© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 129/16 Parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 129/16 Seite 2 Parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 129/16 Abschluss der Arbeit: 4. Oktober 2016 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 129/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gesetzliche Neuregelung der parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte im Rüstungsexportbereich 4 2. Parlamentarische Mitwirkungsrechte im Rüstungsexportbereich de lege ferenda 5 3. Schaffung eines parlamentarischen Rüstungsexportkontrollausschusses 6 4. Anlagen 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 129/16 Seite 4 1. Gesetzliche Neuregelung der parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte im Rüstungsexportbereich Informations- und Kontrollrechte des Deutschen Bundestages im Bereich der Rüstungsexporte könnten im Rahmen eines neu zu schaffenden Rüstungsexportkontrollgesetzes verankert werden .1 Möglich wäre auch eine entsprechende Änderung des Kriegswaffenkontrollgesetzes und des Außenwirtschaftsgesetzes. Die Informationsrechte des Bundestages im Bereich des Rüstungsexportrechts ergeben sich aber bereits direkt aus Art. 38 Abs. 1 GG und sind durch das Urteil des BVerfG vom 21. Oktober 2014 verfassungsgerichtlich ausgestaltet worden.2 Entsprechende Unterrichtungspflichten der Bundesregierung wurden zudem in § 8 der neuen Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates niedergelegt .3 Einer spezialgesetzlichen Normierung der parlamentarischen Informationsrechte bedarf es daher eigentlich nicht. Eine einfachgesetzliche Ausgestaltung der parlamentarischen Informations- und Kontrollrechte de lege ferenda, welche über die verfassungsgerichtlich festgestellten Rechte des Bundestages hinausginge, würde dagegen in Kernbereiche der Exekutive eingreifen und damit gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 2 GG verstoßen. Der Bundesminister für Wirtschaft und Energie hat eine Kommission „Zukunft der Rüstungsexportkontrolle “ ins Leben gerufen,4 die ab dem 7. Oktober 2016 mit Expertenanhörungen / Diskussionsrunden im BMWi startet. Weitere Expertenanhörungen / Diskussionsrunden (mit Vertretern von Universitäten, NGOs, ausländische Forschungseinrichtungen, wissenschaftliche Stiftungen und Industrieverbänden) sind geplant für die 44. KW 2016, die 3. KW 2017 sowie die 7. KW 2017. 1 Vgl. dazu Eckpunkte für ein Rüstungsexportkontrollgesetz, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 18/4940 v. 20.5.2015, sowie Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Energie, BT-Drs. 18/7030 v. 15.12.2015. 2 http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2014/10/es20141021_2bve000511.html. 3 Neufassung der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates, BT-Drs. 18/5773 v. 13.8.2015. 4 Vgl. FAZ v. 16.9.2016, S. 19 („Gabriel lässt neue Regeln für Rüstungsexporte prüfen“). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 129/16 Seite 5 2. Parlamentarische Mitwirkungsrechte im Rüstungsexportbereich de lege ferenda Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 21. Oktober 2014 deutlich gemacht, dass im Bereich der Rüstungsexportkontrolle – anders als bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr – keine Mitwirkungsrechte des Bundestages bestehen, wohl aber parlamentarische Kontrollrechte in Gestalt eines Frage-, Debatten- und Entschließungsrechts. Das Gericht argumentiert zum einen mit dem klaren Wortlaut in Art. 26 Abs. 2 GG, zum anderen aber auch mit der – aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung folgenden – grundgesetzlichen Kompetenzordnung bzw. Funktionsgerechtigkeit und erkennt dabei „Kernbereiche exekutiver Eigenverantwortung“ an (Rdnr. 137). Das Gericht führt weiter aus: Rdnr. 139: „Im Bereich der auswärtigen Politik hat das Grundgesetz in Anknüpfung an die traditionelle Staatsauffassung der Regierung aber einen weit bemessenen Spielraum zu eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung überlassen. Die Rolle des Parlaments als Gesetzgebungsorgan ist schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt (BVerfGE 104, 151 <207>). Eine erweiternde Auslegung der Zustimmungs- oder Mitwirkungsbefugnisse des Bundestages würde die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ungerechtfertigt beschneiden und auf eine nicht funktionsgerechte Teilung der Staatsgewalt hinauslaufen (BVerfGE 104, 151 <207>).