SACHSTAND Thema: Die Afrikanische Menschenrechtscharta und der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte Fachbereich II Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Tel.: Verfasserin: Abschluss der Arbeit: 31. Oktober 2005 Reg.-Nr.: WF II – 128/05 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung. Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages, das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - 1. Einleitung Die Staaten Afrikas haben mit wenigen Ausnahmen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 in ihren Verfassungen anerkannt und die Internationalen Pakte über bürgerliche und politische bzw. wirtschaftliche soziale und kulturelle Rechte von 1966 ratifiziert. Außerdem wurde in Afrika im Rahmen der Organisation Afrikanischer Einheit bzw. der Afrikanischen Union ein regionales Menschenrechtssystem geschaffen, das sich weitgehend an den Menschenrechtsinstrumenten der Vereinten Nationen orientiert und im Folgenden näher erläutert werden soll. 2. Die Afrikanische Union als Grundlage für die Schaffung eines regionalen Menschenrechtssystems in Afrika Bei der Afrikanischen Union (AU) handelt es sich um eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Addis Abeba (Äthiopien), die am 9. Juli 2002 die Nachfolge der 1963 ins Leben gerufenen Organisation Afrikanischer Einheit (OAE) angetreten hat.1 Derzeit gehören ihr 52 Mitgliedstaaten an, d.h. sämtliche afrikanische Staaten mit Ausnahme Marokkos2 und Mauretaniens3. Im Vergleich zu den Zielen der OAE, die gemäß Art. 2 der OAE-Charta in der „Förderung von Einheit und Solidarität der afrikanischen Staaten , der Koordinierung und Intensivierung der Kooperation zur Verbesserung der Lebensbedingungen der afrikanischen Völker, der Verteidigung der Unabhängigkeit der afrikanischen Staaten sowie der vollständigen Beseitigung des Kolonialismus“ bestanden , wurden die Aufgabenfelder der AU erweitert. So betont die Gründungsakte der AU in Art. 3 u.a. die Förderung der afrikanischen Einheit auf allen Gebieten, die Verwirklichung von demokratischen Grundsätzen, Menschenrechten und guter Regierungsführung sowie Frieden, Sicherheit und Stabilität. Während die OAE vier Hauptorgane eingerichtet hatte (vgl. Art. 7 OAE-Charta), verfügt die AU über weitaus mehr Organe.4 Dazu zählen u.a. die Versammlung der Staats- und Regierungschefs (Art. 6-9) als höchstes Entscheidungsorgan, der Exekutivrat (Art. 10-13), das Panafrikanische Parlament (Art. 17), ein Gerichtshof (Art. 18) und die Kommission (Art. 20). Die Versammlung der Staats- und Regierungschefs der AU hat nach Art. 5 Ziff. 2 der AU- Gründungsakte zudem die Kompetenz, weitere Organe einzurichten. Darüber hinaus ist erwähnenswert, dass die AU-Gründungsakte in Art. 4 lit. h das Recht der Afrikanischen 1 Radunski, S. 59 (60). 2 Marokko war bereits 1985 nach der Aufnahme der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (West- Sahara) aus der Vorgängerorganisation OAE ausgetreten. 3 Auswärtiges Amt: Länderinfo Mauretanien: Nach dem Militärputsch wurde die Mitgliedschaft Mauretaniens in der AU am 5. August 2005 bis zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung ausgesetzt . 