© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 146/19 Islamische Seelsorge in den EU- und NATO-Streitkräften im Vergleich Über den Umgang mit dem Islam in westlichen Streitkräften unter besonderer Berücksichtigung der französischen Erfahrung 2005-2019 Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 2 Islamische Seelsorge in den EU- und NATO-Streitkräften im Vergleich Über den Umgang mit dem Islam in westlichen Streitkräften unter besonderer Berücksichtigung der französischen Erfahrung 2005-2019 Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 146/19 Abschluss der Arbeit: 23. April 2020 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 3 Zusammenfassung der Ergebnisse: 1. Drei Hauptgründe sprechen für die Implementierung einer islamischen Seelsorge in der Bundeswehr: Erstens hat der Staat die Würde des Menschen zu achten und seine grundrechtlich geschützte Weltanschauung zu respektieren. Zweitens spricht vieles dafür, dass eine weltanschauungsgerechte Seelsorge dem Einsatzwert der Streitkräfte zuträglich ist. Drittens dürfte eine islamische Seelsorge erheblich zum Schutz vor islamistischer Radikalisierung beitragen. 2. Es herrscht EU-weite Einigkeit darüber, dass die Vorgaben der Religion den Gesetzen des weltlichen Rechtsstaats unterliegen und dass die religiösen Anliegen der Soldaten gegenüber Sicherheit und Auftrag nachrangig sind. In Deutschland herrscht politische Einigkeit darüber, dass die theologische Ausbildung aller Seelsorger im Einklang mit dem Grundgesetz stehen muss. 3. Aus hiesiger Sicht ist es fraglich, ob die fehlende Seelsorge für Muslime den Grundrechten des Art. 4 Abs. 1 GG – (Freiheit des Glaubens) – in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 GG – (Benachteiligungs - und Bevorzugungsverbot aufgrund der Religion) – entspricht. Dies gilt insbesondere seit Wiedereinführung eines Militärrabbinats. 4. Es konnte kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden, dass es Pflicht und Aufgabe des Staates ist, Seelsorge für Angehörige mehrerer Auslegungen und Strömungen innerhalb einer Glaubensgemeinschaft zu gewährleisten. Vielmehr muss der Staat eine zielführende Grundversorgung entsprechend dem Bedarf einer gesamten Glaubensgemeinschaft sicherstellen. 5. Es ist unstrittig, dass die Rücksichtnahme auf religiös bedingte Essgewohnheiten, Fastenzeiten oder andere rituelle Regeln sich positiv auf das Wohlbefinden der Soldaten und auf die Auftragserfüllung auswirkt. In einigen Staaten ist die Beachtung religiöser Kleidervorschriften erlaubt. Laut Richtlinie zur Anzugsordnung der Bundeswehr ist das Tragen eines Kopftuches zur Uniform unzulässig. Zur Frage von Vereinbarkeit von religiösen Kleidervorschriften mit den Besonderheiten des militärischen Dienstbetriebes gibt es bisher keine deutsche Rechtsprechung. Weiterführende Literatur: 1. Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence (UK), 2011, 46 Seiten.1 2. Muslim in the Military, Broadening Diversity in the British Armed Forces, Dr. Asma Mustafa, Oxford Center for Islamic Studies, 2018, 40 Seiten.2 3. 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-1173 1 Im Internet abrufbar unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf 2 Im Internet abrufbar unter https://www.asmamustafa.com/wp-content/uploads/2018/04/Report-on-Muslims-inthe -Military-Broadening-Diversity-in-the-British-Armed-Forces.pdf 3 Im Internet abrufbar unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations/3804 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 4 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 5 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkungen 7 1.1. Semantische Vorbemerkung 7 1.2. Rückblick 2000-2019 7 1.3. Politische Positionen 10 2. Abgrenzung des Recherchegegenstandes 12 2.1. Abgrenzung des Referenzpanels 12 2.2. Thematische Abgrenzung des Recherchegegenstands 13 3. Zur aktuellen Situation der Seelsorge in Deutschland 13 3.1. Militärische Seelsorge in Deutschland 1956-2019 13 3.2. (Wieder-) Einführung eines Militärrabbinats 2019 15 3.3. Islam in Deutschland 16 3.4. Religiöse Vielfalt in der Bundeswehr 18 3.4.1. Christentum in der Bundeswehr 18 3.4.2. Judentum in der Bundeswehr 19 3.4.3. Islam in der Bundeswehr 20 3.4.4. Weitere Glaubensrichtungen in der Bundeswehr 21 3.4.5. Soziopolitische Hintergründe für eine islamische Seelsorge 21 4. Situation in den EU- und NATO-Ländern 23 4.1. Beziehungsformen zwischen Staat und Religion 23 4.2. Demographisch nicht oder wenig tangierte Länder 25 4.2.1. Estland 25 4.2.2. Finnland 26 4.2.3. Kroatien 27 4.2.4. Polen 28 4.2.5. Portugal 29 4.2.6. Ungarn 29 4.2.7. Vereinigte Staaten von Amerika 30 4.3. Demographisch tangierte Länder ohne islamische Seelsorge 34 4.3.1. Bulgarien 34 4.3.2. Dänemark 34 4.3.3. Griechenland 35 4.3.4. Schweden 36 4.3.5. Schweizerische Eidgenossenschaft 37 4.3.6. Slowenien 39 4.3.7. Spanien 40 4.4. Demographisch tangierte Länder mit islamischer Seelsorge 41 4.4.1. Belgien 41 4.4.2. Frankreich 43 4.4.2.1. Gesetzlicher Rahmen 43 4.4.2.2. Gründung der islamischen Seelsorge 44 4.4.2.3. Politische und militärische Sicherheitsaspekte 45 4.4.2.4. Rekrutierung 46 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 6 4.4.2.5. Gründung einer Ausbildungsstätte 47 4.4.2.6. Zahlen und Fakten 49 4.4.2.7. Alltag 51 4.4.3. Kanada 52 4.4.4. Niederlande 55 4.4.5. Norwegen 57 4.4.6. Österreich 59 4.4.7. Vereinigtes Königreich 61 4.4.7.1. Hintergründe 61 4.4.7.2. Praktische Umsetzung des politischen Vorhabens 64 5. Fazit 66 5.1. Zusammenfassung 66 5.1.1. Unterschiedliche Modelle 66 5.1.2. Situation in Deutschland 67 5.2. Ausblick 68 5.2.1. Praktische Maßnahmen 68 5.2.2. Theologische und sicherheitspolitische Maßnahmen 70 5.2.3. Schlussbetrachtung 72 6. Literaturverzeichnis (Auswahl) 73 6.1. Bundestagsdrucksachen 73 6.2. Studien 73 6.3. Weitere Dokumente 73 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 7 1. Vorbemerkungen 1.1. Semantische Vorbemerkung In dieser Abhandlung wird durchgehend von „islamischer Seelsorge“ und nicht von „muslimischer Seelsorge“ gesprochen. Dem liegt zugrunde, dass sich der Begriff „islamisch“ auf die Religion bezieht, während der Begriff „muslimisch“ sich auf die Religionsanhänger bezieht. Der manchmal in den Medien verwendete Begriff „muslimische Seelsorge“ ist nach hiesiger Meinung deshalb nicht korrekt (analog dazu wird beispielsweise von „Katholischer Seelsorge“ und nicht von „Katholikenseelsorge“ gesprochen). Außer in Zitaten wurde der Begriff „Militärimam“ aus Neutralitätsgründen nicht angewandt. Der Begriff „Imam“ hat eine Vielzahl von unterschiedlichen Bedeutungen theologischer und politischen Art (Anführer, Vorbeter, Vorsteher), wovon sich eine implizierte Befähigung zur religiös-politischen Deutung und Führung ableiten lassen könnte, was dem Ziel der Seelsorge wiederum widerspräche. Außerdem erweckt der Begriff „Militärimam“ den Eindruck im öffentlichen Diskurs, dass es sich bei der fraglichen Person zwangsweise um einen Mann handeln müsse. Hervorhebungen in Zitaten sind die des Verfassers dieser Ausarbeitung. 1.2. Rückblick 2000-2019 Das Thema ist nicht neu: Das Zentrum Innere Führung (ZInFü) in Koblenz publizierte schon im Jahr 2000 ein Arbeitspapier mit dem Titel „Muslime in der Bundeswehr“. Die Publikation einer weiteren Untersuchung „Deutsche Staatsbürger muslimischen Glaubens in der Bundeswehr“ folgte 2007 (die Publikation wurde 2011 aktualisiert).4 Diese Arbeiten wurden in der Praxis umgesetzt: Seit 2007 können muslimische Bundeswehr- Soldaten5 ihre Religionszugehörigkeit auf die obligatorische Erkennungsmarke freiwillig mit 4 Militärseelsorge für Muslime in der Bundeswehr, Thomas R. Elßner, Christlich-Islamischer Dialog CIBEDO e. V, 4/2018, S. 173 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge.de/fileadmin /kunde/aktuelles/2018/12_2018/Elssner_MuslimischeMilitaerseelsorge_CIBEDO-Beitraege_4-2018_170- 175.pdf 5 Der Einfachheit halber wird in diesem Dokument durchgehend von „Soldaten“ gesprochen, wenn keine geschlechterspezifische Unterscheidung von Nöten ist. Damit sind sowohl Soldatinnen als auch Soldaten gleichermaßen gemeint. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 8 dem Kürzel „ISL“ (Islamische Religionsgemeinschaft) einprägen lassen.6 Bis dahin waren nur die Kürzel „E“ (Evangelisch), „JD“ (Jüdisch“), „K“ (Katholisch) und „O“ (Orthodox) zulässig. 2012 formulierte das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) einen „Dreistufenplan“, um den Bedürfnissen der muslimischen Soldaten besser gerecht zu werden. Dieser sah zunächst die Einrichtung einer Zentralen Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen (ZASaG) vor, die 2015 auch eingerichtet wurde.7 Laut dem Bundesministerium für Verteidigung gingen zwischen 2015 und Juli 2019 insgesamt 424 Anfragen bei der ZASaG ein.8 Die zweite Stufe sah die Einführung nebenamtlicher „Militärimame“ an ausgewählten Standorten in Kooperation mit örtlichen Moscheen vor. Letztlich sah die dritte Stufe bei Bewährung die Schaffung einer Dienststelle für einen hauptamtlichen „Militärimam“ in organisatorischer Anlehnung an der christlichen Seelsorge. Die Umsetzung der beiden letzten Vorhaben blieb jedoch aus. 2015 ließ die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Bedarf für eine islamische Militärseelsorge erneut prüfen9. 2019 plädierte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels (SPD) in seinem Bericht10 an den Deutschen Bundestag für eine „grundsätzlich tragfähige Lösung“, denn „wenn die Bundeswehr es nicht schafft, eine solche Soldatenbetreuung anzubieten, muss sich niemand wundern, wenn 6 Militärseelsorge für Muslime in der Bundeswehr, Thomas R. Elßner, Christlich-Islamischer Dialog CIBEDO e. V, 4/2018, S. 173 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge.de/fileadmin /kunde/aktuelles/2018/12_2018/Elssner_MuslimischeMilitaerseelsorge_CIBEDO-Beitraege_4-2018_170- 175.pdf 7 Der genaue Auftrag der ZASaG kann einer Präsentation entstanden im Rahmen der 10. Arbeitsausschuss der Deutschen Islam Konferenz (DIK), der sich mit der islamischen Militärseelsorge in der Bundeswehr befasste entnommen werden. Dokument abgerufen am 13. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge .de/aktuelles/nachrichten/newsdetails/news/informationen-zur-islamischen-militaerseelsorge-in-der-bundeswehr /?tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail &cHash=de67aa038136010822ac5b4fefca25a4 8 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD zum Thema Einführung einer islamischen Militärseelsorge, Drucksache 19/11919 vom 25. Juli 2019, abgerufen am 23. April 2020 unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/119/1911919.pdf 9 Militär-Imame für die Bundeswehr?, BR24, 8. November 2015, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/militaer-imame-fuer-die-bundeswehr ,64rk4e1m6gu3cc1t70t3ee9p68w3g 10 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2018 (60. Bericht), Drucksache 19/7200 vom 29. Januar 2019, Deutscher Bundestag, abgerufen am 13. März 2020 unter http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/072/1907200.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 9 Betroffene eigene, gegebenenfalls extrem-fundamentalistische Lösungen suchen. Die Bundeswehr würde sich einer berechtigten und durch bundeswehreigene Fortbildungen sinnvollen Steuerungsmöglichkeit der Soldatenbetreuung selbst berauben“11. 2020 vertritt der Wehrbeauftragte in seinem Jahresbericht12 erneut die Ansicht, dass es gut wäre, wenn „Militärimame“ bei der ethischen Bildung im Rahmen der Inneren Führung mitarbeiten würden. Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) plant zurzeit nach eigenen Angaben verbesserte seelsorgerische Angebote für muslimische Soldatinnen und Soldaten, betont aber auch: „Hier ist die Suche nach geeigneten Gesprächspartnern noch nicht abgeschlossen. Aufgrund der sehr unterschiedlichen Organisationsformen der weiteren Glaubensverbände ist der zeitliche Horizont für weitere konkrete Umsetzungen derzeit nicht absehbar“13. Doch bereits seit dem 1. Juli 2015 kann jede Soldatin und jeder Soldat, unabhängig von der Glaubensrichtung ein seelsorgerisches Angebot außerhalb der Bundeswehr von der Zentralen Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen (ZASaG) am Zentrum Innere Führung in Koblenz vermittelt bekommen14. Die Tätigkeit der Ansprechstelle ging zum 1. Oktober 2019 durch die Einnahme einer neuen internen Struktur in die Zentrale Ansprechstelle für Vielfalt (ZAVi) über. Ab dem 1. April 2020 führt die ZAVi den Auftrag in Bezug auf Seelsorge durch.15 11 Militär-Imame für die Bundeswehr?, BR24, 8. November 2015, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/militaer-imame-fuer-die-bundeswehr ,64rk4e1m6gu3cc1t70t3ee9p68w3g 12 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2019 (61. Bericht), Drucksache 19/16500 vom 28. Januar 2020, Deutscher Bundestag, abgerufen am 13. März 2020 unter http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/165/1916500.pdf 13 Bundeswehr bekommt Militärrabbiner – Unterzeichnung des Staatsvertrags für jüdische Militärseelsorge im Rahmen des jüdischen Gemeindetags 2019 des Zentralrates der Juden, BMVg, Pressemitteilung, 20. Dezember 2019, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/167368/114b17cdd1324b8fd3d85585b97a4f34/20191220-download-pm-militaerrabbiner-data.pdf 14 Bundeswehr bekommt Militärrabbiner – Unterzeichnung des Staatsvertrags für jüdische Militärseelsorge im Rahmen des jüdischen Gemeindetags 2019 des Zentralrates der Juden, BMVg, Pressemitteilung, 20. Dezember 2019, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/167368/114b17cdd1324b8fd3d85585b97a4f34/20191220-download-pm-militaerrabbiner-data.pdf 15 Zentrale Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen, Internet-Auftritt abgerufen am 28. Februar 2020 unter https://www.bundeswehr.de/de/organisation/weitere-bmvg-dienststellen/zentruminnere -fuehrung/abteilungen-und-bereiche/abteilung-weiterentwicklung-innere-fuehrung/dezernat-betreuungund -fuersorge/zentrale-ansprechstelle-fuer-soldatinnen-und-soldaten-anderer-glaubensrichtungen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 10 1.3. Politische Positionen Im Grundsatz- und Wahlprogramm der AfD finden sich keine Aussagen zur Militärseelsorge.16 Im Grundsatz- und Wahlprogramm der CDU und der CSU finden sich keine Aussagen zur Militärseelsorge, dennoch bekennen sich beide Parteien seit Unterzeichnung des Militärseelsorgevertrages 1957 durch Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß grundsätzlich zu der Institution17. Im Grundsatz- und Wahlprogramm der FDP finden sich keine Aussagen zur Militärseelsorge.18 Aber der ehemalige Militärpfarrer und FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Kober meint mit Blick auf die unterschiedlichen Strömungen im Islam: „Für die Militärseelsorge in der Bundeswehr ist es nach unserem Grundgesetz konstitutiv, dass die Aufsicht über die inhaltliche Arbeit der Militärseelsorge nicht durch die Bundeswehr selbst, sondern durch die Religionsgemeinschaft ausgeübt wird. Insofern ist die Frage zu beantworten, wer diese Aufsicht verbindlich auf muslimischer Seite wahrnehmen kann und will“19, denn diese Unabhängigkeit der Seelsorge von militärischen Entscheidungen dürfe nicht aufgegeben werden, so Kober. Im Grundsatz- und Wahlprogramm von Bündnis90/Die Grünen finden sich keine Aussagen zur Militärseelsorge. Aus einem Antrag der Fraktion in der 17. Wahlperiode (2013) ist folgende Position zu entnehmen: „Für Muslime, als derzeit mit Abstand größte nichtchristliche Glaubensrichtung , soll eine Militärseelsorge eingerichtet und dafür ein Beirat einberufen werden. Dieser Beirat soll, bis zur Herausbildung einer/mehrerer islamischer Religionsgemeinschaft(en), als vorübergehender Verhandlungspartner für die Einrichtung einer muslimischen Militärseelsorge dienen. Als Grundlage für die Einstellung von Militärseelsorgerinnen und -seelsorger ist die Richtzahl über das quantitative Verhältnis zu betreuender soldatischer Angehöriger einer 16 Christliche Kirchen und Parteien, Übereinstimmungen und Gegensätze, Johannes Singhammer Aktuelle Analysen 69, Hanns-Seidel-Stiftung, 2019, S. 19 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.hss.de/download /publications/AA__69_Christliche_Kirchen_2.pdf 17 Christliche Kirchen und Parteien, Übereinstimmungen und Gegensätze, Johannes Singhammer Aktuelle Analysen 69, Hanns-Seidel-Stiftung, 2019, S. 19 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.hss.de/download /publications/AA__69_Christliche_Kirchen_2.pdf 18 Christliche Kirchen und Parteien, Übereinstimmungen und Gegensätze, Johannes Singhammer Aktuelle Analysen 69, Hanns-Seidel-Stiftung, 2019, S.19 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.hss.de/download /publications/AA__69_Christliche_Kirchen_2.pdf 19 Imame für die Truppe – Wehrbeauftragter: Brauchen muslimische Bundeswehr-Seelsorger, Neue Osnabrücker Zeitung (dpa), 17. März 2018, abgerufen am 13. Januar 2019 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/1175768/wehrbeauftragter-brauchen-muslimische-bundeswehr -seelsorger Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 11 Religion/Konfession und entsprechender Seelsorgerinnen und Seelsorger einer öffentlich nachvollziehbaren Evaluation zu unterziehen.“20 Die Linke plädiert ihrerseits für eine Abschaffung der Seelsorge in der heutigen Form: „Die Militärseelsorge wollen wir abschaffen. Sie entspricht in der jetzigen Form nicht dem verfassungsmäßig gegebenen Recht auf Religionsfreiheit und ist auch innerhalb der Kirchen umstritten. Sie muss durch einen Vertrag ersetzt werden, der eine religiöse Betreuung durch alle Religionsund Weltanschauungsgemeinschaften und eine freie Religionsausübung der Angehörigen der Bundeswehr garantiert“.21 Grundsätzlich ist die SPD ist für die Beibehaltung der seit 1957 geltenden Verträge, die die Militärseelsorge regeln. „Militärseelsorge soll weiterhin von staatlicher Einflussnahme unabhängig sein. Militärseelsorge wirkt nicht nur in Zeiten größter Not. Sie leistet mit ihren großen Angeboten zwischen Freizeitaktivitäten, ethischer Orientierung, theologischem Diskurs und Unterstützung im Einsatz einen wichtigen Beitrag für die Bundeswehr.“22 Die SPD Bundestagsfraktion vertritt in einem Positionspapier die Meinung, dass „für den Zusammenhalt der Bundeswehr es entscheidend ist, dass Menschen aller Religionen ganz selbstverständlich ihren Beitrag leisten. Nur eine Armee, die sich als Spiegel der Gesellschaft versteht, wird ihren Auftrag auf Dauer mit voller Kraft erfüllen können. (…) Darüber hinaus setzen wir uns für den Aufbau einer islamischen Militärseelsorge ein.“23 Selbst innerhalb der christlichen Kirchen ist die Institution der Militärseelsorger nicht unumstritten . So fordert eine kleine24 ökumenische Initiative25 um den Dietrich-Bonhoeffer-Verein26 ab 2012 die gänzliche „Abschaffung der Militärseelsorge für Soldaten“ unter anderem mit folgenden 20 Gesellschaftliche Vielfalt in der Bundeswehr anerkennen, Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, 17. April 2013, 17. Wahlperiode, Deutscher Bundestag, abgerufen am 10. März 2020 unter http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/17/130/1713095.pdf 21 Christliche Kirchen und Parteien, Übereinstimmungen und Gegensätze, Johannes Singhammer Aktuelle Analysen 69, Hanns-Seidel-Stiftung, 2019, S.20 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.hss.de/download /publications/AA__69_Christliche_Kirchen_2.pdf 22 Christliche Kirchen und Parteien, Übereinstimmungen und Gegensätze, Johannes Singhammer Aktuelle Analysen 69, Hanns-Seidel-Stiftung, 2019, S. 19 abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.hss.de/download /publications/AA__69_Christliche_Kirchen_2.pdf 23 Jüdische und muslimische Seelsorger für die Bundeswehr, Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion vom 29. Januar 2019, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/juedische -muslimische-seelsorger-bundeswehr 24 Weniger als 100 ausgewiesene Unterstützer. 25 Militärseelsorge abschaffen (Internetseite der Initiative), abgerufen am 20. Februar 2020 unter https://www.militaerseelsorge -abschaffen.de/ 26 Der Dietrich-Bonhoeffer Verein (dbv), gegründet 1983, fördert die Wahrnehmung christlicher Verantwortung in Kirche und Gesellschaft. Eigendarstellung auf der Internetseite des Vereins, abgerufen am 20. Februar 2020 unter http://www.dietrich-bonhoeffer-verein.de/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 12 Argumenten: „Die Militärseelsorge ist ein Überrest aus der Zeit, als Thron und Altar, weltliche und geistliche Macht noch gemeinsame Sache gemacht haben. (…) Eine Religion des Friedens macht sich unglaubwürdig, wenn sie Kriegspfarrer (Militärpfarrer) entsendet“.27 Die aktuelle öffentliche Debatte28um die Berufung von „Militärimamen“ wird von der Berufsoffizierin und Muslima Frau Leutnant zur See Nariman Hammouti-Reinke, Vorstandsvorsitzende des Vereins Deutscher.Soldat e.V.29 in Ihrem 2019 erschienenen Buch Ich diene Deutschland30 unterstützend begleitet. Der Verein hat etwa 130 Mitglieder.31 Hammouti-Reinke ist gleichzeitig parteiloses Mitglied in der Kommission für Migration und Teilhabe des Niedersächsischen Landtags und macht geltend, dass angesichts des Risikos von Tod und Verwundung im Einsatz eine geistliche Betreuung in der eigenen Religionsgemeinschaft unerlässlich und nicht durch die Betreuung eines Truppenpsychologen zu ersetzen sei. 2019 gab es im zivilen Bereich in Deutschland 119 islamische Seelsorger: 45 waren in den Haftanstalten tätig, 44 in Krankenhäusern, 17 in Notdiensten, vier in der Seniorenbetreuung, drei in der Telefonseelsorge und jeweils zwei waren in psychiatrischen Anstalten, in Asyleinrichtungen oder in gemeinschaftlichen Einrichtungen eingesetzt.32 2. Abgrenzung des Recherchegegenstandes 2.1. Abgrenzung des Referenzpanels Für diese Ausarbeitung ist die Situation in den folgenden 25 Ländern untersucht worden: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Kanada, Kroatien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, 27 Vgl. Ökumenische Initiative zur Abschaffung / Reform der Militärseelsorge, Forderungen, abgerufen am 28. Februar 2020 unter https://www.militaerseelsorge-abschaffen.de/erklarung/forderungen/ 28 Ist der islamische Kamerad weniger wert als der christliche?, Michael Hollenbach, 31. Januar 2019, Freitagsforum , NDR Kultur, abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.ndr.de/ndrkultur/sendungen/freitagsforum /Ist-der-islamische-Kamerad-weniger-wert-als-der-christliche,hollenbachmilitaerseelsorgefuermuslime 100.html 29 Deutscher.Soldat e.V., abgerufen am 20. Februar 2020 unter https://www.deutschersoldat.de/ 30 Ich diene Deutschland, Nariman Hammouti-Reinke, Rowohlt, 2019, 256 S. Verlagsseite abgerufen am 28. Februar 2020 unter https://www.rowohlt.de/paperback/nariman-hammouti-reinke-ich-diene-deutschland .html 31 das postmigrantische netzwerk - neue deutsche organisationen, Initiative Neue Deutsche, abgerufen am 3. März 2020 unter https://neuedeutsche.org/de/ueber-uns/das-netzwerk/ 32 International views on Islam in research and society, Conference Report Muslim Chaplaincy in Europe and North America, Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (AIWG), Goethe-Universität Frankfurt, Auswärtiges Amt, 2019, S. 8 (Germany), abgerufen am 3. März 2020 unter https://aiwg.de/wp-content/uploads /2019/07/AIWG-Conference-Report_Muslim-chaplaincy.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 13 Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten von Amerika. Es werden im Weiteren aber nicht alle untersuchten Länder abgebildet. Vielmehr werden nur die aufschlussreichsten Beispiele vorgestellt. Aufgrund von ähnlichen Herausforderungen wie die in Deutschlands und in Anbetracht seiner Vorreiterposition in diesen Fragen, ist ein besonderes Augenmerk auf Frankreich gerichtet worden. 2.2. Thematische Abgrenzung des Recherchegegenstands Zur Erstellung dieser Abhandlung wurden in erster Linie folgende Kriterien geprüft: - Vertragliche Grundlagen für die islamische Soldatenbetreuung - Finanzierung der islamischen Soldatenbetreuung - Auswahl der islamischen Seelsorger hinsichtlich des Sicherheitsaspektes - Auswahl der islamischen Seelsorger hinsichtlich der Glaubensrichtung - Organisationsform der islamischen Soldatenbetreuung - Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten der islamischen Seelsorger - Betreuungsschlüssel und Vorhandensein von Gebetsräumen 3. Zur aktuellen Situation der Seelsorge in Deutschland 3.1. Militärische Seelsorge in Deutschland 1956-2019 Artikel 4 des Grundgesetzes garantiert die Freiheit des Glaubens33 und die ungestörte Religionsausübung 34. Darüber hinaus ist Artikel 140 zu erwähnen. In diesem wird festgelegt, dass die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 Bestandteil des Grundgesetzes vom 23. Mai 1949 sind. Insbesondere geht Art. 141 von 1919 33 Art. 4 (1) GG: Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.gesetze-im-internet .de/gg/art_4.html 34 Art. 4 (2) GG: Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_4.