© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 132/19 99 Universelle und regionale kulturelle Menschenrechte Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 2 Universelle und regionale kulturelle Menschenrechte Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 132/19 Abschluss der Arbeit: 20. Dezember 2019 (zugleich letzter Zugriff auf Internetquellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Kulturelle Rechte in ihrem völkerrechtlichen Kontext 4 2. Universelle kulturelle Menschenrechte 5 2.1. Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 5 2.2. Menschenrechtliche Bestimmungen zum Schutz von Minderheiten 8 2.3. Weitere völkerrechtliche Instrumente zum Schutz kultureller Rechte 9 3. Regionale kulturelle Menschenrechte 11 3.1. Europa 11 3.1.1. Europarat 11 3.1.2. Europäische Union 13 3.2. Amerika 14 3.3. Afrika 14 3.4. Islamische Welt 16 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 4 1. Kulturelle Rechte in ihrem völkerrechtlichen Kontext Der Auftraggeber fragt nach Geltungsbereich, Inhalten, Gemeinsamkeiten und Unterschieden internationaler kultureller Rechte. Die Weite der Fragestellung erfordert einige Erläuterungen zum Gegenstand des vorliegenden Sachstandes. Kulturelle Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf Teilnahme und Teilhabe am kulturellen Leben , können ausdrücklich als solche normiert sein, oder als Teilaspekte anderen Menschenrechten innewohnen. Wird etwa das kulturelle Leben einer Gemeinschaft, was in der Regel der Fall sein dürfte, auch gemeinschaftlich mit anderen Personen ausgeübt, so spielen die Menschenrechte der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit eine wesentliche Rolle für die Ausübung kultureller Rechte. Wird die eigene Religion auch als Ausdruck kultureller Identität empfunden, so kann die Freiheit der ungestörten, individuellen oder auch gemeinschaftlichen Religionsausübung auch als Ausdruck der Ausübung kultureller Rechte betrachtet werden. Sofern kulturelle Praktiken mit verbalen Äußerungen verbunden sind, sind auch kommunikative Menschenrechte, insbesondere die Freiheit der Meinungsäußerung, in einer kulturellen Dimension zu sehen. Geht es um die in Ausübung kultureller Rechte geschaffenen Werke, so sind auch geistige Eigentumsrechte eine wesentliche rechtliche Gewährleistung kultureller Betätigung und Identität. Sofern Fragen des Familien- und Erbrechts, insbesondere in traditionellen Stammesgesellschaften, als Ausdruck kultureller Identität begriffen werden, werden auch diese Rechte im Rahmen des vorliegenden Sachstands nicht als internationale kulturelle Rechte im engeren Sinn angesehen und daher nicht in die Betrachtung einbezogen. Der vorliegende Sachstand muss somit angesichts der Fülle der für die Fragestellung relevanten Rechtsmaterien eine Einschränkung auf wenige spezifische Rechte vornehmen, will jedoch den beschriebenen rechtlichen Kontext, in dem diese spezifischen Bestimmungen stehen, als stets in Erinnerung zu behaltenden Hintergrund nicht unerwähnt lassen. Die erbetene Beschreibung und ausdifferenzierte Untersuchung von Unterschieden und Gemeinsamkeiten kultureller Rechte verlangt unter anderem auch danach, die menschenrechtlichen Durchsetzungsverfahren und vertragsspezifischen Einrichtungen zum Gegenstand des vorliegenden Sachstands zu machen. Angesichts der Vielzahl und Verschiedenheit der relevanten regionalen und universellen menschenrechtlichen Rechtsquellen sprengt dies jedoch den Rahmen der Untersuchung, so dass der Sachstand sich im jeweiligen Zusammenhang auf einige wenige zentrale Aspekte der Menschenrechtsdurchsetzung beschränkt. Die Frage des Auftraggebers nach dem sozialen Geltungsbereich von kulturellen Menschenrechten wäre nach dem ersten Anschein leicht zu beantworten: Wie alle Menschenrechte, gelten auch kulturelle Menschenrechte im Grundsatz für alle Menschen, ihre rechtliche Geltung ist nicht sozial beschränkt. Soweit mit der Frage nach der rechtlichen Geltung aber auch das Problem der tatsächlichen Beachtung der einschlägigen Rechte angesprochen sein soll, so bedürfte die geographisch unbeschränkte Frage einer weltweiten Untersuchung der menschenrechtlichen Praxis im Hinblick auf alle oben (im zweiten Absatz) genannten Menschenrechte. Im Rahmen der vorliegenden Darstellung kann daher nur auf die einschlägigen Quellen verweisen werden, Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 5 also die Entscheidungen und Berichte der staatlichen und internationalen Menschenrechtseinrichtungen sowie der in diesem Bereich tätigen Nichtregierungsorganisationen.1 2. Universelle kulturelle Menschenrechte 2.1. Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Auf universeller Ebene sind die wesentlichen kulturellen Menschenrechte im Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR)2 normiert. Der IPwskR hat zurzeit 170 Vertragsstaaten, in vier weiteren Signatarstaaten steht die Ratifizierung aus, 23 Staaten haben sich bisher nicht erklärt.3 Damit sind über 86 Prozent der Staaten an den IPwskR völkervertragsrechtlich gebunden. 