4 Radunski, S. 59 (63). - 3 - Union festlegt, „auf Beschluss der Versammlung der Staats- und Regierungschefs bei schwerwiegenden Umständen, namentlich Kriegsverbrechen, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder ernsthaften Bedrohungen der legitimen Ordnung, in einem Mitgliedstaat zu intervenieren“. Dieser Möglichkeit stehen allerdings das der Union zugrunde liegende Prinzip des Verbotes der Gewaltanwendung oder – androhung (vgl. Art. 4 lit. f der AU-Gründungsakte) sowie das Nichteinmischungsgebot (vgl. Art. 4 lit. g der AU-Gründungsakte) gegenüber.5 3. Die Afrikanische Charta der Rechte der Menschen und Völker Die Anregungen zur Schaffung eines afrikanischen Menschenrechtssystems gingen wesentlich von den Vereinten Nationen, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und einzelnen afrikanischen Staaten aus.6 Grundlage für das heute existierende System bildet die Afrikanische Charta der Rechte des Menschen und der Völker (Afr MRK), die aufgrund ihrer Ausarbeitung im Rahmen der OAE in Banjul (Gambia) auch als „Banjul-Charta“ bezeichnet wird.7 Sie wurde 1981 auf der Versammlung der Staatsund Regierungschefs der OAE angenommen und trat nach Ratifikation durch die Mehrheit der OAE-Mitglieder am 21. Oktober 1986 in Kraft.8 Heute gehören sämtliche Mitgliedstaaten der AU dieser Charta an, die sich nicht an der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, sondern an der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1948 orientiert.9 Art. 2 AfrMRK formuliert ein allgemeines Gleichheits- und Nichtdiskriminierungsgebot bezüglich der durch die Banjul-Charta gewährleisteten Rechte.10 Des Weiteren schützt sie grundlegende bürgerliche und politische Rechte, ebenso wie wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.11 Der Katalog umfasst fundamentale Individualrechte, wie beispielsweise das Recht auf Freizügigkeit , auf Asyl, Schutz vor Ausweisung, die Meinungsfreiheit sowie ferner das Recht auf Gesundheit, Familie und Gleichheit der Menschen.12 Kritisch zu bemerken ist jedoch, dass die garantierten Rechte mit einer großen Zahl so genannter „Schrankenklauseln “ versehen sind, die es den nationalen Gesetzgebern ermöglichen, weitreichende Einschränkungen der Schutzbereiche vorzunehmen.13 Trotz der Aufzählung von Individualrechten, die in den universellen und regionalen Menschenrechtsdokumenten ebenfalls enthalten sind, unterscheidet sich diese Konvention in mehrfacher Hinsicht 5 Bortfeld, S. 35 f. 6 Radunski, S. 59 (67). 7 Mabe, S. 118 (119). 8 Kodjo, S. 306 (307). 9 Mabe, S. 118 (119). 10 Bortfeld, S. 40. 11 Radunski, S. 59 (68). 12 Doehring, S. 442 Rn. 1004. 13 Bortfeld, S.47. - 4 - von den anderen Menschenrechtskonventionen (wie z.B. den VN-Menschenrechtskonventionen , der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Amerikanischen Menschenrechtskonvention) und bringt damit den Einfluss afrikanischer Traditionen zum Ausdruck14: Neben den individuellen Rechten kodifiziert die Banjul-Charta beispielsweise zahlreiche Kollektivrechte, wie das Recht auf Selbstbestimmung und Freiheit von fremder Herrschaft, das Recht auf Dekolonisierung sowie das Recht der Völker auf Frieden, Entwicklung und auf alleinige Verfügung über Bodenschätze.15 Interessant ist außerdem, dass die AfrMRK in den Art. 27-29 den zuvor aufgezählten Rechten ausdrücklich auch Pflichten des Individuums gegenüber der Familie, der Gesellschaft, dem Staat und anderen gesetzlich anerkannten Gemeinschaften entgegengesetzt. Allerdings dürften solche Pflichten im Rahmen eines internationalen Verfahrens juristisch kaum durchsetzbar sein und sind daher eher als Postulate zu verstehen.16 Sie könnten jedoch gegebenenfalls zur genaueren Bestimmung des Schutzbereiches einzelner Rechte herangezogen werden.17 4. Die Überwachung und Durchsetzung der Menschenrechte in Afrika 4.1. Die Afrikanische Menschenrechtskommission Die Förderung und Durchsetzung der in der AfrMRK kodifizierten Rechte obliegt der aus elf Mitgliedern