© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 -134/19 Eurasische Wirtschaftsunion Aktuelle Entwicklungen, Verhältnis zur EU und der Belt and Road Initiative Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 2 Eurasische Wirtschaftsunion Aktuelle Entwicklungen, Verhältnis zur EU und der Belt and Road Initiative Aktenzeichen: WD 2 - 3000 -134/19 Abschluss der Arbeit: 16. Dezember 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gründungsgeschichte und Struktur 4 2. Gemeinsamer Binnenmarkt und Freihandelsabkommen mit Drittstaaten 5 3. Wirtschaftliche Entwicklung 6 3.1. Außen- und Binnenhandel der Zollunion und der EAWU 7 3.2. Entwicklung des BIP der Mitgliedsstaaten 9 4. Verhältnis zur EU 10 5. Verhältnis zur Belt and Road Initiative 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 4 1. Gründungsgeschichte und Struktur Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) ist ein Zusammenschluss von Russland und vier weiteren post-sowjetischen Staaten im Rahmen der gegenseitigen wirtschaftlichen, institutionellen und politischen Annäherung. Der entsprechende Vertrag wurde am 29. Mai 2014 zwischen Weißrussland (gleichbedeutend Belarus genannt), Kasachstan und Russland unterzeichnet und trat am 1. Januar 2015 in Kraft. Mit Wirkung zum 2. Januar 2015 trat Armenien und zum 12. August 2015 Kirgisistan der EAWU bei.1 bei. Die EAWU ist damit die Nachfolgeorganisation der Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Weißrussland, die mit den Verträgen von 2006/2007 ins Leben gerufen wurde und im Juli 2010 in Kraft trat, sowie des Gemeinsamen Wirtschaftsraums , der zwischen diesen Ländern seit 1. Januar 2012 bestand.2 Alle diese Organisationen sind ein Produkt der seit den 90-er Jahren andauernden Integrationsbemühungen, zu denen auch die Organisationen GUS und Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft mit weiteren Mitgliedsstaaten, insbesondere die Tadschikistan, Usbekistan, Moldau (als Beobachter) und Ukraine (als Beobachter) gehörten, die jedoch später aus verschiedenen Gründen ausschieden bzw. nicht der Zollunion bzw. der EAWU beigetreten sind.3 Die Eurasische Wirtschaftsunion stellt dabei ein eigenständiges völkerrechtliches Subjekt sowie eine Zollunion im Sinne von WTO Vorschriften (Art. XXIV GATT) dar.4 Sie soll laut Art. 4 des Unionsvertrages eine stabile wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten schaffen, einen Gemeinsamen Markt für Waren, Dienstleistungen, Arbeitskraft und Kapital anstreben sowie umfassende , Modernisierung, Kooperation und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit in der Weltwirtschaft schaffen.5 Als Organe der EAWU sind – offensichtlich in Anlehnung an die Organe der Europäischen Union – der Oberste Wirtschaftsrat, der Intergouvernementale Rat, die Eurasische Wirtschaftskommission sowie der Gerichtshof der EAWU vorgesehen. Nur ein parlamentarisches Organ, das mit dem Europäischen Parlament vergleichbar wäre, fehlt. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass die Entscheidungen der Eurasischen Wirtschaftskommission, die über eine 1 Vgl. dazu die offizielle Webseite Eurasian Economic Union, General Information, http://www.eaeunion.org/?lang=en#about (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019); Belozerov, Igor, Die Eurasische Wirtschaftsunion im multilateralen Handelssystem, Bochum 2019, S. 47 ff. (http://www.efa-schriften .de/pdfs/EFA_62_Belozerov.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 2 Hett, Felix/Szkola, Susanne (Herausgeber), Die Eurasische Wirtschaftsunion, Analysen und Perspektiven aus Belarus, Kasachstan und Russland, Friedrich Ebert Stiftung, Dezember 2014, https://library.fes.de/pdf-files/idmoe /11131.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019); Germany Trade &Invest, die Geschichte der Eurasischen Union, Bericht vom 14. März 2019, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/wirtschaftsumfeld/bericht-wirtschaftsumfeld /russland/die-geschichte-der-eurasischen-wirtschaftsunion-22586 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019) 3 Vgl. zu der Geschichte der Vorgängerorganisationen der EAWU auch Polownikow, Alexandra, Die Zollunion zwischen Belarus, Kasachstan und Russland – Motive, Entwicklungen und Perspektiven, Arbeitspapier Forschungsgruppe Russland/GUS, SWP, Juli 2012, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/arbeitspapiere /arbpap_FG5_polownikow_zollunion.