13), Rule 302. 20 Fleck (Anm. 13), Rule 312. 21 Henckaerts / Doswald-Beck (Anm. 9), Rule 106. 22 Tomuschat, Human Rights and Interantional Humanitarian Law, EJIL 21 (2010), S. 15, 21. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 8 2.3. Nicht-internationale bewaffnete Konflikte 2.3.1. Allgemeines Ein Anwendungsfall des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts sind die gemeinhin als „Bürgerkrieg“ bezeichneten Auseinandersetzungen. Den staatlichen Streitkräften steht hier eine nicht-staatliche bewaffnete Konfliktpartei (Aufständische) gegenüber, oder letztere begegnen sich untereinander.23 In diese Kategorie fallende Konflikte werden bei auffälligen Unterschieden im Organisations- und Bewaffnungsniveau und der damit oft einhergehenden besonderen Kampftaktiken der Streitparteien auch als „asymmetrisch“ bezeichnet.24 Der gemeinsame Artikel 3 der Genfer Konventionen bestimmt für diesen Konflikttyp (wie auch für jeden anderen) einen Minimalstandard zum Schutz unbeteiligter Zivilpersonen, der vorwiegend völkergewohnheitsrechtlich ausdifferenziert wird.25 Darüber hinaus konkretisieren (soweit anwendbar) auch die Regeln des Zweiten Zusatzprotokolls (1977) zu den Genfer Konventionen (1949) (II. ZP) diesen Mindeststandart, unter den besonderen Voraussetzungen, dass die Aufständischen über einen Teil des Territoriums bereits effektive Kontrolle und Hoheitsgewalt ausüben, anhaltende und koordinierte Kampfhandlungen durchführen und darüber hinaus zur Anwendung des humanitären Völkerrechts in der Lage sind.26 Teilweise verkörpert das II. ZP auch Völkergewohnheitsrecht . 2.3.2. Zum Begriff der unmittelbaren Teilnahme an Feindseligkeiten Kombattantenstatus und Kriegsgefangenenprivileg sollte es nach dem Willen der Vertragsstaaten der Genfer Konventionen und insbesondere des II. ZP bereits konzeptionell nicht im Rahmen von nicht-internationalen bewaffneten Konflikten geben. Vielmehr wurden die aufständischen Kämpfer als Kriminelle angesehen, auf deren Strafverfolgung nicht verzichtet werden sollte.27 Die Kampfhandlungen von Aufständischen sind also gerade nicht bereits durch Völkerrecht gerechtfertigt und straflos. Handlungen der Regierungsseite sind demgegenüber im Rahmen der jeweils anwendbaren innerstaatlichen Rechtsordnung legitimiert. In asymmetrischen nichtinternationalen bewaffneten Konflikten tritt oftmals das Problem auf, dass die aufständischen Kämpfer nicht uniformiert sind und daher nur schwierig von Zivilisten unterschieden werden können, solange sie sich nicht aktiv an unmittelbaren Kampfhandlungen beteiligen. 23 Gasser (Anm. 13), S.61. 24 C. Kreß/G. Nolte, Im ungleichen Krieg, FAZ vom 31.12.2009. 25 Gasser (Anm. 13), S. 63. 26 Artikel 1 (1) II. ZP. 27 Bothe, Töten und getötet werden, in: Dicke u.a. (Hrsg.), Weltinnenrecht. Liber Amicorum Jost Delbrück, 2005, S. 75. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 9 Auch Zivilpersonen kann mit Waffengewalt begegnet werden, wenn sie sich unmittelbar an den Kampfhandlungen beteiligen. Der Auslegung des Begriffes der „unmittelbaren Teilnahme“ („direct participation“) im Sinne des Art 51 (3) I. ZP und korrespondierendem Völkergewohnheitsrecht (welches für beide Anwendungsbereiche des humanitären Völkerrechts gilt) war Gegenstand einer umfassenden IKRK-Studie aus dem Jahr 2009.28 Danach soll eine „unmittelbare Teilnahme “ dann vorliegen, wenn die Handlung zunächst unmittelbar kausal ein gewisses Verletzungspotential aufweist. Hierunter