bestehenden Afrikanischen Kommission für die Rechte des Menschen und der Völker (vgl. Art. 30 f. AfrMRK) mit Sitz in Banjul (Gambia)18, die am 2. November 1987 eingesetzt wurde.19 Die Kommission bildet weniger ein reines Rechtsprechungsorgan20, sondern hat vielmehr die Befugnis, zur Förderung der Menschenrechte Studien zu erstellen, Informationen zu verbreiten, Dokumente zu sammeln und Empfehlungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten zu erlassen. Dabei soll die Kommission mit nationalen und internationalen Menschenrechtsinstitutionen kooperieren .21 14 Doehring, S. 442 Rn 1004; Radunski, S. 59 (68). 15 Doehring, S. 442 Rn. 1004. 16 Mabe, S. 118 (119). 17 Bortfeld, S. 56. 18 Hailbronner, in: Graf Vitzthum, S. 226 Rn. 266. 19 Radunski, S. 59 (68). 20 Kodjo, S. 306 (309). 21 Radunski, S. 59 (68). - 5 - 4.2. Die Schutzmechanismen der AfrMRK 4.2.1. Das Staatenberichtsverfahren gemäß Art. 62 AfrMRK Die Mitgliedstaaten der Afrikanischen Menschenrechtskonvention sind gemäß Art. 62 der AfrMRK verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht über die gesetzlichen und anderen Maßnahmen vorzulegen, die sie zur Verwirklichung der von der Charta garantierten Rechte und Freiheiten getroffen haben. Die Berichte werden anschließend durch die Kommission im Rahmen ihrer Sitzungen öffentlich erörtert und sind als frei zugängliche Dokumente im Sekretariat der Kommission erhältlich.22 In der Vergangenheit hat sich dieses Verfahren allerdings als problematisch erwiesen, da die Mitgliedsstaaten ihrer Berichterstattungspflicht häufig nur unzureichend oder verspätet nachgekommen sind.23 4.2.2. Das Beschwerdesystem der AfrMRK Die Banjul-Charta sieht zwei Verfahren vor der Kommission vor: Die „Mitteilungen von Vertragsstaaten“ (Staatenbeschwerde gemäß Art. 47 ff. AfrMRK) und sog. „andere Mitteilungen“24 (Art. 55 ff. AfrMRK). Vom Instrument der Staatenbeschwerde wurde bis zum jetzigen Zeitpunkt kein Gebrauch gemacht.25 Praktische Relevanz kommt mithin nur den Individualbeschwerden zu. Gemäß Art. 114 a.F. der Geschäftsordnung der Kommission sind sowohl einzelne Personen als auch NRO befugt, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen einzureichen.26 Allerdings scheint auch der Rechtsweg für individuelle Beschwerden eher schwierig, da nach Art 58 Abs. 1 AfrMRK nur solche Fälle zugelassen werden „die auf eine Häufung von massiven oder schwerwiegenden Verletzungen der Menschenrechte und Rechte der Völker hindeuten“. Diese Bestimmung wird jedoch weit ausgelegt, so dass auch Individualbeschwerden diese Anforderungen erfüllen können.27 Die AfrMRK verlangt für die „anderen Mitteilungen“ im Gegensatz zu anderen internationalen Verfahren keine Zustimmungserklärung der betroffenen Staaten. Gleichwohl weist auch dieses Beschwerdeverfahren einige Schwächen auf und ist wenig effizient: Erhaltene Mitteilungen werden zunächst auf die Erfüllung bestimmter Anforderungen (vgl. Art. 56 ff. AfrMRK) wie die Erschöpfung des nationalen Rechtsweges geprüft und anschließend dem entsprechendem Staat zur Stellungnahme übermittelt. Erfolgt trotz Dringlichkeit keine Stellungnahme, wird die Prüfung inzwischen auch ohne den betroffenen Staat vorgenommen, um eine Stagnation 22 Vgl. Art. 82 der Geschäftsordnung der Kommission. 23 Mabe, S. 118 (120). 24 Art. 55 AfrMRK bezeichnet die Individualbeschwerden als „Mitteilungen, die nicht Staatenmitteilungen sind“ und verzichtet somit auf eine Benennung der Beschwerdebefugten. 25 Odinkalu/Christensen, S. 235 (238). 26 Bortfeld, S. 79. 