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 14 in Artikel 140 GG von 1949 über: Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist.35 Laut § 36 des Soldatengesetzes (SG) vom 1. April 1956 hat jede Soldatin bzw. jeder Soldat „einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung“, wobei die Teilnahme am Gottesdienst freiwillig ist36. In der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) A-2600/1 der Bundeswehr heißt es hierzu: „Die Militärseelsorge in der Bundeswehr ist der vom Staat gewünschte und unterstützte und von den Kirchen geleistete Beitrag zur Sicherung der freien religiösen Betätigung und der seelsorgerischen Begleitung der Soldatinnen und Soldaten“. Die Militärseelsorge ist ein eigenständiger Organisationsbereich der Bundeswehr, sie wird von Staatsverträgen geregelt. Für die katholische Seelsorge gilt das Reichskonkordat vom 20. Juli 1933 fort. Der Vertrag zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22. Februar 1957 mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurde durch das Gesetz37 über die Militärseelsorge vom 26. Juli 1957 umgesetzt. Seit 1957 fungieren das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr (EKA) und das Katholische Bischofsamt (KMBA) als zentrale Leitungen. Für die christliche Militärseelsorge hat das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) 2018 ca. 43 Millionen Euro ausgegeben.38 Der Staat übernimmt die Organisation und Finanzierung der Militärseelsorge, die Kirchen stellen die Seelsorger und sind für die Inhalte verantwortlich.39 Militärseelsorger waren bis zur (Wieder-)Einführung eines Militärrabbinats ausschließlich christliche Geistliche, die für einige Jahre von ihren Heimatdiözesen oder Ordensgemeinschaften für diesen Dienst freigestellt wurden . Bei ihrer seelsorgerlichen Tätigkeit sind die Militärgeistlichen ausschließlich kirchlichem Recht unterworfen. Die praktische und operative Umsetzung der Seelsorge ist vielleicht am besten durch ein Zitat von Oberst Burkhard Köster, Referatsleiter Innere Führung und Militärseelsorge im Bundesverteidigungsministerium anlässlich der Arbeitsausschusssitzung der Deutschen Islam Konferenz 35 Art. 140 GG (Fn. Art. 141) : Soweit das Bedürfnis nach Gottesdienst und Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen, wobei jeder Zwang fernzuhalten ist., abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_140.html 36 Gesetz über die Rechtsstellung der Soldaten (Soldatengesetz - SG), BMJ, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.gesetze-im-internet.de/sg/BJNR001140956.html 37 Gesetz über die Militärseelsorge (MilSeelsG), abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.gesetze-im-internet .de/milseelsg/BJNR207010957.html 38 Warten auf Imame für Bundeswehr-Soldaten, Julia Weigelt, Streitkräfte und Strategien, NDR Info, 8. August 2019, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/streitkraefte _und_strategien/Warten-auf-Imame-fuer-Bundeswehr-Soldaten,streitkraefte562.html 39 Für- und Seelsorge, BMVg, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.bmvg.de/de/themen/personal/fuerund -seelsorge Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 15 (DIK) im Bundesministerium der Verteidigung im April 2016 beschrieben: „Artikel Eins Grundgesetz muss für jeden Soldaten und jede Soldatin Grundlage des Dienens sein. Die Werteordnung unseres Grundgesetzes hat grundsätzlich Vorrang vor religiösen Befindlichkeiten. Die Militärseelsorge muss damit im Einklang stehen. Diese Prämisse steht nicht zur Disposition.“40 3.2. (Wieder-) Einführung eines Militärrabbinats 2019 Mit der Erweiterung der Militärseelsorge soll einerseits die gewachsene Vielfalt und andererseits die weltanschauliche Neutralität der Bundeswehr unterstrichen werden41. Die Bundesrepublik Deutschland hat deshalb am 20. Dezember 2019 einen Militärseelsorgestaatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland abgeschlossen.42 Der Sitz der Bundesbehörde „Militärrabbinat“ wird in Berlin sein. Die Berufung der ersten Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner wird in Abstimmung mit der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschlands und der Allgemeinen Rabbinerkonferenz im Laufe des Jahres 2020 erfolgen. Der Zentralrat der Juden in Deutschland wird in Abstimmung mit der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland und der Allgemeinen Rabbinerkonferenz die Kandidatinnen und Kandidaten für Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner vorschlagen. Die Seelsorger werden bei Bedarf auch in die Einsatzgebiete der Bundeswehr reisen. Deshalb wird im Rahmen der Auswahl der Seelsorger auf die gesundheitliche und fachliche Eignung ebenso Wert gelegt, wie auf eine Sicherheitsüberprüfung. Die fachliche Aufsicht über das theologische Wirken wird beim Zentralrat liegen, die Dienstaufsicht über die Arbeit der Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner bei der Bundeswehr“.43 40 Oberst Burkhard Köster, Referatsleiter FüSK III 3 (Innere Führung und Militärseelsorge), zu den rechtlichen Grundlagen, Perspektiven und Erwartungen an die Militärseelsorge anlässlich der Arbeitsausschusssitzung der Deutschen Islam Konferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 27. April 2016 https://www.katholische -militaerseelsor-ge.de/fileadmin/kunde/aktuelles/2016/05_2016/20160503_vortrag_koester_ZInF_militaerseelsorge .pdf 41 Bundeswehr bekommt Militär-Rabbiner – Seelsorgerisches Angebot in den Streitkräften wird schrittweise erweitert, BMVg, Pressemitteilung, 2. April 2019, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/37918/b09f6bf2cc12f4c062d6116fe537a54b/20190402-seelsorgerisches-angebot-in-den-streitkraeften -wird-schrittweise-erweitert-data.pdf 42 Annegret Kramp-Karrenbauer und Josef Schuster unterzeichnen Staatsvertrag für jüdische Seelsorge in der Bundeswehr, Jüdische Allgemeine, 20. Dezember 2019, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.juedische -allgemeine.de/politik/ein-historischer-tag/ 43 Bundeswehr bekommt Militärrabbiner – Unterzeichnung des Staatsvertrags für jüdische Militärseelsorge im Rahmen des jüdischen Gemeindetags 2019 des Zentralrates der Juden, BMVg, Pressemitteilung vom 20. Dezember 2019, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/167368/114b17cdd1324b8fd3d85585b97a4f34/20191220-download-pm-militaerrabbiner-data.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 16 Somit wird es nach rund 100 Jahren wieder jüdische Militärrabbiner in den deutschen Streitkräften geben, denn schon im Ersten Weltkrieg gab es eine jüdische Feldseelsorge.44 Bei einer Annahme von etwa 300 Soldaten jüdischen Glaubens werden langsam aufwachsend bis zu insgesamt zehn Militärrabbinerinnen und Militärrabbiner eingestellt werden.45 Der im Vergleich zu anderen Religionen hohe Betreuungsschlüssel von 1 zu 30 erklärt sich durch die Verteilung der zu betreuenden Soldatinnen und Soldaten auf das ganze Gebiet der Bundesrepublik beziehungsweise in den Einsatzgebieten. 3.3. Islam in Deutschland Laut einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 2016 lebten Ende 2015 zwischen 4,4 und 4,7 Millionen muslimischer Männer und Frauen in Deutschland. Das sind 5,4 bis 5,7 Prozent der Gesamtbevölkerung.46 Diese Zahlen decken sich weitestgehend mit den Zahlen einer europaweiten Studie des amerikanischen Pew Research Centers, die Daten aus dem Jahr 2016 auswertet.47 In dieser Studie wird davon ausgegangen, dass die muslimische Bevölkerung einen Anteil von 6,1 Prozent der Gesamtbevölkerung Deutschlands ausmacht. Der geringfügige Unterschied zwischen beiden statistischen Erhebungen erklärt sich, aller Wahrscheinlichkeit nach, aufgrund von unvermeidbaren methodischen Unschärfen und aufgrund der leichten Ablage im Erhebungszeitraum. Um eine gute Vergleichbarkeit zwischen den Ländern zu ermöglichen, wurden im Verlauf dieser Ausarbeitung die Daten des Pew Research Centers verwendet . Aufgrund von Schätzungen geht das Bundesministerium des Inneren davon aus, dass in Deutschland Sunniten weiterhin die mit Abstand größte Glaubensrichtung des Islams bilden (ca. 75 Prozent), gefolgt von Aleviten mit einem Anteil von ca. 13 Prozent und Schiiten mit einem Anteil von ca. 7 Prozent. Besonders bemerkenswert ist, dass das muslimische Leben in 44 Rabbiner an die Front – Buch über jüdische Feldseelsorger erschienen, Alice Lanzke, Aus der Jüdischen Welt, Deutschlandfunk Kultur, 10. Mai 2013, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.deutschlandfunkkultur .de/rabbiner-an-die-front.1079.de.html?dram:article_id=246285 45 Bundeswehr bekommt Militärrabbiner – Unterzeichnung des Staatsvertrags für jüdische Militärseelsorge im Rahmen des jüdischen Gemeindetags 2019 des Zentralrates der Juden, BMVg, Pressemitteilung, 20. Dezember 2019, abgerufen am 13. Januar 2020 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/167368/114b17cdd1324b8fd3d85585b97a4f34/20191220-download-pm-militaerrabbiner-data.pdf 46 Wie viele Muslime leben in Deutschland, Anja Stichs, Arbeitspapier 71, BaMF, 2016, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/WorkingPapers/wp71-zahl-muslime-deutschland .html?nn=403984 47 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 17 Deutschland aufgrund neuester Migrationsbewegungen vielfältiger geworden ist: 2011 stammten 67,5 Prozent der Muslime aus der Türkei; 2015 ist ihr Anteil auf 50,6 Prozent gesunken.48 Nach einer Studie der Deutschen Islam-Konferenz (DIK) und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) Islamisches Gemeindeleben in Deutschland49 von 2012 gibt es mindestens 2.350 Moscheegemeinden in Deutschland. In ca. 2.180 islamischen Gemeinden ist ein Imam tätig, wobei ein Großteil aus der Türkei nach Deutschland befristet entsendet wird. Die größten sunnitisch geprägten Dachverbände sind die Türkisch-Islamische Union (DITIB, ca. 900 Gemeinden), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland (inkl. Islamische Gemeinschaft Millî Görüş, ca. 400 Gemeinden), der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ, ca. 300 Gemeinden) sowie der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD, ca. 300 Gemeinden). Daneben bestehen noch weitere konfessionell geprägte Dachverbände wie die Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF, ca. 100 Gemeinden), die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS, ca. 140 Gemeinden) sowie die Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ, kein Dachverband). Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş e. V. oder IGMG (zu Deutsch: „Islamische Gemeinschaft Nationale Sicht“) gilt als ideologisch eng verbunden mit der Muslimbruderschaft.50 Sie wird seit der Entstehung des Ablegers im Jahr 1995 in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet. Der Verein wird von der Behörde innerhalb des legalistischen Islamismus verortet.51 Die DITIB untersteht dem Diyanet, dem türkischen Amt für islamische religiöse Angelegenheiten, das selbst dem türkischen Präsidenten direkt untersteht und gilt deshalb als „staats- beziehungsweise regierungsnaher Interessenverband“ der türkischen Regierung in Deutschland. Die DITIB wird von dem Bundesverfassungsschutz jedoch nicht beobachtet.52Auf eine Frage des Bundestagsabgeordneten der Partei Die Linke, Jörn Wunderlich, beschrieb der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern Ole Schröder am 26. Januar 2017 die Rechtsgrundlage 48 Islam in Deutschland, Bundesministerium des Inneren, abgerufen am 8. April 2020 unter https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/staat-und-religion/islam-in-deutschland/islam-indeutschland -node.html 49 Islamisches Gemeindeleben in Deutschland, Deutsche Islam-Konferenz und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Kurzfassung, 13. November 2012, abgerufen am 8. April 2020 unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/themen/heimat-integration/dik/islamisches -gemeindeleben-in-deutschland-kurzfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=2 50 Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG), Konrad Adenauer Stiftung, Marwan Abou-Taam, undatiert, abgerufen am 16. April 2020 unter https://www.kas.de/de/web/islamismus/die-islamische-gemeinschaft-milligoerues -igmg- 51 Verfassungsschutzbericht 2018, Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, S. 224ff, abgerufen am 16. April 2020 unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte /vsbericht-2018 52 DITIB – ein Fall für den Verfassungsschutz ?, Antwort vom 21. März 2019 der Landesregierung Nordrhein-Westfalen auf die Kleine Anfrage 2076 vom 19. Februar 2019 der AfD, Drucksache 17/5515, abgerufen am 16. April 2020 unter https://landtag.nrw.de/Dokumentenservice/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17- 5515.pdf;jsessionid=861C67EF215B225FFBA87138F459F258 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 18 für die Entsendung von DITIB-Imamen nach Deutschland, wie folgt: „DITIB-Imame halten sich mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland auf, die nach § 18 Absatz 4 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) in Verbindung mit § 14 Absatz 1 Nummer 2 der Beschäftigungsverordnung (BeschV)53 erteilt wird. (…) Ein bilaterales Abkommen mit der Türkei zur Entsendung von Imamen besteht nicht. Es gibt ein abgestimmtes sogenanntes Diyanet-Verfahren (…). Vom Diyanet erhalten die Imame ein Bestätigungsschreiben, das im Visumverfahren als ausreichendes Dokument für die Ernsthaftigkeit der beabsichtigten Erwerbstätigkeit in Deutschland anerkannt wird. Zumindest ein Teil der entsandten Imame absolvieren vor der Ausreise nach Deutschland einen Sprachkurs. Der Aufenthalt ist in der Regel auf vier Jahre befristet.“54 Am 28. März 2007 haben die vier größten islamischen Organisationen in Deutschland den Koordinationsrat55 der Muslime in Deutschland (KRM) ohne Rechtspersönlichkeit gegründet. Mitglieder sind der Zentralrat der Muslime in Deutschland, die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland und der Verband der Islamischen Kulturzentren. Zurzeit seiner Gründung vertrat der Koordinationsrat etwa 300.000 Muslime über seine Mitgliedsvereine.56 3.4. Religiöse Vielfalt in der Bundeswehr 3.4.1. Christentum in der Bundeswehr Zurzeit hat Deutschland eine Gesamtbevölkerung von etwa 82 Millionen Einwohnern. Laut Statistik des Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID) gehören ca. 23,3 Millionen zur Römisch-Katholischen Kirche (RKK)57 und ca. 21,5 Millionen zur Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD)58. 53 Nach § 18 Absatz 4 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder die Beschäftigung zustimmungsfrei ist. Nach § 14 Absatz 1 Nummer 2 BeschV bedarf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an vorwiegend aus karitativen oder religiösen Gründen Beschäftigte keiner Zustimmung. 54 Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 30. Januar 2017 eingegangenen Antworten der Bundesregierung, Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Ole Schröder vom 26. Januar 2017 auf die Frage 29 des Abgeordneten Jörn Wunderlich, Deutscher Bundestag, Drucksache 18/11078, S. 23, abgerufen am 16 April 2020 unter http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/18/110/1811078.pdf 55 Koordinationsrat der Muslime in Deutschland (KRM), abgerufen am 27. März 2020 unter http://koordinationsrat.de/ 56 Islamische Verbände, taz, 12. April 2007, abgerufen am 16. April 2020 unter https://taz.de/!294487/ 57 Vgl. Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID), abgerufen am 27. März 2020 unter https://www.remid.de/info_zahlen/katholizismus/ 58 Vgl. Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID), abgerufen am 27. März 2020 unter https://www.remid.de/info_zahlen/protestantismus/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 19 Die Konfessionszugehörigkeit von Bundeswehrangehörigen kann wegen der Freiwilligkeit der Angabe allerdings nur geschätzt werden, da gemäß Soldatengesetz59 (SG) § 29a (3) Angaben zu Religion oder Weltanschauung nicht übermittelt werden dürfen. Laut BMVg waren bei Einführung der Militärseelsorge ca. 98 Prozent der Soldatinnen und Soldaten Angehörige der christlichen Kirchen. Im Vergleich dazu sind Ende 2019 ca. 53.000 Angehörige der evangelischen und 41.000 der römisch-katholischen Kirche60 bei einer Gesamttruppenstärke von etwa 182.000 Mann. Das heißt, dass nur noch 50 Prozent der Soldatinnen und Soldaten einer der beiden christlichen Kirchen angehören, wobei die Zahl der nichtgläubigen Soldatinnen und Soldaten tendenziell weiterhin zunimmt. Die deutschen Soldaten werden Ende 2019 von etwa 100 evangelischen und 80 katholischen Militärpfarrämtern im In- und Ausland betreut.61 Daraus ergibt sich ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 530 bzw. 1 zu 512. Dieser Betreuungsschlüssel entspricht auch den gesetzlichen Vorgaben, denn gemäß Art. 3 des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EKD wurde vereinbart, dass „für je 1.500 evangelische Soldaten ein Militärgeistlicher berufen“62 wird. Es darf in diesem Zusammenhang jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass die Militärgeistlichen in der Praxis auch Nicht-Gläubige seelsorgerisch durch Rat und Tat mitbetreuen. Darüber hinaus bestreiten die katholischen und evangelischen Militärgeistlichen den seit 2010 für Soldaten verpflichtenden Lebenskundlichen Unterricht (LeKU), in dem allgemeine ethische und moralische Grundwerte vermittelt und reflektiert werden. 3.4.2. Judentum in der Bundeswehr Laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. lebten in Deutschland 2015 insgesamt etwa 200.000 Juden, wovon nur die Hälfte in Gemeinden organisiert war63. 59 Soldatengesetz SG Art. 29a (3), abgerufen am 27. März 2020 unter https://www.gesetze-im-internet .de/sg/__29a.html 60 Bundeswehr bekommt Militär-Rabbiner – Seelsorgerisches Angebot in den Streitkräften wird schrittweise erweitert, BMVg, Pressemitteilung, 2. April 2019, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/37918/b09f6bf2cc12f4c062d6116fe537a54b/20190402-seelsorgerisches-angebot-in-den-streitkraeften -wird-schrittweise-erweitert-data.pdf 61 Für- und Seelsorge, BMVg, abgerufen am 13. Januar 2019. https://www.bmvg.de/de/themen/personal/fuer-undseelsorge 62 Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge vom 22. Februar 1957 (ABl. EKD 1957, Nr. 162, Sonderheft), Evangelisch-Reformierte Kirche, abgerufen am 13. Januar 2019. https://www.kirchenrecht-erk.de/document/12142 63 Vgl. Religionswissenschaftlicher Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID), https://www.remid .de/info_zahlen/judentum/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 20 Dem BMVg zufolge dienen Ende 2019 ca. 300 Angehörige des jüdischen Glaubens in der Bundeswehr. Der Zentralrat der Juden in Deutschland bestätigt diese Größenordnung.64 3.4.3. Islam in der Bundeswehr Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) schätzt, dass 2019 um die 1.500 Musliminnen und Muslime Dienst in der Bundeswehr leisten65. Der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland geht von 3.000 muslimischen Soldatinnen und Soldaten aus66 und auch das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) spricht von ca. 3.000 Soldaten muslimischen Bekenntnisses67. Nimmt man an, dass diese Zahl eher zutrifft, so wären etwa 1,75 Prozent der aktuell 182.000 dienenden Soldaten muslimischen Glaubens. Laut der Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) von 2016 sind 27,3 Prozent der Moslems in Deutschland neu Zugewanderte aus den Jahren 2014-15.68 Es ist also zu erwarten, dass mit zunehmender Integration und Zugang zur deutschen Staatsangehörigkeit immer mehr Mitbürger mit islamischen Glauben und/oder Hintergrund den Weg zur Bundeswehr in den nächsten Dekaden finden werden. Auch diese Beobachtung spricht für die frühzeitige Einführung und Institutionalisierung einer islamischen Seelsorge in der Bundeswehr. 64 Josef Schuster über jüdische Seelsorge und die Aufgaben von Rabbinern in der Bundeswehr, Jüdische Allgemeine, 21. Februar 2019, https://www.zentralratderjuden.de/aktuelle-meldung/artikel/news/wir-brauchenmilitaerrabbiner / 65 Multikulturelle und multireligiöse Identität der Bundeswehr 2019, kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT Drucksache 19/9882, 7. Mai 2019, abgerufen am 13. Januar 2019. http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/098/1909882.pdf 66 Islamrat für muslimische Seelsorger in der Bundeswehr, Pressemitteilung vom 12. Dezember 2019. https://www.islamrat.net/post/islamrat-f%C3%BCr-muslimische-seelsorger-in-der-bundeswehr 67 Bundeswehr bekommt Militärrabbiner – Unterzeichnung des Staatsvertrags für jüdische Militärseelsorge im Rahmen des jüdischen Gemeindetags 2019 des Zentralrates der Juden, BMVg, Pressemitteilung vom 20. Dezember 2019, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.bmvg.de/resource /blob/167368/114b17cdd1324b8fd3d85585b97a4f34/20191220-download-pm-militaerrabbiner-data.pdf 68 Wie viele Muslime leben in Deutschland, Anja Stichs, Arbeitspapier 71, BaMF, 2016, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/WorkingPapers/wp71-zahl-muslime-deutschland .html?nn=403984 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 21 3.4.4. Weitere Glaubensrichtungen in der Bundeswehr Es ist nicht bekannt, inwiefern andere Glaubensrichtungen (Buddhismus69, Hinduismus70, Jesidentum71, Orthodoxie72 und Protestantismus73 außerhalb der EKD) in der Bundeswehr vertreten sind. Doch der geringe Beratungs- und Weitervermittlungsbedarf lässt vermuten, dass die Zahl der Gläubigen außerhalb der vier Hauptreligionen äußerst gering sein dürfte, zumal die Beratung von Juden und Muslimen den Löwenanteil der Beratungsleistung ausmachen dürfte. Außerdem sind in dem Zeitraum von Februar 2017 bis Anfang 2019 nur sieben Bundeswehrangehörige mit der 2017 eingerichteten Ansprechstelle74 für Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr unter Thematisierung ihrer allgemeinen Religiosität in Verbindung getreten, was sehr dafür spricht, dass (religiöse) Diversität in der Bundeswehr nicht zur Stigmatisierung führt.75 3.4.5. Soziopolitische Hintergründe für eine islamische Seelsorge Der Zentralrat der Muslime forderte schon 2011 „Militärimame“ für die Bundeswehr76. Zu diesem Zeitpunkt wurde davon ausgegangen, dass ca. 1.200 Soldaten mit muslimischen Glauben 69 In Deutschland leben laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID) etwa 130.000 Buddhisten (2011), abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.remid.de/info_zahlen/buddhismus / 70 In Deutschland leben laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID etwa 100.000 Hinduisten (2012), abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.remid.de/info_zahlen/hinduismus / 71 In Deutschland leben laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID) etwa 150.000 Yesiden (2017), abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.remid.de/info_zahlen/yeziden/ 72 In Deutschland leben laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID) etwa zwei Millionen Anhänger der Orthodoxen Kirchen (Bulgarisch-Orthodoxe Kirche, Rumänisch-Orthodoxe Kirche, Russisch-Orthodoxe Kirche, Serbisch-Orthodoxe Kirche, und Syrisch-Orthodoxe Kirche, usw.) (2017), abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.remid.de/info_zahlen/orthodoxie/ 73 In Deutschland leben laut dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V. (REMID) ca. 340.000 Mitglieder der Neuapostolischen Kirche, ca. 290.000 Mitglieder der Freie Baptisten- und Mennonitengemeinden sowie ca. 170.000 Zeugen Jehovas, abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.remid .de/info_zahlen/protestantismus/ 74 Ansprechstelle für Diskriminierung und Gewalt in der Bundeswehr, Internetseite abgerufen am 23. April 2020 unter https://www.bmvg.de/de/aktuelles/ansprechstelle-fuer-diskriminierung-fuer-ein-besseres-miteinander- 21746 75 Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zum Thema Multikulturelle und multireligiöse Identität der Bundeswehr 2019, Drucksache 19/10428 vom 23. Mai 2019, abgerufen am 23. April 2020 unter https://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/104/1910428.pdf 76 Muslime fordern Militär-Imame für die Bundeswehr, Die Welt, 12. Juli 2011, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.welt.de/politik/deutschland/article13482626/Muslime-fordern-Militaer-Imame-fuer-die-Bundeswehr .html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 22 in den deutschen Streitkräften dienen. Ende 2019 nennt der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland eine geschätzte Zahl von 3.000 muslimischen Soldatinnen und Soldaten77. Die Bundeswehr zeigte sich von Anfang an offen für den Gedanken islamischer Militärseelsorge, vertrat allerdings zunächst die Meinung, dass eine zielführende Betreuung der Betroffenen aufgrund der sehr geringen Anzahl bei gleichzeitiger geographischer Zerstreuung kaum zu implementieren sei.78 In einer Pressemitteilung von Dezember 2019 erklärte der Vorsitzende des Islamrats für die Bundesrepublik Deutschland Burhan Kesici: „Die Verankerung von muslimischen Seelsorgern für muslimische Soldatinnen und Soldaten ist mehr als nur ein Bedürfnis. Sie ist auch eine Frage der Wertschätzung und Gleichbehandlung von muslimischen Soldatinnen und Soldaten in der Bundeswehr. Zudem wäre sie ein wichtiges Signal an die muslimische Bevölkerung in Deutschland und eine starke Werbung für die Bundeswehr“79. Da es im muslimischen Bereich keine mit dem Christentum oder Judentum vergleichbaren zentralen Vertretungsstrukturen gibt, gilt der Abschluss eines Staatsvertrags als rechtlich nicht möglich. Stattdessen könnte die Bundeswehr muslimische Geistliche künftig jedoch mit sogenannten Gestellungsverträgen an sich binden. Gestellungsverträge sind zum Beispiel Verträge eines Schulamtes, mit der Evangelischen Kirche oder einem katholischen Bistum über die Erteilung von Religionsunterricht und Schulseelsorge durch kirchliche Bedienstete. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages Hans-Peter Bartels (SPD) steht dem Vorhaben positiv gegenüber: „Die in der deutschen Islamkonferenz dafür formulierten Voraussetzungen (Beherrschung der deutschen Sprache, anerkannter Hochschulabschluss in islamischer Theologie , gemeindliche Erfahrung in Deutschland) sind angemessen. Imame zu finden, die diese Voraussetzungen erfüllen, dürfte allerdings nicht einfach sein. Allzu lange warten sollte die Bundeswehr mit der Bestellung eines ersten (…) Imams nicht – nicht nur um schnell einen konkreten Bedarf zu decken, sondern um ein Zeichen zu setzen. Sinnvoll wäre es deshalb auch, wenn die von der ehemaligen Verteidigungsministerin [Ursula von der Leyen, Anm. d. Red.] gegenüber einem der Islamverbände, dem Zentralrat der Muslime, angeregte Einrichtung einer ministeriellen Arbeitsgruppe zu Fragen der Einführung einer muslimischen Soldatenbetreuung weiter verfolgt würde. Hilfreich wäre darüber hinaus ein Dialog zwischen Vertretern der etablierten Militärseelsorge der beiden christlichen Kirchen und den muslimischen Organisationen“.80 77 Islamrat für muslimische Seelsorger in der Bundeswehr, Pressemitteilung vom 12. Dezember 2019, abgerufen am 2. März 2020 unter https://www.islamrat.net/post/islamrat-f%C3%BCr-muslimische-seelsorger-in-der-bundeswehr 78 Muslime fordern Militär-Imame für die Bundeswehr, Die Welt, 12. Juli 2011, abgerufen am 13. Januar 2019 unter https://www.welt.de/politik/deutschland/article13482626/Muslime-fordern-Militaer-Imame-fuer-die-Bundeswehr .html 79 Islamrat für muslimische Seelsorger in der Bundeswehr, Pressemitteilung vom 12. Dezember 2019 unter https://www.islamrat.net/post/islamrat-f%C3%BCr-muslimische-seelsorger-in-der-bundeswehr 80 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2019 (61. Bericht), Hans-Peter Bartels, Drucksache 19/16500, 28. Januar 2020, S. 64f. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/165/1916500.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 23 Weiterhin begrüßt der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestags die Absicht einer „Mitarbeit von Militärimamen bei der ethischen Bildung im Rahmen der Inneren Führung“. Die Voraussetzungen für muslimische Militärseelsorger sind vom Bundesministerium für Verteidigung, Anfang April 2019 wie folgt abgesteckt worden: „Ein muslimischer Militärseelsorger in der Bundeswehr muss die deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen und sicherheitsüberprüft sein. Er oder sie muss einen in Deutschland anerkannten Hochschulabschluss in islamischer Theologie besitzen, über eine seelsorgliche oder gemeindliche Erfahrung in Deutschland verfügen und von islamischen Religionsgemeinschaften, die die Zielgruppe der Soldatinnen und Soldaten repräsentieren, in die Bundeswehr entsandt und seitens der Bundeswehr akzeptiert werden. (…) Hier wird für den Beginn mit einer niedrigen einstelligen Zahl an Geistlichen in der Bundeswehr geplant“.81 Zu einem späteren Zeitpunkt präzisierte die damalige Bundesministerin der Verteidigung Ursula von der Leyen: „Militärseelsorger, seien sie Katholiken, Protestanten, Juden oder Moslems – müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Und in Deutschland ausgebildet sein. Im Lebenskundlichen Unterricht müssen die Module untereinander abgestimmt werden“.82 4. Situation in den EU- und NATO-Ländern 4.1. Beziehungsformen zwischen Staat und Religion Die Situation ist in Europa und in Nordamerika ist je nach Land sehr unterschiedlich. Das französische Verteidigungsministerium (Ministère des Armées) legt zum Beispiel drei Grundformen für die Beziehung zwischen Staat und Religion in modernen laizistischen Staaten zugrunde: erstens der Bündnisfall (in dem eine oder mehrere Glaubensgemeinschaften vom Staat offiziell anerkannt wird/werden); zweitens der Trennungsfall (in dem der Staat zu keiner Glaubensgemeinschaft eine Beziehung unterhält, wobei die Glaubensgemeinden sich autonom organisieren dürfen), und 81 Bundeswehr bekommt Militärrabbiner – Seelsorgerisches Angebot in den Streitkräften wird schrittweise erweitert, BMVg, Pressemitteilung, 2. April 2019, abgerufen am 13. Januar 2019. https://www.bmvg.de/resource /blob/37918/b09f6bf2cc12f4c062d6116fe537a54b/20190402-seelsorgerisches-angebot-in-den-streitkraeften -wird-schrittweise-erweitert-data.pdf 82 Von der Leyen verschärft Anforderungen an (muslimische) Militärgeistliche, Thomas Wiegold, Augen gerade aus!, 3. April 2019, abgerufen am 4. März 2020 unter https://augengeradeaus.net/2019/04/von-der-leyen-verschaerft -anforderungen-an-muslimische-militaergeistliche/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 24 drittens der Partnerschaftsfall (in dem der Staat eine formelle oder informelle Kooperation mit mehreren Glaubensgemeinschaft eingeht).83 In der EU gilt demnach der Bündnisfall für das Vereinigte Königreich, Dänemark, Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Ungarn, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Finnland, Österreich, Bulgarien, Kroatien, Zypern, Malta, Polen und die Slowakei. In der EU gilt der Partnerschaftsfall für Frankreich, Deutschland, Schweden, Norwegen, Irland, Estland, Lettland, Litauen, Tschechische Republik, Rumänien, Slowenien. In der NATO gilt der Bündnisfall für Belgien, Dänemark, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Griechenland, Spanien, Ungarn, Polen, Bulgarien, Slowakei, Kroatien. In der NATO gilt der Trennungsfall für die Türkei nach dem Kemalistischen Modell zumindest in der Theorie. So gibt es in der Türkei bis heute keine religiös basierte Seelsorge in Friedenszeiten . Das religiöse Wissen wird stattdessen von Theologen – meist Wehrpflichtige – vermittelt. In der Praxis ist diese Trennung jedoch nicht so klar. Eine 1996 öffentlich bekannt gewordene Verordnung verbat zwar das Beten in den Kasernen der Armee, doch dieses Verbot scheint nicht in den Einsätzen (unter anderem in Afghanistan) zu gelten. Dort leiten wehrpflichtige Theologen die Gebete.84 In der NATO gilt der Partnerschaftsfall für Kanada, die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, Deutschland, Norwegen (seit 2012), die Tschechische Republik, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien und Albanien. Grundsätzlich können darüber hinaus drei Gruppen von Ländern identifiziert werden: Demographisch vom Islam nicht oder wenig tangierte Länder, Demographisch vom Islam tangierte Länder ohne islamische Seelsorge in den Streitkräften, und Demographisch vom Islam tangierte Länder mit islamischer Seelsorge in den Streitkräften. 83 Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 19ff https://www.defense .gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf 84 Religion in the Military Worldwide, Ron E. Esser, University of California, Berkeley, Cambridge University Press, 2013 S. 208-226 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 25 Schließlich gilt es zu unterscheiden, ob es sich um freiwillige Armee handelt, oder ob die Wehrpflicht besteht, denn im letztgenannten Fall können Bürger vom Staat zu einer freiheitseinschränkenden Handlung gezwungen werden, so dass es in dieser Situation dem selben Staat besonders obliegt, dafür Sorge zu tragen, dass die Wehrpflichtigen ihre Religion trotzdem frei ausüben können. Von den 28 EU-Ländern implementieren lediglich acht die eine oder andere Form der Wehrpflicht (Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Litauen, Österreich, Schweden und Zypern).85 4.2. Demographisch nicht oder wenig tangierte Länder In neun Ländern der EU – Estland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, in der Tschechischen Republik, in der Slowakei sowie in Rumänien und Ungarn – liegt die Quote der muslimischen Bevölkerungsanteile an der Gesamtbevölkerung im Jahr 2016 unter 0,5 Prozent.86 Somit dienen aus demographischen Gründen so gut wie keine Soldaten mit einem muslimischen Glaubensbekenntnis in den Streitkräften dieser Länder. In diesem Kapitel werden Länder betrachtet, in denen der Islam weniger als drei Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. 87 4.2.1. Estland Laut dem Pew Research Center liegt der Anteil der muslimischen Bevölkerung in Estland 2016 bei ca. 0,288 Prozent. In Estland gilt eine Wehrpflicht von acht bis elf Monaten.89 Der seelsorgerische Dienst ist ökumenisch organisiert. Er vertritt Kirchen und Gemeinden, die dem estnischen Kirchenrat angeschlossen sind und mit welchem der Staat ein Abkommen (2002) unterschrieben hat. Daher können nur Pastoren und Priester, die von den Mitgliedern des estnischen Kirchenrates ordiniert wurden, Seelsorger werden. Das allgemeine Prinzip ist jedoch, 85 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 5, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 86 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 87 Häufigkeit unter drei Prozent laut der Berechnung vom Pew Research Center für das Jahr 2016. 88 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 89 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 5, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 26 dass der Seelsorgerische Dienst als Bindeglied zwischen der bedürftigen Person und einem Vertreter der jeweiligen Religion fungiert und deren Vermittlung koordiniert, wenn die Notwendigkeit einer religiösen Unterstützung nach den Lehren des Islams geltend gemacht werden sollte. 4.2.2. Finnland Laut einer Schätzung des Pew Research Center von 2016 lag der Anteil der muslimischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung bei 2,7 Prozent. Laut dem finnischen statistischen Amt (Tilastokeskus) bekennen sich 2016 jedoch nur 14.000 Personen in Finnland zum Islam, also knapp 0,3 Prozent der Bevölkerung.90 Dieses Beispiel zeigt stellvertretend, wie schwierig eine zuverlässige Einschätzung der Religionszugehörigkeit in einem Land sein kann. Bemerkenswert ist jedenfalls, dass der Islam mit etwa 1.200 Anhängern in Finnland91 vor dem Jahr 2000 so gut wie keine Rolle gespielt und erst seitdem an Bedeutung zugenommen hat.92 Die meisten Muslime kamen zunächst aus Somalia Anfang des 21. Jahrhunderts. In den letzten Jahren kamen die meisten Muslime vorwiegend aus Afghanistan, dem Irak und Syrien.93 Gemäß Art. 127 der Verfassung gilt die Wehrpflicht in Finnland94 für alle Männer. Frauen dürfen ab 1995 den Militärdienst freiwillig ableisten. Die Wehrpflicht beginnt mit 18 Jahren und dauert zwischen 165 und 347 Tagen je nach Ausbildungsgrad. Finnische Staatsbürger, die weder den Dienst an der Waffe noch den Zivildienst leisten wollen, müssen eine Strafe von 173 Tagen Gefängnis – abzüglich der eventuell schon abgeleisteten Wehrdiensttage – ohne Bewährung verbüßen. Die Zeugen Jehovas sind seit dem 27. Februar 2019 nicht mehr vom Wehrdienst befreit.95 90 Belonging to a religious community by age and sex, 2000-2019, Statistics Finland's PxWeb databases, abgerufen am 13. März 2020 unter http://pxnet2.stat.fi/PXWeb/pxweb/en/StatFin/StatFin__vrm__vaerak/statfin _vaerak_pxt_11rx.px/chart/chartViewColumn/ 91 Population by religious community in 2000 to 2015 Statistics Finland, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.stat.fi/til/vaerak/2015/01/vaerak_2015_01_2016-09-23_tau_006_en.html 92 Immigrants and integration, Immigrants in the population, Persons born abroad, Statistics Finland, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.stat.fi/tup/maahanmuutto/maahanmuuttajat-vaestossa/ulkomailla-syntyneet _en.html 93 Immigrants and integration, Immigrants in the population, Persons born abroad, Statistics Finland, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.stat.fi/tup/maahanmuutto/maahanmuuttajat-vaestossa/ulkomailla-syntyneet _en.html 94 Ausgenommen davon sind die Einwohner der demilitarisierten Insel Åland, die einen Ersatzdienst leisten können und nur auf Wunsch den Wehrdienst auf dem Festland ableisten. 95 Jehovah's Witnesses lose exemption from military service, Yle, 28. Februar 2019, abgerufen am 3. März 2020 unter https://yle.fi/uutiset/osasto/news/jehovahs_witnesses_lose_exemption_from_military_service/10666555 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 27 Laut Erkenntnissen aus Finnland sind zurzeit etwa 1,8 Prozent der Wehrpflichtigen oder etwa 350 Staatsbürger pro Jahr islamischen Glaubens. In Finnland sind alle militärische Seelsorger Lutherischer Konfession. Nach Bedarf können einige griechisch-orthodoxe Priester herangezogen werden. Die zentrale Dienstverordnung sieht vor, dass die militärischen Seelsorger für alle Soldaten ungeachtet der Glaubensgemeinschaft oder Konfession zuständig sind. Es gibt es keine Gebetsräume für Muslime aber es besteht die Möglichkeit die „Räume der Stille“ (Hiljaisuuden huone) mitzubenutzen, die für alle Glaubensgemeinschaften offen sind. Die Dienstverordnungen ermöglichen die Einnahme von religionsgerechten Mahlzeiten sowie die Einreichung von Urlaub während der islamischen Feste. Gebetszeit kann auch während der Dienstpausen gewährt werden. Die finnischen Behörden haben geprüft, ob muslimische Seelsorger perspektivisch berufen werden könnten, und sind zum Schluss gekommen, dass die gleichen Einstellungskriterien wie für die anderen Seelsorger Anwendung finden: Militärdienst in den Streitkräften, gute physische und psychische Verfassung (beides wird geprüft) sowie ein Master-Abschluss von einer öffentlichen Universität. 4.2.3. Kroatien Der muslimische96 Bevölkerungsanteil beträgt in Kroatien laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 etwa 1,6 Prozent.97 2008 wurde der Wehrdienst ausgesetzt.98 Die Republik Kroatien hat eine lange gemeinsame Geschichte mit dem Islam. Schon 1916 erkannte das kroatische Parlament (innerhalb des Kaiserreichs Österreich-Ungarns) den Islam als offizielle Religion an und gewährte ihm den gleichen Status wie der katholischen und der jüdischen Gemeinde. Die aktuelle Verfassung der Republik Kroatien garantiert durch den Art. 40 Gewissens- und Religionsfreiheit und erklärt mit Art. 41, dass alle Religionsgemeinschaften vor dem Gesetz gleich und klar vom Staat getrennt sind. Am 18. Oktober 2005 unterzeichneten das Verteidigungsministerium und die Islamische Gemeinschaft in Kroatien das Protokoll über die Seelsorge muslimischer Angehöriger der kroatischen Streitkräfte, um die Kooperation zu fördern und Muslimen innerhalb der kroatischen Streitkräfte bessere Bedingungen zu bieten. Dabei werden zum Beispiel islamische Festtage berücksichtigt oder Freitagsgebete ermöglicht. Darüber hinaus soll dadurch zur Förderung des Dialogs und 96 Es handelt sich ausschließlich um Sunniten. 97 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 98 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 5, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 28 Schaffung einer Vertrauensbasis für alle muslimischen Bürger der Republik Kroatien beigetragen werden. Die kroatischen Streitkräfte haben derzeit keinen islamischen Seelsorger, aber Verhandlungen über die Zulassung eines solchen werden geführt. Nichtsdestotrotz gibt es Teilzeitverträge auf Jahresbasis mit zurzeit drei Imamen, die als Gastlektoren für die Wissensvermittlung über den Islam von den kroatischen Streitkräften beschäftigt werden. Diese Imame müssen kroatische Staatsbürger sein, ein Diplom in islamischen Wissenschaften vorweisen und von der islamischen Gemeinschaft in Kroatien entsandt werden. 4.2.4. Polen In Polen liegt der Anteil der muslimischen Bevölkerung laut dem Pew Research Center unter 0,199 Prozent im Jahr 2016. 2009 wurde der Wehrdienst abgeschafft.100 In Polen wird das Verhältnis des Staates zu 18 Kirchen und konfessionellen Gemeinschaften durch separate Abkommen festgelegt. Es gibt auch 166 Kirchen und konfessionelle Gemeinschaften , die ohne individuelles Abkommen registriert sind. Nur bei drei Kirchen sehen die einschlägigen Gesetze einen militärischen geistlichen Dienst vor. Dies sind die katholische Kirche, die polnische autokephale orthodoxe Kirche und die evangelische Kirche des Augsburger Bekenntnisses in Polen. Die Dienste des evangelischen Seelsorgers erstrecken sich aufgrund interkonfessioneller Vereinbarungen nicht nur auf Lutheraner, sondern auch auf andere protestantische Konfessionen. Die Muslimische Religionsunion in der Republik Polen ist die einzige muslimische Vereinigung mit einer statutarischen Anerkennung. Das Gesetz (1936) über das Verhältnis des Staates zur Muslimischen Religionsunion in der Republik Polen sieht jedoch keine muslimische Militärseelsorge vor. 99 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017 https://www.pewforum .org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 100 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 6, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 29 4.2.5. Portugal In Portugal besteht die Bevölkerung laut der letzten Volkszählung von 2011 zu 81 Prozent aus Christen römisch-katholischen Glaubens. Muslime machen lediglich 0,23101 bis 0,4102 Prozent der Bevölkerung aus. Obwohl Portugal das Prinzip der Trennung von Staat und Religion in seine Verfassung geschrieben hat, dürfen Soldaten religiös und seelsorgerisch begleitet werden. Die Begleitung der römisch-katholischen Soldaten basiert auf dem Konkordat von 2004 zwischen dem portugiesischen Staat und dem Vatikan. Darüber hinaus können die Seelsorger laut Gesetz religionsübergreifend eingesetzt werden. In Anbetracht der verschwindend geringen Anzahl von Muslimen im Land und der überschaubaren Gesamtstärke der portugiesischen Streitkräften von nur 30.000 Mann, kann die etwaige Notwendigkeit einer regelmäßigen religionsgerechten Betreuung von Muslimen als sehr hypothetisch gelten. Außerdem wurde ab 2004 die Wehrpflicht (in Friedenszeiten) abgeschafft.103 Nach aktueller Gesetzeslage wäre die Implementierung einer Seelsorge jedoch hypothetisch möglich unter der Voraussetzung, dass ein Staatsvertrag zwischen einer Glaubensgemeinschaft und dem Portugiesischen Staat zustande kommt. 4.2.6. Ungarn In Ungarn macht der Anteil der muslimischen Bevölkerung laut dem Pew Research Center im Jahr 2016 etwa 0,4104 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. 2009 wurde der Wehrdienst (in Friedenszeiten) abgeschafft.105 Der 1994 gegründete Militärseelsorgedienst der ungarischen Streitkräfte bietet den Soldaten der vier historischen Glaubensgemeinschaften des Landes seelsorgerische Unterstützung: Katholiken, Lutheraner, Juden und reformierte Kirche. Darüber hinaus dürfen alle registrierten 101 Laut dem Zensus von 2011. 102 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017 https://www.pewforum .org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 103 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 6, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 104 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017 https://www.pewforum .org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 105 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 6, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 30 Religionsgemeinschaften und Kirchen religiöse Aktivitäten entsprechend den Bedürfnissen der Soldaten durchführen. Derzeit ist jedoch keine andere Kirche in den ungarischen Streitkräften vertreten. 4.2.7. Vereinigte Staaten von Amerika Laut dem Pew Research Center leben 2017 etwa 3,45 Millionen Muslime in den USA. Damit machen sie in etwa 1,1 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.106 Dabei sind etwa 21 Prozent der Muslime Konvertiten.107 Die muslimische Glaubensgemeinschaft verliert allerdings jedes Jahr auch 23 Prozent ihrer Anhänger, die sich im Erwachsenenalter mit der Religion ihrer Kindheit nicht mehr identifizieren, so dass diesbezüglich eine Art Ausgleich stattfindet.108 In den USA wurde die Wehrpflicht ab 1973 de facto ausgesetzt, Männer müssen sich lediglich innerhalb von einem Monat nach dem 18. Geburtstag beim Selective Service System109 registrieren lassen.110 Die US-Streitkräfte verfügten Anfang 2020 über knapp 1,4 Millionen Soldaten im aktiven Dienst.111 Laut einer Statistik des Pentagons auf Basis einer freiwilligen Meldung der Soldaten gab es 2015 mindesten 5.900 Muslime in den US-Streitkräften, wobei diese Zahl vermutlich wesentlich höher war, denn von den 2,2 Millionen Befragten (aktive Soldaten und Reservisten) haben 400.000 keine Angabe gemacht.112 106 New estimates show U.S. Muslim population continues to grow, Besheer Mohamed, Facttank, Pew Research Center, 3. Januar 2018, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.pewresearch.org/facttank /2018/01/03/new-estimates-show-u-s-muslim-population-continues-to-grow/ 107 America’s Changing Religious Landscape, Chapter 2: Religious Switching and Intermarriage, Pew Research Center, 12. Mai 2015, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2015/05/12/chapter-2-religious -switching-and-intermarriage/#retention-of-childhood-members-hindus-muslims-and-jews-most-successful -at-retaining-adherents 108 US Muslims concerned about their place in society, but continue to believe in the american dream, Chapter 6. Religious beliefs and practices Pew Research Center, 26. Juli 2017, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/07/26/religious-beliefs-and-practices/#one-in-five-muslims-are-converts 109 Selective Service System https://www.sss.gov/register/benefits-and-repercussions/ 110 U.S. military draft ends, Jan. 27, 1973, Andrew Glass, 27. Januar 2012, Politico, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.politico.com/story/2012/01/us-military-draft-ends-jan-27-1973-072085 111 DoD Personnel, Workforce Reports & Publications, Defense Manpower Data Center, Daten für Januar 2020 abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.dmdc.osd.mil/appj/dwp/dwp_reports.jsp (Zahlen inkl. US Army, US Navy, US Air Force, US Marine Corps und US Coast Guard). 112 More than 5,000 Muslims Serving in US Military, Pentagon Says, Mariam Khan and Luis Martinez, 8. Dezember 2015, abc news, abgerufen am 18. März 2020 unter https://abcnews.go.com/US/5000-muslims-serving-us-military -pentagon/story?id=35654904 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 31 Damit im Falle des Todes eine religionsgerechte Beerdigung vorgenommen werden kann, ist es seit 1953 möglich den Buchstaben „I“ – später das Wort „Islam“113 – zur Kennung der Religion auf der Erkennungsmarke eintragen zu lassen. Die Initiative kam von Veteranen, denn damals gab es geschätzt weniger als 33.000 Moslems im ganzen Land. Deshalb war die islamische Glaubensgemeinschaft in den Streitkräften so gut wie nicht „sichtbar“.114 2009 gab das amerikanische Verteidigungsministerium (Department of Defense, DoD ) eine Vorschrift zur Umsetzung von Religiösen Praktiken in den Streitkräften (Accommodation of Religious Practices Within the Military Services) heraus. Diese erkennt grundsätzlich das Recht auf Religionsfreiheit, setzt aber gleichzeitig auf eine Fall-zu-Fall-Regelung: „Das Verteidigungsministerium legt großen Wert auf das Recht der Soldaten, die Grundsätze ihrer jeweiligen Religionen zu beachten. (…) Sofern sich dies nicht nachteilig auf die militärische Bereitschaft, den Zusammenhalt der Einheiten sowie die Ordnung und Disziplin auswirkt, werden die Teilstreitkräfte den individuellen Ausdruck aufrichtiger Überzeugungen (Gewissen, moralische Grundsätze oder religiöse Überzeugungen) der Soldaten berücksichtigen. (…) Anträge auf Berücksichtigung religiöser Praktiken werden fallbezogen geprüft. Jede Anfrage muss anhand ihrer einzigartigen Sachlage geprüft werden.