kann jeglicher militärischer Nachteil oder ziviler Objekt- und Personenschaden fallen.29 Darüber hinaus muss die Handlung objektiv (also nicht nach der Vorstellung des Handelnden) gerade den Zweck haben, der einen Konfliktpartei einen Nachteil und der anderen Konfliktpartei einen Vorteil zu verschaffen (Unterstützungscharakter).30 Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Einzelfall durch Anstrengung aller verfügbaren und praktikablen Erkenntnisquellen festzustellen.31 Die Ausbildung zur Ausführung einer Verletzungshandlung soll nach Auffassung des IKRK nur dann als äußere Grenze für den Unmittelbarkeitszusammenhang gesehen werden, wenn es sich um einen vollumfänglich vorbestimmten Akt handelt.32 Nicht ausreichend soll hingegen das Bauen einer Bombe sein, sondern nur die Aufstellung und Detonation.33 Auch Vorbereitungshandlungen sollen mit umfasst sein, wenn sie der Ausführung eines spezifischen Aktes dienen.34 Auch Anreise und Abreise vom Handlungsort können mit umfasst sein.35 Der Schutz für Zivilpersonen entfällt nur während der Dauer der direkten Teilnahme. In der Literatur wird dies oftmals als „Drehtür“-Problematik beschrieben.36 2.3.3. Schädigungshandlungen gegen Personen mit ständigem Kampfauftrag Darüber hinaus soll nach der wohl überwiegenden Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum „Kämpfern“ als Mitgliedern bewaffneter Gruppen auch jenseits konkreter Kampfhandlungen jederzeit mit bewaffneter (bzw. tödlicher) Gewalt begegnet werden können. Diese Kämpfer erhalten 28 ICRC, Interpretive Guidance on the notion of direct participation in hostilities under international humanitarian law, 2009. Vgl. zuvor schon die grundlegende Monographie von Melzer, Targeted Killing in International Law, 2008, S. 328 ff. 29 ICRC (Anm. 28), S.46 ff. 30 ICRC (Anm. 28), S. 58 ff. 31 ICRC (Anm. 28), S. 74. 32 ICRC (Anm. 28), S. 53. 33 ICRC (Anm. 28), S. 54. 34 ICRC (Anm. 28), S.66. 35 ICRC (Anm. 28), S. 67. 36 ICRC (Anm. 28), S. 70. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 10 trotzdem keinen privilegierten Kombattantenstatus.37 Diese Auffassung vertritt auch die Bundesregierung .38 Personen, die sich immer wieder an Kampfhandlungen beteiligen, seien daher als „Kämpfer“ einzustufen, die auch dann noch legitime Ziele seien, wenn sie die Waffen vorübergehend niedergelegt haben. Die IKRK-Studie zur Teilnahme an Feindseligkeiten wird von Völkerrechtlern als wichtiger Beitrag angesehen. Diese Studie gibt insofern einen gewissen Rahmen für die weitere Diskussion vor.39 Die Zugehörigkeit zu einer bewaffneten Gruppierung soll sich nach Auffassung des IKRK aus einer „andauernden Kampffunktion“ („continuous combat function“) ergeben. 40 Bloße Mitgliedschaft beispielsweise in einem politischen Arm einer solchen Organisation soll nicht ausreichend sein.41 Diese Status-Einordnung soll auch strikt getrennt von der Einordnung (auch mehrerer ) Einzelakte als „unmittelbare Teilnahme“ stattfinden.42 Einzelpersonen, die vereinzelt Kampfhandlungen vornähmen, seien daher jenseits der konkreten Kampfhandlung zunächst weiter wie Zivilpersonen zu behandeln. Unterscheidet sich eine Person nicht von der Zivilbevölkerung , so sei sie im Zweifel als geschützte Person zu betrachten.43 2.3.4. Kritik an der Argumentationsfigur des ständigen Kampfauftrags Der Einschluss von Personen mit ständigem Kampfauftrag in den Kreis der legitimen militärischen Ziele wird von manchen Stimmen im völkerrechtlichen