1 Siehe statt vieler: Büro des VN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) mit weiteren Links zu den einzelnen Einrichtungen des VN-Menschenrechtsschutzes und deren Entscheidungen, Berichten und speziellen Verfahren, https://www.ohchr.org/EN/Pages/Home.aspx; African Court on Human and Peoples Rights, http://en.african-court.org/; African Commission on Human and Peoples Rights, https://www.achpr.org/; Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, https://www.coe.int/en/web/portal/gerichtshof-fur-menschenrechte ; Europarat, https://www.coe.int/de/web/portal; Inter-American Court of Human Rights, http://www.corteidh.or.cr/index-en.cfm; Inter-American Commission on Human Rights, https://www.oas.org/en/iachr/; Amnesty International, Annual Report 2017/2018, https://www.amnesty.org/en/latest/research/2018/02/annualreport -201718/; Human Rights Watch, World Report 2019, https://www.hrw.org/de/world-report/2019; ESCR-Net - International Network for Economic, Social and Cultural Rights, ESCR Resources, https://www.escrnet .org/resources. 2 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1976 II 428, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien /Pakte_Konventionen/ICESCR/icescr_de.pdf. United Nations, Treaty Series, vol. 993, p. 3; depositary notification C.N.781.2001.TREATIES-6 of 5 October 2001 [Proposal of correction to the original of the Covenant (Chinese authentic text) and C.N.7.2002.TREATIES- 1 of 3 January 2002 [Rectification of the original of the Covenant (Chinese authentic text)], https://treaties .un.org/doc/Treaties/1976/01/19760103%2009-57%20PM/Ch_IV_03.pdf. 3 Siehe im Einzelnen OHCHR, https://indicators.ohchr.org/ sowie UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails .aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3&chapter=4&clang=_en. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 6 Die zentralen kulturellen Menschenrechte des IPwskR sind das Recht auf Bildung gem. Art. 13 IPwskR4 sowie das Recht auf Teilnahme und -habe am kulturellen Leben gem. Art. 15 IPwskR5. Daneben bestätigt der IPwskR das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung, zu dem gem. Art. 1 Abs. 1 IPwskR unter anderem auch das Recht zählt, die eigene kulturelle Entwicklung in Freiheit zu gestalten.6 Allerdings stellt der IPwskR klar, dass die Gleichberechtigung von Frauen und Männern auch im Bereich kultureller Rechte beachtet werden muss.7 4 Art. 13 IPwskR: (1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden auf Bildung an. Sie stimmen überein, dass die Bildung auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und des Bewusstseins ihrer Würde gerichtet sein und die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten stärken muss. Sie stimmen ferner überein, dass die Bildung es jedermann ermöglichen muss, eine nützliche Rolle in einer freien Gesellschaft zu spielen, dass sie Verständnis, Toleranz und Freundschaft unter allen Völkern und allen rassischen, ethnischen und religiösen Gruppen fördern sowie die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Erhaltung des Friedens unterstützen muss. (2) Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle Verwirklichung dieses Rechts a) der Grundschulunterricht für jedermann Pflicht und allen unentgeltlich zugänglich sein muss; b) die verschiedenen Formen des höheren Schulwesens einschließlich des höheren Fach- und Berufsschulwesens auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, allgemein verfügbar und jedermann zugänglich gemacht werden müssen; c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermaßen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss; d) eine grundlegende Bildung für Personen, die eine Grundschule nicht besucht oder nicht beendet haben, so weit wie möglich zu fördern oder zu vertiefen ist; e) die Entwicklung eines Schulsystems auf allen Stufen aktiv voranzutreiben, ein angemessenes Stipendiensystem einzurichten und die wirtschaftliche Lage der Lehrerschaft fortlaufend zu verbessern ist. (3) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Freiheit der Eltern und gegebenenfalls des Vormunds oder Pflegers zu achten, für ihre Kinder andere als öffentliche Schulen zu wählen, die den vom Staat gegebenenfalls festgesetzten oder gebilligten bildungspolitischen Mindestnormen entsprechen, sowie die religiöse und sittliche Erziehung ihrer Kinder in Übereinstimmung mit ihren eigenen Überzeugungen sicherzustellen. (4) Keine Bestimmung dieses Artikels darf dahin ausgelegt werden, dass sie die Freiheit natürlicher oder juristischer Personen beeinträchtigt, Bildungseinrichtungen zu schaffen und zu leiten, sofern die in Absatz 1 niedergelegten Grundsätze beachtet werden und die in solchen Einrichtungen vermittelte Bildung den vom Staat gegebenenfalls festgesetzten Mindestnormen entspricht . 5 Art. 15 IPwskR: (1) Die Vertragsstaaten erkennen das Recht eines jeden an, a) am kulturellen Leben teilzunehmen ; b) an den Errungenschaften des wissenschaftlichen Fortschritts und seiner Anwendung teilzuhaben; c) den Schutz der geistigen und materiellen Interessen zu genießen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft , Literatur oder Kunst erwachsen. (2) Die von den Vertragsstaaten zu unternehmenden Schritte zur vollen Verwirklichung dieses Rechts umfassen die zur Erhaltung, Entwicklung und Verbreitung von Wissenschaft und Kultur erforderlichen Maßnahmen. (3) Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die zu wissenschaftlicher Forschung und schöpferischer Tätigkeit unerlässliche Freiheit zu achten. (4) Die Vertragsstaaten erkennen die Vorteile an, die sich aus der Förderung und Entwicklung internationaler Kontakte und Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet ergeben. 6 Art. 1 Abs. 1 IPwskR: Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung . 7 Art. 3 IPwskR: Die Vertragsstaaten verpflichten sich, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei der Ausübung der in diesem Pakt festgelegten wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte sicherzustellen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 7 Zur nationalen Umsetzung der im IPwskR enthaltenen Rechte dienen nach Art. 16 ff. IPwskR Staatenberichte an den Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen.8 Der Wirtschafts- und Sozialrat hat die Begleitung der nationalen Umsetzung des IPwskR dem VN-Ausschuss für wirtschaftliche , soziale und kulturelle Rechte (CESCR) übertragen.9 Seit 2013 ist das CESCR auf der Grundlage des Fakultativprotokolls zum IPwskR10 auch für Individualbeschwerden gegen die Verletzung von Rechten aus dem IPwskR zuständig.11 Allerdings wurde dieses Protokoll bisher nur von 24 der 41 Signatarstaaten ratifiziert,12 so dass dem Individualbeschwerdeverfahren bisher nur in diesen wenigen Staaten praktische Bedeutung zukommt. Die im IPwskR normierten kulturellen Menschenrechte können auch im Rahmen der Verfahren vor dem VN-Menschenrechtsrat (VN-MRR), einschließlich dessen Verfahren zur Allgemeinen Periodischen Überprüfung (UPR), zum Gegenstand werden.13 8 Zu Aufgaben und Tätigkeit des VN-Wirtschafts- und Sozialrats (ECOSOC) siehe dessen Webseite https://www.un.org/ecosoc/en/. 9 Siehe im Einzelnen OHCR, CESCR, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/CESCR/Pages/CESCRIntro.aspx. Zur Rolle des CESCR und der Staatenberichtsverfahren siehe auch DIMR, https://www.institut-fuer-menschenrechte .de/menschenrechtsinstrumente/vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/sozialpakt-icescr/fachausschuss -cescr/. 10 Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen /ICESCR/icescr_op1_dt.pdf; Optional Protocol to the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, https://www.ohchr.org/EN/ProfessionalInterest/Pages/OPCESCR.aspx. 11 Siehe zum Individualbeschwerdeverfahren DIMR, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsinstrumente /vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/sozialpakt-icescr/individualbeschwerde-unduntersuchungsverfahren /. 12 OHCHR, https://indicators.ohchr.org/, sowie UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TRE- ATY&mtdsg_no=IV-3-a&chapter=4&clang=_en 13 Allgemein zum VN-MRR und dessen Verfahren siehe DIMR, https://www.institut-fuer-menschenrechte .de/menschenrechtsinstrumente/vereinte-nationen/menschenrechtsrat/; OHCHR, United Nations Human Rights Council, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/Pages/Home.aspx; Beate Rudolf, United Nations Commission on Human Rights/United Nations Human Rights Council, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e883?rskey=Ib7jd0&result =3&prd=MPIL. Zum UPR insbesondere siehe statt vieler OHCHR, Universal Periodic Review, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/UPR/Pages/UPRMain.aspx; Christian Tomuschat, Universal Periodic Review Procedure: Human Rights Council, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law-mpeipro/e1611.013.1611/law-mpeipro-e1611?rskey=Ib7jd0&result=2&prd=MPIL; Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 8 Zur Auslegung des Rechts auf Teilnahme und Teilhabe am kulturellen Leben gem. Art. 15 IPwskR hat der CSECR eine allgemeine Bemerkung („general comment“) veröffentlicht.14 Die allgemeine Bemerkung ist völkerrechtlich nicht bindend, gleichwohl kommt ihr aufgrund der im CESCR verkörperten Expertise ein bedeutendes Gewicht für die Konkretisierung der im IPwskR enthaltenen Einzelbestimmungen zu.15 2.2. Menschenrechtliche Bestimmungen zum Schutz von Minderheiten Kulturelle Menschenrechte sind darüber hinaus auch in völkerrechtlichen Instrumenten bzw. einzelnen Vertragsbestimmungen enthalten, die auf den Schutz ethnischer, religiöser oder sprachlicher Minderheiten abzielen.16 Insbesondere ist hier Art. 27 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) zu nennen, der den Angehörigen solcher Minderheiten das Recht einräumt, ihr kulturelles Leben zu pflegen und sich der eigenen Sprache zu bedienen.17 Der nationalen Umsetzung des 14 Committee on Economic, Social and Cultural Rights, E/C.12/GC/2, 21 December 2009, General comment No. 21, Right of everyone to take part in cultural life (art. 15, para. 1 (a), of the International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights), https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/treatybodyexternal/Download.aspx?symbolno =E%2fC.12%2fGC%2f21&Lang=en. 15 Allgemein zur völkerrechtlichen Wirkung von „General Comments“ der VN-Menschenrechtsausschüsse siehe Nisuke Ando, General Comments/Recommendations, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e1730#law-9780199231690-e1730-div1-3. 16 Siehe im Einzelnen Kristin Henrard, Minorities, International Protection, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e847?prd=MPIL#law- 9780199231690-e847-div1-4. 17 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19. Dezember 1966, BGBl. 1973 II 1553, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/IC- CPR/iccpr_de.pdf; United Nations, Treaty Series, vol. 999, p. 171 and vol. 1057, p. 407 (procès-verbal of rectification of the authentic Spanish text); depositary notification C.N.782.2001.TREATIES-6 of 5 October 2001 [Proposal of correction to the original of the Covenant (Chinese authentic text)] and C.N.8.2002.TREATIES- 1 of 3 January 2002 [Rectification of the original of the Covenant (Chinese authentic text)], https://treaties .un.org/doc/Treaties/1976/03/19760323%2006-17%20AM/Ch_IV_04.