“ 115 Das amerikanische Heer hat 2017 das Tragen von Bart, Turban und Hidschab aus religiösen Gründen erlaubt.116 Zum ersten Mal erhielt ein muslimischer Soldat 2018 die Genehmigung der US-Luftwaffe, einen Bart im Dienst aufgrund von religiösen Gründen zu tragen.117 Anfang Februar 2020 lockerte die US-Luftwaffe ihre eigene Regelung und erlaubte nunmehr grundsätzlich das Tragen von Bart, Turban, und Hidschab,118 während die US-Marine bei der Fall-zu- Fall-Regelung geblieben ist.119 113 Seit dem Vietnamkrieg wird die Religionsangabe ausgeschrieben. 114 The Khan Family and American History's Hidden Muslim Soldiers, Lily Rothman, Time Magazin, 3. August 2016, abgerufen am 18. März 2020 unter https://time.com/4432865/khan-muslim-american-soldiers-history/ 115 Accommodation of Religious Practices Within the Military Services, DoD Instruction 1300.17 vom 10. Februar 2009, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.esd.whs.mil/Portals/54/Documents/DD/issuances /dodi/130017p.pdf 116 New Army policy OKs soldiers to wear hijabs, turbans and religious beards, Meghann Myers, Army Times, 5. Januar 2017, abgerufen am 20. März 2020 unter https://www.armytimes.com/news/yourarmy /2017/01/05/new-army-policy-oks-soldiers-to-wear-hijabs-turbans-and-religious-beards/ 117 Airman becomes the first Muslim to be granted service’s beard waiver for observing religion, Air Force Time, J.D. Simkins, 20. November 2018, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.airforcetimes.com/news/yourair -force/2018/11/20/muslim-airman-granted-air-forces-first-beard-waiver/ 118 Air Force officially OKs beards, turbans, hijabs for religious reasons, Stephen Losey, Air Force Time, 11. Februar 2020 https://www.airforcetimes.com/news/your-air-force/2020/02/11/air-force-officially-oks-beards -turbans-hijabs-for-religious-reasons/ 119 Pensacola NAS sailor wants permission to wear hijab head covering during training, Melissa Nelson Gabriel, Pensacola News Journal, 11. Dezember 2019, abgerufen am 18. März 2020 unter https://eu.pnj.com/story/news/military/2018/02/15/pensacola-naval-air-station-sailor-wants-permission-wearhijab -head-covering-during-training/338712002/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 32 In der Regel sind koschere und halale Essensrationen (MRE)120 in jeweils zwölf Menü- Variationen verfügbar.121 Die Rekrutierung von Seelsorgern in die US-Streitkräfte ist in der Vorschrift zur Ernennung von Seelsorgern in den Teilstreitkräften (Guidance for the Appointment of Chaplains for the Military Departments) geregelt.122 Bei der Ernennung von islamischen Seelsorgern erfolgt die religiöse Billigung durch die Islamische Gesellschaft Nordamerikas (Islamic Society of North America)123. Jeden Freitag betet ein Imam im Pentagon, weiterhin gibt es jeden Tag ein islamisches Gebet in Camp Lejeune in North Carolina.124 2017 wurde der erste islamische Seelsorger auf Divisionsebene (ein Oberstleutnant) im amerikanischen Heer ernannt.125 Im Januar 2020 wurde die erste islamische Seelsorgerin von der US Luftwaffe verpflichtet.126 Die Situation der muslimischen Soldaten in den US-Streitkräften ist trotz diesen guten Prämissen jedoch nicht die einfachste. Im Jahr 2009 schrieb der öffentlich-rechtliche Radiosender NPR (National Public Radio), dass der Militärdienst für Muslime eine Herausforderung sei.127 2013 ergab eine Meinungsumfrage, dass 44 Prozent der Amerikaner den Patriotismus von amerikanischen Muslimen anzweifeln.128 In einem Fall aus dem gleichen Jahr beklagte sich eine 120 Meal Ready to Eat (Vergleichbar der deutschen Einmannpackung) 121 Meal, Religious, Kosher/Halal, Troop Support Subsistence, Defense Logistic Agency, abgerufen am 20. März 2020 unter https://www.dla.mil/TroopSupport/Subsistence/Operational-rations/relkoshhal/ 122 Guidance for the Appointment of Chaplains for the Military Departments, Instruction 1304.28, Department of Defense (DoD), 11. März 2004, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.esd.whs.mil/Portals /54/Documents/DD/issuances/dodi/130428p.pdf?ver=2019-02-26-152326-953 123 Islamic Society of North America, Internet-Seite abgerufen am 20. März 2020 unter http://www.isna.net/ 124 Muslims in the Military: The Few, the Proud, the Welcome, Dave Philipps, The New York Times, 2. August 2016, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.nytimes.com/2016/08/03/us/muslims-us-military.html 125 Army's First Muslim Division-Level Chaplain Serves All Faiths, Pamela Kulokas, Northwest Guardian, 1. Juni 2017, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.defense.gov/Explore/News/Article/Article /1199437/armys-first-muslim-division-level-chaplain-serves-all-faiths/ 126 Air Force commissions first female Muslim chaplain, Armando A. Schwier-Morales, Pressemitteilung, US Air Force, 10. Januar 2020 abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.af.mil/News/Article-Display/Article /2054311/air-force-commissions-first-female-muslim-chaplain/ 127 Military Service A Challenge For Muslim Americans, Liz Halloran, National Public Radio, 6. November 2009, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.npr.org/templates/story/story.php?storyId=120185651 128 44% Question Muslim-American Patriotism, YouGov, 24. April 2013, abgerufen am 18. März 2020 unter https://today.yougov.com/topics/politics/articles-reports/2013/04/25/44-question-muslim-american-patriotism Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 33 christliche Soldatin, aufgrund ihres arabisch klingenden Namens regelmäßig schikaniert worden zu sein.129 Einem Artikel der New-York-Times von 2016 zufolge: „haben 15 Jahre Krieg in muslimischen Ländern den Dienst in den US-Streitkräften zu einem kulturellen Minenfeld gemacht. Bei einigen nichtmuslimischen Soldaten wird der Islam selbst, nicht der Extremismus, oft als Problem angesehen. In Interviews sagten muslimische Soldaten, sie seien alle zu der einen oder anderen Zeit (…) mit Terroristen gleichgesetzt worden. Es wurde schlimmer, nachdem 2009 in Fort Hood 13 Menschen von einem Armee-Psychiater getötet wurden,130 der sagte, die Kriege der Vereinigten Staaten im Irak und in Afghanistan seien Kriege gegen alle Muslime.131 Andere Probleme ergeben sich aus den kulturellen Barrieren, wie dem Verbot von Gesichtsbehaarung und dem Umgang mit militärischer Nahrung, die oft reich an Schweinefleisch ist und deshalb vom Islam verboten ist. Nur wenige Stützpunkte haben muslimische Gebetsdienste, und nur fünf der rund 2.900 Armeeseelsorger sind Imame.“132 Geht man davon aus, dass es mehr als 6.000 Moslems in den US-Streitkräften gibt, so liegt der Betreuungsschlüssel bei (vermutlich weit) unter 1 zu 1.000. 129 Soldier says she faced harassment over Muslim name, Michael Biesecker, Associated Press / Stars and Stripes, 9. Mai 2013, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.stripes.com/news/army/soldier-says-she-facedharassment -over-muslim-name-1.220201 130 Bei dem Anschlag wurden 13 Menschen sowie ein ungeborenes Kind getötet, 33 Menschen (darunter der Attentäter) wurden verletzt. (vgl. 2009 Fort Hood shooting, Wikipedia, abgerufen am 19. März 2020 unter https://en.wikipedia.org/wiki/2009_Fort_Hood_shooting9 . Es ist davon auszugehen, dass die Spannungen auf absehbare Zeit bestehen bleiben, denn am 6. Dezember 2019 erschoss ein Leutnant der Saudi-Arabischen Luftwaffe drei US-Soldaten und verletzte weitere acht auf der Naval Air Station Pensacola in Florida in einem Anschlag mit extrem-islamistischen Hintergrund. (vgl. Naval Air Station Pensacola shooting, Wikipedia, abgerufen am 19. März 2020 unter https://en.wikipedia.org/wiki/Naval_Air_Station_Pensacola_shooting. 131 Muslims in the Military: The Few, the Proud, the Welcome, Dave Philipps, The New York Times, 2. August 2016, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.nytimes.com/2016/08/03/us/muslims-us-military.html 132 Muslims in the Military: The Few, the Proud, the Welcome, Dave Philipps, The New York Times, 2. August 2016, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.nytimes.com/2016/08/03/us/muslims-us-military.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 34 4.3. Demographisch tangierte Länder ohne islamische Seelsorge 4.3.1. Bulgarien Der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung liegt in Bulgarien im Jahr 2016 bei 11,1 Prozent. EU-weit ist es der zweithöchste Anteil nach Zypern (25 Prozent).133 2008 wurde der Wehrdienst abgeschafft.134 In Bulgarien, wo nach offiziellen Angaben 85 Prozent der Bevölkerung der Orthodoxen Kirche angehören, existiert seit Ende des Zweiten Weltkriegs eine strenge Trennung von Staat und Kirche, so dass sämtliche Soldaten der bulgarischen Berufsarmee ihre religiöse Pflichten und Bedürfnisse lediglich außerhalb der Dienstzeiten und Dienststellen nachgehen dürfen. Diese Regelung betrifft auch mehrere Duzend135 Muslime die sich für eine militärische Karriere entschieden haben. Demzufolge gibt es in Bulgarien keine militärischen Seelsorger, weder für Orthodoxe noch für Muslime. 4.3.2. Dänemark Der muslimische Bevölkerungsanteil beträgt in Dänemark laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 etwa 5,4 Prozent.136 Das ist etwas weniger als in Deutschland, wo die gleiche Studie einen Anteil von 6,1 Prozent festgestellt hat. In Dänemark ist die Wehrpflicht in der dänischen Verfassung (Art. 81) verankert. Das Wehrpflichtgesetz (Art. 2) regelt näheres und sieht für alle körperlich gesunden Männer über 18 Jahre einen Dienst von vier bis zwölf Monaten vor. Die faktische Einberufung zum Dienst erfolgt dann entweder aufgrund einer Freiwilligkeitsmeldung und – falls nötig – ergänzend nach dem Zufallsprinzip .137 2014 lag die Freiwilligenquote bei 99,1 Prozent. Frauen können freiwillig Dienst ableisten. 133 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017 https://www.pewforum .org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 134 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 4, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 135 Schätzung – das Erheben der Religionszugehörigkeit ist in Bulgarien gesetzeswidrig. 136 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 137 19 unge tvunget i militæret, Danmarks Radio, 13. Oktober 2014, (Dänisch) abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.dr.dk/nyheder/indland/19-unge-tvunget-i-militaeret Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 35 Das dänische Verteidigungsministerium (Forsvarsministeriet) strebt eine vielfältige und integrative Organisation an. Alle unterstellten Personen haben gemäß dem Leitfaden138 von 2003 zur Verwaltung der praktischen Wünsche und Bedürfnisse religiöser Art in den Bereichen Urlaub, Ernährung, Gebet, Krankheit, Tod und Beerdigung, das Recht ihren religiösen Überzeugungen nachzugehen. In dieser Hinsicht werden geäußerte Wünsche und Bedürfnisse erfüllt, solange die Glaubensgemeinschaft vom Ministerium für kirchliche Angelegenheiten anerkannt wurde und der dienstliche Ablauf davon ungestört bleibt. Seit 2003 wird auch ein Befehl des Verteidigungskommandos veröffentlicht, an dem die islamischen und jüdischen Feiertage für das jeweilige Jahr genannt werden.139 Der Seelsorgedienst im Verantwortungsbereich des dänischen Verteidigungsministeriums findet gemäß Gesetz unter der Obhut der (evangelisch-lutherischen) Dänischen Kirche statt. Der Seelsorger hat jedoch die Pflicht, Soldaten anderer religiöser Organisationen zu helfen. Falls nötig, soll er Verbindung zu Vertretern der Glaubensgemeinschaft von nicht evangelisch-lutherischen Soldaten aufnehmen. Aus diesem Grund gibt es keine islamischen Seelsorger. Es gibt auch keine Gebetsräume, wobei ad hoc-Lösungen im Bedarfsfall ausdrücklich möglich sind. 4.3.3. Griechenland Der muslimische Bevölkerungsanteil beträgt in Griechenland laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 etwa ca. 5,7 Prozent.140 Das ist etwas weniger als in Deutschland, wo die gleiche Studie einen Anteil von 6,1 Prozent festgestellt hat. Die muslimische Minderheit ist die einzige offiziell anerkannte Minderheit in Griechenland. Auf Basis des Vertrags von Lausanne vom 24. Juli 1923 galt für die muslimische Bevölkerung die Anwendung der Scharia (z.B. für Fragen des Scheidungs- und Erbrechtes) bis zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Jahr 2018, das die Praxis als diskriminierend einstufte.141 142 138 Vejledning, inden for områderne helligdage, kost, bøn, sygdom, død og begravelse. 139 Historisk tidslinje for ligebehandlings- og mangfoldighedstiltag i forsvaret 1962-2015, Værnsfælles Forsvarkommando , abgerufen am 4. März 2020 unter https://www2.forsvaret.dk/omos/fakta-kultur/mangfoldighed /Documents/Historisk%20tidslinie%20-%20Ligestilling%20og%20mangfoldighed%20i%20Forsvaret.pdf 140 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 141 Sharia law applied to an inheritance dispute contrary to the will of the testator, a Greek belonging to the Muslim minority: violation of the Convention, Molla Sali v. Greece (Application no. 20452/14), 12. Dezember 2018, abgerufen am 5. März 2020 unter https://hudoc.echr.coe.int/eng#{%22itemid%22:[%22001-188985%22]} 142 Greece's Muslim minority hails change to limit power of sharia law, The Guardian, 11. Januar 2018, abgerufen am 5. März 2020 unter https://www.theguardian.com/world/2018/jan/10/historic-step-greek-pm-hails-changeto -limit-power-of-sharia-law Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 36 Laut Art. 4 Abs. 6 der griechischen Verfassung143 gilt die Wehrpflicht für alle Männer im Alter von 19 bis 45 Jahren: „Jeder wehrfähige Grieche ist verpflichtet, nach Maßgabe der Gesetze zur Verteidigung des Vaterlandes beizutragen“. Der Dienst dauert zwischen neun Monaten und einem Jahr je nach Teilstreitkraft.144 Die griechische Armee zählt 105.000145 Mann im aktiven Dienst für eine Gesamtbevölkerung von knapp 11 Millionen Menschen. Die allermeisten Muslime dienen in den Landstreitkräften in Mannschaftsdienstgraden und machten weniger als 0,7 Prozent der Truppenstärke im Jahr 2019 aus, so dass eine islamische Seelsorge nicht implementiert wird und es auch keine Gebetsräume für Muslime gibt. Allerdings existieren laut Auskunft des griechischen Parlaments spezielle Verwaltungsmaßnahmen wie Beurlaubung oder angepasste Mahlzeiten, die darauf abzielen, muslimische Soldaten zu bestimmten Zeiten des Gottesdienstes und des Fastens zu unterstützen. Darüber hinaus hat der Generalstab der griechischen Armee Vorschriften erlassen, damit Verwaltungsakte und Zeremonien (z.B. Vereidigungszeremonien) mit allen Religionen vereinbar sind. Letztlich wurde die Direktion für Militärpriester des Generalstabs der griechischen Armee durch die Gründung einer „Abteilung für Religionen und Weltanschauungen“ auf die Möglichkeit der Rekrutierung von islamischen Seelsorgern vorbereitet, sollte das Verteidigungsministerium beschließen, eine solche Rekrutierung umzusetzen. 4.3.4. Schweden Der muslimische Bevölkerungsanteil beträgt in Schweden laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 etwa 8,1 Prozent.146 Das ist mehr als in Deutschland (6,1 Prozent) und fast so viel, wie in Frankreich (8,8 Prozent). 2018 gehörten 58 Prozent der Bevölkerung der evangelischlutherischen schwedischen Kirche an.147 143 The Constitution of Greece, Griechisches Parlament, abgerufen am 5. März 2020 unter https://www.hellenicparliament .gr/UserFiles/f3c70a23-7696-49db-9148-f24dce6a27c8/001-156%20aggliko.pdf 144 Greece, CIA World Fact Book, abgerufen am 5. März 2020 unter https://www.cia.gov/library/publications/theworld -factbook/geos/gr.html 145 Defence Expenditure of NATO Countries (2012-2019), Table 7: Military Personel 2019 (S. 12), NATO Press Release, 25. Juni 2019 , abgerufen am 5. März 2020 unter https://www.nato.int/nato_static_fl2014/assets /pdf/pdf_2019_06/20190625_PR2019-069-EN.pdf 146 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 147 Svenska kyrkans medlemsutveckling år 1972–2018 (Entwicklung der Mitgliederzahlen der schwedischen Kirche 1972-2008), Schwedische Kirche, (Auf Schwedisch), abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.svenskakyrkan .se/filer/Medlemmar-Svenska-kyrkan-1972-2018.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 37 In Schweden wurde die Wehrpflicht 2010 ausgesetzt. 2017 beschloss die schwedische Regierung jedoch die Rückkehr zur zwölfmonatigen Wehrpflicht.148 In Schweden sind keine gesetzlichen Grundlagen für die muslimische Soldatenseelsorge geschaffen worden, demnach ist auch keinerlei Finanzierung eingeplant. Bei Bedarf können die christlichen Seelsorger mit den anderen Glaubensgemeinschafen in Verbindung treten und Räumlichkeiten zur Verfügung stellen. Einem Artikel der schwedischen Streitkräfte aus dem Jahr 2007 kann man entnehmen, dass einer der christlich-evangelischen Seelsorger bewaffnet149 150 seinem Amt nachgeht.151 In theologisch-kultureller Hinsicht scheint der vorgenannte Seelsorger keine formelle Ausbildung über den Islam genossen zu haben und vertraut ganz auf persönliche Erfahrungswerte, wobei er sich selbst als Seelsorger für Christen, Muslime und Nicht-Gläubige bezeichnet.152 4.3.5. Schweizerische Eidgenossenschaft Der muslimische Bevölkerungsanteil beträgt in der Schweiz laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 etwa 6,1 Prozent.153 Das ist prozentual genau so viel wie in Deutschland. 148 Zur Wiedereinführung der Wehrpflicht in Schweden, Sachstand, WD 2 - 3000 - 076/18, 13. Juni 2018, abgerufen am 9. März 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/564266/fad30779df491947ff3f18c44d316f59/wd-2-076-18-pdf-data.pdf 149 Das Tragen und der Gebrauch von Waffen durch militärisches Seelsorgepersonal sind in den Genfer Abkommen (GA) sowie deren Zusatzprotokolle (ZP), weder verboten noch zwingend vorgeschrieben. Vgl. Militärseelsorgepersonal , das Tragen von Waffen, Thomas Desch, Humanitäres Völkerrecht und seine Wurzeln, Militär & Seelsorge , Themenheft 3, Evangelische Militärsuperintendentur, Karl-Reinhart Trauner Hrsg., Österreichisches Bundesherr, S. 25-27, abgerufen am 9. März 2020 unter http://www.bundesheer.at/pdf_pool/publikationen /ms_3_9.pdf 150 Practice Relating to Rule 27. Religious Personnel, International humanitarian law Database, Internationales Komitee vom Roten Kreuz, abgerufen am 10. März 2020 unter https://ihl-databases.icrc.org/customaryihl /eng/docs/v2_rul_rule27 151 Der Amtsinhaber, erklärt sich wie folgt: „Es gibt Situationen, in denen ich bereit sein muss, das Leben anderer und mein eigenes Leben mit einem automatischen Gewehr zu schützen. In meiner Rolle als Armeekaplan kann ich mich weiter ins Feld wagen, wenn ich bewaffnet und ein Soldat unter den Soldaten bin. Wenn ich Teil einer Patrouille bin, ohne bewaffnet zu sein, kann ich andere belasten“ Army chaplain for Christians, Muslims and non-believers, Försvarmakten, 10. Dezember 2007 (aktualisiert am 8. Juli 2013), abgerufen am 9. März 2020 unter https://www.forsvarsmakten.se/en/news/2007/12/army-chaplain-for-christians-muslims-and-non-believers / 152 Army chaplain for Christians, Muslims and non-believers, Försvarmakten, 10. Dezember 2007 (aktualisiert am 8. Juli 2013), abgerufen am 9. März 2020 unter https://www.forsvarsmakten.se/en/news/2007/12/army-chaplain -for-christians-muslims-and-non-believers/ 153 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 38 Die Schweizer Armee ist grundsätzlich nach dem Milizprinzip organisiert. Sie beruht auf dem Grundsatz der Militärdienstpflicht für alle Schweizer Bürger. Schweizerinnen können sich freiwillig zum Militärdienst melden 154. Seit 1996 ist die Ableistung eines zivilen Ersatzdienstes möglich. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist ein verfassungsmäßiges Recht, das allen Angehörigen der Schweizer Armee zusteht. Sie unterscheidet daher bei ihren Angehörigen nicht nach Religionszugehörigkeit und erfasst diese auch nicht im Personalinformationssystem der Armee. Die rechtliche Grundlage seelsorgerischer Betreuung bildet Art. 31 des Militärgesetzes155. Gemäß dieses Artikels haben die Angehörigen der Armee ungeachtet ihres Glaubens das Recht auf seelsorgerische Betreuung. Diese fällt in das Aufgabengebiet der Armeeseelsorge, die auf dem Grundsatz der Ökumene basiert. Die Armeeseelsorge wird über das Budget der Armee sichergestellt . Die Armeeseelsorge ist für alle Angehörigen und für alle Glaubensrichtung zuständig und folglich gibt es keine dezidierten islamischen Seelsorger. Zurzeit können die Seelsorger nur in gewissen Fällen oder in außerordentlichen Situationen (z.B. Todesfall…) mit vertrauenswürdigen muslimischen Fachpersonen in Verbindung treten, um ihre Betreuungsaufgaben zu erfüllen. In der Schweiz herrscht teilweise die Meinung, dass ohne die Rekrutierung von muslimischen Fachpersonal die Armeeseelsorge ihre Aufgabe jedoch künftig nicht mehr für sämtliche Angehörige der Armee befriedigend wird erfüllen können. In der Schweiz fehlen aber die Voraussetzungen, um muslimische Geistliche in die Armeeseelsorge integrieren zu können. Erforderlich sind eine anerkannte – bevorzugt universitäre – theologische Ausbildung in der Schweiz bzw. in den Nachbarstaaten, das zweifelsfreie Bekenntnis zu Schweiz und zu deren Institutionen, die Bereitschaft, sich den Strukturen der Armee unterzuordnen und für sämtliche Angehörige der Armee ungeachtet ihrer Konfession als Armeeseelsorger im Grad eines Hauptmanns seelsorgerisch tätig zu sein.156 154 Dienstpflicht, Schweizer Armee, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.vtg.admin.ch/de/mein-militaerdienst /allgemeines-zum-militaerdienst/dienstpflicht.html 155 Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung, Artikel 31, Militärgesetz (MG) vom 3. Februar 1995, Bundesrat, abgerufen am 13. März 2020 unter https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation /19950010/index.html#a31 156 Laut Auskunft des schweizerischen Parlaments. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 39 4.3.6. Slowenien Der muslimische Bevölkerungsanteil beträgt in Slowenien laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 ca. 3,8 Prozent.157 Seit 2003 ist die Wehrpflicht ausgesetzt.158 Zurzeit zählen die slowenischen Streitkräfte knapp 6.400 Soldaten und Zivilisten im aktiven Dienst.159 Die Rechtsgrundlage für die Bereitstellung religiöser Seelsorge ist das Gesetz über die Religionsfreiheit . Artikel 22 sieht vor, dass Angehörige der slowenischen Streitkräfte während ihres Militärdienstes Anspruch auf religiöse geistliche Betreuung haben. Gemäß Artikel 76 Abs. 1 im Gesetz über die Organisation der slowenischen Streitkräfte ist die religiöse Seelsorge ein Teil des Anspruchs auf integrale Fürsorge, die Mitglieder der Streitkräfte aufgrund besonderer Belastungen , Verantwortlichkeiten und Anforderungen bei der Durchführung des Militärdienstes haben. Die Organisation der Seelsorge wird durch Ministerialerlässe (lex specialis) näher geregelt. Ein Urteil des slowenischen Verfassungsgerichts hat im Tenor festgestellt, dass die Bewegungsfreiheit von Personen innerhalb des militärischen Systems oder anlässlich des Militärdienstes, durch Vorgaben des Staats begrenzt ist, was wiederum ihr Recht auf Religionsfreiheit erschweren oder einschränken kann. Neben dem geschlossenen Arbeitsumfeld ist der Dienst als Soldat auch durch besondere Belastungen im Zusammenhang mit der Natur des Dienstes gekennzeichnet. Soldaten können mit Eingriffen in die Unverletzlichkeit des Lebens und mit Fragen zu ihrer eigenen Vergänglichkeit konfrontiert werden. Infolgedessen sind ihre religiösen Dilemmata besonders intensiv und betreffen nicht selten ihre Familien. Personen, die nur eingeschränkten Zugang zu religiöser Seelsorge haben, müssen in bestimmten Situationen Zugang zu religiöser Seelsorge erhalten. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts soll der Staat, wenn er diese Umstände selbst verantwortet, auch die verfassungsrechtlich garantierte Religionsfreiheit zwingend berücksichtigen. So muss der Staat die eingeschränkte Freiheit bei Bedarf auch durch aktives Verhalten „neutralisieren“, um die daraus resultierenden Nachteile für den Einzelnen möglichst gering zu halten.160 Die islamische Glaubensgemeinschaft in Slowenien hat keine Vereinbarung mit der Regierung der Republik Slowenien über die seelsorgerische Betreuung von Soldaten islamischen Glaubens. Der Militärvikar ist Leiter des seelsorgerischen Diensts in den slowenischen Streitkräften und daher auch für die Seelsorge jener Soldaten verantwortlich, die sich an keinen Vertreter der eigenen Glaubensrichtung wenden können. In diesen Fällen bittet der Militärvikar 157 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 158 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 7, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 159 About the Slovenian Armed Forces, Slovenian Armed Forces, Ministry of Defense, abgerufen am 17. März 2020 unter http://www.slovenskavojska.si/en/about-the-slovenian-armed-forces/ 160 Laut Auskunft des slowenischen Parlaments. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 40 bei Bedarf den Vertreter einer der drei in Slowenien offiziell anerkannten islamischen Gemeinschaften um Unterstützung. Bei internationalen Operationen und Missionen haben die Militärseelsorger die Aufgabe, jeden Freitag den Transport muslimischer Soldaten zur nächsten Moschee zu organisieren. 4.3.7. Spanien Der muslimische Bevölkerungsanteil beträgt in Spanien laut einer Studie des Pew Research Centers von 2016 ca. 2,6 Prozent.161 Seit 2002 ist die Wehrpflicht ausgesetzt.162 Das spanische Militärordinariat (Ordinariato militar Arzobispado Castrense de España)163 unterstützt seelsorgerisch die (katholischen) Soldaten. Laut Daten des Pew Research Centers gehören ca. 75 Prozent der Spanier im Jahr 2020 der Katholischen Kirche an – und ca. 21 Prozent sind nicht religiös.164 Artikel 16 der spanischen Verfassung165 von 1978 garantiert die Religionsfreiheit und besagt auch, dass die Behörden die religiösen Überzeugungen der spanischen Gesellschaft berücksichtigen müssen. Folglich muss die Regierung eine angemessene Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche und den anderen Konfessionen sicherstellen. Bezugnehmend auf das Organgesetz (Ley Orgánica) vom 5. Juli 1980166 legt Artikel 9 des Organgesetzes vom 27. Juli 2011167 über Rechte und Pflichten von Angehörigen der Streitkräfte fest: Soldaten haben ein Recht auf Religionsfreiheit, das geschützt und respektiert wird. Das Organgesetz vom 5. Juli 1980 ermöglicht Kooperationsabkommen zwischen dem Staat und den Glaubensgemeinschaften. Eine solche Einigung wurde durch das Gesetz 26/1992 vom 161 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 162 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 7, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 163 Arzobispado Castrense de España abgerufen am 14. März 2020 unter https://www.arzobispadocastrense.com/ 164 Religious Demography: Affiliation in Spain, Pew-Templeton Global Religious Futures Project, abgerufen am 14. März 2020 unter http://www.globalreligiousfutures.org/countries/spain#/?affiliations_religion_id=0&affiliations _year=2020®ion_name=All%20Countries&restrictions_year=2013 165 Constitucion Española (vom 29. Dezember 1978), Spanische Regierung, (Spanisch), abgerufen am 17. März 2020 unter https://www.lamoncloa.gob.es/espana/organizacionestado/Paginas/constitucion.aspx 166 Ley Orgánica 7/1980, de 5 de julio, de Libertad Religiosa, Boletín Oficial del Estado, (Spanisch), abgerufen am 17. März 2020 unter https://www.boe.es/buscar/act.php?id=BOE-A-1980-15955 167 Ley Orgánica 9/2011, de 27 de julio, de derechos y deberes de los miembros de las Fuerzas Armadas, Artículo 9. Libertad religiosa, Boletín Oficial del Estado, (Spanisch), abgerufen am 17. März 2020 unter https://www.boe.es/eli/es/lo/2011/07/27/9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 41 10. November 1992 zwischen dem spanischen Staat und der Islamischen Kommission Spaniens168 (Comisión Islámica de España)169 erzielt. Die Islamische Kommission benennt mehrere Imame, die die Streitkräfte auf regelmäßiger Basis in religiösen Angelegenheiten unterstützen und in diesem Rahmen befugt werden, militärische Anlagen zu betreten. Darüber hinaus wird in diesen Liegenschaften einen Raum für die Durchführung der Gottesdienste vorgehalten. Die Imame gehören demnach faktisch also nicht zum Militär. Da der Zugang zu militärischen Bereichen reglementiert ist und autorisiert werden muss, werden die Imame sicherheitsüberprüft. Das spanische Gesetz sieht keine Budgetierung für die Erbringung von seelsorgerischer Unterstützungsleistung für Muslime vor. 4.4. Demographisch tangierte Länder mit islamischer Seelsorge 4.4.1. Belgien Studien des Pew Research Centers gehen für 2016 davon aus, dass circa 7,6 Prozent der belgischen Bevölkerung dem Islam angehört.170 Das ist mehr als in Deutschland (6,1 Prozent) und weniger als in Frankreich (8,8 Prozent).171 Die Wehrpflicht wurde in Belgien 1992 abgeschafft.172 Das belgische Verteidigungsministerium bemüht sich die religiösen oder moralischen Bedürfnisse aller Soldaten gleichermaßen zu berücksichtigen. Demzufolge gibt es einen einzigen seelsorgerischen Dienst (Militärdiözese) innerhalb der belgischen Verteidigung, die Diözese der Streitkräfte173 („Diocèse aux Forces Armées“ bzw. „Bisdom bij de Krijgsmacht“) in dem Vertreter aller anerkannten Religionen und nicht konfessionellen Überzeugungen in Belgien zusammen arbeiten. Die Diözese der Streitkräfte zählte 2018 insgesamt elf Priester im aktiven Dienst und drei konfessionsfreie Seelsorger. Hinzu kommen Seelsorger der Reserve. Ein Dienstposten ist für 168 Übersetzung des Verfassers. 169 Comisión Islámica de España, (Spanisch), abgerufen am 4. März 2020 unter http://www.hispanomuslim .es/panya/cie.htm 170 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 171 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 172 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 7, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 173 Übersetzung des Verfassers. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 42 einen islamischen Seelsorger vorgesehen.174 Katholische, protestantische, jüdische, islamische sowie konfessionsunabhängige Beratung werden gleichermaßen angeboten. Der Ansprechpartner für muslimische Soldaten ist kein Imam, sondern sollte eher als „muslimischer Kaplan“ bezeichnet werden, so die eigene Beschreibung des belgischen Verteidigungsministeriums . Er ist, wie seine Kollegen der anderen Glaubensrichtungen und die konfessionsfreien Seelsorger, Verteidigungsmitarbeiter mit Zivilstatus. Ungeachtet dessen tragen die Seelsorger der belgischen Streitkräfte die Militäruniform.175 Der zurzeit amtierende „muslimische Kaplan“ ist ein ehemaliger Offizier und wurde aufgrund seines Wissens und seiner Menschenkenntnis in diese Funktion berufen.176 Auch er hat die Pflicht, alle Soldaten gleichermaßen zu betreuen. Ein muslimischer Seelsorger muss ebenso wie die Vertreter anderer Glaubensgemeinschaften oder wie die konfessionsfreien Seelsorger alle Anforderungen hinsichtlich der Sicherheitsüberprüfung , der moralischen Integrität und der Verfassungstreue erfüllen. Ebenfalls muss er sich zu den militärischen Werten bekennen. Darüber hinaus muss er über gründliche Kenntnisse des Islam und gute Kenntnisse beider Landessprachen (Niederländisch und Französisch) verfügen. Er muss auch die belgische Staatsangehörigkeit besitzen oder Staatsbürger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union sein. Aufgrund des privaten Charakters der religiösen Überzeugung innerhalb des belgischen Staates und folglich auch innerhalb der belgischen Streitkräfte wird weder die religiöse Überzeugung noch die Auslegung einer religiösen Überzeugung geprüft. Der muslimische Kaplan ist folglich Ansprechpartner für alle Auslegungen und Ideologien im Islam. Es existieren keine Gebetsräume. Nicht konfessionelle Momente des Nachdenkens oder Momente des Gebets werden jedoch toleriert, solange sie den dienstlichen Ablauf oder die übergeordnete Funktionsfähigkeit der Streitkräfte nicht gefährden und solange eine gewisse Mäßigung, Diskretion und Flexibilität gezeigt wird. Ersatzmahlzeiten können eingenommen werden, wenn die bereitgestellte Standardmahlzeit nicht den religiösen Vorschriften entspricht. Diese Ersatzmahlzeiten sind jedoch nicht halal oder koscher, sondern normalerweise vegetarische vollwertige Alternativen. 174 Chaplains in the Armed Forces, Präsentation, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.apostolatmilitaire .com/wp-content/uploads/2018/08/22_Belgian_Military_Chaplaincy.pdf 175 Laut Auskunft des belgischen Parlaments. 176 Laut Auskunft des belgischen Parlaments. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 43 4.4.2. Frankreich177 4.4.2.1. Gesetzlicher Rahmen In Frankreich existiert eine moderne, vom Staat finanzierte, militärische Seelsorge für Katholiken, Protestanten und Juden in der Praxis seit 1874.178 Der gesetzliche Rahmen wurde durch das Gesetz vom 8. Juli 1880 festgehalten.179 Doch in Frankreich gilt seit 1905 auch das „Gesetz zur Trennung von Kirche und Staat“,180 in welchem einerseits die Religionsfreiheit zugesichert, anderseits die Laizität des Staates festgehalten wird. Im Gesetz vom 9. Dezember 1905 wird grundsätzlich geregelt, dass der Staat religiöse Gemeinschaften finanziell nicht unterstützt. Das Gesetz sieht aber auch vor, dass ein seelsorgerischer Dienst sowie Andachtsräume in bestimmten Fällen vorzuhalten sind. Diese Vorkehrungen gelten für Soldaten aufgrund der besonderen Verpflichtungen, die der Dienst mit sich bringt.181 Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die verpflichtende Ausübung des Dienstes die freie Ausübung des Glaubens – zum Beispiel aus zeitlichen oder örtlichen Gründen – in erheblichem Maße erschweren kann. 177 Siehe dazu auch: L’islam dans l’Armée, Cahiers de la Méditéranée, Migration et religion en France (Tome 1), S. p. 65-88, 2008, abgerufen am 3. März 2020 unter https://journals.openedition.org/cdlm/4296 ; 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-117, Rz. 9, abgerufen am 3. März 2020 unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations/3804 ; Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, 39 S. , abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf ; Musulmans dans les armées françaises, Entre banalisation institutionnelle et altérité imaginaire, Elyamine Settoul, Migrations Société 2008/6 (N° 120), S. 35-48, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.cairn.info/revue-migrationssociete -2008-6-page-35.htm# 178 Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 27ff. abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf 179 Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 12, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf 180 Loi du 9 décembre 1905 „concernant la séparation des Églises et de l‘État“, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000508749 181 Das Gesetz nennt nicht ausdrücklich die Streitkräfte (sondern „öffentliche Einrichtungen, wie Schulen, Hospizen , Hospitäler, Vollzugsanstalten). Der französische Staatsrat (Conseil d’État) stellte jedoch 1963 fest, dass bezugnehmend auf das Gesetz von 1880 in Verbindung mit dem Recht zur freien Ausübung der Religion, die Streitkräfte einen seelsorgerischen Dienst zu stellen haben. Vg.: Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale ds Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 19ff, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.defense .gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 44 Verordnungen aus dem Jahr 1964182 sowie 2008183 regeln den Status der militärischen Seelsorger , insbesondere die Nominierungsvoraussetzungen, die Besoldung, die Karriereaussichten sowie die etwaige Beendigung des Vertrages. Die Finanzierung der militärischen Seelsorge ist entsprechend dem Gesetz von 1905 ausschließlich staatlicher Natur. Es ist zu beachten, dass jede Glaubensgemeinschaft innerhalb des Systems unabhängig bleibt – im Gegensatz zum Modell einer integrierten Seelsorge. Nach Bedarf können deshalb Seelsorger für andere Religionsgemeinschaften ernannt werden. Die Wehrpflicht wurde in Frankreich 1997 abgeschafft. 4.4.2.2. Gründung der islamischen Seelsorge Die islamische Seelsorge selbst wurde mit dem Ministererlass184 vom 16. März 2005 etabliert und beendete somit eine de facto verfassungswidrige Praxis, denn bis dahin wurde lediglich Abhilfe dadurch geschaffen, dass die Rabbiner – aufgrund der relativen Nähe zwischen dem jüdischen und dem muslimischen Kultus – die islamischen Soldaten informell in theologischen Fragen berieten.185 Das größte Hindernis für die Berufung von muslimischen Seelsorgern war die lange Abwesenheit eines repräsentativen Ansprechpartners gewesen, der nach dem Gesetz von 1905 zwingend erforderlich ist. Tatsächlich weisen die Islamgemeinschaften in Frankreich unterschiedliche Prägungen auf, wobei die Trennungslinien entlang der Herkunftsregion der Gläubigen verlaufen: Traditionell 182 Décret n° 64-498 du 1er juin 1964 portant règlement d’administration publique relatif aux ministres du culte attachés aux forces armées (ergänzt durch das arrêté d’application du 16 mars 2005). abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000000692359 183 Décret n°2008-1524 du 30 décembre 2008 „Relatif aux aumôniers militaires“, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000020018544&categorieLien=id 184 Arrêté du 16 mars 2005 pris pour l'application du décret n° 64-498 du 1er juin 1964 relatif aux ministres du culte attachés aux forces armées, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/affich- Texte.do;jsessionid=CEE1A5BF8D8C6AD4DA2ECAC83F94B143.tplgfr24s_2?cidTexte=LE- GITEXT000006051426&dateTexte=20120623&categorieLien=id#LEGITEXT000006051426 185 Ein Imam für französische Soldaten, Barbara Kostolnik, 13. April 2018, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.deutschlandfunk.de/militaerseelsorge-ein-imam-fuer-franzoesische-soldaten .1773.de.html?dram:article_id=415452 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 45 vor allem Algerien186, Marokko187 und West-Afrika (insbesondere Senegal, Mali)188. Aber auch neue Minoritäten sind in den letzten Jahren auf den Plan getreten: Die türkische Prägung des Islams ist im Osten Frankreichs vermehrt vertreten, die Muslimbruderschaft mit Beziehungen zu Ägypten sowie der äußerst konservative Islam (Wahabismus) aus den Golfstaaten und insbesondere der aggressive Vormarsch des Salafismus sind ebenfalls zu nennen. Die islamische Seelsorge wurde zwei Jahre nachdem ein Dachverband in Form eines eingeschriebenen Vereins aus der Taufe gehoben wurde, gegründet. Ziel war es, die Vertretung der gesamten muslimischen Gemeinschaft gegenüber dem Staat wahrzunehmen: Der Französische Rat des muslimischen Kultes (Conseil Français du Culte Musulman, CFCM)189. Der Verein wurde unter Federführung des damaligen französischen Innenministers Nicolas Sarkozy190 gegründet und dient seitdem als de facto Vertretung aller Muslime in Frankreich.191 Bemerkenswert dabei ist, dass die Liste Union des Organisations Islamiques de France (UOIF), 192 welcher eine nicht unproblematische Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt wird, bei der Gründung des Französischen Rates des muslimischen Kultes 13 von 41 gewählten Vertretern stellen konnte. Dadurch konnte sich eine sehr militante und proselytische Form des Islams als privilegierter Ansprechpartner des Staates etablieren. 4.4.2.3. Politische und militärische Sicherheitsaspekte Die Unzulänglichkeiten des französischen Systems – in dem der Staat ungewollt radikale Bestrebungen quasi institutionalisieren kann – haben bis heute Nachwirkungen. Der Französische Rat des muslimischen Kultes wird seit Ende Januar 2020 heftig kritisiert, weil der Generaldelegierte des Vereins, Abdallah Zekri, Morddrohungen gegen eine 16-jährige Schülerin, die den Islam in 186 Laut dem französischen Amt für Statistik (INSEE) lebten 2016 ca. 505.000 Algerier in Frankreich, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.insee.fr/fr/statistiques/4197229?sommaire=4197305#titre-bloc-4 187 Laut dem französischen Amt für Statistik (INSEE) lebten 2016 ca. 465.000 Marokkaner in Frankreich, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.insee.fr/fr/statistiques/4197229?sommaire=4197305#titre-bloc-4 188 Laut dem französischen Amt für Statistik (INSEE) lebten 2016 ca. 75.000 Malier, 65.000 Senegalesen in Frankreich, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.insee.fr/fr/statistiques/4197229?sommaire =4197305#titre-bloc-4 189 Der Französische Rat des muslimischen Kultes wurde am 28. Mai 2003 gegründet. 190 UMP (Union pour un Mouvement Populaire) 191 Zunächst erfolgte die Entsendung von 4.000 Wahlleuten aus 995 Moschen oder Gebetsräumen. Die Anzahl der Wahlleute basierte dabei auf die Größe des Gebetsortes in Quadratmetern. Anschließend gaben diese Wahlleute ihre Stimmen für eine der zur Wahl stehenden Vertreterlisten. 192 Die Liste Union des organisations islamiques de France, welcher Nähe zur Muslimbruderschaft nachgesagt wird, wurde bei der Gründung des Französischen Rates des muslimischen Kultes in 13 von 41 Vertreterposten gewählt. (vgl. La face cachée de l'UOIF, Fiammetta Venner, L’Express, 2. Mai 2005, https://www.lexpress.fr/actualite /societe/religion/la-face-cachee-de-l-uoif_486103.html) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 46 den sozialen Medien kritisiert hatte, in der Öffentlichkeit rechtfertigte. Die Äußerungen der Schülerin hatten laut Staatsanwaltschaft keine strafrechtliche Relevanz und waren von der Meinungsfreiheit gedeckt.193 Das wirft die Frage auf, ob dem Rat unter solchen Prämissen überhaupt die nötige Legitimität zugesprochen werden kann, um die Ernennung von (Militär-)Seelsorgern mitbestimmen zu dürfen. Diese Affäre fällt in ein ohnehin schon vergiftetes politisches Klima. Laut einer aktuellen Studie des Zentrums für Arabische und Orientalische Studien194 der Pariser Sorbonne-Universität haben sich in Frankreich mittlerweile islamische bzw. islamistische Gegenuniversen im öffentlichen Leben fest etabliert. Ein zum selben Zeitpunkt der Presse zugespielter Bericht des Inlandsgeheimdiensts DGSI195 geht davon aus, dass das öffentliche Leben von ca. 150 Kommunen mittlerweile von Islamisten mehr oder weniger kontrolliert wird.196 Gerade das französische Beispiel zeigt also, wie schwierig es ist, für den Staat einen dauerhaft legitimen Ansprechpartner zu finden. Dabei ist die ideologische Ausrichtung des Rates eine äußerst wichtige Frage, weil der Rat die Verantwortung für die Ausbildung und Entsendung der Imame trägt. 4.4.2.4. Rekrutierung Die hauptverantwortlichen Militärseelsorger197 der vier198 vertretenen Religionsgemeinschaften werden aufgrund von §5 der Verordnung199 von 2008 durch den Verteidigungsminister auf Vorschlag der Vertretung der Religionsgemeinschaft ernannt. Die anderen Seelsorger (Stellvertreter des hauptverantwortlichen Militärseelsorgers und die Seelsorger der jeweiligen Verteidigungszonen) werden durch den Verteidigungsminister auf Vorschlag des hauptverantwortlichen Militärseelsorgers ernannt. Der hauptverantwortliche Militärseelsorger für die 193 „Ich sage, was ich denke. Ich bin keine Rassistin“, Michaela Wiegel, Paris, FAZ, 30. Januar 2020, abgerufen am 3. März 2020 https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/islamkritik-in-frankreich-schuelerin-erhaelt-morddrohungen -16608795.html 194 Centre des Etudes Arabes et Orientales (CEAO) de l’Université Sorbonne Nouvelle. (vgl. Les territoires conquis de l’islamisme, Bernard Rougier, Presses Universitaires de France, 2020). 195 Direction Générale de la Sécurité Intérieure (Generaldirektion für innere Sicherheit). 196 Wie Salafisten in Vorstädten die Kontrolle übernehmen, Michaela Wiegel, FAZ, 29. Januar 2020, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/frankreich-wie-salafisten-in-vorstaedten-kontrolle-uebernehmen- 16606507.html 197 Aumôniers militaires en chef. 198 Katholisch, evangelisch, jüdisch, muslimisch. 199 Décret n°2008-1524 du 30 décembre 2008 „Relatif aux aumôniers militaires“, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/affichTexte.do?cidTexte=JORFTEXT000020018544&categorieLien=id Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 47 islamische Glaubensgemeinde in Frankreich ist, vorgeschlagen vom Conseil Français du Culte Musulman, seit 2006 der aumônier en chef musulman de l‘Armée Abdelkader Arbi.200 Die Sicherheit wird dadurch gewährleistet, dass alle militärischen Seelsorger sich einer Sicherheitsüberprüfung durch die Direction du Renseignement et de la Sécurité de la Défense (DRSD)201 unterziehen müssen. 4.4.2.5. Gründung einer Ausbildungsstätte Auf Vorschlag der islamischen Seelsorge wurde die Einführung einer verpflichtenden Ausbildung durch die neu gegründete École Nationale de l’Aumônerie Militaire 202 (ENAM) ab September 2020 beschieden.203 Diese Schule hat den Status eines eingetragenen Vereins204 und arbeitet mit der École Pratique des Hautes Études (EPHE)205 sowie dem Institut Européen en Science des Religions (IESR)206 zusammen. Laut Gesetz bleibt der französische Staat dem Religionsunterricht fern, erkennt aber die Ausbildung mit Diplom an. Der Kurs ist auf drei Jahre angelegt und verspricht die Übernahme aller erfolgreichen Absolventen. Die Voraussetzungen für die Zulassung sind: Abitur, Volljährigkeit, französische Staatsangehörigkeit sowie Bestehen der Gesundheits- und Sicherheitsprüfung. Darüber hinaus wird geographische Mobilität verlangt. Jedes Jahr werden vier Bewerber zugelassen. Dies soll dafür sorgen, dass das aktuelle Personal erneuert wird und der programmatische Zuwachs von aktuell 38 auf 42 Dienstposten für 2022 erfolgen kann. Sowohl Frauen als Männer dürfen sich bewerben. 200 Ein Imam für französische Soldaten, Barbara Kostolnik, Deutschlandfunk, 13. April 2018, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.deutschlandfunk.de/militaerseelsorge-ein-imam-fuer-franzoesische-soldaten .1773.de.html?dram:article_id=415452 201 In etwa: Direktorat für Nachrichtendienstliches und Abschirmung der Verteidigung (Übersetzung des Verfassers). 202 In etwa: Nationale Schule für die Militärseelsorge (Übersetzung des Verfassers). 203 Avec l’ENAM, le recrutement des aumôniers militaires du culte musulman se professionnalise, Hanan Ben Rhouma, 26. Dezember 2019 https://www.saphirnews.com/Avec-l-ENAM-le-recrutement-des-aumoniers-militaires -du-culte-musulman-se-professionnalise_a26818.html 204 Loi de 1901. 205 Die École Pratique des Hautes Études (EPHE) gehört zu den sogenannten Grandes Écoles. Internet-Seite abgerufen am 23. März 2020 unter www.ephe.fr 206 Institut Européen en Science des Religions (IESR), Internet-Seite abgerufen am 23. März 2020 unter www.iesr.ephe.sorbonne.fr Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 48 Für die Schule wurden zunächst 250.000 Euro für die drei ersten Jahre budgetiert.207 Diese Mittel sollen größtenteils von der 2016 gegründeten staatsnahen Stiftung Fondation de l’Islam de France208 (FIF)209 kommen, aber auch die Studenten werden mit etwa 500 Euro pro Jahr zur Kasse gebeten. Geplant werden insgesamt 600 Stunden Präsenzunterricht, wobei 80 Prozent des Unterrichtes akademischer und praktischer Natur sein sollen. Lediglich 20 Prozent des Unterrichtes sollen theologische Themen abbilden. Die Studenten sollen im Rahmen der Ausbildung eine angepasste Grundausbildung durch die Streitkräfte erhalten und werden während des Studiums als islamische Seelsorger der Reserve geführt. Darüber hinaus sollen sie sich in der Praxis beweisen: 30 Tage Praxis sind im ersten Jahr eingeplant, dann sind es 60 Tage im zweiten Jahr und 90 Tage im dritten Jahr. Das Studium wird mit einer schriftlichen Arbeit abgeschlossen. Die Gründung einer staatnahen Bildungseinrichtung dürfte auch zur Gewährleistung der Sicherheit und zur Einhaltung von ethischen, theologischen und fachlichen Standards erheblich beitragen , denn die Idee besteht darin das Ausbildungsniveau der Seelsorger zentralisiert zu vereinheitlichen und insgesamt zu professionalisieren, erklärte der hauptverantwortliche Militärseelsorger für die islamische Glaubensgemeinde, Abdelkader Arbi, Ende 2019.210 207 Avec l’ENAM, le recrutement des aumôniers militaires du culte musulman se professionnalise, Hanan Ben Rhouma, Saphir News, 26. Dezember 2019 https://www.saphirnews.com/Avec-l-ENAM-le-recrutement-desaumoniers -militaires-du-culte-musulman-se-professionnalise_a26818.html 208 Stiftung des Islams Frankreichs (Übersetzung des Verfassers). 