WD 2 - 3000 - 146/16 (18. November 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Der EU-Vertrag von Lissabon 1 (EUV) ermöglicht es einzelnen EU-Mitgliedstaaten, die sich in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) besonders engagieren wollen, ihre Kooperation im militärischen Bereich zu verstärken und eine „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit “ (SSZ) 2 zu begründen. Diese Kurzinformation befasst sich mit dem rechtlichen Rahmen und den Zielen dieser SSZ. Die Grundlagen der SSZ bilden Art. 42 (6) i.V.m. Art. 46 EUV sowie das entsprechende Protokoll über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit. 3 Laut diesem Protokoll müssen die Länder, die an einer SSZ interessiert sind, zwei Bedingungen erfüllen. Sie müssen ihre Verteidigungsfähigkeiten durch die Entwicklung von nationalen Beiträgen und die Beteiligung an multinationalen Streitkräften, an den wichtigsten europäischen Ausrüstungsprogrammen und an der Tätigkeit der Europäischen Verteidigungsagentur für die Bereiche Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten, Forschung, Beschaffung und Rüstung intensiver entwickeln sowie über die Fähigkeit verfügen, im Bedarfsfall bewaffnete Einheiten sowie logistische Unterstützung innerhalb von 5 bis 30 Tagen für eine Dauer von 30 bis 120 Tagen bereitzustellen. Die Europäische Verteidigungsagentur (EVA) beurteilt den Beitrag der EU-Länder regelmäßig. 4 1 EU-Vertrag (Vertrag über die Europäische Union – EUV). Fassung aufgrund des am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrages von Lissabon (konsolidierte Fassung bekanntgemacht im ABl. EG Nr. C 115 vom 9. Mai 2008, S. 13), zuletzt geändert durch die Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Kroatien und die Anpassungen des Vertrags über die Europäische Union, des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (ABl. EU L 112/21 vom 24. April 2012) m. W. v. 1. Juli 2013. Abrufbar unter: https://dejure.org/gesetze/EU (letzter Zugriff: 17. November 2016). 2 engl.: Permanent Structured Cooperation (PESCO). 3 Protokoll über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit nach Artikel 42 des Vertrags über die Europäische Union vom 13. Dezember 2007. Nach der neuen Nummerierung der Protokolle durch das Amtsblatt der EU (nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon) ist dieses Protokoll das Protokoll (Nr. 10). Abrufbar unter: http://www.politische-union.de/euv07/euv-p1a.htm (letzter Zugriff: 17. November 2016). 4 Vgl. Ständige Strukturierte Zusammenarbeit. In: Glossare von Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebung. Abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/summary/glossary/permanent_structured_cooperation.html?locale=de (letzter Zugriff: 17. November 2016). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ gemäß dem Vertrag über die Europäische Union Kurzinformation Die „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“ gemäß dem Vertrag über die Europäische Union Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die EU-Länder, die obige Bedingungen erfüllen und sich an einer SSZ beteiligen möchten, müssen dies dem Rat und der Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik mitteilen. Daraufhin erlässt der Rat mit qualifizierter Mehrheit 5 einen Beschluss über die Begründung der SSZ und über die Liste teilnehmender Länder. 6 Damit stellt die SSZ eine Ausnahme dar, denn in allen anderen Bereichen der GSVP gilt Art. 42 (4) EUV zufolge das Einstimmigkeitsprinzip. Die Kooperation kann laut dem Protokoll über die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit u.a. folgende Bereiche umfassen, wobei die jeweilige SSZ durch Umwandlung existierender Projekte und Kooperationen oder deren Neugründung initiiert werden kann: Synchronisierung der nationalen Streitkräftestrukturen, Erhöhung der Einsetzbarkeit von Streitkräften, bi- und multinationale Kooperation, um Defizite im Mechanismus der EU-Fähigkeitenentwicklung zu minimieren, sowie gemeinsame Beschaffungsprogramme unter dem Dach der EVA. Mit einer Zusammenarbeit in diesen Bereichen – so das Ziel der SSZ – soll dem Missverhältnis zwischen der Praxis EU-gemeinsamer Operationen einerseits und weitestgehend nationalen Lösungen bei der Fähigkeitenentwicklung andererseits, das operationelle wie strategische Defizite bei den Mitteln der EU-Sicherheitspolitik zur Folge hat, begegnet werden. 7 Somit könnte die in Lissabon vereinbarte SSZ ein geeignetes Vehikel für einen höheren Grad sicherheits- und verteidigungspolitischer Integration und damit für eine „verbindlichere, effektivere und effizientere“ 8 GSVP darstellen. Allerdings „schreckten die EU-Mitgliedstaaten [bislang] davor zurück, diese Vertragsklausel zu nutzen und den Weg einer beständig enger werdenden Integration in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu beschreiten.“ 9 Interessengeleitet wurden zwar bi- oder multilaterale Kooperationsbeziehungen etabliert, aber ohne konkreten Bezug zur EU. So entstand ein Fleckenteppich an Kooperationsformaten; weder wurden nennenswerte EU-Fähigkeiten geschaffen noch die Ressourcen der EU-Mitgliedstaaten effizienter genutzt. 5 Eine qualifizierte Mehrheit umfasst mindestens 72 Prozent der Mitglieder des Rates, sofern die von ihnen vertretenen Mitgliedstaaten zusammen mindestens 65 Prozent der Bevölkerung der Union ausmachen. Vgl. Art. 238 (3 a) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Abrufbar unter: https://dejure.org/gesetze /AEUV/238.html (letzter Zugriff: 17. November 2016). 6 Vgl. ebd. 7 Vgl. Mölling, Christian (2010): Ständige Strukturierte Zusammenarbeit in der EU-Sicherheitspolitik – Auswirkungen des Lissabon-Vertrags auf die Entwicklung von Fähigkeiten und die Rüstungskooperation in der Europäischen Union. SWP-Aktuell 2010/A 13, Februar 2010, S. 1. Abrufbar unter: http://www.swp-berlin .org/fileadmin/contents/products/aktuell/2010A13_mlg_ks.pdf (letzter Zugriff: 17. November 2016). 8 Erneuerung der GSVP – Hin zu einer umfassenden, realistischen und glaubwürdigen Verteidigung in der EU. Deutsch-französische Verteidigungsinitiative vom 12. September 2016, S. 2 Abrufbar unter: http://augengeradeaus .net/wp-content/uploads/2016/09/20160909_DEU_FRA_EU-Verteidigung.pdf (letzter Zugriff: 17. November 2016). 9 Kempin, Ronja; Scheler, Ronja (2015): Auflösungserscheinungen in der GSVP vorbeugen – Die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit als Vehikel für mehr Integration. SWP-Aktuell 63, Juli 2015, S. 2 f. Abrufbar unter: https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A63_kmp_sel.pdf (letzter Zugriff: 17. November 2016).