© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 146/18 Der Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration und seine Beurteilung durch die Staatengemeinschaft Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Reaktionen in der Staatengemeinschaft auf den Globalen Migrationspakt 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 146/18 Seite 4 1. Der Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration Der Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration (kurz: Global Compact on Migration , GCM; zu deutsch: Globaler Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration, kurz: Globaler Migrationspakt) liegt derzeit als finalisierter Entwurf vom 13. Juli 2018 vor und soll durch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen (VN) auf einer zwischenstaatlichen Konferenz in Marrakesch im Dezember 2018 verabschiedet werden.1 Bei dem dann zustande kommenden Pakt würde es sich um die erste globale, zwischenstaatliche und unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen ausgehandelte Übereinkunft handeln, die die verstärkte Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Migration zum Gegenstand hat.2 2. Wesentliche Eckpunkte des finalisierten Entwurfs vom 13. Juli 2018 Der finalisierte Entwurf des Globalen Migrationspakts besteht aus einer Präambel, einem einführenden Teil über die gemeinsame Vision und die dem Pakt zugrundeliegenden Leitprinzipien sowie einem vereinbarten Kooperationsrahmen. In diesem Kooperationsrahmen haben sich die Akteure auf 23 Ziele („Objectives“) geeinigt, mit denen eine sichere, geordnete und reguläre Migration erreicht werden soll. Daneben vereinbaren die Staaten Maßnahmen zur Umsetzung des Pakts und beschließen, den Umsetzungsstand regelmäßig weiterzuverfolgen und zu überprüfen. Jedes der 23 Ziele enthält eine rechtlich unverbindliche Selbstverpflichtung der Mitglieder („Commitment“)3 und schlägt eine Reihe von Maßnahmen für deren Umsetzung vor. Unter anderem nennt der Globale Migrationspakt die folgenden Ziele4: • Minimierung nachteiliger Triebkräfte und struktureller Faktoren, die Menschen dazu zwingen, ihre Herkunftsländer zu verlassen (2); 1 Siehe Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, Intergovernmentally Negotiated and Agreed Outcome 13 July 2018, https://refugeesmigrants.un.org/sites/default/files/180713_agreed_outcome_global_compact _for_migration.pdf (Zugriff: 23.10.2018); für die deutsche Übersetzung des finalisierten Entwurfs siehe den Entwurf des Ergebnisdokuments der Zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration in Marrakesch (Marokko), 10.- 11.12.2018, Punkt 10 der vorläufigen Tagesordnung, A/Conf.231/3, 30.07.2018, http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf (letzter Zugriff: 23.10.2018). 2 Siehe den überblicksartig dargestellten Entwicklungsprozess auf der Webseite der Internationalen Organisation für Migration IOM), https://www.iom.int/global-compact-migration (letzter Zugriff: 23.10.2018). 3 Der Deutsche Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen übersetzt an dieser Stelle „commitment“ mit „Verpflichtung “, was angesichts der rechtlichen Unverbindlichkeit des Pakts missverständlich scheint, siehe den Entwurf des Ergebnisdokuments der Zwischenstaatlichen Konferenz zur Annahme des globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration in Marrakesch (Marokko), 10.- 11.12.2018, Anlage zu Punkt 10 der vorläufigen Tagesordnung, A/Conf.231/3, 30.07.2018, Deutscher Übersetzungsdienst der Vereinten Nationen, http://www.un.org/depts/german/migration/A.CONF.231.3.pdf (letzter Zugriff: 23.10.2018). 4 Beispielhaft zu den insgesamt 23 Zielen sind hier sieben Ziele aufgelistet. Die genannten Ziele und die Nummerierung entsprechen der deutschen Fassung des finalisierten Entwurfs, wie sie durch den Deutschen Übersetzungsdienst erstellt wurde (siehe Fußnote 1). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 146/18 Seite 5 • Sicherstellung dessen, dass alle Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen (4); • Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für reguläre Migration (5); • Integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement (11); • Freiheitsentziehung bei Migranten nur als letztes Mittel und Bemühung um Alternativen (13); • Gewährleistung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen (15); • Zusammenarbeit bei der Ermöglichung einer sicheren und würdevollen Rückkehr und Wiederaufnahme sowie einer nachhaltigen Reintegration (21). VN-Generalsekretär Guterres verweist auf drei Kernziele des Globalen Migrationspakts: Erstens gehe es darum, die nationale Entwicklungspolitik und die internationale Entwicklungszusammenarbeit neu auszurichten, um dem Themenfeld Migration Rechnung zu tragen. Zweitens darum , die internationale Zusammenarbeit gegen Schleuser und Menschenhändler zu stärken und ihre Opfer zu schützen. Drittens seien Staaten weltweit aufgefordert, die Möglichkeiten legaler Migrationswege auszuweiten.5 3. Völkerrechtliche Auswirkungen des Globalen Migrationspakts Der finalisierte Entwurf sieht vor, dass der Globale Migrationspakt einen völkerrechtlich unverbindlichen Rahmen für die Zusammenarbeit der Staaten im Bereich der Migration bilden soll.6 Damit lässt sich der Pakt nach seiner Annahme dem sog. soft law zurechnen, das rechtlich unverbindlich ist.7 4. Konkrete Veränderungen und Verpflichtungen für die beteiligten Staaten durch den Globalen Migrationspakt Noch offen ist, ob sich aus dem Globalen Migrationspakt in seiner finalisierten Entwurfsfassung konkrete Veränderungen im Bereich der Migration ergeben. 5 Siehe „‚Multilateralismus in Aktion‘, sagt UN-Generalsekretär im Vorfeld der erwarteten Einigung über den Migrationspakt“, 13.07.2018, Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa, https://www.unric.org/de/uno-schlagzeilen/28382-multilateralismus-in-aktion-sagt-un-generalsekretaer-im-vorfeld -der-erwarteten-einigung-ueber-den-migrationspakt und „Opening remarks at press conference at UN Headquarters “, 12.07.2018, António Guterres, https://www.un.org/sg/en/content/sg/speeches/2018-07-12/remarkspress -conference-un-headquarters (letzter Zugriff jeweils: 23.10.2018). 6 Siehe Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migration, Intergovernmentally Negotiated and Agreed Outcome 13 July 2018, https://refugeesmigrants.un.org/sites/default/files/180713_agreed_outcome_global_compact _for_migration.pdf (letzter Zugriff: 23.10.2018): “This Global Compact presents a non-legally binding, cooperative framework (…)” 7 Vgl. Maunz/Dürig/Herdegen, GG-Kommentar, 83. EL April 2018, Art. 25 Rn. 34. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 146/18 Seite 6 Ob die vereinbarten Ziele und Maßnahmen tatsächlich zu einer veränderten internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Migration führen werden, kann nicht vorhergesagt werden, zumal das Übereinkommen rechtlich unverbindlich ist. Ein neu geschaffenes Migrationsnetzwerk der Vereinten Nationen soll die Staaten aber dabei unterstützen , die Ziele umzusetzen und sicherstellen, dass die Umsetzung des Pakts weiterverfolgt und regelmäßig überprüft wird. Als Koordinatorin und Sekretariat wird laut dem finalisierten Entwurf die Internationale Organisation für Migration (IOM) fungieren. Alle vier Jahre soll ein globales, zwischenstaatliches Forum stattfinden, auf dem die Mitgliedstaaten Fortschritte und Erfahrungen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Globalen Migrationspakts teilen und erörtern sollen. Der Pakt sieht – soweit aus der finalisierten Textfassung ersichtlich– unmittelbar keine konkreten Verpflichtungen tatsächlicher oder finanzieller Art für die teilnehmenden Staaten vor. Die Staaten werden zwar ermuntert, sobald wie möglich ambitionierte nationale Strategien zur Umsetzung des Globalen Pakts zu entwickeln und die Fortschritte auf nationaler Ebene regelmäßig und auf inklusive Weise zu überprüfen. Die Ausarbeitung und Anwendung eines nationalen Umsetzungsplans ist jedoch freiwillig. Explizit greift der Globale Migrationspakt das Prinzip der „nationalen Souveränität“ in seinem finalisierten Entwurf auf und bekräftigt das Vorrecht der Staaten, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln. 5. Reaktionen in der Staatengemeinschaft auf den Globalen Migrationspakt In der Staatengemeinschaft rief die Einigung über den Endentwurf des Globalen Migrationspakts unterschiedliche Reaktionen hervor. Das Auswärtige Amt befürwortet, dass die internationale Gemeinschaft mit dem Globalen Migrationspakt eine klare Haltung zeige: Migration sei wesentlicher Bestandteil menschlichen Zusammenlebens . Ihre Vorteile und Chancen könnten durch verbesserte internationale Kooperation zwischen Herkunfts-, Transit- und Zielländern besser genutzt werden. Deutschland begrüße in diesem Zusammenhang das ausdrückliche Bekenntnis der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen zur gemeinsamen