209 Die Stiftung ist die Rechtsnachfolgerin der Fondation des œuvres de l'islam de France, welche 2005 unter der Ägide von Innenminister Dominique de Villepin gegründet wurde. Das Ziel der Fondation de l’Islam de France ist es „dazu beizutragen, dass ein vollständig in die Republik integrierter Islam französischer Prägung entsteht und in der Öffentlichkeit sichtbarer wird“. Die Französische Staatsbahn SNCF, die Dachgesellschaft der Pariser Flughäfen und das staatliche Finanzinstitut SNI zählen zu den Gründungsmitgliedern. Eine Gründungsfinanzierung von einer Million Euro, ursprünglich eine Spende des Industriellen Marcel Dassault wurde von der Fondation des œuvres de l'islam de France an die neue Stiftung übertragen. Laut Medienbericht verfügt der Verein über ein Gesamtbudget von mehreren Millionen. (vgl. La Fondation de l'islam de France est lancée, AFP / Le Figaro / AFP, 8. Dezember 2016, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.lefigaro.fr/flashactu /2016/12/08/97001-20161208FILWWW00214-la-fondation-de-l-islam-de-france-lancee.php 210 Avec l’ENAM, le recrutement des aumôniers militaires du culte musulman se professionnalise, Hanan Ben Rhouma, Saphir News, 26. Dezember 2019 https://www.saphirnews.com/Avec-l-ENAM-le-recrutement-desaumoniers -militaires-du-culte-musulman-se-professionnalise_a26818.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 49 4.4.2.6. Zahlen und Fakten Laut Statistiken des französischen Verteidigungsministeriums211 gab es in Frankreich im Jahr 2017 insgesamt 312 Plandienstposten212 für militärische Seelsorger: 231 im aktiven Dienst und 81 in der Reserve. 186 Dienstposten entfallen auf die katholische Betreuung (142 aktive, 44 in der Reserve), 53 entfallen auf die evangelische Betreuung (34 aktive, 19 in der Reserve), 45 entfallen auf die islamische Betreuung (38 aktive, 7 in der Reserve), 27 entfallen auf die jüdische Betreuung (17 aktive, 10 in der Reserve) und hinzu kommt eine Planstelle für einen orthodoxen Seelsorger.213 Da weder Albanien, noch die Türkei eine institutionelle Seelsorge haben, hat Frankreich – nach eigenem Bekunden – 2016 mehr islamische Seelsorger als alle NATO-Länder zusammen.214 Ende 2018 zählte die muslimische Seelsorge 43 Seelsorger (38 aktive Seelsorger und 5 Seelsorger in der Reserve). Darunter gibt es sieben Frauen215. Die gebürtige Algerierin Messaouda Houha216 wurde als erste Frau schon 2010 zur muslimischen Seelsorgerin in den französischen Streitkräften ernannt.217 Im Organigramm gibt es einen Hauptseelsorger (Aumônier en chef), vier Stellvertretende Hauptseelsorger (Aumôniers en chef adjoints): Das heißt einen für jede Teilstreitkraft und die Gendarmerie sowie einen Seelsorger für jede der fünf Verteidigungszonen. Die unmittelbare Betreuung der Soldaten übernehmen 28 islamische Feldseelsorger (Aumôniers des forces).218 211 Bis 2017 Ministère de la Défense (Verteidigungsministerium) seitdem Ministère des Armées (Ministerium der Armeen). 212 Vollzeitäquivalent. 213 Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 32, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf 214 Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 35, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf 215 „Murschida“ bezeichnet eine Frau, die die meisten Aufgaben eines Imams wahrnehmen darf. Es gibt vereinzelt aber auch „Imaminen“, die alle Aufgaben eines Imams (inklusive Freitagspredigt) wahrnehmen. Vgl. Liberale Moschee in Berlin, wo Frauen neben Männern beten, Sonja Gurris, ntv, 17. März 2019, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.n-tv.de/leben/Wo-Frauen-neben-Maennern-beten-article20899570.html 216 France: La «Catho» de Paris a diplômé ses premiers responsables musulmans, Agence de presse internationale catholique, RTS Religion, 28. Januar 2010, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.cath.ch/newsf/unetrentaine -d-etudiants-inscrits-cette-annee/ 217 L’aumônerie musulmane aux armées, Ghaleb Bencheikh, Questions d’Islam, Radiosendung, France Culture, 11. November 2018, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.franceculture.fr/emissions/questions-dislam /laumonerie-musulmane-aux-armees 218 Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, S. 34f, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 50 15 bis 20 islamische Seelsorger gehen jedes Jahr in den Einsatz (Elfenbeinküste, Djibouti, Libanon, Mali, Tschad), um die Soldaten vor Ort zu betreuen.219 Frankreich hat zurzeit etwa 11.000 Soldaten ständig im Einsatz220. Dazu sind weitere 7.000 Soldaten in den Überseegebieten stationiert.221 Daten zu Religion dürfen in Frankreich nicht erhoben werden. So ist die Zahl der muslimischen Soldaten unbekannt. Studien des Pew Research Centers gehen für 2016 aber von etwa 5,7 Millionen Menschen aus, die sich in Frankreich zum Islam bekennen. Das sind 8,8 Prozent der Gesamtbevölkerung (laut der gleichen Studie bekennen sich in Deutschland 6,1 Prozent der Gesamtbevölkerung zum Islam).222 Andere Schätzungen gehen davon aus, dass Moslems etwa 15 Prozent der französischen Bevölkerung und bis zu 12 Prozent der Streitkräfte ausmachen.223 Letztere Zahlen scheinen allerdings nicht mit den Zahlen der bekannten empirischen Forschung zu korrelieren, und sind somit nicht besonders belastbar.224 Geht man davon aus, dass die Häufigkeitsrechnung des Pew Research Centers sich mehr oder weniger auf die Streitkräfte übertragen lassen kann, ergibt sich bei einer aktuellen Gesamtstärke von knapp 207.000225 aktiven Soldaten ein vermuteter Betreuungsbedarf für etwa 18.200 Soldaten. Im Durchschnitt würde sich – nach diesem hypothetischen Modell ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 400 inklusive Stab beziehungsweise von 1 zu 650 (wenn nur die Feldseelsorger gezählt werden) ergeben. 219 Avec l’ENAM, le recrutement des aumôniers militaires du culte musulman se professionnalise, Hanan Ben Rho-uma, 26. Dezember 2019, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.saphirnews.com/Avec-l-ENAMle -recrutement-des-aumoniers-militaires-du-culte-musulman-se-professionnalise_a26818.html 220 Carte des opérations et missions militaires vom 11. Dezember 2019, Ministère des Armées, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/operations/rubriques_complementaires/carte-des-operationset -missions-militaires 221 Carte des opérations et missions militaires vom 11. Dezember 2019, Ministère des Armées, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/operations/rubriques_complementaires/carte-des-operationset -missions-militaires 222 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 223 Ein Imam für französische Soldaten, Barbara Kostolnik, 13. April 2018 https://www.deutschlandfunk.de/militaerseelsorge -ein-imam-fuer-franzoesische-soldaten.1773.de.html?dram:article_id=415452 224 L’islam dans l’Armée, Cahiers de la Méditéranée, Migration et religion en France (Tome 1), S. p. 65-88, 2008, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/cdlm/4296 225 Les chiffres clés de la Défense, édition 2018, S.11, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.defense .gouv.fr/actualites/articles/chiffres-cles-de-la-defense-2018 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 51 4.4.2.7. Alltag Alle Seelsorger sind zum Tragen der Uniform verpflichtet, wobei die konfessionelle Zugehörigkeit an einem Abzeichen (ähnlich dem üblichen Dienstgradabzeichen) zu erkennen ist. Die Seelsorger werden Offizieren gleichgestellt (so haben Sie zu allen Soldaten ungehinderten Zugang), haben gegenüber anderen Soldaten aber keine Weisungsbefugnis. De facto haben die Seelsorger weder Rang noch Dienstgrad.226 Ein Feldseelsorger verdient am Anfang seiner Karriere knapp 1.900 Euro brutto, während ein Hauptseelsorger 3.300 Euro brutto erwarten kann. 227 Dazu kommen persönlich bedingte Zulagen. Seit einer ministeriellen Verordnung von 1992228 können Soldaten vereinfacht dienstfreie Tage bekommen, etwa um an den Feierlichkeiten um das islamische Opferfest (Eid ul-Adha) – dem höchsten islamischen Fest – teilzunehmen. Die Soldaten können aufgrund derselben Verordnung seitdem auch halal- oder koscher-zertifizierte Verpflegung229 bekommen. 2016 sind von den insgesamt 17 Menus der französischen Einmannpackungen230 (EPa) sieben ohne Schweinefleisch und drei sind halal.231 Darüber hinaus werden Gebets- und Ruheräume am Land und auf den Fahrzeugen der Marine vorgehalten. Diese Räume müssen sich die Glaubensgemeinschaften allerdings teilen. Gepredigt wird nicht, außer bei Auslandseinsätzen. Dort werden freitags Gottesdienste organisiert.232 226 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-117, Rz. 14, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations /3804 227 Vgl. Grille indiciaire : métier Aumônier militaire, Actualisé en Février 2020, Vocation Service Publique, abgerufen am 4. März 2020 unter https://vocationservicepublic.fr/spip.php?page=grille-indiciaire-metier &id_metier=197 228 Circulaire Joxe de 1992 (Joxe-Verordnung von 1992). Vgl. 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-117, Rz. 9, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations/3804 229 Siehe dazu ergänzend: Les interdits religieux dans les rations militaires, Vincent Moriniaux, Artefact, 9/2019, S. 79-104, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/artefact/2849 230 Ration de Combat Individuelle Rechauffable (RCIR). 231 On a testé pour vous, la ration de combat, Actu.fr, 15. Mai 2019 abgerufen am 4. März 2020 unter https://actu.fr/polynesie-francaise/papeete_98735/on-a-teste-pour-vous-la-ration-de-combat_28019987.html 232 Ein Imam für französische Soldaten, Barbara Kostolnik, 13. April 2018 abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.deutschlandfunk.de/militaerseelsorge-ein-imam-fuer-franzoesische-soldaten .1773.de.html?dram:article_id=415452 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 52 Dem Befund einer Feldforschung233 von 2008 ist zu entnehmen, dass die Einhaltung des Ramadans sich schwerlich mit den Pflichten des Soldaten verträgt, zumal die Soldaten, die darauf bestehen, eine verschwindend geringe Minderheit234 darstellen. So können muslimische Soldaten, die auf diesen Brauch nicht verzichten wollen, nur auf eine ad hoc Lösung mit ihren Vorgesetzen hoffen. Die gleiche Feldforschung kommt zum Schluss, dass die allermeisten Muslime an dem Prinzip des Alkoholkonsumverbots festhalten, und dass die allerwenigsten das Gebot zum fünfmaligen Beten am Tag einhalten. Grundsätzlich, so die oben genannte Forschung, genießen für die Soldaten die spirituellen Grundwerte des Islams einen höheren Wert als die rituellen Pflichten. Dabei haben die ethischen und moralischen Prinzipien eindeutigen Vorrang vor der theologischen und politischen Auslegung.235 Schließlich ist festzuhalten, dass viele Soldaten sich grundsätzlich zum Islam bekennen, aber im Alltag nicht alle oder gar wenige der Gebote des Islams einhalten. Schließlich ist zu bemerken, dass die religionsgerechte seelsorgerische Betreuung von Soldaten islamischen Glaubens eine positive Auswirkung bei der Funktions- und Einsatzfähigkeit der Streitkräfte zugerechnet wird, da es Gruppenzugehörigkeit und Moral der betroffenen Soldaten fördert. Diese würden dadurch nunmehr im Alltag erleben können, dass Sie ihren katholischen, protestantischen und jüdischen Kameraden gleichgestellt werden. Zudem minimiert diese Vorgehensweise sicherlich das Risiko, dass Soldaten sich aus der Kameradschaft ausgeschlossen fühlen, sich zunehmend isolieren und zum möglichen Sicherheitsrisiko werden.236 237 4.4.3. Kanada Laut dem nationalen Zensus von 2011 liegt der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung Kanadas bei 3,2 Prozent, während Katholiken 39,2 Prozent, Protestanten 233 L’islam dans l’Armée, Cahiers de la Méditéranée, Migration et religion en France (Tome 1), S. 65-88, 2008, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/cdlm/4296 234 Im genannten Beispiel des Forschungsgegenstands waren zwei von 150 Soldaten eines Anwärterlehrgangs betroffen . (vgl. L’islam dans l’Armée, Cahiers de la Méditéranée, Migration et religion en France (Tome 1), S. 65-88, 2008 abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/cdlm/4296) 235 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-117, Rz. 17, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations /3804 236 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-117, Rz. 6-11, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations /3804 237 L’islam dans l’Armée, Cahiers de la Méditéranée, Migration et religion en France (Tome 1), 2008, S. 65-88, Rz. 41-44, abgerufen am 4. März 2020 unter https://journals.openedition.org/cdlm/4296 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 53 ca. 27 Prozent und nicht religiöse Menschen 24,1 Prozent der Bevölkerung ausmachen.238 Der muslimische Bevölkerungsanteil ist also halb so hoch wie in Deutschland (6,1 Prozent). Das Canadian Forces Chaplain School and Centre (CFChSC) in Borden, Ontario, bildet alle Seelsorger der kanadischen Streitkräfte seit 1994/95 konfessionsübergreifend aus239 240 . Bemerkenswert ist, dass der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung in den neunziger Jahren bei weit unter zwei Prozent lag.241 Vielmehr war die Gesellschaft plural geworden (Baptisten, Hindus, Juden, Orthodoxen, Protestanten, Sikhs…), wodurch immer mehr Soldaten sich nicht mit der Seelsorge christlicher Prägung identifizieren konnten. Folgerichtig fand ein Zusammenschluss der ehemals getrennten protestantischen und römischkatholischen Seelsorge zu einer einzigen konfessionsübergreifenden242 seelsorgerischen Einrichtung innerhalb der kanadischen Streitkräfte um das Jahr 2001 statt, wobei die Bildungsstätte eine Voreiterrolle einnahm.243. Der erste islamische Seelsorger wurde kurz darauf, im Jahr 2003, einberufen.244 Die erste islamische Seelsorgerin wurde im Jahr 2018 einberufen.245 Auf der Karriereseite der kanadischen Streitkräfte beschreibt ein Seelsorger muslimischen Glaubens seine Aufgabe in diesem Kontext, wie folgt: „Ich als Muslim bin in meiner Glaubenstradition verankert, ich bin in meiner Glaubenstradition erzogen worden und ich bin Teil meiner Glaubensgemeinschaft. Das ist mein Hintergrund. Aber natürlich arbeite ich mit Menschen unterschiedlichster Herkunft. Und Menschen suchen aus verschiedenen Gründen unsere Hilfe. Seelsorger sind Anwälte. Wir begleiten die Menschen durch ihre Schwierigkeiten 238 National Household Survey, 2011, S. 164, abgerufen am 4. März 2020 unter https://ddialliance.org/sites /default/files/National%20Household%20Survey,%202011%20%5BCanada %5D%20Public%20Use%20Microdata%20File%20(PUMF)-%20Individuals%20File.pdf 239 The Reinvention of the Canadian Armed Forces Chaplaincy and the Limits of Religious Pluralism, Michael T. Peterson, Wilfrid Laurier University, Theses and Dissertations, 2015, S. 35, abgerufen am 10. März 2020 unter https://scholars.wlu.ca/cgi/viewcontent.cgi?article=2833&context=etd 240 Canadian Forces Chaplain School and Centre (CFChSC), The Department of National Defence and the Canadian Armed Forces, abgerufen am 4. März 2020 unter http://www.forces.gc.ca/en/training-establishments/index .page 241 Survey of Muslims in Canada 2016, The Environics Institute for Survey Research, April 2016, S. 13, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.environicsinstitute.org/docs/default-source/project-documents/survey-ofmuslims -in-canada-2016/final-report.pdf?sfvrsn=fbb85533_2 242 Protestantisch, römisch-katholisch, muslimisch und jüdisch 243 The Reinvention of the Canadian Armed Forces Chaplaincy and the Limits of Religious Pluralism, Michael T. Peterson, Wilfrid Laurier University, Theses and Dissertations, Master of Arts, 2015, S. 29, abgerufen am 10. März 2020 unter https://scholars.wlu.ca/cgi/viewcontent.cgi?article=2833&context=etd 244 The Reinvention of the Canadian Armed Forces Chaplaincy and the Limits of Religious Pluralism, Michael T. Peterson, Wilfrid Laurier University, Theses and Dissertations, Master of Arts, 2015, S. 2, abgerufen am 10. März 2020 unter https://scholars.wlu.ca/cgi/viewcontent.cgi?article=2833&context=etd 245 CAF welcomes first Muslim female chaplain and chaplain candidate, Maple Leaf – Defence Stories, 12. April 2018, Kanadische Regierung https://ml-fd.caf-fac.ca/en/2018/04/12195 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 54 und Herausforderungen. Die Leute vertrauen uns. Wir sind das unparteiische Mitglied des Militärs, bei dem Menschen Unterstützung suchen können. Und das, denke ich, ist die Essenz dessen, was Seelsorger tun“.246 Um eine Tätigkeit als Seelsorger ausüben zu dürfen, müssen die Bewerber drei Hauptkriterien erfüllen: Befugnis seitens der Glaubensgemeinschaft, zu der der Offizier gehört; Zulassung zum Seelsorger durch das religionsübergreifende Auswahlkomitee247 (Interfaith Committee on Canadian Military Chaplaincy) Verpflichtung in die kanadischen Streitkräfte sowie erfolgreiche Teilnahme an der für Seelsorger vorgesehenen Ausbildung. Als Vertreter einer Glaubenstradition fallen militärische Seelsorger der kanadischen Streitkräfte einerseits in die Zuständigkeit ihrer Glaubens- und Konfessionsgemeinschaft. Andererseits unterliegen sie als Offiziere militärischem Disziplinarrecht und können bei Bedarf in die Einsätze verlegt werden.248 Der Canadian Chaplain Service wird von einem Chaplain General – zurzeit im Rang eines Generalmajors – geleitet, der den Stabschef der Verteidigung berät und dem Chef des Militärpersonals administrativ Bericht erstattet.249 Die Seelsorger haben keine Befehlsgewalt gegenüber Soldaten und dürfen keine Waffen tragen.250 246 Zitat aus einem Rekrutierungsvideo für Militärseelsorger der kanadischen Streitkräfte abgerufen am 10. März 2020 unter https://forces.ca/en/career/chaplain/ 247 Vgl. The Interfaith Committee on Canadian Military Chaplaincy (ICCMC), Kanadische Regierung, abgerufen am 10. März 2020 unter https://www.canada.ca/en/department-national-defence/services/benefits-military/healthsupport /chaplain/interfaith-committee.html 248 The Royal Canadian Chaplain Service, Kanadische Regierung, abgerufen am 10. März 2020 unter https://www.canada.ca/en/department-national-defence/programs/royal-canadian-chaplain.html 249 Priest's military rank promotion a major bump for chaplaincy, Deborah Gyapong, Canadian Catholic News, 16. November 2017, abgerufen am 10. März 2020 unter https://www.catholicregister.org/item/26381-priestsmilitary -rank-promotion-a-major-bump-for-chaplaincy 250 The Royal Canadian Chaplain Service, Kanadische Regierung, abgerufen am 10. März 2020 unter https://www.canada.ca/en/department-national-defence/programs/royal-canadian-chaplain.html Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 55 4.4.4. Niederlande Der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung liegt in den Niederlanden im Jahr 2016 bei 7,1 Prozent. 251 Das ist mehr als in Deutschland (6,1 Prozent) und weniger als in Frankreich (8,8 Prozent). In den Niederlanden wurde die Wehrpflicht 1996 ausgesetzt.252 Die Religionszugehörigkeit wird in den Niederlanden nicht erfasst. Es gibt aber eine Studie des Büros für Sozial- und Kulturplanung253 aus dem Jahr 2017 über die religiöse Zusammenstellung des Personals im niederländischen Verteidigungsministerium. Diese gibt Hinweise auf die dortige Verteilung der Glaubensgemeinschaften: 64 Prozent der Befragten erklärten, keiner Religionsgemeinschaft anzugehören, 18 Prozent sind Katholiken, 14 Prozent Protestanten, zwei Prozent haben eine nicht näher genannte Religionszugehörigkeit, ein Prozent sind Moslems und ein Prozent Hindus. 254 Einem Artikel255 von Thomas R. Elßner, publiziert 2018 für den Christlich-Islamischen Dialog (CIBEDO e. V.), kann man folgende Situation entnehmen: „Es gibt seit Jahrzehnten drei größere Gruppen von Soldaten muslimischer Zugehörigkeit. Diese Gruppen sind vorwiegend ethnisch geprägt: Soldaten mit indonesischen, mit marokkanischen und mit türkischen Wurzeln. Daher gibt es Bedarf für entsprechende muslimische Militärseelsorger . Diese werden durch ein zentrales muslimisches Gremium in die Armee entsandt. Eine kodifizierte Rechtsgrundlage wie beispielsweise ein Konkordat oder ein Militärseelsorgevertrag existiert hierfür nicht. Sind Militärseelsorger in die niederländische Armee entsandt, so besteht eine zweijährige Probezeit und nach erfolgreicher Beendigung derselben erfolgt eine Anstellung auf Lebenszeit. Ein muslimischer Militärseelsorger ist in den niederländischen Streitkräften , wie auch die anderen Militärseelsorger, Beamter im höheren Dienst. Diese muslimischen Militärseelsorger werden vom niederländischen Staat bezahlt und tragen aufgrund ihres Dienstgrades auch Uniform“. 251 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 252 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 6, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 253 Sociaal en Cultureel Planbureau (Übersetzung des Verfassers). 254 Rapport Grenzen aan de eenheid, Sociaal en Cultureel Planbureau, 13. Januar 2017, S. 88, abgerufen am 12. März 2020 unter https://www.scp.nl/Publicaties/Alle_publicaties/Publicaties_2017/Grenzen_aan_de_eenheid 255 Militärseelsorge für Muslime in der Bundeswehr, Thomas R. Elßner, Christlich-Islamischer Dialog CIBEDO e. V, 4/2018, S. 173-174, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge.de/fileadmin /kunde/aktuelles/2018/12_2018/Elssner_MuslimischeMilitaerseelsorge_CIBEDO-Beitraege_4-2018_170- 175.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 56 Die Ernennung der Seelsorger wird durch eine Ministerialverordnung256 von 2017 geregelt. Grundsätzlich bekleiden die offiziell ausgebildeten Seelsorger den Dienstgrad eines Hauptmanns, eines Majors oder höher. Die Dienststellenleiter haben den Rang eines Obersts. Laut Thomas R. Elßner versahen 2018 „vier Militärimame ihren Dienst in der niederländischen Armee: Ein Imam im Rang eines Obersts und drei Imame im Rang eines Majors“257. 2020 gibt es zwei islamische Seelsorger, einen Hauptmann und einen Oberst.258 Die islamischen Seelsorger werden von einer Dachorganisation, der Kontaktstelle Muslime und Regierung (Contactorgaan Moslims en Overheid, CMO) entsandt, welche 12 Mitgliederorganisation beziehungsweise 380 Moscheen (etwa 85 Prozent aller Moscheen) vertritt.259 Folgende Kriterien müssen von den Bewerbern eingehalten werden: Zunächst muss eine Unbedenklichkeitserklärung des Militärischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes MIVD vorliegen .260 Dazu müssen die Bewerber Kenntnisse über die niederländische Gesellschaft haben und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Weiterhin müssen sie bereit sein, Soldaten mit einem anderen religiösen Hintergrund zu unterstützen, und letztlich müssen sie psychologisch und medizinisch als tauglich für den Dienst erklärt werden.261 Der erste Gebetsraum für Muslime wurde 2012 eröffnet. Dafür wurden 18.250 Euro aus dem Budget der Seelsorge ausgegeben. Dieser Raum kann auch als Lehrraum dienen, zur Vorbereitung von Soldaten, die in muslimischen Ländern eingesetzt werden sollen. Die niederländischen Streitkräfte bieten vegetarische sowie koscher- und halal-gerechte Mahlzeiten an. Eine weitere Besonderheit der Niederlande besteht außerdem darin, dass der seelsorgerische Dienst auch Humanisten – entsandt vom humanistischen Verbund (Humanistisch Verbond) – und Pandits – also hinduistische Gelehrte – beschäftigt. 256 Regeling Aanstelling geestelijk verzorgers, 25. September 2017, (Niederländisch) abgerufen am 12. März 2020 unter https://zoek.officielebekendmakingen.nl/stcrt-2017-55264.html 257 Militärseelsorge für Muslime in der Bundeswehr, Thomas R. Elßner, Christlich-Islamischer Dialog CIBEDO e. V, 4/2018, S. 173-174, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge.de/fileadmin /kunde/aktuelles/2018/12_2018/Elssner_MuslimischeMilitaerseelsorge_CIBEDO-Beitraege_4-2018_170- 175.pdf 258 Islam, Wie Zijn Wij, Diensten Geestelijke Verzorging, Ministerie van Defensie, abgerufen am 12. März 2020 unter https://www.dgv.nl/nl/node/115/wie-zijn-wij 259 Over ons (Wir über uns), Contactorgaan Moslims en Overheid (CMO) (Niederländisch) abgerufen am 12. März 2020 unter http://cmoweb.nl/over-ons/ 260 Militaire Inlichtingen- en Veiligheidsdienst (MIVD) 261 Vaststelling van de begrotingsstaten van het Ministerie van Defensie (X) voor het jaar 2008, Nr. 87 23. Januar 2008, (Seite 2 Punkt 1) Tweede Kamer der Staten-Generaal, (Niederländisch) abgerufen am 12. März 2020 unter https://zoek.officielebekendmakingen.nl/kst-31200-X-87.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 57 4.4.5. Norwegen Der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung liegt in Norwegen im Jahr 2016 bei 5,7 Prozent. 