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019); Belozerov, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 1), S. 38 ff. 4 Belozerov, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 1), S. 50 f. m.w.N. 5 Treaty on the Eurasian Economic Union vom 29. Mai 2014, Volltext auf Englisch verfügbar unter: https://docs.eaeunion.org/docs/en-us/0003610/itia_05062014 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 5 Handelspolitik-Kompetenz verfügt, in den Mitgliedsstaaten unmittelbare Rechtskraft haben.6 Die Entscheidungen in der Kommission werden dabei nach dem sog. Konsensprinzip auf Grundlage der Regel „Ein Land – eine Stimme“ getroffen, sodass auch kleine Staaten wie Armenien und Kirgisistan faktisch ein Vetorecht haben.7 Bemängelt wird jedoch, dass Russland sich faktisch in vielen handelspolitischen Fragen gar nicht an die Kompetenz der Eurasischen Wirtschaftskommission hält und bereits einseitig Importverbote, insbesondere gegen Ukraine und Moldau, verhängt hat.8 2. Gemeinsamer Binnenmarkt und Freihandelsabkommen mit Drittstaaten Der im Art. 28 EAWU-Vertrag angestrebte gemeinsame Binnenmarkt wird in der Praxis schrittweise umgesetzt. Lediglich der gemeinsame Binnenmarkt für Waren existiert seit der Gründung der Zollunion; jedoch bestehen immer noch einige nicht tarifäre Hemmnisse wie technische Regulierung (Anerkennung von Zertifikaten, Quoten etc.)9, sodass von einer kompletten Warenfreiheit noch nicht gesprochen werden kann. Ferner wurde in der Sitzung des Obersten Rates der EAWU in Mai 2019 der gemeinsame Strommarkt beschlossen, der Unternehmen ermöglichen soll, ihren Stromanbieter frei zu wählen und die Stromkosten dadurch zu senken.10 Die Umsetzung wird jedoch andauern: Erst im Januar 2024 soll ein Testlauf und ein Jahr später ab 2025 der vollständige Start erfolgen.11 Bis 2024 soll auch ein gemeinsamer Erdölmarkt und bis 2025 ein gemeinsamer Gasmarkt entstehen.12 Die größte Hürde für die Gründung eines gemeinsamen Energiemarktes innerhalb der EAWU waren die Differenzen hinsichtlich der russischen Gas- und Öllieferungen nach Weißrussland, welche wohl durch die Vereinbarung zwischen Putin und dem weißrussischen Präsidenten Lukaschenko von 2017 vorerst beigelegt worden sind.13 6 Belozerov, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 1), S. 57. 7 Saltpajew, Dossym, in: Hett/Szkola, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 2), S. 10. 8 Giucci, Ricardo/Mdinaradze, Anne, Die Eurasische Wirtschaftsunion – Analyse aus einer handelspolitischen Perspektive -, Präsentation vom 18. September 2017, S. 19, https://berlin-economics.com/wp-content/uploads /EAWU_zweite-Fassung_8-Sep-2017.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 9 Ebenda, S. 11. 10 Eurasian Economic Commission, EAEU common electric power market to be launched on January 1, 2025 at the latest, Meldung vom 16. August 2019, http://www.eurasiancommission.org/en/nae/news/Pages/16-08-2019- 2.aspx (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 11 Ebenda. 12 EAWU.News, Über die EAWU, Entwicklung und Integration, Ausblick auf 2025, http://eawu.news/uber-dieeawu /entwicklung-und-integration/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 13 Vgl. hierzu ausführlich Pastukhova, Maria/Westphal, Kirsten, Die Eurasische Wirtschaftsunion schafft einen Energiemarkt – die EU steht abseits, SWP-Aktuell, Januar 2018, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents /products/aktuell/2018A04_puk_wep.