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 9 IPbpR dienen die Verfahren und Instrumente des VN-Menschenrechtsausschusses (CCPR)18 sowie des VN-MRR.19 Das auf der Grundlage des 1. Zusatzprotokolls zum IPpbR20 ermöglichte Individualbeschwerdeverfahren steht den Menschen in mittlerweile 116 Vertragsstaaten21 offen. Zur Auslegung der in Art. 27 IPbpR enthaltenen Einzelbestimmungen hat der CCPR eine allgemeine Bemerkung („general comment“) veröffentlicht.22 Weitere Vorkehrungen zum Minderheitenschutz finden sich in der Erklärung der VN-Generalversammlung zum Schutz der Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören (DRM).23 Art. 2 DRM bekräftigt u.a. die Rechte der Angehörigen von Minderheiten, das eigene kulturelle Leben zu pflegen, sich der eigenen Sprache zu bedienen und am kulturellen Leben voll teilzunehmen.24 2.3. Weitere völkerrechtliche Instrumente zum Schutz kultureller Rechte Kulturelle Rechte sind auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR)25 normiert . So bestimmt Art. 22 AEMR, dass jeder als Mitglied der Gesellschaft Anspruch darauf hat, 18 DIMR, Der Menschenrechtsausschuss, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsinstrumente /vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/zivilpakt-iccpr/fachausschuss-ccpr/; OHCHR, Human Rights Committee, https://www.ohchr.org/EN/HRBodies/CCPR/Pages/CCPRIndex.aspx. 19 Siehe bereits oben, Fn. 13. 20 Fakultativprotokoll zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 16. Dezember 1966, BGBl. 1992 II S. 1247, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF- Dateien/Pakte_Konventionen/ICCPR/iccpr_op1_de.pdf; Optional Protocol to the International Covenant on Civil and Political Rights, New York, 16 December 1966, https://treaties.un.org/doc/Treaties /1976/03/19760323%2007-37%20AM/Ch_IV_5p.pdf. 21 OHCHR, https://indicators.ohchr.org/; UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TRE- ATY&mtdsg_no=IV-5&chapter=4&clang=_en. 22 CCPR, General Comment No. 23: The rights of minorities (Art. 27), CPR/C/21/Rev.1/Add.5, 8 Apr 1994, file:///P:/_unverschluesselt/Eigene%20Dateien/G9416261.pdf. Zur Rechtswirkung allgemeiner Bemerkungen der VN-Menschenrechtsausschüsse vgl. bereits oben (Fn. 15). 23 UNGA, Declaration on the Rights of Persons Belonging to National or Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, UN Doc A/RES/47/135, Annex, 18 December 1992, https://www.ohchr.org/en/professionalinterest/pages/minorities .aspx. Deutsche Fassung: https://www.un.org/Depts/german/uebereinkommen/ar47135.pdf. Formal betrachtet sind Resolutionen der VN-Generalversammlung rechtlich nicht bindend, sie können aber zur Entstehung oder Verfestigung von Völkergewohnheitsrecht beitragen. Vgl. hierzu statt vieler Christian Tomuschat , United Nations, General Assembly, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e555?prd=OPIL#law-9780199231690- e555-div1-4, Rz. 22 und passim. 24 Zu den Rechtswirkungen der DRM siehe im Einzelnen Kristin Henrard (Fn. 16), Rz. 46 ff. 25 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, Resolution 217 A (III) der Generalversammlung vom 10. Dezember 1948, https://www.ohchr.org/EN/UDHR/Documents/UDHR_Translations/ger.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 10 durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit in den Genuss der kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind. Art. 27 Abs. 1 AEMR sieht vor, dass jeder das Recht hat, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben. Schließlich schützt Art. 27 Abs. 2 AEMR das Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die den Urhebern von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst zustehen. Die AEMR wurde von der VN-Generalversammlung als Resolution verabschiedet.26 Der Text der VN-Charta weist Resolutionen der VN-Generalversammlung als „Empfehlungen“ aus.27 Allerdings hat sich seit Gründung der VN die völkerrechtliche Bewertung der Resolutionen der VN- Generalversammlung, insbesondere der AEMR, fortentwickelt. So gehen Staatenpraxis und völkerrechtswissenschaftlichen Literatur davon aus, dass sich wesentliche Teile der AEMR zu Völkergewohnheitsrecht verfestigt haben.28 Die Menschenrechte der AEMR, einschließlich der darin enthaltenen kulturellen Rechte, sind Prüfungsmaßstab des Allgemeinen Periodischen Überprüfungsverfahrens (UPR) des VN-MRR.29 Völkerrechtliche Bestimmungen zum Schutz kultureller Rechte finden sich in zahlreichen weiteren vertraglichen, vertragsähnlichen und soft law-Instrumenten, insbesondere in den unter der Federführung der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) angenommenen Konventionen.30 Hierzu zählen u.a. auch besondere Bestimmungen zum Schutz von Kultur im Falle internationaler bewaffneter Konflikte.31 Internationale kulturelle Rechte finden sich auch im klassischen humanitären Völkerrecht, so z.B. im Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten, das im Abschnitt über die Behandlung von 26 A.a.O. 27 Art. 9 ff, insbesondere Art. 13 Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1946, BGBl. 1973 Teil II S. 430, https://www.unric.org/de/charta. 28 Siehe Christian Tomuschat, United Nations, General Assembly, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil .ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e555?prd=EPIL#law- 9780199231690-e555-div1-4, Rz. 15 ff.; ebenso Volker Epping, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., München 2018, § 9, Rn. 11 ff. 29 Vgl. DGVN, UN-Menschenrechtsrat, Universal Periodic Review, https://menschenrechte-durchsetzen .dgvn.de/akteure-instrumente/menschenrechtsrat/#ca8710. Zum UPR siehe bereits oben, insbesondere Fn. 13. 30 UNESCO, Conventions, http://portal.unesco.org/en/ev.php-URL_ID=12025&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SEC- TION=-471.html. 31 Siehe z.B. die Convention for the Protection of Cultural Property in the Event of Armed Conflict with Regulations for the Execution of the Convention 1954, The Hague, 14 May 1954, http://portal.unesco.org/en/ev.php- URL_ID=13637&URL_DO=DO_TOPIC&URL_SECTION=201.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 11 Internierten auch ein Kapitel über deren Religionsausübung sowie geistige und körperliche Betätigung enthält.32 3. Regionale kulturelle Menschenrechte 3.1. Europa 3.1.1. Europarat Unter den regionalen Systemen zum Schutz internationaler Menschenrechte ist das des Europarats durch rechtliche Verbindlichkeit, individuelle Beschwerdemöglichkeiten und einen hohen Grad an Wirksamkeit geprägt.33 Dies gilt grundsätzlich für alle in der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK)34 und in ihren Zusatzprotokollen enthaltenen, also auch für die kulturellen Rechte. Art. 2 des Zusatzprotokolls zur EMRK35 gewährleistet das Recht auf Bildung. Nach dem genannten Artikel hat der Staat „bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiet der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren eigenen religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen .“ Die ebenfalls im Rahmen des Europarats vereinbarte Rahmenkonvention über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft36 enthält unter anderen Vorschriften auch individuelle kulturelle Rechte. So bestimmt etwa Art 4 der Rahmenkonvention, dass jeder Mensch, allein oder als Mitglied einer Gemeinschaft, das Recht besitzt, einen Nutzen aus dem Kulturerbe zu ziehen und zu seiner Bereicherung beizutragen. Im Gegenzug wird allen die Verpflichtung auferlegt, allein oder als Mitglied einer Gemeinschaft das Kulturerbe anderer genauso zu achten, wie das eigene und das gemeinsame kulturelle Erbe Europas. Schließlich stellt der genannte Artikel der Rahmenkonvention klar, dass die Ausübung des Rechtes auf Kulturerbe nur jenen Beschränkungen unterworfen werden kann, welche in einer demokratischen Gesellschaft zum Schutz des öffentlichen Interesses sowie der Rechte und Freiheiten Dritter notwendig sind. Im Übrigen verpflichten 32 Siehe im Einzelnen Abschnitt 4 Kapitel 5 des Genfer Abkommen über den Schutz von Zivilpersonen in Kriegszeiten vom 12. August 1949, BGBl. 1954 Teil 2 S. 917 ff., https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=//*%5B@attr_id=%27bgbl254s0781.pdf%27%5D#__bgbl__%2F %2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl254s0781.pdf%27%5D__1576652016053. 33 Siehe im Einzelnen Europarat, Menschenrechte, https://www.coe.int/de/ (mit weiterführenden Links). 34 Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 1952 Teil 2 S. 685, https://www.menschenrechtskonvention.eu/konvention-zum-schutz-der-menschenrechte-und-grundfreiheiten- 9236/. 35 Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 20. März 1952, https://www.menschenrechtskonvention.eu/zusatzprotokoll-emrk-9251/. 36 Rahmenkonvention des Europarats über den Wert des Kulturerbes für die Gesellschaft, SEV Nr. 199, https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/199. Deutsche Übersetzung: http://www.dnk.de/_uploads/media/184_2005_Europarat_Rahmenkonvention.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 12 sich die Vertragsstaaten zu zahlreichen Einzelmaßnahmen, die der Förderung des kulturellen Lebens und des kulturellen Austauschs dienen. Kulturelle Rechte spielen eine zentrale Rolle für den Minderheitenschutz im Rahmen des Europarats und sind u.a. in der Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten37 enthalten. So verpflichtet Art. 4 Abs. 2 der Konvention die Vertragsparteien, „erforderlichenfalls angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um in allen Bereichen des […] kulturellen Lebens die vollständige und tatsächliche Gleichheit zwischen den Angehörigen einer nationalen Minderheit und den Angehörigen der Mehrheit zu fördern.“ Nach Art. 5 der Konvention sind die Vertragsparteien gehalten, „Bedingungen zu fördern, die es Angehörigen nationaler Minderheiten ermöglichen , ihre Kultur zu pflegen und weiterzuentwickeln und die wesentlichen Bestandteile ihrer Identität, nämlich ihre Religion, ihre Sprache, ihre Traditionen und ihr kulturelles Erbe, zu bewahren .“ Nach Art. 6 der Konvention fördern die Vertragsparteien „den Geist der Toleranz und des interkulturellen Dialogs und treffen wirksame Maßnahmen zur Förderung der gegenseitigen Achtung und des gegenseitigen Verständnisses sowie der Zusammenarbeit zwischen allen in ihrem Hoheitsgebiet lebenden Menschen unabhängig von deren ethnischer, kultureller, sprachlicher oder religiöser Identität, und zwar insbesondere in den Bereichen Bildung, Kultur und Medien . Die Vertragsparteien verpflichten sich, geeignete Maßnahmen zu treffen, um Menschen zu schützen, die wegen ihrer ethnischen, kulturellen, sprachlichen oder religiösen Identität diskriminierenden , feindseligen oder gewalttätigen Handlungen oder der Androhung solcher Handlungen ausgesetzt sein können.