262 Das ist geringfügig weniger als in Deutschland (6,1 Prozent) aber über dem europäischen Durchschnitt in 2016 (4,9 Prozent). Die Religionsfreiheit wird in Norwegen durch die Verfassung garantiert. Bis zu einer Verfassungsänderung im Jahr 2012 war die Evangelisch-Lutherische Kirche von Norwegen die Staatskirche von Norwegen, und die Verfassung erklärte die Evangelisch-Lutherische Religion zur offiziellen Religion des Staates. Seit dem 1. Januar 2017 ist die Kirche von Norwegen eine rechtsunabhängige Einheit. In Norwegen gilt die universale Wehrpflicht für Männer und Frauen. Laut Angaben des Parlaments werden jährlich rund 10.000 von den 60.000 in Frage kommenden Frauen und Männern eingezogen, und rund 8.000 leisten ihre Wehrpflicht ab. In den norwegischen Streitkräften gibt es insgesamt 57 Seelsorger, wovon 55 christlichen Glaubens sind. Die Vorschrift über Religion und Religionsdienste263 trat 2019 in Kraft und ist die Hauptgrundlage für die Seelsorge und damit auch für die Arbeit eines islamischen Seelsorgers. Laut Vorschrift sind die Seelsorger (u.a.) Nichtkämpfer und haben nur innerhalb ihrer eigenen Dienststelle militärische Befehlsgewalt. Das Personal in der Seelsorge muss von der entsendenden Institution ermächtigt und beaufsichtigt werden. Die religiösen Dienste und Begleitdienste müssen mit den der autorisierenden Glaubensgesellschaft übereinstimmen. Die Einstellung eines Seelsorgers setzt einen Vertrag zwischen der entsendenden Institution und den Streitkräften voraus. Im Falle der islamischen Seelsorger müssen die Bewerber vom norwegischen Islamischen Rat (Islamsk Råd Norge) entsandt werden. Dieser Dachverband vertritt nach eigenen Angaben 33 Organisationen und ca. 65.000 Mitglieder.264 Der aktuell amtierende islamische Seelsorger ist Mitglied der World Islamic Mission (WIM)265 sunnitischer Prägung. Der norwegische Ableger 262 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 263 Forskrift om trosog livssynstjeneste i Forsvaret (Übersetzung des Verfassers) 264 Om IRN (Über den IRN), Islamsk Råd Norge (Norwegisch), abgerufen am 12. März 2020 unter https://www.irn.no/irn/om-irn/ 265 Zurzeit der Redaktion konnte kein Internet-Auftritt für die Mutter-Organisation gefunden werden. Laut Wikipedia-Einträgen auf Englisch (Aktualisiert am 8. Dezember 2019) und Norwegisch (Aktualisiert am 9. April 2019) handelt es sich bei der Organisation um eine Glaubensrichtung sufischer Prägung. Vgl. World Islamic Mission, Wikipedia (Englisch), abgerufen am 12. März 2020 unter https://en.wikipedia.org/wiki/World_Islamic _Mission sowie World Islamic Mission, Wikipedia (Norwegisch), abgerufen am 12. März 2020 unter https://no.wikipedia.org/wiki/World_Islamic_Mission . Lediglich der kanadische Ableger scheint zurzeit aktiv zu sein: Vgl. World Islamic Mission, Wikipedia (Englisch) abgerufen am 12. März 2020 unter https://wimnet.ca/ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 58 wurde 1984 von Moslems mit pakistanischem Hintergrund gegründet und ist mit 5.000 Mitgliedern nach eigenen Angaben der größte muslimische Verband in Norwegen.266 Die Seelsorger haben militärischen Status, tragen Uniformen und müssen die physischen und psychischen Anforderungen erfüllen, die die Streitkräfte an ihre Offiziere stellen sowie eine geeignete militärische Ausbildung absolvieren. Sie bekommen den Dienstgrad eines Leutnants sobald die militärische Ausbildung abgeschlossen ist und können aufsteigen. Letztlich müssen sie sicherheitsüberprüft sein. 2016 wurden je eine Dienststelle für die islamische und für die humanistische Seelsorge ausgeschrieben. Auf die islamische Dienststelle bewarben sich sechs Personen und 15 Personen bewarben sich auf die humanistische Dienststelle. Dem schon vorgenannten Artikel267 von Thomas R. Elßner, publiziert 2018 für den Christlich- Islamischen Dialog (CIBEDO e. V.), kann man folgende Alltagssituation entnehmen: „Seit 2017 gibt es auch in der norwegischen Armee sowohl eine muslimische als auch eine sogenannte humanistische Militärseelsorge mit je einer Person. Beide Personen haben Offiziersrang . Eine Besonderheit besteht wie folgt: Der oberste hauptamtlich-militärische Militärseelsorger (das ist nicht der evangelisch-lutherische Bischof von Oslo, der gleichzeitig Militärbischof ist) steht gleichzeitig im Range eines Generals (…). Im Hinblick auf genuin theologische und seelsorgliche Angelegenheiten der lutherischen Militärseelsorge hat er die Position eines Leitenden Militärdekans inne (…). Er ist evangelisch-lutherischen Bekenntnisses und leitet eine militärseelsorgliche Behörde innerhalb der norwegischen Armee. Diesem obersten hauptamtlichen Militärseelsorger im Range eines Generals unterstehen im Sinne einer militärisch-dienstlichen Zuordnung sowohl der muslimische als auch der humanistische Militärseelsorger, aber auch all die weiteren Militärseelsorger, die nicht lutherischen Bekenntnisses sind, wie z. B. katholische Militärseelsorger. Sowohl der muslimische als auch der humanistische Militärseelsorger stehen zurzeit im Rang eines Majors und werden vom Staat bezahlt“. Laut Auskunft des norwegischen Parlaments wurden sowohl Gebetsräume als auch „Ruheräume “ eingerichtet. Darüber hinaus wurden die Mahlzeiten entsprechend angepasst und es gibt für die Soldaten die Möglichkeit dienstfreie Tage im Falle von religiösen Festen zu nehmen. 266 World Islamic Mission (Norwegisch), abgerufen am 12. März 2020 unter www.wim.no 267 Militärseelsorge für Muslime in der Bundeswehr, Thomas R. Elßner, Christlich-Islamischer Dialog CIBEDO e. V, 4/2018, S. 174, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge.de/fileadmin /kunde/aktuelles/2018/12_2018/Elssner_MuslimischeMilitaerseelsorge_CIBEDO-Beitraege_4-2018_170- 175.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 59 4.4.6. Österreich Der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung liegt in Österreich laut dem Pew Research Center im Jahr 2016 bei 6,9 Prozent. Das ist mehr als in Deutschland (6,1 Prozent) und weniger als in Frankreich (8,8 Prozent).268 Das österreichische Heer verfügt über 16.000 Berufs- und Zeitsoldaten sowie 26.000 Milizsoldaten . Darüber hinaus werden ständig ca. 12.000 Grundwehrdiener269 zeitgleich im Rahmen des sechsmonatigen Dienstes ausgebildet, im Jahr werden also durchschnittlich 24.000 Mann berufen.270 Beim Bundesheer gab es Anfang Oktober 2015 knapp 800 Muslime, die meisten davon, rund 700, waren Grundwehrdiener. In Wien war jeder fünfte Rekrut Muslim.271 Wehrpflichtig sind in Österreich alle männlichen österreichischen Staatsbürger im Alter zwischen 17 und 51 Jahren. Der Grundwehrdienst dauert sechs Monate und seine Ableistung ist Pflicht bis zum 35. Lebensjahr .272 Dem schon vorgenannten Artikel273 von Thomas R. Elßner, publiziert 2018 für den Christlich- Islamischen Dialog (CIBEDO e. V.), kann man folgende Situation entnehmen: 2018 gibt es „im Österreichischen Bundesheer zwei Militärimame sunnitischer Provenienz und zudem eine eigenständige alevitische274 Militärseelsorge. Der erste Militärimam der Zweiten Republik wurde erst im Juni 2015 eingeführt, ein zweiter Militärimam ist jetzt hinzugekommen. Vertragliche Regelungen seitens der Regierung Österreichs hinsichtlich der Militärseelsorge bestehen dagegen schon seit 1956. In Anlehnung daran ist nun also muslimische Militärseelsorge für Soldatinnen und Soldaten sunnitisch-muslimischen Bekenntnisses im Österreichischen 268 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 269 Grundwehrdienstleistende 270 Das Bundesheer in Zahlen, Heute, 20.01.2013, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.heute.at/s/dasbundesheer -in-zahlen-10630088 271 26. Oktober: Erstmals spricht ein Imam am Heldenplatz, Religion, ORF, 18. Oktober 2015, abgerufen am 4. März 2020 unter https://religion.orf.at/stories/2737534/ 272 Vgl. Österreichs digitales Amt https://www.oesterreich.gv.at/themen/leben_in_oesterreich/wehrdienst.html 273 Militärseelsorge für Muslime in der Bundeswehr, Thomas R. Elßner, Christlich-Islamischer Dialog CIBEDO e. V., 4/2018, S. 174, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.katholische-militaerseelsorge.de/fileadmin /kunde/aktuelles/2018/12_2018/Elssner_MuslimischeMilitaerseelsorge_CIBEDO-Beitraege_4-2018_170- 175.pdf 274 „Obwohl sich die arabischen Alawiten in Syrien und die türkischen und kurdischen Aleviten in der Türkei auf Imam Ali und die nachfolgenden elf Imame berufen, sind das Alawitentum und das Alevitentum zwei verschiedene religiöse Traditionen“. (Vgl. Alawiten, Aleviten oder Nusairier, Interview mit Necati Alkan über Begriffsverwirrungen im Umfeld des Syrien-Krieges, Georgios Chatzoudis, L.I.S.A. Wissenschaftsportal, Gerda Henkel Stiftung, https://lisa.gerda-henkel-stiftung.de/alawiten_aleviten ) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 60 Bundesheer eingeführt worden; jedoch gibt es Details, die Beachtung verdienen: Die Militärimame sind nicht Teil der militärischen Struktur; sie haben keinen Dienstgrad im Unterschied zu ihren katholischen und evangelischen Kollegen; sie erhalten lediglich eine Aufwandsentschädigung , also kein Gehalt, seitens des Österreichischen Bundesheeres. Die Imame werden von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ)275 bezahlt; ihre evangelischen und katholischen Kollegen beziehen ihr Gehalt dagegen vom Staat. Seit Mitte 2016 gibt es nun auch einen alevitischen Militärseelsorger für das Österreichische Bundesheer, der Soldaten alevitischen Bekenntnisses im Großraum Wien betreut. Dieser wird von seiner Glaubensgemeinschaft für seinen Dienst in der Militärseelsorge ebenfalls gestellt und bezahlt. Auch er besitzt keinen Dienstgrad. Da die Aleviten eine eigene Glaubensrichtung und somit Glaubensgemeinschaft innerhalb des pluriformen Islams bilden, ist die Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft (ALEVI) auch eigenständig gegenüber der IGGiÖ. Dies begründet eine ebenfalls eigene Seelsorge. Bemerkenswert ist hierbei, dass mit dem Militärseelsorger alevitischen Bekenntnisses ein deutlich konfessionelles Element zum Tragen kommt (…)“. Bei der Zusammenarbeit mit muslimischen Seelsorgern werden folgende Kriterien eingehalten: Gemäß Art. 11 Abs. 2 Islamgesetz von 2015 kommen für den Dienst nur Personen in Betracht, die auf Grund ihrer Ausbildung und ihres Lebensmittelpunktes in Österreich fachlich und persönlich dafür geeignet sind. Sie unterstehen in allen konfessionellen Belangen der Religionsgesellschaft , in allen anderen Angelegenheiten dem jeweiligen Kommandanten bzw. Dienststellenleiter . Die fachliche Eignung liegt nur dann vor, wenn ein Abschluss eines Studiums gemäß Art. 24 des Islamgesetzes 2015 oder eine gleichwertige Qualifikation vorliegt. Die persönliche Eignung erfordert mindestens drei Jahre einschlägige Berufserfahrung und Deutschkenntnisse auf dem Niveau der Reifeprüfung. Darüber hinaus ist eine Ermächtigung durch die Religionsgesellschaft erforderlich. Der für die Besorgung dieser Angelegenheiten erforderliche Sach- und Personalaufwand ist von der Republik Österreich (Bund) zu tragen. Die Seelsorger haben auch die Verpflichtung, Beeinträchtigungen des Dienst- und Ausbildungsbetriebes zu vermeiden. Sie unterliegen der Verschwiegenheit276 und haben vor Beginn der Ausübung ihrer Tätigkeit eine entsprechende Verschwiegenheitserklärung zu unterschreiben. Ihre Aufgaben als Militärseelsorger, vor allem beim lebenskundlichen Unterricht und bei den Gemeinschaftsgebeten , haben sie – ausgenommen bei Rezitationen aus dem Koran und bei Bittgebeten – in deutscher Sprache wahrzunehmen. Es wurde je ein Gebetsraum in Wien und Salzburg eingerichtet . Die Seelsorger haben durchschnittlich 700 Soldaten zu betreuen. Davon umfasst sind Soldaten im Dienstverhältnis, Soldaten im Ausbildungsdienst und Soldaten im Präsenzdienst. Am Nationalfeiertag 2015 sprach erstmals in der Geschichte Österreichs ein Imam – Abdulmedzid Sijamhodzic, ein damals 37-jähriger gebürtiger Bosnier – bei der Angelobung277 der Rekruten am Heldenplatz. Hauptberuflich war Sijamhodzic als Religionslehrer in einem 275 Angemerkt wird, dass der Vertretungsanspruch der IGGiÖ für alle Muslime durch die „Islamische - Schiitische Glaubensgemeinschaft in Österreich“ (SCHIA) bestritten wird. De facto vertritt die IGGiÖ vor allem die Sunniten in Österreich. 276 Schweigepflicht 277 Gelöbnis Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 61 Gymnasium tätig und übte seine Tätigkeit als islamischer Militärseelsorger auf Basis eines Werkvertrages zwischen der islamischen Glaubensgemeinschaft und dem Bundesheer aus. Seine Tätigkeit beschrieb er 2015 für den Österreichischen Rundfunk (ORF) so: „Es ist die Pflicht eines Muslims, die Gesetze zu achten. Es besteht Kompatibilität zwischen der Lebensweise eines gläubigen Muslims und den demokratischen Prinzipien eines Staates. Von daher sehe ich überhaupt kein Problem, das in Einklang zu bringen“.278 4.4.7. Vereinigtes Königreich 4.4.7.1. Hintergründe Im Jahr 2016 liegt der Anteil von muslimischen Bürgern an der Gesamtbevölkerung im Vereinigten Königreich laut dem Pew Research Center bei 6,3 Prozent. Das ist fast wie in Deutschland (6,1 Prozent) und weniger als in Frankreich (8,8 Prozent).279 Eine Besonderheit des Vereinigten Königreiches ist, dass etwa 9.000 Soldaten des Heeres (zehn Prozent) ethnischen Minderheiten (Afrika, Asien, usw…) angehören, wobei die Meisten nicht im Vereinigten Königreich geboren wurden, sondern aus einem Land des Commonwealth kommen.280 Die Wehrpflicht wurde schon 1960 ausgesetzt. 281 2005 publizierte das Britische Verteidigungsministerium (Ministry of Defence, MoD) einen „Leitfaden über Religion und Glauben in den Streitkräften“ (Guide on Religion and Belief in the Armed Forces) aus dem das Hauptziel des Ministeriums zu entnehmen ist: „Unser Ziel ist es, ein Umfeld zu schaffen, das frei von Diskriminierung, Vorurteilen, Angst oder Missverständnissen ist, damit die operative Wirksamkeit nicht beeinträchtigt wird“.282 278 26. Oktober: Erstmals spricht ein Imam am Heldenplatz, Religion, ORF, 18. Oktober 2015 https://religion .orf.at/stories/2737534/ 279 Europe’s Growing Muslim Population, Pew Research Center, 29. November 2017, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.pewforum.org/2017/11/29/europes-growing-muslim-population/ 280 British army aims to recruit more Muslims after worries over low numbers, The Guardian, 6. Februar 2015, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.theguardian.com/uk-news/2015/feb/06/british-army-recruitmuslims -low-number-iraq-afghanistan 281 Conscription in the European Union Armed Forces: National Trends, Benefits and EU Modernised Service, Joeri Rongé und Giulia Abrate, Finabel, European Army Interoperability Center, 07-2019, S. 5, abgerufen am 4. März 2020 unter https://finabel.org/wp-content/uploads/2019/10/FFT-The-EU-Conscription-Model-W.pdf 282 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.2, abgerufen am 4. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 62 Demzufolge wird folgende Strategie verfolgt: „Religiöser Glaube wird als Privatsache behandelt, aber angesichts der einzigartigen und anspruchsvollen Umstände eines militärischen Dienstes wollen die Streitkräfte die spirituellen Bedürfnisse des Einzelnen fördern und unterstützen. Die Streitkräfte bemühen sich nach Kräften religiöse oder weltanschauliche Anforderungen zu respektieren und zu berücksichtigen, wobei wichtige Aspekte der Gesundheit und Sicherheit sowie der Wirksamkeit der Streitkräfte berücksichtigt werden. Einzelpersonen müssen jedoch möglicherweise flexibel sein, insbesondere wenn dies im Interesse ihrer eigenen Sicherheit oder der ihrer Kameraden liegt“.283 Die Erbringung einer seelsorgerischen Unterstützungsleistung hat im Vereinigten Königreich eine lange Tradition, denn der Dienst (Royal Army Chaplains’ Department, RAChD) wurde schon 1796 gegründet. Die Seelsorger sind qualifizierte Offiziere ohne Befehlsbefugnis. Die erste Verpflichtung (Commission) beträgt zwölf Jahre, wobei sukzessive Verlängerungen bis zum 60. Lebensjahr284 möglich sind. Die Seelsorger werden für zwei bis drei Jahre einer Einheit zugewiesen, sie tragen die Uniform der britischen Armee und begleiten ihre Einheit, wo auch immer sie hingeht. Jede Teilstreitkraft (Service) rekrutiert die eigenen Seelsorger.285 Die Seelsorger der britischen Armee entstammen den Christlichen Glaubensgemeinschaften: der Church of England (286 Seelsorger), der Church of Scotland and Free Churches (79 Seelsorger), der katholischen Kirche (52 Seelsorger) sowie der Baptisten-Union (United Board) und der Methodisten, mit respektive 32 und 21 Seelsorgern.286 287 Die Seelsorger werden in einem teilstreitkraftübergreifenden Ausbildungszentrum (Armed Forces Chaplaincy Centre, AFCC) ausgebildet. Dazu stehen seit Oktober 2005 zivile, glaubensübergreifende Seelsorger (multi-faith Chaplain) in Vollzeit für Buddhisten, Hindus, Muslime und Sikhs zur Verfügung. Zu dem Zeitpunkt dienten rund 183.000 Christen, 305 Muslime, 230 Hindus, 220 Buddhisten und 90 Sikhs in den 283 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.8 / Pt. 24, abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf 284 Bis zum 65. Lebensjahr bei Dienstverhältnissen im Rahmen der Versorgung der Kadetten. 285 Royal Army Chaplains‘ Department, Ministry of Defence, abgerufen am 4. März 2020 unter https://www.army.mod.uk/who-we-are/corps-regiments-and-units/royal-army-chaplains-department/ 286 Jeweils inklusive Reservisten 287 Presentation on Military Chaplaincy, Church of England, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.churchofengland.org/sites/default/files/2018-10/gs1776-military%20chaplaincy.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 63 Streitkräften.288 Mit seiner Nominierung 2005 wurde Imam Asim Hafiz289 der erste islamische Seelsorger der britischen Streitkräfte. Erst im Jahr 2009 kam ein jüdischer Seelsorger dazu.290 Bis dahin wurde ein Honorar-Seelsorger für die jüdischen Soldaten beschäftigt. 2009 wurde eine „Muslimische Vereinigung in den Streitkräften“291 (Armed Forces Muslim Association) gegründet, die sich zum Ziel gesetzt hat, den Beitrag des muslimischen Personals zu würdigen. Darauf aufbauend, gründete der Verteidigungsminister (Defence Secretary) 2014 ein „Muslimisches Forum in den Streitkräften“ (Armed Forces Muslim Forum)292 in Zusammenarbeit mit der muslimischen Glaubensgemeinschaft, um den gemeinsamen Dialog zu fördern.293 Imam Asim Hafiz bekleidet jetzt auch den Dienstposten des Beraters in islamischen Fragen (Islamic Religious Adviser) beim Stabschef des Britischen Verteidigungsministers. In einem Interview mit dem Guardian, sagte er 2015: „Meiner Ansicht nach sind die Werte der Streitkräfte sowohl mit den Werten des Islams als auch mit den Werten von anderen Glaubensrichtungen vereinbar“.294 Im Jahr 2015 waren laut dem Guardian 480 Soldaten oder 0,54 Prozent der insgesamt 88.500 Heeressoldaten Muslime. Zum gleichen Zeitpunkt betrug der Anteil der muslimischen Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung laut Angaben der Zeitung 4,4 Prozent.295 Der Stabschef der britischen Armee gab an, diese Zahlen verbessern zu wollen. Laut der Studie Muslim in the Military des Oxforder Zentrums für Islamische Studien (Center for Islamic Studies) dienen 2017- 288 Non-Christian chaplains appointed, BBC, 19. Oktober 2005 abgerufen am 18. März 2020 unter http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/4355896.stm 289 Asim Hafiz, Islamic Religious Advisor, Ministry of Defence, UK, Biography, Chatam House, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.chathamhouse.org/london-conference/speakers/asim-hafiz 290 UK military installs first-ever Jewish Civilian Chaplain, Jerusalem Post, 10. September 2009, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.jpost.com/Jewish-World/Jewish-News/UK-military-installs-first-ever-Jewish- Civilian-Chaplain 291 Armed Forces Muslim Association, abgerufen am 18. März 2020 unter https://afma.org.uk 292 Armed Forces Muslim Forum, abgerufen am 18. März 2020 unter https://afma.org.uk/forum/ 293 Armed Forces Muslim Forum launches, Pressemitteilung der Britischen Regierung, 24 Juli 2014, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.gov.uk/government/news/armed-forces-muslim-forum-launches 294 British army aims to recruit more Muslims after worries over low numbers, The Guardian, 6. Februar 2015, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.theguardian.com/uk-news/2015/feb/06/british-army-recruitmuslims -low-number-iraq-afghanistan 295 British army aims to recruit more Muslims after worries over low numbers, The Guardian, 6. Februar 2015, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.theguardian.com/uk-news/2015/feb/06/british-army-recruitmuslims -low-number-iraq-afghanistan Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 64 2018 etwa 570 bis 650 Muslime in den britischen Streitkräften und somit eine verschwindend geringe Anzahl im Vergleich zu den 2,7 Millionen Muslime im Vereinigten Königreich.296 Die britischen Streitkräfte selbst gehen davon aus, dass zurzeit insgesamt 50 Religionen in den Streitkräften vertreten sind, darunter 1.000 Hindus, 690 Buddhisten, 450 Muslime, 150 Sihks297, 100 Rastafari298 und eine nicht näher angegebene Zahl von Juden299.300 4.4.7.2. Praktische Umsetzung des politischen Vorhabens Der „Leitfaden über Religion und Glauben in den Streitkräften“ räumt ausdrücklich die Möglichkeiten zum Beten ein: „Einige Religionen verlangen von ihren Anhängern, dass sie zu bestimmten Tageszeiten beten. Obwohl das Gesetz nicht ausdrücklich die Bereitstellung von Zeit und Einrichtungen (z. B. eines Ruheraums) für die Einhaltung religiöser Pflichten am Dienstort vorschreibt, ist es Politik des Ministeriums, solche Vorkehrungen zu treffen, wenn die Umstände dies zulassen. Einzelpersonen sollen ihre Bedürfnisse mit ihren Vorgesetzten besprechen, so dass alle Anstrengungen unternommen werden, um den jeweiligen Bedürfnissen gerecht zu werden. Eine Freistellung für eine Gebetsstunde während Übungen oder Operationen kann möglicherweise aufgrund von Aktivitäten der jeweiligen Einheiten verzögert oder verschoben werden. Wo immer dies praktikabel ist, sollten in allen Gebäuden im Bereich des Verteidigungsministeriums – einschließlich Schiffen und U-Booten – Bereiche für Gottesdienste oder Meditation zur Verfügung gestellt werden. Von den Soldaten wird in der Regel erwartet, dass sie Pausenzeiten für ihre 296 Muslim in the Military, Broadening Diversity in the British Armed Forces, Center for Islamic Studies, Dr. Asma Mustafa, Oxford Center for Islamic Studies, 2018, S.3, abgerufen am 18. März 2020 unter https://www.asmamustafa .com/wp-content/uploads/2018/04/Report-on-Muslims-in-the-Military-Broadening-Diversity-in-the- British-Armed-Forces.pdf 297 Das Tragen eines Turbans ist den Sihks erlaubt. 298 Das Tragen von Dreadlocks ist den Rastafaris erlaubt. 299 Das Tragen der Kippah ist den Juden erlaubt. 300 Faith in the Army, Rekrutierungsseite der Britischen Streitkräfte, abgerufen am 18. März 2020 unter https://apply.army.mod.uk/what-we-offer/what-we-stand-for/faith Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 65 religiösen Plichten verwenden.“301 Ebenso wird dafür Sorge getragen, dass religiös bedingte Feiertage eingehalten werden können.302 Der Leitfaden erkennt und berücksichtigt die religiös bedingte Kleiderordnung von Soldaten: „Die Streitkräfte erkennen an, dass Personen mit bestimmten Religionen oder Weltanschauungen im Allgemeinen die Möglichkeit begrüßen, die Kleidung tragen zu dürfen, die für ihre Religion oder Weltanschauung von Bedeutung ist. Dies spiegelt sich in den Kleidungsvorschriften der Streitkräfte wider, die kulturelle und religiöse Unterschiede berücksichtigen, wie zum Beispiel, indem es Einzelpersonen erlaubt ist, Gegenstände von religiöser Bedeutung zu tragen, oder indem muslimische Frauen, ihre Arme, Beine und ihren Kopf in allen Aspekten ihrer Arbeit bedecken dürfen.“ 303 In dem Leitfaden werden darüber hinaus die Essgewohnheiten und etwaige Fastenzeiten berücksichtigt: „Die Streitkräfte bemühen sich nach Kräften, alle besonderen religiösen Ernährungsbedürfnisse zu erfüllen. So können vegetarische Optionen beziehungsweise halal- oder koschere Mahlzeiten in den Truppenküchen angeboten werden. Die Zubereitung von koscherem Essen durch das Truppenküchenpersonal unter strikter Einhaltung des jüdischen Glaubens kann jedoch nicht garantiert werden. Dies gilt auch für die Zubereitung von halal-Lebensmitteln im Hinblick auf den muslimischen Glauben. Vegetarische, halale und koschere Rationspakete sind normalerweise für Operationen und Übungen leicht verfügbar. Unter bestimmten Umständen oder bei bestimmten Vorgängen kann dies jedoch nicht garantiert werden. Das Personal aus der Glaubensgemeinde der Sikh benötigt eine alternative Fleischauswahl304 zur halalen- oder kosheren Auswahl.