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 6 Der einheitliche Dienstleistungsmarkt, die Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie der einheitliche Finanzmarkt sind Ziele, die gegenwärtig auf der langfristigen Agenda der EAWU stehen. Deren Umsetzung wird bis ca. 2025 angestrebt.14 In der jüngsten Zeit hat die EAWU zudem eine Reihe von Freihandelsabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen. Im Oktober 2016 einigten sich die EAWU und Vietnam auf ein Freihandelsabkommen , welches vor allem Abbau von Handelsbeschränkungen und Zöllen beinhaltet.15 Im Mai 2018 folgte ein partielles nicht-präferenzielles Wirtschafts- und Handelsabkommen mit China, welches einen Austausch zu administrativen Fragen zum Schutz des geistigen Eigentums, E- Commerce und Wettbewerbsrecht enthält.16 Ebenfalls im Mai 2018 wurde ein Interimsabkommen mit Iran unterzeichnet, das im Oktober 2019 als Freihandelsabkommen in Kraft trat.17 Im Oktober wurde ebenfalls ein Freihandelsabkommen mit Singapur unterzeichnet, wonach Singapur sich zur zollfreien Einfuhr von Gütern aus der EAWU verpflichtete, jedoch mit zahlreichen Ausnahmen .18 Schließlich folgte im Oktober 2019 auch ein Freihandelsabkommen zwischen EAWU und Serbien, welches die bilateralen Abkommen zwischen Russland, Weißrussland, Kasachstan und Serbien ersetzten soll.19 Hervorzuheben ist ferner, dass alle Mitglieder der EAWU, mit Ausnahme von Weißrussland, mittlerweile Mitglieder der WTO geworden sind, nämlich Kirgisistan bereits am 20. Dezember 1998, also schon lange vor der Gründung der Zollunion bzw. der EAWU, Russland dann am 22. August 2012, Armenien am 5. Februar 2013 und schließlich Kasachstan am 30. November 2015.20 3. Wirtschaftliche Entwicklung Bereits in den Anfangszeiten der Gründung der Eurasischen Zollunion und des Eurasischen Gemeinsamen Wirtschaftsraumes waren deren wirtschaftliche Perspektiven umstritten: Während 14 GTAI, Eurasische Wirtschaftsunion plant gemeinsamen Finanzmarkt bis 2025, Meldung vom 15. Februar 2017, https://www.gtai.de/gtai-de/trade/branchen/branchenbericht/russland/eurasische-wirtschaftsunion-plant-gemeinsamen -finanzmarkt-bis-12124 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019); Eurasian Economic Commission, Vier Freiheiten in der EAWU, Infografik vom 2. Februar 2016, http://www.eurasiancommission.org/ru/nae/news/Pages /02-02-2016-inf.aspx (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 15 EAWU.News, Über die EAWU, Entwicklung und Integration, Freier Handel mit Vietnam (Fn. 12). 16 EAWU.News, Über die EAWU, Entwicklung und Integration, Freihandelsabkommen mit Singapur (Fn. 12). 17 IHK Koblenz, Freihandelsabkommen zwischen EAWU und Iran tritt in Kraft, Meldung vom 27. Oktober 2019, https://www.ihk-koblenz.de/international/russland-kompetenzzentrum-neu/freihandelsabkommen-eawu-iran- 4530760 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 18 EAWU.News, Über die EAWU, Entwicklung und Integration, Nicht-präferenzielles Wirtschafts- und Handelsabkommen mit China geschlossen, (Fn. 12). 19 OWC Außenwirtschaft, EAWU und Serbien haben ein Freihandelsabkommen, Meldung vom 31. Oktober 2019, https://owc.de/2019/10/31/eawu-und-serbien-haben-ein-freihandelsabkommen/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 20 Vgl. World Trade Organisation, Understanding the WTO, Members and Observers, https://www.wto.org/english /thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 7 regierungsnahe Experten aus den Mitgliedsländern die möglichen Synergieeffekte und das damit verbundene hohe Modernisierungspotential priesen sowie die bereits vorhandenen Erfolge hoch bewerteten, waren die internationalen Beobachter, einschließlich der Weltbank, eher skeptisch und verwiesen auf die hohe Abhängigkeit vor Russland und Kasachstan von Rohstoffexporten in Drittländer (vor allem nach Europa und China) und mangelndes Innovationspotential.21 Die zwischenzeitlich verfassten Analysen nahmen Bezug jeweils auf die kurzfristigen Entwicklungen des Bruttoinlandproduktes (BIP) für die Jahre 2010-2011 und 2015-2016 (deutlicher Abschwung) und der Jahre 2017-2018 (moderater Aufschwung), um die entsprechenden Positionen weiter zu untermauern .22 Vor dem Hintergrund des nahenden fünfjährigen Jubiläums der EAWU bzw. des zehnjährigen Jubiläums , zählt man die Zeit der EAWU und der Zollunion zusammen, lohnt es sich die wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedsländer innerhalb dieses zehnjährigen Zeitrahmens zu betrachten . Dabei wird zunächst auf die Entwicklung des Außen- und Binnenhandels eingegangen und dann die allgemeine Entwicklung des Bruttoinlandproduktes (BIP) dargestellt. 