Schrifttum aus einer menschenrechtlichen Perspektive kritisiert. Diese Kritik basiert zum einen mit Blick auf Auslandseinsätze der Streitkräfte auf der Annahme, dass Menschenrechte auch außerhalb des eigenen Hoheitsgebiets Geltung beanspruchen können.44 Zum anderen wird mit der überwiegenden Ansicht im 37 ICRC (Anm. 28), S. 73; Bothe (Anm. 27), S.75; Kreß (Anm. 5), S. 262 f.; Schaller, Rechtssicherheit im Auslandseinsatz , SWP-Aktuell Nr. 67, 2009, S.21 f.; Melzer (Anm. 28), S. 318 ff. 38 Antwort auf die schriftlichen Fragen des Abg. Nouripour, BT_Drs. 17/2775, S. 8 f., Fragen 12 und 13. 39 Philip Alston, Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions, Human Rights Council Doc A/HRC/14/24/Add.6, § 62. 40 ICRC (Anm. 28), S. 33 ff., 71.; so grundsätzlich auch Bothe (Anm. 27), S.80. 41 ICRC (Anm. 28), S. 32. 42 ICRC (Anm. 28), S. 44 f. 43 Schmahl, Targeted Killings – A Challenge for International Law?, in: Tomuschat/Lagrange/Oeter, The Right to Life, S. 256.; ICRC (Anm. 28), S.76; Sandoz et al. (eds.), Commentary on the Additional Protocols of 8 June 1977 to the Geneva Conventions of 12 August 1949, § 4789 (“…in case of doubt regarding the status of an individual, he is presumed to be a civilian.”); anders aber im Ergebnis ähnlich: Bothe (Anm. 27), S.81. 44 Eine extraterritoriale Geltung der Menschenrechte wird insbesondere von den Vereinigten Staaten von Amerika abgelehnt, vgl. zur Diskussion Stefanie Schmahl, Targeted Killings – A Challenge for International Law?, in: Tomuschat/Lagrange/Oeter, The Right to Life, S. 243; Kenneth Anderson, Targeted Killing in U.S. Counterterrorism Strategy and Law, verfügbar unter Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 11 völkerrechtlichen Schrifttum davon ausgegangen, dass die Menschenrechte im Prinzip (wenn auch einschränkbar) auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten weitergelten. Das humanitäre Völkerrecht überlagert dann zwar als lex specialis teilweise den Menschenrechtsschutz, verdrängt ihn aber nicht.45 So vertritt Christian Tomuschat die Auffassung, dass in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten eine Annäherung von „Kämpfern“ an Kombattanten auf Grund der konzeptionell in internen Konflikten eher anwendbaren Menschenrechte weder zeit- noch sachgemäß sei. Das humanitäre Völkerrecht in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten sei daher im Lichte der Menschenrechte auszulegen.46 Demnach würde es ausschließlich auf eine „unmittelbare Teilnahme“ an den Kampfhandlungen ankommen. Tötungen von „Kämpfern“ qua „andauernder Kampffunktion “ wären demnach ausschließlich an Menschenrechten zu messen und daher aufgrund fehlender konkreter Gefahrenlage meist rechtswidrig. Auch der Sonderberichterstatter des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen, der Völkerrechtler Philipp Alston, hat aus einer menschenrechtlichen Perspektive auf die faktischen Unsicherheiten bei der Zuschreibung eines ständigen Kampfauftrags zu bestimmten Personen hingewiesen. Soweit man eine solche Kategorie von Kämpfern annehmen wolle, träfen die Staaten jedenfalls erhebliche Aufklärungspflichten und die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen.47 3. Gezielte Tötungen („targeted killings“) insbesondere von Terroristen Als gezielte Tötungen wird eine Praxis beschrieben, nach der staatliche Organe insbesondere ihnen bekannte Terroristen jenseits der konkreten Kampfhandlungen ohne ein rechtstaatliches Verfahren