und geteilten Verantwortung.8 In der Regierungspressekonferenz vom 12. Oktober 2018 hoben der Sprecher der Bundesregierung und ein Sprecher des Auswärtigen Amtes mit Nachdruck die rechtliche Unverbindlichkeit des Globalen Migrationspakts hervor. Bei dem Pakt in seiner finalisierten Fassung handele es sich um eine „politische Absichtserklärung der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen“, der die Grundlage für global besser geregelte und sichere Migration sein solle, so der Sprecher des Auswärtigen Amtes. Der Pakt berühre trotz der ihm beigemessenen Bedeutung und gewollten Unterstützung der Bundesregierung in keiner Weise die nationale Souveränität der Staaten, unterstrich 8 Siehe „Verhandlungen zum Globalen Migrationspakt der Vereinten Nationen erfolgreich abgeschlossen“ (Artikel),16.07.2018, Auswärtiges Amt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/themen/migration /globaler-migrationspakt-vn/2118966 (letzter Zugriff: 23.10.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 146/18 Seite 7 der Regierungssprecher. Die Bundesregierung begrüße das von den VN initiierte Rahmenwerk, da es erstmalig den gemeinsamen Willen in der internationalen Gesellschaft dokumentiere, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen, um Migration weltweit zu steuern und zu ordnen. Zudem begrüße die Bundesregierung auch das darin ausdrücklich vorgesehene Leitprinzip, illegale Migration zu reduzieren.9 Der Bundesrat der Schweiz hat mit Entscheid die Zustimmung zum Globalen Migrationspakt beschlossen . Der Pakt entspreche den Interessen der Schweiz im Migrationsbereich. In den verschiedenen angesprochenen Politikbereichen setze die Schweiz die Empfehlungen des Migrationspakts bereits um. Bei einzelnen Umsetzungsinstrumenten bedürfe es einer präzisierenden Erklärung , um die politische Tragweite zu klären. Bei einem einzigen Umsetzungsinstrument weiche der Pakt von der gesetzlichen Grundlage der Schweiz ab. Da jeder Staat frei entscheiden könne, wie er die Ziele erreichen möchte, sei diese identifizierte Abweichung aber kein Hinderungsgrund , dem Migrationspakt zuzustimmen.10 Die USA traten bereits im Dezember 2017 vor Aufnahme der Verhandlungen mit Verweis auf ihre Souveränität im Bereich der Migrationspolitik und des Grenzschutzes aus dem Entwicklungsprozess aus.11 Ungarns Außenminister erklärte im Juli 2018 ebenfalls den Rückzug aus dem Globalen Migrationspakt . Der Pakt stehe Ungarns Sicherheitsinteresse entgegen. Er teile nicht die Prämisse, dass es sich bei Migration um ein gutes und ausausweichliches Phänomen handele, sondern betrachte Migration als schlecht und mit ernsthaften Sicherheitsrisiken verbunden. Der Pakt sei „extrem, voreingenommen und vereinfache Migration“.12 9 Siehe die Mitschrift der Regierungspressekonferenz vom 12. Oktober 2018 im Wortlaut, https://www.bundesregierung .de/breg-de/aktuelles/pressekonferenzen/regierungspressekonferenz-vom-12-oktober-2018-1537878 (letzter Zugriff: 23.10.2018). 10 Siehe „Bundesrat beschliesst Zustimmung zum UNO-Migrationspakt“ (Medienmitteilung), 10.10.2018, Eidgenössisches Departement für Auswärtige Angelegenheiten, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/aktuell/informationen -deseda.html/content/eda/de/meta/news/2018/10/10/72452 (letzter Zugriff: 23.10.2018). 11 Siehe „U.S. Ends Participation in the Global Compact on Migration“(Pressestatement), 3.12.2017, U.S. Department of State, https://www.state.gov/secretary/20172018tillerson/remarks/2017/12/276190.htm (letzter Zugriff: 23.10.2018). 12 Siehe „Hungary joins US in refusing UN's safe global migration compact“, 18.07.2018, Deutsche Welle, https://www.dw.com/en/hungary-joins-us-in-refusing-uns-safe-global-migration-compact/a-44733306 (letzter Zugriff: 23.10.2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 146/18 Seite 8 Australiens Regierung erklärte am 25. Juli 2018, sie unterzeichne den Globalen Migrationspakt nicht in seiner jetzigen Form. Das Abkommen entspreche nicht dem nationalen Interesse Australiens . Australien wolle an seiner Politik des Grenzschutzes festhalten und diese nicht auf die Vereinten Nationen übertragen.13 *** 13 Siehe „Dutton says Australia won't 'surrender our sovereignty' by signing UN migration deal”, 25.07.2018, Amy Remeikis und Ben Doherty, The Guardian, https://www.theguardian.com/australia-news/2018/jul/25/duttonsays -australia-wont-surrender-our-sovereignty-by-signing-un-migration-deal (letzter Zugriff: 23.10.2018).