3.1. Außen- und Binnenhandel der Zollunion und der EAWU23 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Export, in Mio. USD in Drittstaaten 437 184,5 581 397,4 593 661,8 587 667,9 556 800,3 373 845,1 308 264,8 386 922,4 490 722,0 Armenien 1 227,7 1 397,8 1 666,7 1 724,0 Belarus 14 865,0 26 236,1 28 944,2 19 495,2 20 020,2 15 653,9 12 154,9 15 592,3 19 979,3 Kasachstan 54 271,7 77 232,6 80 220,2 78 766,8 73 010,0 40 835,5 32 806,7 43 240,7 55 064,4 Kirgisistan 1 072,7 1 126,0 1 222,8 1 196,2 Russland 368 047,8 477 928,7 484 497,4 489 405,9 463 770,1 315 055,3 260 779,4 325 199,9 412 758,1 in EAWU/Zoll union 47 134,6 63 100,9 67 856,4 64 520,0 58 511,0 45 615,7 42 960,3 54 711,6 60 261,5 Armenien 256,2 393,9 571,0 688,5 Belarus 10 418,4 15 182,9 17 116,3 17 708,4 16 061,1 11 007,8 11 384,8 13 651,0 13 932,2 Kasachstan 5 999,2 7 103,3 6 228,7 5 933,6 6 449,9 5 120,3 3 930,2 5 262,5 6 046,8 Kirgisistan 410,2 447,1 541,5 640,6 Russland 30 717,0 40 814,7 44 511,4 40 878,0 36 000,0 28 821,2 26 804,3 34 685,6 38 953,4 21 Vgl. Polownikow, Die Zollunion (Fn. 3), S. 9 ff. 22 So z.B. Giucci/ Mdinaradze, (Fn. 8), S. 8 ff.; Gast, Ann-Sophie, Vier Jahre Eurasische Wirtschaftsunion – Ein wirtschaftlicher Flop?, Zentrum für Osteuropa und internationale Studien, Spotlight vom 27. Februar 2019, https://www.zois-berlin.de/publikationen/zois-spotlight/vier-jahre-eurasische-wirtschaftsunion-ein-wirtschaftlicher -flop/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 23 Quelle: Eurasische Wirtschaftskommission, Statistik des Außen- und Binnenhandels, Dynamische Reihen 2010- 2014 und 2015-2019, http://www.eurasiancommission.org/ru/act/integr_i_makroec/dep_stat/tradestat/time_series /Pages/default.aspx (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 8 Import, in Mio. USD aus Drittstaaten 249 094,1 325 833,8 340 924,2 345 292,9 311 896,3 205 537,4 201 107,9 247 271,4 263 114,4 Armenien 2 218,9 2 163,4 2 782,9 3 534,8 Belarus 16 225,9 20 144,5 18 735,3 20 036,3 18 225,9 13 088,6 12 234,7 14 526,0 15 689,1 Kasachstan 18 225,0 20 980,0 28 699,1 30 135,5 26 714,0 19 356,2 15 513,2 17 081,5 19 561,1 Kirgisistan 2 088,8 2 374,5 2 631,1 3 130,7 Russland 214 643,2 284 709,3 293 489,8 295 121,1 266 956,4 168 784,9 168 822,1 210 249,9 221 198,7 aus EAWU/Zoll union 47 236,4 63 049,0 67 776,7 64 372,0 58 431,5 45 654,2 42 427,2 53 812,5 59 732,4 Armenien 988,8 1 062,6 1 314,2 1 440,7 Belarus 18 658,5 25 615,7 27 670,8 22 988,6 22 279,8 17 207,6 15 381,2 19 715,8 22 760,5 Kasachstan 12 899,5 15 925,8 17 659,6 18 670,1 14 581,5 11 211,6 9 863,5 12 518,1 14 097,4 Kirgisistan 2 065,1 1 626,0 1 863,7 2 161,3 Russland 15 678,4 21 507,5 22 446,3 22 713,3 21 570,2 14 181,1 14 493,9 18 400,7 19 272,5 Auffällig bei den angegebenen Handelsdaten ist zunächst, dass sowohl Export als auch Import der EAWU untereinander und mit den Drittstaaten sich im Wesentlichen nach einem gleichen Muster entwickelten: Nach dem deutlichen Aufschwung 2011 stagnierten die Handelszahlen in den Jahren 2012 und 2013,24 dann setzte ein deutlicher Abschwung in den Jahren 2014-2016 ein, gefolgt von einem merkbaren Aufschwung in den Jahren 2017 und 2018. Es lässt sich dabei nicht zuverlässig ermitteln, inwieweit der anfängliche Aufschwung tatsächlich der Etablierung der Zollunion oder auch dem Erholungseffekt der Wirtschaftskrise von 2008 geschuldet ist.25 Armenien und Kirgisistan konnten ihre Exporte in die EAWU nach dem Beitritt im höheren Maße steigern als die Exporte in die Drittstaaten, wobei Drittstaaten auch hier noch weit wichtiger sind als die EAWU: Bei Armenien ein Verhältnis von etwa 2,5 zu 1 nach anfänglichen 5 zu 1 und bei Kirgisistan etwa 2 zu 1 nach anfänglichen 2,5 zu 1. Bei den Importen ist auffällig, dass Russland hier einen ähnlich großen Überschuss der Drittstaaten zu EAWU hat, ca. 11 zu 1, 2010 waren es noch ca. 15 zu 1, aber nicht Kasachstan (2010 wie 2018 nur ca. 1,5 zu 1). Ähnlich steht es um Armenien mit dem nahezu unveränderten geringen Überschuss von Drittstaatimporten von ca. 1,5 zu 1. Kirgisistan importiert bemerkenswerter Weise 2018 sogar mehr aus Drittstaaten als 2015 (Verhältnis von 1,5 zu 1 statt 1 zu 1). Belarus ist dabei das einzige Land, dass von 2010 bis 2018 konsequent mehr aus der EAWU als aus den Drittstaaten importiert (Verhältnis unverändert ca. 1 zu 1,2), was vor allem an Rohstoffimporten aus Russland liegen dürfte. 