“ Gem. Art. 9 Abs. 4 der Konvention ergreifen die Vertragsparteien Maßnahmen, „um Angehörigen nationaler Minderheiten den Zugang zu den Medien zu erleichtern sowie Toleranz zu fördern und kulturellen Pluralismus zu ermöglichen.“ Art. 12 der Konvention verpflichtet – soweit erforderlich – zu Maßnahmen im Bereich der Bildung und Forschung , um Kenntnisse der Minderheits- und Mehrheitskulturen zu fördern. Auf eine wirksame Teilnahme von Angehörigen nationaler Minderheiten am kulturellen Leben zielt Art. 15 der Konvention ab. Zur grenzüberschreitenden Wahrung des kulturellen Erbes nationaler Minderheiten dient Art. 17 der Konvention. Auch die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen38 enthält für die Ausübung kultureller Rechte wesentliche Bestimmungen. Nach Art. 7 Abs. 1 lit. a der Charta gestalten die Vertragsstaaten ihre Politik, Gesetzgebung und Praxis auf der Grundlage, Regional- oder Minderheitensprachen als Ausdruck kulturellen Reichtums anzuerkennen. Weitreichende Vorgaben enthält auch Art. 12 der Charta: Danach verpflichten sich die Vertragsparteien zu einer angemessenen Berücksichtigung, Unterstützung, Ermutigung und Erleichterung der Regional- oder Minderheitensprachen „in Bezug auf kulturelle Einrichtungen und Tätigkeiten – insbesondere Bibliotheken, Videotheken, Kulturzentren, Museen, Archive, Akademien, Theater und Kinos sowie literarische Werke und Filmproduktionen, volkstümliche Formen des kulturellen Ausdrucks, 37 Framework Convention for the Protection of National Minorities, 1 February 1995, SEV Nr. 157, https://rm.coe.int/16800c10cf. Amtliche deutsche Übersetzung: https://www.coe.int/de/web/conventions/fulllist /-/conventions/rms/090000168007cdc3. 38 European Charter for Regional or Minority Languages, 5 November 1992, SEV Nr. 148, https://www.coe.int/en/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/0900001680695175. Nichtamtliche deutsche Übersetzung: https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/090000168007c089. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 13 Festspiele und die Kulturindustrien, einschließlich unter anderem des Einsatzes neuer Technologien .“ 3.1.2. Europäische Union Wesentliche Bestimmungen, die im Rahmen der Europäischen Union (EU) zum Schutz kultureller Rechte verabschiedet wurden, finden sich u.a. in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGRC).39 So normiert Art. 14 EUGRC ein Recht auf Bildung. Danach hat jede Person das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung. Gem. Art. 14 Abs. 2 EUGRC umfasst dies auch die Möglichkeit, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen. Grundsätzlich erkennt die EUGRC in den Schranken ihres Art. 14 Abs. 3 sowohl die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten an als auch das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen. Art. 22 EUGRC verpflichtet die EU, die Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen zu achten. Art. 25 EUGRC bestätigt u.a. die Achtung des Rechts älterer Menschen auf ein würdiges und unabhängiges Leben und auf Teilnahme am kulturellen Leben. Die EUGRC zählt zum Primärrecht der EU; sie ist mithin normativer Maßstab für das Handeln aller Organe und Einrichtungen der EU, für die Gültigkeit von Sekundärrecht der EU (Verordnungen , Richtlinien u.a.) und für das Handeln der EU-Mitgliedstaaten.40 Dabei bekräftigt die Charta die Rechte, die sich u.a. aus der EMRK sowie aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) ergeben.41 Gemäß Art. 53 EUGRC darf keine ihrer Bestimmung so interpretiert werden, dass ihr Schutzniveau dadurch unter das der EMRK fiele. Der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gewährte Rechtsschutz beruht stets auch auf den in der EU- CRC normierten Rechten, was sich nicht zuletzt aus Art. 263 Abs. 2 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV)42 ergibt.43 Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann jede natürliche oder juristische Person (in den Grenzen von Art. 263 AEUV) Klage erheben gegen Handlungen von EU- Einrichtungen, die an sie gerichtet sind oder sie unmittelbar und individuell betreffen. 39 Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2010/C 83/02), Abl. C 83/389 vom 30. März 2010, http://www.europarl.europa.eu/germany/resource/static/files/europa_grundrechtecharta/_30.03.2010.pdf 40 Europäisches Parlament, Achtung der Grundrechte in der Europäischen Union, DE – 16/04/2018, http://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/PERI/2017/600415/IPOL_PERI(2017)600415_DE.pdf . 41 Abs. 5 der Präambel der Charta der Grundrechte, http://www.europarl.europa.eu/germany/resource/static/files /europa_grundrechtecharta/_30.03.2010.pdf . 42 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (konsolidierte Fassung), Abl. C 326/47 vom 26. Oktober 2012, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12012E/TXT&from=DE. 43 Siehe Hans-Joachim Cremer, Kommentierung zu Art. 263 AEUV, Rz. 95, in: Christian Callies/Matthias Ruffert (Hrsg.), EUV/AEUV, 5. Auflage 2016. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 14 3.2. Amerika Bei der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK)44, der Grundlage des Inter-Amerikanischen Menschenrechtsschutzsystems45, sind auch kulturelle Rechte in den Schutzbereich einbezogen. So erfasst zum Beispiel die Vereinigungsfreiheit gem. Art. 16 AMRK ausdrücklich auch Vereinigungen mit kultureller Zielsetzung. Des Weiteren setzt die Charta der Organisation Amerikanischer Staaten46 Standards zur Berücksichtigung kultureller Belange, definiert dabei aber keine individuellen kulturellen Menschenrechte. Gericht und Kommission tragen dazu bei, dass das Inter-Amerikanische Menschenrechtsschutzsystem im globalen Vergleich zu den effektivsten regionalen Einrichtungen zählt.47 3.3. Afrika Das regionale Menschenrechtsschutzsystem für den afrikanischen Kontinent ist stark ausdifferenziert und beruht auf zahlreichen Einzelinstrumenten.48 Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker (Banjul Charta)49 schützt auf regionaler Ebene für 54 der 55 Staaten Afrikas unter anderem auch kulturelle Rechte. Nach Art. 17 Abs. 1 der Banjul Charta hat jeder ein Recht auf Bildung. Gem. Art. 17 Abs. 2 Banjul Charta kann jeder ungehindert am kulturellen Leben seiner Gemeinschaft teilnehmen. Mit den genannten individuellen Rechten korrespondiert nach Art. 17 Abs. 3 Banjul Charta eine Staatenpflicht , „die Sittlichkeit und traditionellen Werte einer Gemeinschaft zu fördern und zu 44 American Convention on Human Rights, adopted at the Inter-American Specialized Conference on Human Rights, San José, Costa Rica, 22 November 1969, http://www.cidh.org/Basicos/English/Basic3.American %20Convention.htm. Ausführlich hierzu statt vieler Gerald L. Neumann, American Convention on Human Rights (1969), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e748. 45 Institutionell ist dieses im Inter-American Court of Human Rights und in der Inter-American Commission on Human Rights verankert, siehe hierzu statt vieler, Gerald L. Neumann, Inter-American Court of Human Rights, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law- 9780199231690-e832?rskey=9vm6yF&result=4&prd=MPIL; Claudio M. Grossmann, Inter-American Commission on Human Rights, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e831?rskey=9vm6yF&result =3&prd=MPIL. 46 Charter of the Organization of American States, signed in Bogotá in 1948 and amended by the Protocol of Buenos Aires in 1967, by the Protocol of Cartagena de Indias in 1985, by the Protocol of Washington in 1992, and by the Protocol of Managua in 1993, http://www.oas.org/en/sla/dil/inter_american_treaties_A-41_charter_OAS.asp. 47 Vgl. Neumann, a.a.O., Rz. 48, und Grossmann, a.a.O., Rz. 37 ff. 48 Vgl. den Überblick der University of Minnesota Human Rights Library, http://hrlibrary.umn.edu/instree/afrinst .htm. 49 African (Banjul) Charter on Human and Peoples’ Rights (Adopted 27 June 1981, OAU Doc. CAB/LEG/67/3 rev. 5, 21 I.L.M. 58 (1982), entered into force 21 October 1986), file:///P:/_unverschluesselt/Eigene%20Dateien/banjul_charter.pdf. Deutsche Übersetzung: http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokument_7.htm. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 15 schützen“. Art. 22 Abs. 1 der Banjul Charta normiert ein Recht der Völker, auf eine eigene kulturelle Entwicklung „unter angemessener Berücksichtigung ihrer Freiheit und Identität sowie auf gleichmäßige Beteiligung an dem gemeinsamen Erbe der Menschheit.“ Art. 29 Nr. 7 der Banjul Charta normiert überdies die Pflicht eines jeden, „im Verhältnis zu anderen Mitgliedern der Gesellschaft positive afrikanische kulturelle Werte im Geiste der Toleranz, des Dialogs und der Zusammenarbeit zu bewahren und zu stärken und, allgemein ausgedrückt, zur Förderung des sittlichen Wohlbefindens der Gesellschaft beizutragen.“ Detaillierte Bestimmungen im Bereich kultureller Rechte enthält zudem die Afrikanische Charta der Rechte und des Wohlergehens des Kindes (African Charter on the Rights and Welfare of the Child, ACRWC).50 Art. 1 Abs. 3 ACRWC spricht sich gegen Bräuche, Traditionen, kulturelle und religiöse Praktiken aus, soweit sie den Rechten und Pflichten der Charta widersprechen. Das Recht eines jeden Kindes auf Bildung ist in Art. 11 ACRWC ins Einzelne gehend geregelt. In diesem Zusammenhang sieht Art. 11 Abs. 2 lit. c ACRWC vor, dass die Bildung darauf abzielen muss, positive afrikanische Moralvorstellungen, traditionelle Werte und Kulturen zu bewahren und zu stärken. In Art. 12 Abs. 1 ACRWC erkennen die Vertragsstaaten das individuelle Recht eines jeden Kindes an, am kulturellen Leben teilzunehmen. Zugleich verpflichten sie sich in Art. 12 Abs.2 ACRWC, das Recht auf und die Gelegenheiten zur freien und gleichberechtigten Teilnahme am kulturellen Leben zu fördern. Im Hinblick auf Kinder mit Behinderungen schützt Art. 13 Abs. 2 ACRWC unter anderem auch deren Recht auf kulturelle Entwicklung. Art. 21 ACRWC zielt darauf ab, Kinder gegen schädliche kulturelle Praktiken zu schützen, die das Wohlergehen, die Würde oder die normale Entwicklung des Kindes beeinträchtigen. Dazu zählt der genannte Artikel insbesondere gesundheitsschädliche kulturelle Praktiken sowie Praktiken , die auf Grund von Status oder Geschlecht diskriminieren. Im Gegenzug erlegt Art. 31 lit. d ACRWC Kindern im Rahmen ihrer altersgerechten Möglichkeiten die individuelle Pflicht auf, in ihren Beziehungen zu anderen Mitgliedern der Gesellschaft afrikanische kulturelle Werte im Geiste der Toleranz und des Dialogs zu bewahren und zu stärken, um so zum moralischen Wohlergehen der Gesellschaft beizutragen. Die Durchsetzungsmechanismen des Menschenrechtsschutzsystems der Afrikanischen Union wurden in den letzten Jahren entscheidend gestärkt.51 Zur Beschwerde