27 Wittinger, S. 405 (410). - 6 - des Verfahrens zu vermeiden.28 Liegen die Voraussetzungen des Art. 58 Abs. 1 Afr MRK vor, kann die Kommission Empfehlungen abgeben oder die Rechtsverletzung feststellen. Die Ergebnisse ihrer Beratung werden in der Folge an den betreffenden Staat sowie an die Versammlung der Staats- und Regierungschefs weitergeleitet.29 Letztere hat dann gemäß Art. 58 Abs. 2 AfrMRK die Möglichkeit, eine eingehendere Prüfung zu beschließen. Eine weitere Schwierigkeit bei der Durchsetzung der Menschenrechte im Rahmen dieses Beschwerdesystems besteht darin, dass die Empfehlungen der Kommission gegenüber den die Charta verletzenden Staaten keine Rechtswirkung entfalten.30 Da die Kommission überdies nach Art. 59 Abs. 1 AfrMRK zur Vertraulichkeit bezüglich „aller im Verlaufe des Verfahrens getroffenen Maßnahmen“ verpflichtet ist, können die Ergebnisse der Beschwerdeverfahren nicht veröffentlicht werden, „es sei denn, die Versammlung der Staats- und Regierungschefs bestimmt etwas anderes“.31 Lediglich der jährliche Tätigkeitsbericht der Kommission ist zur Veröffentlichung freigegeben, nachdem er von der Versammlung der Staats- und Regierungschefs überprüft worden ist (vgl. Art. 59 Abs. 3 AfrMRK). Führt die Kommission selbstständig Untersuchungen vor Ort durch, wozu sie grundsätzlich das Recht hat, ist sie dabei ebenfalls auf die Genehmigung des betroffenen Staates angewiesen.32 Wie die AU im Allgemeinen, leidet auch die Kommission unter ihrer unzureichenden materiellen und finanziellen Ausstattung. Ihre Unabhängigkeit wird zudem dadurch beeinträchtigt, dass einige der Kommissionsmitglieder gleichzeitig Posten in den nationalen Regierungen innehaben.33 Aufgrund dieser Faktoren und der Vorgabe der Vertraulichkeit hatte die Kommission in der Vergangenheit den Ruf, eine intransparente und wenig öffentlichkeitswirksame Institution zu sein.34 Im Jahr 1994 ist die Kommission jedoch dazu übergegangen, den Begriff „Maßnahmen“, die gemäß Art. 59 AfrMRK der Vertraulichkeit unterliegen, restriktiver auszulegen: Bloße Berichte mit den darin enthaltenen Beurteilungen und Empfehlungen seien nicht als „Maßnahmen“ i.S.d. Art. 59 AfrMRK zu interpretieren und könnten folglich auch publiziert werden.35 Somit zeigt sich, dass die Kommission ihre Kompetenzen inzwischen entschiedener wahrnimmt und dadurch auch den öffentlichen Druck auf die Mitgliedstaaten bezüglich der Durchsetzung der Menschenrechte erhöht. 28 Mabe, S. 118 (120). 29 Bortfeld, S. 80. 30 Mabe, S. 118 (120). 31 Radunski, S. 59 (68). 32 Mabe, S. 118 (120). 33 Radunski, S. 59 (69). 34 Udombana, S. 45 (70). 35 Benedik, S. 150 (163 f.). - 7 - 4.3. Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte Die Idee zur Schaffung eines afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofes wurde bereits 1961 im Rahmen der African Conference on the Rule of Law formuliert, jedoch von den Mitgliedstaaten nicht weiter verfolgt.36 Erst im Zuge der Demokratisierungsprozesse in Afrika wurde das Thema 1994 durch den Einfluss der Vereinten Nationen sowie den Druck von NRO wieder auf die Agenda der OAE gesetzt.37 Am 9. Juni 1998 wurde schließlich das Zusatzprotokoll zur AfrMRK von den Staats- und Regierungschefs der OAE verabschiedet, das die Errichtung des Afrikanischen Gerichtshofes für die Rechte des Menschen und der Völker vorsieht.38 Das „Protocol to the African Charter on Human and Peoples’ Rights on the Establishment of an African Court of Human and Peoples’ Rights“ trat am 25. Januar 2004, 30 Tage nach Hinterlegung der 15. Ratifizierungsurkunde bei der AU durch die Komoren, in Kraft.39 Gemäß Art. 2 des Protokolls ist