“ Rdnr. 141 „Vielmehr ist zwischen parlamentarischer Mitwirkung einerseits und parlamentarischer Kontrolle andererseits zu unterscheiden. Eine Mitwirkung des Parlaments bei der Ausübung von Staatsfunktionen kommt nur dort in Betracht, wo sie durch das Grundgesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Die Gewaltenteilung darf nicht unter Berufung auf das Demokratieprinzip durch Einräumung parlamentarischer Mitentscheidungsbefugnisse unterlaufen, die grundgesetzliche Kompetenzordnung nicht durch die Konstruktion eines allumfassenden Parlamentsvorbehalts überlagert werden (vgl. BVerfGE 68, 1 <87>). Unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns tritt die parlamentarische Kontrolle an die Stelle der in dem Bereich ausschließlicher Zuständigkeit der Regierung fehlenden sachlich -inhaltlichen Mitwirkungsrechte des Parlaments.“ Die Ausführungen zur „Funktionsgerechtigkeit“ und zum „Parlamentsvorbehalt“ lassen den Schluss zu, dass für das Gericht hier sogar änderungsfeste Kernbestände aus Art. 79 Abs. 3 GG in Rede stehen. Nach einer solchen Lesart des Urteils wäre dann eine Änderung der Verfassung (z.B. eine Ergänzung von Art. 26 Abs. 2 GG) in Richtung einer parlamentarischen Mitwirkung bei Rüstungsexporten – also etwa die Schaffung eines parlamentarischen Genehmigungsvorbehalts für Rüstungsexporte nach Vorbild des US-amerikanischen Rüstungsexportverfahrensrechts – nicht möglich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 129/16 Seite 6 3. Schaffung eines parlamentarischen Rüstungsexportkontrollausschusses Nach gängiger Praxis erfolgt die Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung über den für Rüstungsexporte federführenden Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Energie. Dieser leitet die Unterrichtung als Ausschussdrucksache an seine Mitglieder sowie an die mitberatenden Ausschüsse entsprechend der Ressortbesetzung des Bundessicherheitsrates weiter.5 Die Einrichtung eines neuen Rüstungsexportkontrollausschusses im Deutschen Bundestag wäre als Ausfluss des parlamentarischen Selbstorganisationsrechts (Art. 40 Abs. 1 GG) rechtlich unproblematisch . Ein solcher Ausschuss könnte gem. § 55 Abs. IV der GO-BT auch als gemeinsamer Unterausschuss des Ausschusses für Wirtschaft und Energie eingesetzt werden. Die Mitglieder des Unterausschusses müssten dann nicht notwendigerweise dem „Mutterausschuss“ angehören, sondern könnten auch aus Abgeordneten anderer Ausschüsse bestehen („gemischter Ausschuss“). In diesem Zusammenhang bleibt anzumerken, dass ein solcher Rüstungsexportkontrollausschuss lediglich als „Anlaufstelle“ für die Bundesregierung (mit Blick auf deren Informationsverpflichtung ) dienen, aber keine genuin eigenen Rechte wahrnehmen kann. Die parlamentarischen Informations - und Kontrollrechte im Bereich von Rüstungsexporten stehen allen Abgeordneten gleichermaßen zu. Eine Weiterleitung der rüstungsexportrelevanten Informationen an alle Abgeordnete muss insoweit gewährleistet sein. Die Schaffung eines speziellen Rüstungsexportkontrollausschusses vermag die parlamentarischen Kontrollrechte zwar institutionell und personell zu „bündeln“, aber im Kern nicht zu verstärken. 4. Anlagen • Eckpunkte für ein Rüstungsexportkontrollgesetz, BT-Drs. 18/4940 v. 20.5.2015 sowie BT-Drs. 18/7030 v. 15.12.2015 • Neufassung der Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates, BT-Drs. 18/5773 v. 13.8.2015 Ende der Bearbeitung 5 Dazu zählen der Auswärtige Ausschuss, der Menschenrechtsausschuss, der Innenausschuss, der Rechts- und Verbraucherschutzausschuss, der Haushaltsausschuss, der Finanzausschuss, der Verteidigungsausschuss sowie der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.