berechtigt sind neben den Staaten auch die Afrikanische Menschenrechtskommission und das ACRWC-Expertenkomitee; einige wenige Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union erlauben zusätzlich auch individuelle Beschwerden vor dem Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte.52 Die Wirksamkeit der 50 African Charter on the Rights and Welfare of the Child, OAU Doc. CAB/LEG/24.9/49 (1990), entered into force Nov. 29, 1999, https://au.int/sites/default/files/treaties/36804-treaty-0014_-_african_charter _on_the_rights_and_welfare_of_the_child_e.pdf 51 Zur institutionellen Entwicklung der Gerichtsbarkeit im Rahmen der AU vom African Court on Human and Peoples’ Rights hin zum African Court of Justice and Human Rights siehe Informationsplattform Human Rights, Die Afrikanischen Gerichtshöfe, https://www.humanrights.ch/de/internationale-menschenrechte/regionale/afrika /afrikanische-gerichtshoefe/. 52 Vgl. Coalition for an Effective African Court Rights, Access to the African Court, http://www.africancourtcoalition.org/index.php?option=com_content&view=category&layout =blog&id=44&Itemid=49&lang=en. Nach dortigen Angaben erlauben zur Zeit Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ghana, Mali, Malawi, Ruanda und Tansania Individualbeschwerden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 16 Durchsetzungsmechanismen bleibt somit hinter den Verfahrensmöglichkeiten des Europarats zurück . 3.4. Islamische Welt Auch in der islamischen Welt gibt es einige auf zwischenstaatlicher Ebene vereinbarte Instrumente , die Menschenrechte zum Gegenstand haben. Zu nennen sind insbesondere die Kairoer Erklärung zum Schutz der Menschenrechte im Islam53 sowie die Arabische Charta der Menschenrechte .54 Art. 9 der Kairoer Erklärung verpflichtet Staat und Gesellschaft, für Bildungsmöglichkeiten zu sorgen. Danach muss der Staat sicherstellen, dass Bildung verfügbar ist und im Interesse der Gesellschaft ein vielfältiges Bildungsangebot garantiert wird. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, sich mit der Religion des Islams und den Dingen der Welt zum Wohle der Menschheit auseinanderzusetzen. Darüber hinaus gibt Art. 9 der Kairoer Erklärung jedem „das Recht auf eine sowohl religiöse als auch weltliche Erziehung durch die verschiedenen Bildungs- und Lehrinstitutionen . Dazu zählen die Familie, Schule, Universitäten, die Medien usw. Alle zusammen sorgen sie ausgewogen dafür, dass sich seine Persönlichkeit entwickelt, dass sein Glaube an Gott gestärkt wird und dass er sowohl seine Rechte wahrnimmt als auch seine Pflichten beachtet.“ Die Kairoer Erklärung ist völkerrechtlich nicht bindend und somit eher politisch-symbolischer Natur.55 Die Arabische Charta der Menschenrechte bestätigt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker auch das Recht beinhaltet, die eigene kulturelle Entwicklung frei zu verfolgen (siehe Art. 2 Abs. 1 der Charta). Art. 25 der Charta schützt das Recht von Angehörigen von Minderheiten, ihre eigene Kultur zu pflegen, ihre Sprache zu benutzen und ihre Religion auszuüben. Art. 37 der Charta bezieht kulturelle Aspekte in den Schutzbereich des Rechts auf Entwicklung mit ein. Art. 41 der Charta enthält einen ausführlichen Katalog von Menschenrechten im Bereich der 53 Kairoer Erklärung zum Schutz der Menschenrechte im Islam, Organisation der Islamischen Konferenz, 15. August 1990, deutsche Übersetzung: https://www.humanrights.ch/cms/upload/pdf/140327_Kairoer_Erklaerung _der_OIC.pdf. 54 Arabische Charta der Menschenrechte, verabschiedet vom Rat der Liga der arabischen Staaten am 15. September 1994, deutsche Übersetzung: https://www.humanrights.ch/cms/upload/pdf/061015_arabische_charta.pdf, sowie Arabische Charta der Menschenrechte von 2004 (überarbeitete Version), in Kraft seit 2008, englische Übersetzung : https://www.humanrights.ch/cms/upload/pdf/091029_Arab_Charter_on_Human_Rights_2004.pdf. Siehe zu den genannten und weiteren Menschenrechtsinstrumenten der islamischen Welt https://www.humanrights .ch/de/internationale-menschenrechte/regionale/arabische-charta/. Zu Menschenrechten im Islam vergleiche die ausgewählte Bibliographie und Dokumentation bei Mervat Rishmawi, Arab Charter on Human Rights (2004), in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw .com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e1913?rskey=9Wu0iT&result =8&prd=MPIL. 55 Informationsplattform Human Rights, https://www.humanrights.ch/de/menschenrechte-themen/islam /selbstverstaendnis/mr-erklaerungen/. Vgl. auch WD 2 - 3000 - 040/19 (19. März 2019), https://www.bundestag .de/resource/blob/645872/4860ada84f533374acfe84b95ad9ccf1/WD-2-040-19-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 132/19 Seite 17 Bildung und Erziehung. Art. 42 der Charta normiert individuelle Rechte zur Teilnahme am kulturellen Leben sowie staatliche Pflichten zur Kulturförderung. Zugleich sieht der genannte Artikel vor, dass die Staaten den Schutz moralischer Grundsätze im Bereich des wissenschaftlichen, literarischen und künstlerischen Schaffens gewährleisten. Ein entscheidender Wesenszug der Arabischen Charta der Menschenrechte ist, dass diese nach wie vor keinen effektiven Durchsetzungsmechanismus vorsieht.56 *** 56 Vgl. eingehend Informationsplattform Human Rights, Arabische Charta der Menschenrechte, https://www.humanrights .ch/de/internationale-menschenrechte/regionale/arabische-charta/, sowie Mervat Rishmawi, a.a.O. (Fn. 54).