der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte als eine Ergänzung zum Schutzmandat der Afrikanischen Menschenrechtskommission zu sehen. Der geplante Gerichtshof wird aus elf Richtern bestehen, „die unabhängig und unparteiisch ihr Amt ausüben und u.a. ausgewiesene Fähigkeiten auf dem Gebiet der Menschenrechte aufweisen sollen“ (Art. 11 und 16 des Protokolls).40 Die Richter werden von der Versammlung der Staats- und Regierungschefs der OAE/AU (Art. 14 des Protokolls) für einen Zeitraum von sechs Jahren gewählt. Dabei besteht die Möglichkeit einer einmaligen Wiederwahl (vgl. Art 15 des Protokolls). Die Zuständigkeit des Gerichts erstreckt sich auf „sämtliche Fälle und Streitigkeiten, die die Anwendung und Auslegung der AfrMRK, des Protokolls und aller anderen von den entsprechenden Staaten ratifizierten menschenrechtsschützenden Instrumente betreffen“ (Art. 3 des Protokolls). Bei strittigen Fragen sind „die Menschenrechtskommission, die Vertragsstaaten, die eine Beschwerde bei der Kommission eingereicht haben oder gegen die eine Beschwerde eingereicht wurde, die Vertragsstaaten, deren Staatsangehörige Opfer einer Menschenrechtsverletzung wurden sowie afrikanische Regierungsorganisationen berechtigt, den Gerichtshof anzurufen“ (Art. 5 Abs. 1 des Protokolls). NRO mit Beobachterstatus bei der Kommission und Individuen können nur dann einen Fall direkt vor den Gerichtshof bringen, wenn der betreffende Staat die entsprechende Zuständigkeit des Gerichtshofes durch Erklärung anerkannt hat (Art. 5 Abs. 3 und Art. 34 Abs. 6 des Protokolls). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen richten sich nach Art. 56 der Af- 36 Benedik, S. 150 (170). 37 Radunski, S. 59 (70). 38 Krisch, S. 713. 39 Vgl. Art. 34. Abs. 3 des Protokolls über die Errichtung des Gerichtshofes. Darüber hinaus: International federation for human rights (FIDH) Stichwort: African Court on Human and Peoples’ Rights, 2. Absatz . 40 Radunski, S. 59 (71). - 8 - rMRK (Art. 6 Abs. 2 des Protokolls); detaillierte Regelungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt durch den Gerichtshof in einer Verfahrensordnung erlassen werden (Art. 8 und Art. 33 des Protokolls). Ein wesentlicher Unterschied zu der Afrikanischen Menschenrechtskommission, die nur unverbindliche Empfehlungen geben kann, besteht darin, dass die Entscheidungen des Gerichtshofes für die am Streit beteiligten Staaten verbindlich sind und von diesen umgesetzt werden müssen (Art. 30 des Protokolls).41 Das schließt auch vom Gerichtshof angeordnete Maßnahmen zur Wiedergutmachung, z.B. in Form von Schadensersatzund Reparationszahlungen, ein (Art. 27 Abs. 1 des Protokolls). Die Urteile sind zudem endgültig und nicht berufungsfähig (Art. 28 Abs. 2 des Protokolls). Weiterhin hat der Gerichtshof die Kompetenz, in schwerwiegenden und dringenden Fällen auch vorläufige Maßnahmen festzulegen, die „notwendig sind, um irreparable Schäden an Personen abzuwenden“ (Art. 27 Abs. 2 des Protokolls). Die Urteile werden nicht nur den Parteien des Rechtsstreites bekannt gegeben, sondern auch den Mitgliedstaaten der AU sowie der Menschenrechtskommission übermittelt (Art. 29 Abs. 1 des Protokolls). Die Überwachung der Umsetzung der Urteile obliegt dem Exekutivrat der AU, der diese im Auftrag der Versammlung der Staats- und Regierungschefs durchführt (Art. 29 Abs. 2 des Protokolls). Der Gerichtshof ist nicht wie die Kommission zur Vertraulichkeit der Verfahren verpflichtet: Die von ihm verfassten Jahresberichte an die Versammlung der Staats- und Regierungschefs der OAE/AU sollen ausdrücklich auch Fälle der