“305 „Einige Religionen verlangen von ihren Anhängern längere Fastenperioden (z.B. während des Ramadans). In den Streitkräften sollte das Fasten normalerweise erlaubt sein, es sei denn, es gibt dienstliche Umstände, bei denen die körperlichen Anforderungen an eine Person hoch sind und das Fasten gefährlich und unangemessen wäre. Es sollte darauf geachtet werden, dass die 301 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.9 / Pt. 28, abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf 302 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.9 / Pt. 29ff., abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf 303 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.10 / Pt. 34., abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf 304 Sihks dürfen kein ritual zubereitetes Fleisch, wie halal oder koscher zu sich nehmen. 305 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.10 / Pt. 35., abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 66 Erlaubnis einer Person, ein Fasten zu unternehmen, andere Soldaten nicht unangemessen belastet.“ 306 Schließlich ist zu erwähnen, dass die Seelsorger befugt sind, an der Front eine Notfallbeerdigung nicht nur bei christlichen Soldaten, sondern auch in den fünf Minderheitsreligionen (Buddhismus, Hinduismus, Islam, Judaismus und Sikhismus) vorzunehmen. Dies gilt in den Fällen in denen eine Rückführung der Leichname nicht möglich ist. 307 5. Fazit 5.1. Zusammenfassung 5.1.1. Unterschiedliche Modelle In der EU und der NATO wird die Seelsorge der muslimischen Soldaten unter dem Strich sehr unterschiedlich gehandhabt. Doch insgesamt, wurde die Handlungsnotwendigkeit in den allermeisten Ländern erkannt. Selbst in Ländern, die demographisch bedingt wenig tangiert sind, wie Finnland, wo der islamische Glaube erst vor knapp 15 bis 20 Jahren Einzug ins Land genommen hat, werden mittlerweile die Bedürfnisse der muslimischen Soldaten zielführend berücksichtigt. In den USA, wo kaum mehr als ein Prozent der Gesamtbevölkerung sich zum Islam bekennt, sind die Behörden in den letzten drei bis fünf Jahren sichtlich bemüht gewesen, den Soldaten muslimischen Glaubens entgegenzukommen, wobei eine gewisse – manchmal besorgniserregende – Stigmatisierung im Alltag nicht ganz verschwunden zu sein scheint. Lässt man den bulgarischen Sonderweg – in dem gar keine Religion im Dienstalltag geduldet wird – beiseite, so überrascht es umso mehr, dass nicht wenige Länder, die demographisch tangiert sind, bis jetzt kaum Maßnahmen getroffen haben, um die Bedürfnisse des muslimischen Anteils der Truppe zu würdigen. Dies gilt beispielsweise für Schweden, ein Land in dem die Häufigkeit des muslimischen Glaubens mit 8,1 Prozent eine der höchsten in Europa ist, wobei Schweden 2017 die Wehrpflicht wieder eingeführt hat. Besonders unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der schwedische Staat muslimische Bürger zum Wehrdienst zwingen – und somit eine grundfreiheitseinschränkende Maßnahme vornehmen – kann, vermag die Entscheidung, keine dezidierte Grundlage für eine islamische Seelsorge schaffen zu wollen, nicht richtig zu überzeugen. 306 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.10 / Pt. 36., abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf 307 Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence, S.10 / Pt. 37/38., abgerufen am 18. März 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/28127/guide_religion_belief.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 67 Naturgemäß sind die Länder, in denen die muslimische Glaubensgemeinschaft traditionell stark repräsentiert ist, wie Frankreich (8,8 Prozent) oder Großbritannien (6,3 Prozent), Vorreiter gewesen: Beide Länder haben schon um das Jahr 2005 angefangen, sich mit den Bedürfnissen der muslimischen Soldaten zu befassen. Auch das Einwanderungsland Kanada hat ein sehr fortschrittliches System um das Jahr 2000 eingeführt. Dies liegt allerdings weniger darin, dass die muslimische Glaubensgemeinschaft mit 3,2 Prozent besonders groß ist, sondern daran, dass die Gesellschaft immer vielfältiger wurde, so dass das christliche Glaube nicht mehr als alleiniges Referenzmodell herangezogen werden konnte. Am weitesten beim Aufbau einer islamischen Seelsorge ist zweifelsohne Frankreich gegangen. Heute zählt die islamische Seelsorge etwa 43 Seelsorger (38 aktive Seelsorger und fünf Seelsorger in der Reserve). Darunter gibt es sieben Frauen. Die unmittelbare Betreuung der Soldaten übernehmen 28 islamische Feldseelsorger, wobei 15 bis 20 islamische Seelsorger jedes Jahr in den Einsatz gehen. Die Gründung eines gemeinsamen Schulungszentrums im Jahr 2020 und die gezielte Förderung eines toleranten und westlich orientierten Islams innerhalb des demokratisch legitimierten Wertekonsenses der Republik (sogenannter Islam de France) stellen zwei weitere und sicherlich zielführende Besonderheiten dar. 5.1.2. Situation in Deutschland Aus einer Vielfalt von kulturellen und politischen Gründen kann das französische System kaum als Blaupause für die Bundesrepublik dienen – zumal die bis jetzt geringe Anzahl von Bundeswehrangehörigen muslimischen Glaubens dies nicht rechtfertigen würde. Es können aber Lehren aus der umfangreichen französischen Erfahrung gezogen werden. Es ist nämlich festzuhalten, dass seit der erstmaligen Wahrnehmung des Themenfeldes – als Stichtag kann die Publikation des Arbeitspapiers „Muslime in der Bundeswehr“ durch das Zentrum Innere Führung im Jahr 2000 dienen – so gut wie nichts passiert ist, obgleich die Verteidigungsministerin, Ursula von der Leyen (CDU), das Thema in ihrer Amtszeit (2013-2019) mit Nachdruck wieder auf die Agenda gebracht hatte. Bei Bedarf erfolgt die Vermittlung einer islamkundigen Person an Soldatinnen und Soldaten seit dem 1. April 2020 über die Zentrale Ansprechstelle für Vielfalt (ZAVi), in der die ZASaG308 übergegangen ist. Doch zwischen 2015 und Juli 2019 gingen nur 424 Anfragen bei der ZASaG ein – im Durchschnitt also weniger als zehn pro Monat.309 Diese Statistik zeigt, dass der Beratungsbedarf von nicht christlichen Soldaten (vorwiegend von Juden und Muslimen) entweder äußerst gering ist, oder dass der Zwang zur proaktiven Verbindungsaufnahe mit der Beratungshilfe als Hürde empfunden wird. Unstrittig ist dagegen, dass diese erste Stufe eines seelsorgerischen Gesamtkonzeptes lediglich Abhilfe schaffen und keine vollwertige Seelsorge ersetzen kann. 308 Zentrale Ansprechstelle für Soldatinnen und Soldaten anderer Glaubensrichtungen 309 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion der AfD zum Thema Einführung einer islamischen Militärseelsorge, Drucksache 19/11919 vom 25. Juli 2019, abgerufen am 23. April 2020 unter https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/119/1911919.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 68 So ist es zunehmend fraglich, ob die Bundesrepublik Deutschland den muslimischen Bundeswehrangehörigen eine rechtskonforme Seelsorge ermöglicht, denn die muslimischen Soldaten sind nunmehr die einzigen Vertreter einer zahlenmäßig primär-relevanten Religionsgemeinschaft ohne direkten Zugang zu einer weltanschauungsgerechten Seelsorge. Es darf daher bezweifelt werden, ob die fehlende Seelsorge für Muslime den Grundrechten des Art. 4 Abs. 1 GG310 – Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich – in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 GG311 – Niemand darf wegen (…) seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden – entspricht. Insbesondere seitdem einer zahlenmäßig wesentlich kleineren Glaubensgemeinschaft, wie der jüdischen, ein eigener seelsorgerischer Dienst innerhalb der Bundeswehr ermöglicht wurde, bedarf es für eine Schlechterstellung der islamischen Religionsgemeinschaft im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften eines unabdingbaren – rechtlich tragfähigen – sachlichen Grundes. Ein solcher Grund kann in Anbetracht der Rechercheergebnisse weder aus dienstorganisatorischer noch aus politikwissenschaftlicher Sicht erkannt werden. Eine tiefergehende verfassungsrechtliche Klärung und Würdigung dieses Aspektes würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen und müsste im Rahmen eines juristischen Gutachtens erfolgen. 5.2. Ausblick 5.2.1. Praktische Maßnahmen Zwar bietet kaum ein anderer Arbeitgeber als die Bundeswehr so viel Gleichbehandlung ungeachtet dessen, ob die Soldaten einen anderen kulturellen oder religiösen Hintergrund haben. Doch auch in den Kasernen kann der Alltag von Menschen mit Migrationshintergrund herausfordernd sein, wie es der Artikel des Berliner Tagesspiegels „Muslime in der Bundeswehr, Kameraden oder Islamisten“312 von 2016 in stellvertretender Weise veranschaulicht. Ein türkischstämmiger Feldwebel beschreibt darin seine Erlebnisse: „Viele wissen nichts vom Islam (…) Doch wie passen die religiösen Verpflichtungen als Moslem und das Soldatensein in der Bundeswehr ganz praktisch zusammen? (…) Das Essen muss halal 310 „Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich“. Abgerufen am 6. März 2020 unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_4.html 311 „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. Abgerufen am 6. März 2020 unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html 312 Muslime in der Bundeswehr, Kameraden oder Islamisten, Michael Schmidt, 19. November 2016, abgerufen am 26. März 2020 unter https://www.tagesspiegel.de/politik/muslime-in-der-bundeswehr-kameraden-oder-islamisten /14855780-all.html?print=true Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 69 sein, das heißt, verboten ist Schweinefleisch; verboten ist auch alles mit Blut. Man muss Abstriche machen, [sagt der Feldwebel], (…). in der Kantine die vegetarische Variante wählen, (…). und im Auslandseinsatz, wo es die Einmannpackungen ‚EPa‘ gibt, die auf religiöse Regeln wenig Rücksicht nehmen, [muss man auch Abstriche machen] (…) Schwierig wird der Truppenalltag im Ramadan. Fasten im Einsatz? Nahezu ein Ding der Unmöglichkeit: (…) Wir als Soldaten müssen unsere psychische und körperliche Leistungsfähigkeit die ganze Zeit aufrechterhalten , (…) Das funktioniert nicht ohne Essen, und schon gar nicht ohne Trinken. Zum Glück ist Allah da nicht so streng. (…) Als Moslem kann er überall beten, er braucht nicht einmal zwingend einen Teppich (…). Trotzdem wäre ein ‚Raum der Stille‘ schön. Das muss nicht ein Gebetsraum nur für Moslems sein, aber eine Rückzugsmöglichkeit wäre wünschenswert. (…) Eigentlich herrscht Einigkeit, in der Politik, im Ministerium, in der Truppe: Eine islamische Militärseelsorge wäre dringend nötig. Zur psychologischen Unterstützung. Für Antworten auf theologische Streitfragen. Aber vor allem für den Ernstfall im Einsatz: Welche Gebete müssen gesprochen werden, wenn ein Moslem im Kampf fällt? Dass die Arme an die Seite zu legen und die Beine auszustrecken sind, der Leichnam rituell gewaschen werden muss, das aber nur ein Moslem, und zwar gleichen Geschlechts, tun darf, das weiß nicht jeder. Und wie sagt man es der Familie? Da wäre es schon gut, nicht nur einen evangelischen Pfarrer vor Ort zu haben, der das erst mal googeln muss [sagt der Feldwebel].“ Dieser Zeugenbericht bestätigt im Tenor, die Forschungsergebnisse aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Frankreich.313 Es zeigt auch, dass schon kostengünstige oder gar kostenneutrale Maßnahmen (Respekt der Kultur, religionsgerechte Mahlzeiten oder Rationen, Rückzugsraum zum Gebet…) äußerst große Wirkung entfalten können. Maßnahmen die zum Wohlbefinden der Soldaten beitragen, wirken sich grundsätzlich immer positiv auf die Auftragserfüllung aus. Wenngleich einige Staaten (z.B. Vereinigte Staaten, Vereinigtes Königreich) soweit gehen, dass sie religiöse Kleiderordnungen, wie den Hidschab, ausdrücklich erlauben, ist ein solcher Schritt mit den Vorschriften der Bundeswehr nicht vereinbar. Dem 60. Bericht (2018) des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD), ist folgendes Beispiel zu entnehmen: „Anders als in den vergangenen Berichtsjahren gab es 2018 eine einzelne Eingabe über die Einschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit: Eine Soldatin muslimischen Glaubens bat darum, aus religiösen Gründen ein Kopftuch zur Uniform tragen zu dürfen. Das Ministerium hat dieses Ansinnen sehr ernst genommen und der Soldatin in rücksichtsvoller Art und Weise geantwortet. Gemäß den Vorgaben der Richtlinie zur Anzugsordnung ist das 313 Siehe dazu u.a.: L’islam dans l’Armée, Cahiers de la Méditéranée, Migration et religion en France (Tome 1), S. p. 65-88, 2008, abgerufen am 3. März 2020 unter https://journals.openedition.org/cdlm/4296 ; 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109- 117, Rz. 9, abgerufen am 3. März 2020 unter https://journals.openedition.org/hommesmigrations/3804 ; Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, 39 S. , abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.defense.gouv.fr/content/download/526851/9095769/file/Laicite 27oct2017.pdf ; Musulmans dans les armées françaises, Entre banalisation institutionnelle et altérité imaginaire, Elyamine Settoul, Migrations Société 2008/6 (N° 120), S. 35-48, abgerufen am 3. März 2020 unter https://www.cairn.info/revue-migrations-societe-2008-6-page-35.htm# Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 70 Tragen eines Kopftuches zur Uniform allerdings unzulässig. Disziplinarvorgesetzte sind nicht befugt, Ausnahmen zu gewähren.“314 Werden die Maßstäbe des Beschlusses des Bundesverfassungsgericht vom 14. Januar 2020 zur Frage, ob das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen (in Hessen) verfassungsgemäß ist, zu Grunde gelegt, so kommen als rechtfertigende Verfassungsgüter für ein Verbot „die Grundsätze der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates und der Funktionsfähigkeit der Behörde [im Wortlaut des Urteils der Rechtspflege] sowie die negative Religionsfreiheit Dritter in Betracht.“ Weiterhin stellt das Gericht fest: „Die Verpflichtung des Staates auf Neutralität kann keine andere sein als die Verpflichtung seiner Amtsträger auf Neutralität, denn der Staat kann nur durch Personen handeln.“ Dies gilt laut Urteil besonders in Fällen, in denen der Staat klassisch-hoheitlich auftritt. 315 5.2.2. Theologische und sicherheitspolitische Maßnahmen Zunächst sei erwähnt, dass kein Anhaltspunkt dafür gefunden werden konnte, dass es Pflicht und Aufgabe des Staates ist, Seelsorger für mehrere oder gar alle Auslegungen und Strömungen innerhalb einer Glaubensgemeinschaft zu stellen. Vielmehr muss der Staat durch Heranziehung von fachlich qualifizierten – und von der Mehrheit der Soldaten akzeptierten – Gelehrten eine zielführende Grundversorgung entsprechend der Größe der übergeordneten Glaubensgemeinschaft sicherstellen. Sollte aus der Alltagsbeobachtung ein legitimer Bedarf nach sunnitischen oder schiitischen beziehungsweisen nach Gelehrten anderer Sub-Gemeinschaften innerhalb des Islams erwachsen, so hätte der Staat jederzeit die Möglichkeit den etwaigen Bedarf durch den Abschluss von geeigneten Gestellungsverträgen entsprechend der zugrunde liegenden Legitimität zu steuern. Somit entfällt nach hiesiger Meinung – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – der Bedarf für die mühsame und alles aufhaltende Suche nach einem Gesamtvertreter „des Islams“316 in Deutschland . 314 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2018 (60. Bericht), Drucksache 19/7200 vom 29. Januar 2019, Deutscher Bundestag, S. 65, abgerufen am 13. März 2020 unter http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/072/1907200.pdf 315 Vgl. Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen verfassungsgemäß, Beschluss des Zweiten Senats vom 14. Januar 2020 – 2 BvR 1333/17, Pressemitteilung Nr. 13/2020 vom 27. Februar 2020, Bundesverfassungsgericht , abgerufen am 26. März unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen /DE/2020/bvg20-013.html 316 Es gibt nicht „den einen“ Islam sondern eine Vielfalt von politischen, kulturellen und interessengeleiteten Auslegungen. Siehe dazu z.B.: Debatte um „Deutschen Islam“ – Zwischen Koran und Grundgesetz, Ulrich Pick, Deutschlandfunkt, 12. Januar 2020, abgerufen am 16. April 2020 unter https://www.deutschlandfunk.de/debatte -um-deutschen-islam-zwischen-koran-und-grundgesetz.724.de.html?dram:article_id=467685 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 71 Sicherheitsgeprüfte, in Deutschland unter der Beachtung des Grundgesetzes ausgebildete, islamische Seelsorger deutscher Staatsangehörigkeit317 würden nicht nur eine verfassungsund religionsgerechte Betreuung der muslimischen Soldatinnen und Soldaten samt Familien gewährleisten (besonders im Falle von seelischem Leiden, Tod und Verwundung im Einsatz), sondern auch einen Beitrag zur Prävention und Früherkennung von Verdachtsmomenten im Falle von islamistischer Radikalisierung leisten. Im erstgenannten Aufgabenfeld (Betreuung) ist es ein Gebot der Menschlichkeit und des Respektes für die Soldatinnen und Soldaten, die ihr eigenes Leben im Sinne des Gemeinwohls beziehungsweise zum Wohle des deutschen Staates aufs Spiel setzen, dass diese von Angehörigen ihrer Religionsgemeinschaft seelsorgerisch betreut werden – zumindest soweit die praktischen Hemmnisse nach vernünftiger Abwägung von Machbarkeit und Aufwand es ermöglichen. Im letztgenannten Aufgabenfeld (Extremismusprävention) darf davon ausgegangen werden, dass es besonders zielführend sein dürfte, wenn im Sinne der Förderung eines aufgeklärten und toleranten Islams nach den Vorgaben des Rechtsstaates und der Freiheitlichen Demokratischen Grundordnung geschulte muslimische Seelsorger die Möglichkeit bekämen, proaktiv den Dialog mit den Soldatinnen und Soldaten in Fragen der Ethik und der Auslegung der religiösen Texte und Traditionen zu suchen. In Abwesenheit eines solchen vom Staat geförderten und kontrollierten Angebots besteht die sehr reale Möglichkeit, dass eine gewisse Zahl von Soldaten sich außerhalb der Kasernen von einer verfassungswidrigen Auslegung des Korans oder der vermeintlich überlieferten Traditionen verirren lässt.318 Diese Gefahr darf nicht unterschätzt werden. Presseberichten zufolge wurden von 2006 bis 2016 24 Soldaten als Islamisten eingestuft und entlassen.319 2019 stellte das Bundesamt für den militärische Abschirmdienst (BAMAD) 77 neue Verdachtsfälle gegen Islamisten fest, 2018 waren es 50, 2017 waren es 46 und 2016 waren es 50.320 Von den 77 Verdachtsfällen aus dem Jahr 2019 stufte das BAMAD vier Personen als „Erkannte Extremisten“ ein und bei weiteren vier Personen 317 Schon aufgrund der notwendigen Sicherheitsüberprüfung und damit einhergehende Feststellung der Verfassungstreue, darf angenommen werden, dass die deutsche Staatsangehörigkeit unabdingbar sein dürfte. Außerdem dürfte die deutsche Staatsangehörigkeit auch aufgrund von etwaigen Einsätzen der islamischen Seelsorger im Ausland im Rahmen von Bundeswehr-Operationen unabdingbar sein. 318 In einem aufsehenerregenden Fall stellte das Oberverwaltungsgericht Koblenz 2019 fest, dass ein muslimischer Soldat, der aus religiösen (und angeblich hygienischen) Gründen seinen Kameradinnen pauschal und wiederholt den Handschlag verweigert hatte, entlassen werden darf. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Soldat sich dadurch als unzuverlässig erwies, der übergeordneten Pflicht zur Kameradschaft nachzukommen . (Entscheidung v. 8. Oktober 2019, Az. 10 A 11109/19, zitiert in Weil er Frauen nicht die Hand gab, Bundeswehr durfte Soldaten entlassen, Legal Tribune Online, 14. Oktober 2019 https://www.lto.de/recht/nachrichten /n/ovg-rheinland-pfalz-10-a-11109-19-bundeswehr-entlassung-soldat-kein-handschlag-frauen/ ) 319 Muslime in der Bundeswehr, Kameraden oder Islamist, Michael Schmidt, 19. November 2016, abgerufen am 26. März 2020 unter https://www.tagesspiegel.de/politik/muslime-in-der-bundeswehr-kameraden-oder-islamisten /14855780-all.html?print=true 320 Quelle: Jahresberichte 2016, 2017, 2018, 2019 des Wehbeauftragten des Deutschen Bundestages. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 72 wurde eine „Fehlende Verfassungstreue“ festgestellt, 321 wobei die Anhaltspunkte für die Einstufung vielseitig sind322 Vier Fälle von „Erkanntem Extremismus“ und vier Fälle von „Fehlender Verfassungstreue“ sind bei einer Truppe von 182.000 Mann ein starkes Indiz dafür, dass islamistische Bestrebungen die Bundeswehr nicht gefährden. Doch es darf auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die relative Häufigkeit323 von verfassungswidrigen Verhalten im Rahmen des islamistischen Extremismus außergewöhnlich hoch ist: Geht man von 3.000 Soldaten islamischen Glaubens innerhalb der Bundeswehr aus, dürfen 77 Verdachtsfälle mit – im Ergebnis – vier Fällen von „Erkanntem Extremismus“ und vier Fällen von „Fehlender Verfassungstreue“ nicht als unproblematisch gelten. Deshalb ist erhöhte Wachsamkeit besonders angezeigt. 5.2.3. Schlussbetrachtung Unter dem Strich darf festgehalten werden, dass es nach hiesiger Meinung nicht nur bürgerrechtlich geboten, sondern auch im übergeordneten Sinne des Dienstherrn wäre, wenn muslimische Soldaten innerhalb der Bundeswehr ein kultur- und religionsgerechtes seelsorgerisches Angebot bekämen. Denn im Sinne einer Stärkung der freiheitlichdemokratischen Grundordnung auf lange Sicht gilt es, einen toleranten Islam deutscher Prägung zu fördern und zu fordern, damit der radikale und politisch-militante Islam ausländischer Prägung den Kasernen fern bleibt. Außerdem hat sich seit Jahrhunderten gezeigt, dass eine personenkreisgerechte seelsorgerische Betreuung immer eine positive Wirkung auf die Einsatzbereitschaft von Streitkräften hat. *** 321 Vgl. Erster Bericht der Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle zur Unterrichtung der Leitung des BMVg, des parlamentarischen Raums und der Öffentlichkeit – Berichtsraum 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019 – Ausschlussdrucksache 19(12)671 vom 2. März 2020. 322 Überwiegend handelt es sich dabei um: eine extreme, teilweise salafistische Lesart und Befolgung der islamischen Glaubensgrundlagen; die subjektive Bewertung der Scharia als über dem Grundgesetz stehend, eine besonders strenge Befolgung der islamischen Regeln, im Widerspruch zu den Werten des Grundgesetzes; die strenge Einhaltung der Gebetszeiten, auch unter Inkaufnahme der Kollision mit dienstlichen Pflichten; Kontakte zu Angehörigen der islamistischen Szene; sowie Besuche von religiösen Einrichtungen, die von den Verfassungsschutzbehörden als extremistisch oder extremistisch beeinflusst bewertet werden. Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion der AfD zur Einführung einer islamischen Militärseelsorge, Deutscher Bundestag, Drucksache 19/11919 vom 25. Juli 2019, abgerufen am 16. April 2020 unter http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/19/119/1911919.pdf 323 Basierend auf die Daten vom BAMAD (vgl. Fn. 321) ist die relative Häufigkeit der islamistischen Verdachtsfälle (77 von 3.000 Soldaten) ungefähr sieben Mal höher als beim Rechtsextremismus inkl. Reichsbürger und Ausländerextremismus (732 Fälle bei 179.000 Soldaten). Auch die relative Häufigkeit von „Erkanntem Extremismus“ und „Fehlender Verfassungstreue“ (jeweils vier von 3.000 Soldaten) ist deutlich höher als im Bereich Rechtsextremismus inkl. Reichsbürger und Ausländerextremismus (10 Fälle von „Erkanntem Extremismus “ und 33 Fälle von „Fehlenden Verfassungstreue“ auf 179.000 Soldaten). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 146/19 Seite 73 6. Literaturverzeichnis (Auswahl) 6.1. Bundestagsdrucksachen Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen zum Thema Multikulturelle und multireligiöse Identität der Bundeswehr 2019, Drucksache 19/10428 vom 23. Mai 2019 Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion der AfD zum Thema Einführung einer islamischen Militärseelsorge, Drucksache 19/11919 vom 25. Juli 2019 6.2. Studien 2006-2016, 10 ans d’aumônerie militaire du culte musulman, Elyamine Settoul, revue hommes & migration, 2017, S. 109-117 Muslim in the Military, Broadening Diversity in the British Armed Forces, Asma Mustafa, Oxford Center for Islamic Studies, 2018, 40 S. The Reinvention of the Canadian Armed Forces Chaplaincy and the Limits of Religious Pluralism, Michael T. Peterson, Wilfrid Laurier University, 2015, 217 S. 6.3. Weitere Dokumente Expliquer la „laïcité française“, une pédagogie par l’exemple de la „Laïcité militaire“, Direction Générale des Relations Internationales et de la Strategie, Ministère des Armées, Novembre 2017, 40 S. Guide on Religion and Belief in the Armed Forces, Ministry of Defence (UK), 2011, 46 S. Rede von Oberst Burkhard Köster, Referatsleiter FüSK III 3 (Innere Führung und Militärseelsorge ), zu den rechtlichen Grundlagen, Perspektiven und Erwartungen an die Militärseelsorge anlässlich der Arbeitsausschusssitzung der Deutschen Islam Konferenz im Bundesministerium der Verteidigung am 27. April 2016