24 Vgl. hierzu bereits die Analyse der Handelszahlen der Zollunion von Sagorskij, Andrej: in: Hett/Szkola, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 2), S. 4 f. 25 Vgl. Belozerow, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 1), S. 66. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 9 Abschließend lässt sich anmerken, dass auch die Struktur des Außen- und Binnenhandels der EAWU sich kaum verändert hat: Russland importiert im Verhältnis etwas weniger aus Drittstaaten und mehr aus der EAWU (verständlich angesichts der westlichen Sanktionen und des eigenen Importverbots für westliche Produkte), Armenien und Kirgisistan exportieren mehr in die EAWU, Kirgisistan importiert jedoch mehr aus den Drittstaaten. Für Belarus und Kasachstan brachten die Zollunion und die EAWU keine Veränderungen beim Import- bzw. Exportverhältnis . Immer noch finden ca. 60 Prozent des EAWU-Binnenhandels zwischen Russland und Belarus und 30 Prozent zwischen Russland und Kasachstan statt, der Handel zwischen Kasachstan und Belarus ist praktisch unbedeutend.26 In diesen Zahlen bestätigen sich die negativen Prognosen , die eine Entwicklung des Binnenhandels der EAWU dadurch erschwert sahen, dass Russland und Kasachstan als die beiden großen Teilnehmer sich zu ähnlich in ihrer Rohstoffabhängigkeit sind und, wie auch Belarus als kleinerer Teilnehmer, kaum Know-How für eine notwendige Modernisierung der Wirtschaft beisteuern können.27 3.2. Entwicklung des BIP der Mitgliedsstaaten28 In % des BIP 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 Armenien 2,2 4,7 7,13 3,3 3,61 3,25 0,2 7,52 5,24 Belarus 7,75 5,55 1,71 1,0 1,65 -3,83 -2,53 2,53 3,05 Kasachstan 7,3 7,4 4,8 6,0 4,2 1,2 1,1 4,1 4,1 Kirgisistan -0,47 5,96 -0,09 10,92 4,02 3,88 4,34 4,74 3,46 Russland 4,5 5,07 3,7 1,8 0,7 -2,31 0,33 1,63 2,26 Die Betrachtung der BIP-Entwicklung in den Jahren 2010-201829 lässt einen ähnlichen Schluss zu wie schon bei den Handelszahlen: Externe Faktoren haben mehr Auswirkungen als die Etablierung bzw. der Beitritt zu der Zollunion bzw. zu der EAWU. So kam es in Russland nach einer deutlich positiven Entwicklung bis 2012 zu einem Einbruch bereits 2013, der in 2015 in Rezession mündete (wiederum waren der Ölpreisverfall sowie die Sanktionen wohl mitursächlich), von der sich Russland bis 2018 nur langsam erholte. Ähnlich lief es in Belarus ab: Angefangen mit noch positiveren Zuwächsen von bis fast 8 Prozent pro Jahr ging es bereits 2012 rapide bergab, dann in einer Rezession und dann zu einer langsamen Erholung 2017 und 2018, was auf die generelle Abhängigkeit der weißrussischen Wirtschaft von Russland schließen lässt. Kasachstan ging es ähnlich, jedoch war der Abschwung von 2014 bis 2016 nicht so tief, es blieb bei Wachstumsraten von über 1 Prozent und auch die Erholung ab 2017 fiel deutlicher aus. Von dem von Russland vorgegebenen Trend bzw. von dem Ölpreisverfall blieb 26 Giucci/Mdinaradze, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 8), S. 14. 27 So Polownikow, Die Zollunion (Fn. 3), S. 34 28 Quelle: Statista, Länder – Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Weißrussland, Armenien, https://de.statista .com/statistik/daten/studie/19373/umfrage/bruttoinlandsprodukt-in-russland/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 29 Zu der Betrachtung des Zeitraums 2006-2012 siehe Polownikow, Die Zollunion (Fn. 3), S. 34. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 10 Kasachstan auch nicht unverschont. Bei Armenien und Kirgisistan gab es dagegen ganz andere Entwicklungsmuster. So ging der Aufschwung in Armenien von 2011 bis 2015 mit Wachstumsraten von über 3 Prozent voran, nur 2016, ausgerechnet im 2. Jahr der Mitgliedschaft in der EAWU, gab es Stagnation, gefolgt von einem sehr deutlichen Wachstum 2017 und 2018. In Kirgisistan gab es bereits vor der Mitgliedschaft in der EAWU ein großes Auf und Ab in den Jahren 2010- 2013. Ab dem Jahr 2014 wächst die Wirtschaft jedoch stetig mit Werten von ca. 3-5 Prozent. Aus der Gesamtzahl der Daten lassen sich vor allem zwei Trends schlussfolgern: Abhängigkeit anderer EAWU-Mitglieder von der Entwicklung in Russland und fehlender Effekt der Mitgliedschaft in der Zollunion der EAWU als etwaiger Faktor für positive Wachstumsraten. 