WD 2 - 3000 - 133/16 (19. Oktober 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die International Commission of Jurists (ICJ) ist ein Zusammenschluss von zeitgleich nicht mehr als sechzig international renommierten Juristinnen und Juristen, die jeweils auf fünf Jahre gewählt werden.1 Ausweislich ihrer Satzung ist sie eine gemeinnützige und nicht politische Vereinigung mit Rechtspersönlichkeit als Verein im Sinne des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (ZGB) und mit Sitz in Genf.2 Rechtlich ist sie hiermit als (internationale) Nicht-Regierungsorganisation (NRO) einzuordnen und somit kein Völkerrechtssubjekt im klassischen Sinne.3 In der völkerrechtlichen Literatur wird zunehmend diskutiert, ob NROen unter bestimmten Voraussetzungen jedenfalls fallbezogen als (partielle) Völkerrechtssubjekte anerkannt werden können .4 Dies setzt allerdings voraus, dass der betreffenden NRO durch das Völkerrecht konkret Rechte und Pflichten zugesprochen werden.5 Bislang sind dies vor allem Mitwirkungsrechte in 1 Art. 4 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 des Statuts von 2012, International Commission of Jurists Statute, http://icj2.wpengine.com/wp-content/uploads/2012/10/ICJ-Statute-Final-20121.pdf. 2 Art. 1 Abs. 1 und 2 des Statuts von 2012, Fn. 1. 3 Siehe hierzu auch Robert Kogod Goldman, International Commission of Jurists (ICJ), in: Max Planck Encyclopedia of Public International Law (MPEPIL), abrufbar unter http://opil.ouplaw.com/, Rn. 1. Stand des Beitrags: September 2009. Ferner Stephan Hobe, Human Rights, Role of Non-Governmental Organizations, ebd., Rn. 5. Stand des Beitrags: März 2011. 4 Stephan Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Tübingen: UTB/A. Francke, 10. Auflage 2014, S. 162, ferner Markus Krajewski, Völkerrecht, Baden-Baden: Nomos (2017), § 7 Rn. 143 f. 5 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Fn. 4, S. 160. Häufig zitiertes Beispiel ist die Möglichkeit des Wirtschaftsund Sozialrates (ECOSOC) der Vereinten Nationen (VN), einer NRO auf Grundlage von Art. 71 VN-Charta einen Beobachterstatus zuzuweisen. Siehe hierzu auch Resolution 1996/31 (25.07.1996) des ECOSOC, zum Verfahren Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Fn. 4, S. 160. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Die International Commission of Jurists aus völkerrechtlicher Perspektive Kurzinformation Die International Commission of Jurists aus völkerrechtlicher Perspektive Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 internationalen Organisationen, zunehmend aber auch Antragsbefugnisse vor regionalen Menschenrechtsgerichtshöfen oder Ausschüssen im Menschenrechtsbereich.6 Im Bereich der Rechtsetzung ist eine Völkerrechtssubjektivität von NROen derzeit noch nicht angenommen worden.7 So können auch Expertinnen und Experten wie solche der ICJ zwar Standards verabschieden8 und für ihre Anerkennung werben, sie sind jedoch von sich aus nicht in der Lage, auch nur „weiches Völkerrecht“ (soft law) zu setzen.9 Vorschläge von NROen erlangen somit allenfalls indirekt Rechtsqualität, wenn ihre Standards von Staaten, Organen internationaler Organisationen (im Rahmen ihrer Zuständigkeiten) oder anderen völkerrechtlichen Akteuren aufgegriffen und anerkannt werden. In der Rechtslehre wird dementsprechend auf die starke Rolle von NROen als Akteurinnen im Normsetzungsprozess – etwa durch Ausrichtung von Tagungen oder durch informelle Konsultationen – sowie als Initiatorinnen und Mitverfasserinnen von späteren Standards hingewiesen.10 So haben sich im Laufe der Zeit unterschiedliche faktische Einflussmöglichkeiten für NROen herausgebildet. Hierzu gehört etwa die Möglichkeit, sich bei den Ausschüssen, die die einzelnen VN-Menschenrechtsübereinkommen überwachen, akkreditieren zu lassen. Hierdurch können Vertreterinnen und Vertreter von NROen an bestimmten Sitzungen oder Vorbereitungssitzungen, an informellen Treffen oder Mittagsbesprechungen (lunchtime briefings) des Ausschusses teilnehmen und sich zu ihren schriftlichen Berichten an den Ausschuss äußern. Dies geschieht regelmäßig im Rahmen der Staatenberichtsverfahren.11 Gelegenheit zur mündlichen Stellungnahme bieten auch die Diskussionsveranstaltungen mit der Zivilgesellschaft, die einige Ausschüsse z. B. anlässlich der Erstellung von Allgemeinen Bemerkungen veranstalten. So richtet etwa der WSK- Pakt-Ausschuss Anhörungen zu bestimmten Rechten und Aspekten des Übereinkommens aus, bei denen NROen – darunter die ICJ – ihre Interpretationsvorschläge unterbreiten oder die Aufmerksamkeit des Ausschusses auf ihre Anliegen lenken können.12 6 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Fn. 4, S. 161, mit Beispielen. 7 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Fn. 4, S. 162. 8 Siehe hierzu beispielsweise die Maastricht Guidelines on Violations of Economic, Social and Cultural Rights von 1997, http://hrlibrary.umn.edu/instree/Maastrichtguidelines_.html, oder die Maastricht Principles on Extraterritorial Obligations of States in the Area of Economic, Social and Cultural Rights von 2011 sowie die Erläuterungen von Olivier De Schutter, Asbjørn Eide u. a., in: HRLQ, Band 34 (2012), S. 1084–1169, http://www.icj.org/wp-content/uploads/2012/12/HRQMaastricht-Maastricht-Principles-on-ETO.pdf. 9 Siehe dazu ausführlich Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Fn. 4, S. 229. 10 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, Fn. 4, S. 162; zu den Funktionen der NRO im Völkerrecht s. dens., Human Rights, Role of Non-Governmental Organizations, Fn. 3, Rn. 32 ff., zum Bereich Normsetzung Rn. 39 f. 11 Siehe beispielhaft für das Committee on Economic, Social and Cultural Rights (CESCR; WSK-Pakt-Ausschuss) http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/CESCR/Pages/NGOs.aspx und – allgemeiner – http://www.ohchr .org/EN/HRBodies/CESCR/Pages/Accreditation.aspx. 12 Siehe hierzu die Seite zu den General Discussion Days des Ausschusses, zuletzt 2015 zu Art. 7 des WSK-Paktes anlässlich der Entwicklung der (späteren) Allgemeinen Bemerkung 23, http://www.ohchr.org/EN/HRBodies /CESCR/Pages/DiscussionDays.aspx. Die Allgemeine Bemerkung 23 in der Endfassung von März 2016, Kurzinformation Die International Commission of Jurists aus völkerrechtlicher Perspektive Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 3 Die Internetpräsenz der ICJ führt eine Vielzahl von Fällen auf, in denen die Entwürfe und Stellungnahmen der Organisation den Normsetzungsprozess von VN-Gremien beeinflusst haben sollen .13 Die Rechtsliteratur betont den Einfluss der ICJ bei der Entwicklung u. a. folgender internationaler Standards: - Body of Principles for the Protection of all Persons under Any Form of Detention or Imprisonment , angenommen durch die VN-Generalversammlung mit Resolution 43/173 (1988; UN Doc A/RES/43/173). - Mitwirkung bei Entwicklung und Aushandlung der Declaration on the Protection of All Persons from Enforced Disappearance (1992; Resolution 47/133 der VN-Generalversammlung , UN Doc A/RES/47/133) und der International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance (UN Doc E/CN.4/2005/WG.22/WP.1/Rev.4, UN Doc A/RES/61/177, Annex). - Initiierung und Begleitung des Normsetzungsprozesses zu den Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law, angenommen durch die VN-Generalversammlung im Jahr 2005 (UN Doc A/RES/60/147, Annex, UN Doc E/CN.4/RES/2005/35, Annex, UN Doc E/CN.4/2005/59, Annex I) - Initiierung und Begleitung des Normsetzungsprozesses zu den Draft Principles Governing the Administration of Justice through Military Tribunals (s. derzeit UN Doc E/CN.4/2006/58 von 2006).14 Ende der Bearbeitung E/C.12/GC/23, ist abrufbar unter http://tbinternet.ohchr.org/_layouts/treatybodyexternal/TBSearch .aspx?Lang=en&TreatyID=9&DocTypeID=11. 13 Siehe ausführlich die Geschichte der ICJ unter http://www.icj.org/history/. 14 Goldman, Fn. 3, Rn. 13.