jagen und töten, oftmals auch mit sogenannten Kollateralschäden48. Einerseits kann dies in bewaffneten Konflikten stattfinden, andererseits auch in Friedenszeiten. Die Rechtmäßigkeit dieser Handlungen ist umstritten. Die USA führen zur Begründung ihrer Politik gezielter Tötungen an, dass sie sich in einem „bewaffneten Konflikt mit Al-Qaida, den Taliban und anderen verbündeten Kräften“ befänden, der http://www.brookings.edu/papers/2009/0511_counterterrorism_anderson.aspx, S. 13 f. Siehe auch United Nations Human Rights Comittee, General Comment No. 31, 26 May 2004, UN Doc. CCPR/C/21/Rev.1/Add13, § 10. 45 Tomuschat (Anm. 22), S. 17 ff; Schmahl, Targeted Killings – A Challenge for International Law?, in: Tomuschat /Lagrange/Oeter, The Right to Life, S. 247; Fleck (Anm. 13), Rule 254 f.; Bothe (Anm. 1); alle mit weiteren Nachweisen (insbesondere zum sog. Mauergutachten des IGH). Siehe zur Diskussion auch , Zur Anwendbarkeit völkerrechtlicher Menschenrechtsverträge und humanitären Völkerrechts bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr, Info-Brief, WD 2 – 3010 – 118/08, S. 40 ff. 46 Tomuschat (Anm. 22), S. 22. 47 Alston (Anm. 39), Rn. 65 f. 48 Tomuschat (Anm. 22), S. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 12 in Afghanistan und andernorts stattfände.49 Gegen diese Auffassung wird eingewandt, dass unklar bleibe, inwieweit diese Kräfte hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur eine Konfliktpartei im Sinne des humanitären Völkerrechts darstellen und wodurch die Gewaltanwendung die Schwelle zum bewaffneten Konflikt überschreite. Vielmehr hätten die Anschläge terroristischer Gruppen in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle nicht die Intensität und Dauer eines bewaffneten Konflikts erreicht. Weiterhin wird kritisiert, dass die Argumentation der USA zu einer territorialen Entgrenzung des Begriffs des bewaffneten Konflikts führe. Dies sei mit der Funktion des Völkerrechts , willkürliche Tötungen einzuschränken, nicht vereinbar.50 In neueren Stellungnahmen hat die Regierung der USA daneben eine weitere Begründung angeführt , die unabhängig vom Bestehen eines bewaffneten Konflikts eingreifen soll. Danach seien gezielte Tötungen durch das Recht eines Staates auf Selbstverteidigung gerechtfertigt, das auch gegen bewaffnete Angriffe von nicht-staatlichen Akteuren Anwendung finde. Diese Rechtfertigung wurde zuvor in der völkerrechtlichen Diskussion insbesondere von einigen amerikanischen Autoren vertreten.51 Gegen diese Begründung wird insbesondere eingewandt, dass sie die strikte Trennung der Rechtfertigung von Gewalt auf der zwischenstaatlichen Ebene („ius ad bellum“) einerseits und humanitärem Völkerrecht („ius in bello“) andererseits verkenne. Zudem bestehe die Gefahr, dass durch die Etablierung einer dritten Kategorie von Konflikt weder die gewaltbegrenzende Funktion der Menschenrechte noch die des humanitären Völkerrechts Wirkung entfalten könne.52 Die ganz überwiegende Auffassung im völkerrechtlichen Schrifttum und in der Staatenpraxis geht daher davon aus, dass beispielsweise al-Qaida keine nicht-staatliche Partei eines prinzipiell weltweiten bewaffneten Konflikts ist. Bei der Terrorismusbekämpfung außerhalb konkreter bewaffneter Konflikte gelten daher menschenrechtliche Schutzstandards. Eine gezielte Tötung ist danach aus der Perspektive des allgemeinen Völkerrechts nur dann rechtmäßig, wenn Sie unter Einhaltung rechtstaatlicher Prozessgrundrechte der