Nichtumsetzung der Gerichtsentscheidungen durch einen Staat aufführen (Art. 31 des Protokolls ). Auf diese Weise soll eine effektivere Durchsetzung der Urteile bewirkt werden.42 In ihrer 3. ordentlichen Sitzung im Juli 2004 nahm die Versammlung der Staats- und Regierungschefs eine Resolution an, die vorsieht, den Afrikanischen Gerichtshof für Menschenrechte und den im Rahmen der AU geplanten Afrikanischen Gerichtshof der Afrikanischen Union (vgl. Art. 18 der AU-Gründungsakte) zusammenzulegen.43 Letzterer ist nach Art. 2 Ziff. 2 des Protokolls („Protocol of the Court of Justice of the African Union”) das oberste gerichtliche Organ der AU und soll über Streitfälle zwischen den Mitgliedstaaten bei der Interpretation der AU-Gründungsakte entscheiden.44 Das Protokoll über die Zusammensetzung und die Aufgaben des Afrikanischen Gerichtshofes wurde bisher jedoch nur von 7 der erforderlichen 15 Staaten ratifiziert und ist mithin noch nicht in Kraft getreten.45 Der Entwurf eines Protokolls über die mögliche Fusion der beiden Gerichthöfe („Draft Protocol on the Integration of the African Court on 41 Worku, S. 156. 42 Udombana, S. 45 (94 f.). 43 Afrikanische Union: Assembly/AU/Dec.45 (III). 44 Kempf, Überschrift: Der Afrikanische Gerichtshof. 45 Vgl. Art. 60 des Protokolls. Darüber hinaus: Radunski, S. 59 (65). - 9 - Human and Peoples’ Rights and the Court of Justice of the African Union“) wurde im Januar dieses Jahres zur Beratung an den Exekutivrat der AU und zur anschließenden Zustimmung an die Versammlung der Staats- und Regierungschefs übermittelt.46 Für eine solche Zusammenlegung sprechen insbesondere finanzielle Gründe. Differenzen bestehen jedoch über die Modalitäten: So schlägt der Entwurf des Protokolls einen einheitlichen Gerichtshof mit 15 Richtern vor, von denen mindestens 7 fundierte Kenntnisse in Menschenrechtsfragen aufweisen sollen (vgl. Art. 3 des Entwurfes). Außerdem wird vorgeschlagen, dass der Gerichtshof spezielle Kammern bilden sollte (vgl. Art. 12 Ziff. 4 des Entwurfes). Dagegen wird vor allem vom Exekutivrat der AU die Auffassung vertreten, dass „der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte eine vom Afrikanischen Gerichtshof der AU deutlich getrennte Institution bleiben müsse“.47 5. Ausblick Durch die Schaffung der Afrikanischen Menschenrechtskonvention und den Beschluss zur Errichtung eines afrikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte scheint Afrika ein effektives Menschenrechtsschutzsystem entwickelt zu haben. Problematisch ist allerdings , dass die zunächst im Februar 2005 erwartete Festlegung des Sitzes des Gerichtshofes sowie die Wahl der Richter bisher nicht stattgefunden hat. Dies ist das Ergebnis der Schwierigkeiten, die der Prozess einer möglichen Zusammenlegung des Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofes und des Afrikanischen Gerichtshofes mit sich bringt. Trotzdem wurde insbesondere von der AU und NRO darauf gedrängt, dass sich die Errichtung des Menschenrechtsgerichtshofes und der Völker nicht unangemessen verzögern sollte. Schließlich bleibt jedoch auch nach der Errichtung des Afrikanischen Menschenrechtsgerichtshofes abzuwarten, ob und inwieweit die Mitgliedstaaten die verbindlichen Entscheidungen des Gerichtshofes tatsächlich akzeptieren und umsetzen werden, auch wenn dies mit Einschränkungen ihrer staatlichen Souveränität einhergeht. 46 Amnesty International, Überschrift: Background, 5. Absatz. 