4. Verhältnis zur EU Das Verhältnis zwischen der EAWU und der EU kann eher als Konkurrenz und kaum als gedeihliche Zusammenarbeit beschrieben werden. Bereits die Gründung der Eurasischen Wirtschaftskommission im Dezember 2008 wird als Reaktion auf den Abschluss von Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und sechs GUS-Staaten Armenien, Aserbaidschan, Weißrussland, Georgien und Ukraine interpretiert.30 Auch die weitere Entwicklung der Beitritts- bzw. Assoziierungsverhandlungen mit der Ukraine in den Jahren 2013-2014 bestätigt exemplarisch die Konkurrenz zwischen der EU und der EAWU. Allen Akteuren ist 2013 klar gewesen, dass Ukraine nicht sowohl Mitglied der damals bestehenden Zollunion sein als auch ein weitreichendes Freihandelsabkommen mit Russland unterzeichnen kann.31 Nachdem der damalige Präsident der Ukraine Viktor Janukowitsch im November 2013 auf Druck bzw. unter Gewährung einen günstigen Darlehens von Russland seine Unterschrift unter das EU-Ukraine-Partnerschaftsabkommen verweigerte, begannen die Maidan-Proteste, die schließlich in Janukowitschs Vertreibung nach Russland mündeten .32 Das Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und der Ukraine wurde dann 2014 unterschrieben und vorläufig angewandt, es trat am 1. September 2017 vollständig in Kraft.33 Das Verhältnis zwischen der EU und Russland ist – insbesondere nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim34 – und Beteiligung Russlands an dem Konflikt im Donbass, welche zu den 30 Siehe eawu.news, Über die EAWU, Entwicklung und Integration, http://eawu.news/uber-die-eawu/entwicklung -und-integration/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 31 Vgl. zu dieser Frage das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, EU/Ukraine-Assoziierungsabkommen und/oder Eurasische Zollunion? Rechtsfragen einer (gleichzeitigen) Teilnahme der Ukraine an divergierenden Integrationsprozessen, WD 2 – 3000 – 065/14, vom 9. März 2014. 32 Weisflog, Christian/Mijnssen, Ivo, Chronologie der Maidan-Revolution, Neue Züricher Zeitung Digital vom 20.02.2019, https://www.nzz.ch/international/ukraine-chronologie-der-maidan-revolution-ld.1290571 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 33 Rat der EU, Ukraine: Rat nimmt Assoziierungsabkommen EU-Ukraine an, Pressemitteilung vom 11. Juli 2017, https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2017/07/11/ukraine-association-agreement/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 34 Hierzu statt vieler Marxen, Christian/Peters, Anne, Die Krimkrise und die Reterritorialisierung internationaler Konflikte, Forschungsbericht 2014 - Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht, https://www.mpg.de/8906607/MPIL_JB_20151 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 11 EU- und USA-Sanktionen gegen Russland sowie zu russischen Gegensanktionen gegen EU-Produkte geführt haben,35 angespannt. Gleichwohl bleibt die EU für Russland und EAWU der wichtigste Handelspartner mit über 50 Prozent der Exporte und ca. 40 Prozent der Importe.36 Als neuste Unstimmigkeit zwischen der EU und der EAWU gilt der oben erwähnte Abschluss des Freihandelsabkommens zwischen Serbien und der EAWU im Oktober 2019. Die Europäische Kommission äußerte sich hierzu unmissverständlich, dass Serbien spätestens am Tag seines Beitrittes zur EU dieses Abkommen werde aufkündigen müssen.37 Es wird innerhalb der EU immer wieder diskutiert, ob und wie das wirtschaftliche Verhältnis zu Russland bzw. zu der Eurasischen Wirtschaftsunion trotz politischer Differenzen verbessert werden soll.38 Es gibt dabei auch langfristig angelegten Initiativen, wie z.B. die aus dem Jahr 2015 für einen einheitlichen Wirtschaftsraum von Lissabon nach Wladiwostok, die gegenwärtig einen Dialog zwischen der EU und der EAWU befürwortet, um gemeinsam den globalen Herausforderungen Klimawandel und Polarisierung der Gesellschaften zu begegnen.39 Diese Initiative geht von dem beträchtlichen Steigerungspotential des EU-Handels mit der EAWU bzw. mit dem gesamten post-sowjetischen Raum von bis zu 63 Prozent für EU-Exporte und bis zu 32 Prozent der Exporte aus Russland in die EU, ohne diese Zahlen jedoch zu belegen.40 Zu erwähnen ist schließlich, dass die EU mit den zentralasiatischen Ländern auch eigenständige Projekte ohne Beteiligung Russland oder der EAWU unterhält. So verabschiedete die Europäische 35 Vgl. hierzu das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages, Sanktionen im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Ukraine, WD 2 – 3000 – 052/17, https://www.bundestag.de/resource /blob/515820/75b18131eead30b280426665c489b2c2/WD-2-052-17-pdf-data.