Bestrafung eines schwersten Verbrechens dient (Todesstrafe53) oder wenn sie im Rahmen der Gefahrenabwehr (ähnlich dem finalen Rettungsschuss ) der Beendigung einer konkreten Gefahrenlage dient, ohne dass andere Eingriffsmög- 49 Koh, The Obama Adminstration and International Law, Annual Meeting of the American Society of International Law, 25.3.2010, verfügbar unter: http://www.state.gov/s/l/releases/remarks/139119.htm. Die von der Regierung Bush gebrauchte Formulierung eines „global war on terror“ wird von der Regierung Obama hingegen nicht weiter verwendet. Vgl. auch die Diskussion unter http://www.ejiltalk.org/harold-koh-on-targeted-killings/. 50 Alston (Anm. 39), § 47 ff., 53 ff., Melzer (Anm. 28), S. 266 ff.; zur Organisationsstruktur von al-Qaida sowie zur Bedeutung räumlicher Begrenzung auch Kreß (Anm. 5), S. 261, 264 ff. 51 Anderson (Anm. 44), S. 18 ff; Paust, Self-Defense Targetings of Non-State Actors and Permissibility of U.S. Use of Drones in Pakistan, Journal of Transnational Law & Policy 19 (2010), S. 273. 52 Alston (Anm. 39), § 42 f. Anderson weist allerdings darauf hin, dass die Maßstäbe des humanitären Völkerrechts indirekt Einfluss entfalten könnten, Anderson (Anm. 44), S. 28. 53 Die Todesstrafe ist im europäischen Raum durch das 6. bzw. 13 Zusatzprotokoll zur EMRK allerdings weitgehend abgeschafft. Für Deutschland siehe Art. 102 GG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 13 lichkeiten gleich erfolgsversprechend gewesen wären.54 Da gezielte Tötungen oftmals aber gerade nicht in einer konkreten Gefahrenlage stattfinden, werden sie daher regelmäßig als rechtswidrig angesehen.55 4. Humanitäres Völkerrecht und Private Militär- und Sicherheitsfirmen Seit einiger Zeit (und besonders wahrnehmbar seit den Konflikten in Afghanistan und im Irak) werden immer mehr Aufgaben, die traditionell von Militärs erfüllt wurden, auf private Militärund Sicherheitsfirmen ausgelagert. Zunächst waren davon logistische und administrative Aufgaben betroffen. Immer mehr fallen darunter aber auch Sicherungsaufgaben und auch die direkte Beteiligung an Kampfhandlungen.56 Eine speziell auf private Militär- und Sicherheitsfirmen ausgerichtete völkerrechtliche Kodifikation der anwendbaren Regeln liegt bisher nicht vor. Das bedeutet allerdings nicht, dass diese Firmen in einem rechtlichen Vakuum agieren. Vielmehr sind bereits geltende Regelungen auf sie anzuwenden. Hierbei ist insbesondere das 2008 verabschiedete sogenannte Montreux Dokument von Bedeutung.57 Dieses Dokument wurde von Vertretern aus 17 Staaten und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) erstellt und beruht auf einer Initiative des IKRKs und der Schweiz.58 Es besteht aus zwei Teilen. Teil 1 enthält aus Sicht der Verfasser eine Wiedergabe des Völkerrechts, das im Kontext des Einsatzes und der Arbeit von privaten Militärdienstleistern anwendbar und relevant ist. Teil II enthält eine Zusammenstellung von als vorbildhaft angesehenen Praxen, die die Erfüllung der völkerrechtlichen Verpflichtungen erleichtern sollen. Das Montreux Dokument ist kein völkerrechtlicher Vertrag. Allerdings kann der erste Teil möglicherweise als Indiz für die Existenz von gewohnheitsrechtlichen Regelungen dienen. Der zweite Teil ist demgegenüber von nicht unerheblicher rechtspolitischer Bedeutung. 54 Schmahl, Targeted Killings – A Challenge for International Law?, in: Tomuschat/Lagrange/Oeter, The Right to Life, S. 238-241; Melzer (Anm. 28), S. 239. 