47 African Court Coalition, S. 3. - 10 - Literaturverzeichnis - African Court Coalition (Coalition for an Effective African Court on Human and Peoples’ Rights), Legal and Institutional Issues Arising from the Decision by the Assembly of Heads of State & Government of the African Union to Integrate the African Court on Human and Peoples’ Rights and the Court of Justice of the African Union, A submission to the African Union by the Coalition for an Effective African Court on Human & Peoples’ Rights, October 2004. Im Internet: http://www.africancourtcoalition.org (unter dem Link: papers and conclusions; other published articles/papers; African Union Court’s merger). - Afrikanische Union. Im Internet: http://www.africa-union.org/home/Welcome.htm (unter dem Link: Official Dokuments; Decisions and Declarations; Addis Abeba 2004, S. 19). - Amnesty International, African Union: The establishment of an independent and effective African Court on Human and Peoples’ Rights must be a top priority, Public Statement, 28. Januar 2005. Im Internet: http://www.web.amnesty.org/library/Index/ENGIOR300022005?open&of=ENG -375. - Auswärtiges Amt, Länderinfo Mauretanien, Außenpolitische Reaktionen auf den Militärputsch vom 03. August 2005. Im Internet: http://www.auswaertigesamt .de/www/de/laenderinfos/laender/laender_augabe_html?type_id=11&land_i d=108. - Benedek, Wolfgang, Durchsetzung von Rechten des Menschen und der Völker auf regionaler und nationaler Ebene, in: ZaöRV (54), 1994, S. 150 ff. - Bortfeld, Matthias, Der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte, Eine Untersuchung des Zusatzprotokolls zur Afrikanischen Charta für die Menschenrechte und die Rechte der Völker, Baden-Baden 2005. - Doehring, Karl, Völkerrecht, 2. Auflage, Heidelberg 2004. - 11 - - Graf Vitzthum, Wolfgang, Völkerrecht, 3. Auflage, Berlin 2004. - International federation for human rights (FIDH), African Court on Human and Peoples’ Rights, Great news for the fight against impunity on the African continent : The African Court on human and peoples’ rights will enter into force on 25 January 2004, Artikel vom 7.1.2004. Im Internet: http://www.fidh.org/article.php3?id_article=450. - Kempf, Sebastian, Die Afrikanische Union, April 2005. Im Internet: http://www.weltpolitik.net/Regionen/Afrika//Regionale%20Organisationen/AU/ Grundlagen/Die%20Afrikanische%20Union.html. - Kodjo, Edem, Die Afrikanische Charta der Rechte des Menschen und der Völker in ihrem historischen Zusammenhang, in: EuGRZ 1990, S. 306 ff. - Krisch, Nico, The Establishment of an African Court on Human and Peoples’ Rights, in: ZaöRV (58) 1998, S. 713 ff. - Mabe, Jacob E. (Hrsg.), Das kleine Afrika-Lexikon, Stuttgart 2004. - Odinkalu, Chidi Anselm / Christensen, Camilla, The African Commission on Human and Peoples’ Rights: The Development of its Non-State Communication Procedures, in: Human Rights Quarterly (Vol. 20) 1998, S. 235 ff. - Radunski, Astrid, Die Afrikanische Union und der Afrikanische Menschenrechtsgerichtshof , in: MRM Heft 1/2005, S. 59 ff. - Schmidt, Siegmar, Prinzipien, Ziele und Institutionen der Afrikanischen Union, in: APuZ 4/2005, S. 25 ff. - Udombana, Nsongurua J., Toward the African Court on Human and Peoples’ Rights: Better late than never, in: Yale Human Rights and Development Law Journal (3) 2000, S. 45 ff. - 12 - - Wittinger, Michaela, Die drei regionalen Menschenrechtssysteme, Ein vergleichender Überblick über die EMRK, die Amerikanische Menschenrechtskonvention und die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, in: Jura 1999, S. 405 ff. - Worku, Messeletch, Entwicklungstendenzen des regionalen Menschenrechtsschutzes , Die Afrikanische Charta der Rechte des Menschen und der Völker, Berlin 2000.