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 36 Daten der Europäischen Wirtschaftskommission für 2018 für Außenhandel, Analyse vom 20. August 2019, S. 6, http://www.eurasiancommission.org/ru/act/integr_i_makroec/dep_stat/tradestat/analytics /Documents/2018/Analytics_E_201812_180.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 37 Roser, Thomas, Wie EU-Beitrittskandidat Serbien Brüssel trietzt, Der Tagesspiegel vom 14. September 2019, https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/abkommen-mit-eurasischer-wirtschaftszone-wie-eu-beitrittskandidatserbien -bruessel-triezt/25013528.html (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 38 Vgl. hierzu exemplarisch Libman, Alexander, Dialog zwischen EU und Eurasischer Wirtschaftsunion – einen Versuch wert, SWP-Aktuell, Juli 2015, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell /2015_A62_lbm.pdf sowie Stewart, Susan Dialog zwischen EU und Eurasischer Wirtschaftsunion – zurzeit nicht sinnvoll, SWP-Aktuell, Juli 2015, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell /2015A61_Stw.pdf (letzter Zugriff jeweils: 16. Dezember 2019). 39 Schneider Group, Gemeinsamer Wirtschaftsraum von Lissabon nach Wladiwostok, https://schneidergroup .com/de/news/gemeinsamer-wirtschaftsraum-von-lissabon-bis-wladiwostok-paris/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 40 Eurasian Economic Union & Initiative Lisbon-Vladivostok, Präsentation Paris, Juni 2019, https://schneidergroup .com/wp-content/uploads/2019/06/190620_Initiative-Lisbon-Vladivostok_Paris_Ulf-Schneider.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 12 Kommission eine gemeinsame Strategie von Mai 2019 zu der weiteren Zusammenarbeit mit Kasachstan , Kirgisistan, aber auch mit Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan.41 Ziele der Partnerschaft sind Stärkung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit, Ausbildung eines freien Marktes, Modernisierung und als Folge ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum.42 Besonderheit dabei ist, dass diese Projekte nicht exklusiv sind, also weder eine Nichtbeteiligung der Länder an anderen multilateralen Abkommen wie die EAWU voraussetzen noch eine solche Beteiligung stören sollen.43 5. Verhältnis zur Belt and Road Initiative Die von China im Jahre 2013 zunächst unter dem Namen „One Belt, One Road Initiative“ aufgerufene Initiative umfasst mehrere interkontinentale Infrastruktur-Projekte zwischen Europa, Asien, Afrika und China auf dem Land („Belt“) und auf dem Seeweg („Road“). Erst mit der Vorstellung der konkreten Pläne im Jahr 2015 wurde diese in „Belt and Road Initiative“ umbenannt .44 Ebenfalls wird das Projekt auch „Neue Seidenstraße“ genannt und soll – neben dem Ausbau des Handels und der Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region – China dazu verhelfen, seine internationale Legitimität zu stärken und seine geopolitische Macht auszubauen .45 Wie bereits oben angedeutet, geht der Kooperationstrend der EAWU nicht Richtung Europa, sondern Richtung Asien und insbesondere China, wovon insbesondere die neusten Freihandelsabkommen mit Vietnam, Iran, China und Singapur zeugen, denen bisher nur ein einzelnes Freihandelsabkommen mit Serbien als europäischem Land gegenübersteht.46 Nicht unbeachtet bleiben soll auch die Tatsache, dass im Bereich der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit sowohl Russland , Kasachstan und Kirgisistan als auch China bereits seit 1996 der Organisation „Schanghai 5“, ab 2001 dann der „Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit“ angehören, der später auch 41 Siehe European Commission, Joint Communication to the European Parliament and the Council The EU and Central Asia: New Opportunities for a Stronger Partnership, 5. Mai 2019, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files /joint_communication_-_the_eu_and_central_asia_-_new_opportunities_for_a_stronger_partnership.