55 Alston (Anm. 39), § 33. 56 Gillard, Business goes to war: Private Military/Security Companies and International Humanitarian Law, IRRC 2006, S. 526; Odendahl, Die Bindung privater Militär- und Sicherheitsfirmen an das humanitäre Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung des Dokuments von Montreux, ArchVR 48 (2010), S. 226, 227 f. Zur Position der Bundesregierung vgl. die Antworten auf die Große Anfrage der FDP, BT-Drs. 15/5824 und die Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke., BT/Drs. 16/1296. 57 Montreux Document on Private Military and Security Companies, verfügbar unter http://www.eda.admin.ch/psc. 58 Zur Teilnahme der Bundesregierung, vgl. die Vorbemerkung in BT-Drs. 16/1296, S. 2. Siehe auch Odendahl (Anm. 56), S. 244 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 14 4.1. Völkerrechtliche Einordnung Mitarbeiter von privaten Militär- und Sicherheitsfirmen sind keine im humanitären Völkerrecht besonders geschützte (oder überhaupt genannte) Personengruppe. Sie können auch nicht pauschal einer bestimmten Personengruppe zugeordnet werden. Vielmehr muss die Zuordnung je nach Tätigkeit im Einzelfall erfolgen.59 Die Frage des völkerrechtlichen Status einer Person ist insbesondere für ihre Befugnisse und ihren Schutz relevant. An die Regeln des humanitären Völkerrechts ist im Übrigen unabhängig von der Statusfrage jede natürliche Person gebunden, die aktiv an einem bewaffneten Konflikt teilnimmt.60 4.1.1. Mitarbeiter privater Militärfirmen als Kombattanten? Die Einordnung eines Mitarbeiters einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma als Kombattant könnte insbesondere unter folgenden Umständen in Betracht kommen: Die Firma ist als Teil der Streitkräfte anzusehen oder als Miliz in diese eingegliedert.61 Die Firma ist Teil einer anderen Miliz und hat eine Befehlsstruktur, führt ein Unterscheidungszeichen , trägt die Waffen offen und hält humanitäres Völkerrecht ein.62 Das Montreux Dokument ordnet die Mitarbeiter einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma als Zivilpersonen ein, wenn sie nicht eine dieser Kategorien fallen.63 Die Zuordnung zu Streitkräften kann beispielsweise durch Gesetz geregelt werden, aber in Ermangelung eines solchen Gesetzes im Einzelfall schwierig sein. Der (privatrechtliche) Vertrag zwischen Regierung und privater Firma allein soll jedenfalls nicht ausreichen.64 Darüberhinaus können Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma als Gefolge (Begleitpersonen) der Streitkräfte gelten, die ggf. einen Anspruch auf Kriegsgefangenstatus haben können.65 59 Montreux Document (Anm. 57), Part One § 24; Odendahl (Anm. 56), S. 229, dort auch zum Status der Firmen als juristischer Person. 60 Odendahl (Anm. 56), S. 229; zur völkerstrafrechtlichen Verantwortlichkeit Lehnardt, Individual Liability of Private Military Personnel under International Criminal Law, EJIL 19 (2008), S. 1015. 61 Artikel 4 A.1. III. GK. 62 Artikel 4 A.2. III. GK. 63 Montreux Document (Anm. 57), Part One § 26 b) 64 Gillard (Anm. 56), S. 533. 65 Montreux Document (Anm. 57), Part One § 26 c); Artikel 4 A.4. III. GK. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 15 4.1.2. Mitarbeiter privater Militärfirmen als Zivilpersonen? Liegen die Voraussetzungen für eine Einordnung als Kombattant nicht vor, so werden die Mitarbeiter einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma als Zivilpersonen angesehen. Die Mitarbeiter wären dann jedenfalls gemäß Art.75 II. ZP zu behandeln. Darüber hinaus käme Ihnen auch der Schutzmaßstab der IV. GK zugute, wenn Sie nicht Staatsangehörige der gegnerischen Partei sind (Artikel 4 IV. GK). Kombattantenstatus und der Schutz der III. GK kommt ihnen indes nicht zu, sodass sie strafrechtlich wegen ihrer Teilnahme an Kampfhandlungen verfolgt werden können. Nur während der unmittelbaren Teilnahme an Kampfhandlungen selbst genießen sie keinen Schutz vor Angriffen.66 4.1.3. Sind Mitarbeiter einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma Söldner? Mitarbeiter einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma können zwar im Einzelfall als Söldner im Sinne des humanitären Völkerrechts einzuordnen sein, sind es aber nicht per se.67 In der Praxis ist eine Einordnung als Söldner angesichts der sehr engen Definition dieses Begriffs in Art. 47 Abs. 2 ZP I selten. Wenn eine Person als Söldner einzustufen wäre, führte dies aus humanitärvölkerrechtlicher Sicht zu den Rechtsfolgen, die auch für Zivilisten gelten, die unmittelbar an Kampfhandlugen teilnehmen.68 Söldnern steht kein Kombattantenstatus zu (Art. 47 Abs. 1 ZP I).69 Sie sind an die Regeln des humanitären Völkerrechts gebunden70 und können bei unmittelbarer Teilnahme an Kampfhandlungen getötet werden. 4.2. Verantwortlichkeit der Staaten für Handeln privater Militär- und Sicherheitsfirmen Staatenverantwortlichkeit setzt nach geltendem Völkergewohnheitsrecht grundsätzlich die Zurechenbarkeit einer Handlung zum Staat voraus.71 Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn Mitarbeiter einer privaten Firma in die Streitkräfte eingegliedert sind, als bewaffnete Einheit unter dem Kommando des Staates stehen, als Beliehene eines Staates hoheitliche Aufgaben wahrnehmen oder unter effektiver Kontrolle und Anweisung des Staates handeln.72 Bedient sich ein Staat 66 Montreux Document (Anm. 57), Part One § 25; ICRC (Anm. 28), S.40. 67 Gillard (Anm. 56), S. 568. 68 Gillard (Anm. 56), S. 562. 69 Dem entspricht das Völkergewohnheitsrecht, vgl. Sassoli, Combatants, in Wolfrum (Hrsg.), Max Planck Encyclopedia of Public International Law, online edition, http://www.mpepil.com, Rn. 17. 70 Gillard (Anm. 56), S. 564. 71 International Law Commission, Draft Articles on State Responsibility, Art. 2. 72 Montreux Document (Anm. 57), Part One §§ 7 und 8. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 – 147/10 Seite 16 der Dienstleistungen einer privaten Militär- und Sicherheitsfirma, so kann er seine Verpflichtungen aus humanitärem Völkerrecht dadurch nicht umgehen.73 Insbesondere hat der Entsendestaat Verantwortung dafür zu tragen, dass private Militär- und Sicherheitsfirmen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechte beachten und Verstöße ggf. zu ahnden.74 Insbesondere die Staaten, in denen eine Firma ihren Sitz hat, und die Staaten, auf deren Territorium private Militär- und Sicherheitsfirmen operieren, besitzen nach dem Montreux Dokument im Rahmen ihres Einflussbereichs vergleichbare Verpflichtungen.75 Auch alle anderen Staaten unterliegen gewissen Verpflichtungen, so beispielsweise dem Verbot, Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu unterstützen, und einer Kooperationspflicht bei der Strafverfolgung von mutmaßlichen Straftätern.76 73 Montreux Document (Anm. 57), Part One § 1. 74 Montreux Document (Anm. 57), Part One § 3 und 4. 75 Montreux Document (Anm. 57), Part One §§ 9-17. 76 Montreux Document (Anm. 57), Part One, §§ 18-21.