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 42 Fact Sheet Central Asia, New EU Stratagy on Central Asia, 5. Mai 2019, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files /factsheet_centralasia_2019.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 43 European Commission, Joint Communication to the European Parliament and the Council The EU and Central Asia: New Opportunities for a Stronger Partnership (Fn. 41), S. 2. 44 China, Civil Society Portal, OBOR – One Belt, One Road Initiative, https://www.eu-china.net/obor-one-belt-oneroad -initiative/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 45 So Schiek, Sebastian, Bewegung auf der Seidenstraße, Chinas „Belt and Road“-Initiative als Anreiz für zwischenstaatliche Kooperation und Reformen an Zentralasiens Grenzen, WSP-Studie vom August 2017, S. 5, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2017S16_ses.pdf (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 46 Siehe oben unter 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 -134/19 Seite 13 Indien und Pakistan als wichtige asiatische Kooperationspartner beigetreten sind.47 Insofern war die Zusammenarbeit zwischen Russland, Zentralasien und China bereits frühzeitig initialisiert, was auch die Kooperation der EAWU mit China bzw. ihrer Belt and Road Initiative erleichtern kann. So unterzeichneten die EAWU und die Belt and Road Initiative, vertreten durch China, im Jahr 2015 ein allgemeines Kooperationsabkommen, deren Folge auch das oben erwähnte eingeschränkte Freihandelsabkommen mit China von 2016 war.48 Das Kooperationsabkommen führte bisher auch nur zu einigen großen Projekten zwischen China und Russland, nämlich dem Gasliefervertrag zwischen Gazprom und der chinesischen CNPC aus dem Jahr 2014, welches durch die Gaspipeline „Kraft Sibiriens“ umgesetzt werden soll. Ebenfalls wurden Investitionen des Seidenstraßenfonds in den russischen Staatskonzern Sibur und das Flüssiggasprojekt auf der Halbinsel Yamal vereinbart.49 Die wirtschaftliche Begründetheit solcher Projekte wird dabei immer wieder angezweifelt. So spart z.B. der Transport von Waren von China nach Europa über Landweg in Russland gegenüber dem Seeweg zwar Zeit, ist jedoch im Regelfall deutlich teurer.50 Auch die Gaslieferungen Russlands nach China über „Kraft Sibiriens“ bringen für Russland gewaltige Investitionsausgaben mit, wobei der von China bezahlte Gaspreis eher als niedriger eingeschätzt wird, sodass nicht klar ist, ob diese Investitionen sich jemals rechnen werden.51 Für die eigene langfristige strategische Perspektive bis 2030 ließ sich der Oberste Rat der EAWU bereits im Jahr 2015 zwei Szenarien herausarbeiten:52 Das erste Szenario geht von der erfolgreichen Entwicklung des gemeinsamen Binnenmarktes und einem starken Wirtschaftswachstum aus, die dazu führen, dass EAWU zu einem eigenständigen „Kraftzentrum“ wird, welches erfolgreich Innovation, Investitionen und Humankapital anziehen wird. Das zweite Szenario sieht die EAWU – bei weniger erfreulichen eigenen Entwicklung – nur als „Brücke“ zwischen der EU und China bzw. Asien, waw bisher als realistischer eingeschätzt wird.53 *** 47 CRP, Politik und Zeitgeschichte, Die Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit auf einen Blick, https://crpinfotec .de/organisationen-sco/ (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 48 Spiwak, Wita, Russland und China: Wie Putin mit der neuen Seidenstraße Kasse machen will, Russia Beyond, Wirtschaft, vom 16. Mai 2019, https://de.rbth.com/wirtschaft/2017/05/16/russland-und-china-wie-putin-mitder -neuen-seidenstrasse-kasse-machen-will_764006 (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 49 Ebenda. 50 Ebenda. 51 Steiner, Eduard, Mit diesen Pipelines schafft Russland neue Abhängigkeiten im Westen, Die Welt, Wirtschaft, Artikel vom 2. Dezember 2019, https://www.welt.de/wirtschaft/article203965780/Erdgas-Pipelines-Russlandschafft -neue-Abhaengigkeiten-im-Westen.html (letzter Zugriff: 16. Dezember 2019). 52 Siehe hierzu ausführlich Belozerov, Die Eurasische Wirtschaftsunion (Fn. 1), S. 71 ff. 53 Belozerov, ebenda, S. 73.