WD 2 - 3000 – 126/19 (15. November 2019) © 2019 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Zu den Voraussetzungen der Verleihung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr, sowie zu den einzelnen Stufen und dem Vorschlagsverfahren wird auf die Kurzinformation des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 24. September 2019 verwiesen.1 Die Aberkennung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr erfolgt wie auch die Verleihung durch dem Bundesminister bzw. die Bundesministerin der Verteidigung und richtet sich nach § 4 Abs. 1 Satz 1 OrdenG, auf den im Art. 4 Abs. 8 des maßgeblichen Erlasses des Bundesministerium der Verteidigung2 verwiesen wird:3 „Erweist sich ein Beliehener durch sein Verhalten, insbesondere durch Begehen einer entehrenden Straftat, des verliehenen Titels oder der verliehenen Auszeichnung unwürdig, oder wird ein solches Verhalten nachträglich bekannt, so kann ihm der Verleihungsberechtigte den Titel oder die Auszeichnung entziehen und die Einziehung der Verleihungsurkunde anordnen.“ Vorausgesetzt wird also ein unwürdiges Verhalten des Betroffenen, von dem das Begehen einer entehrenden Straftat lediglich ein benanntes Regelbeispiel darstellt. Dies bedeutet, dass Gründe, die nicht in der Person des Betroffenen, etwa so genannte Staatsräson, eine Entziehung nicht 1 WD 2 – 3000 – 106/19, https://www.bundestag.de/resource/blob/668042/af15b794fcd4fa265cdda37b57dac442/ WD-2-106-19-pdf-data.pdf , (letzter Zugriff: 15. November 2019). 2 Erlass zur Neufassung des Erlasses über die Stiftung des Ehrenzeichens der Bundeswehr vom 13. August 2008 sowie Durchführungsbestimmungen hierzu, abgedruckt in: Broschüre des Bundesministeriums der Verteidigung , Ehrenzeichen und Eisatzmedaillen der Bundeswehr, S. 74 ff., https://www.bundeswehr.de/resource /blob/40760/f7138c1c4e86ad9386243e8467a9264e/20190416-download-ehrenzeichen-und-einsatzmedaillen -data.pdf , (letzter Zugriff: 15. November 2019). 3 Hervorhebungen durch den Verfasser. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Aberkennung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr Kurzinformation Aberkennung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 rechtfertigen können.4 Ebenso wenig ist ein freier Widerruf der Verleihung ohne Angabe von Gründen möglich.5 Der Begriff der entehrenden Straftat wird im § 4 OrdenG nicht weiter konkretisiert. Im § 4 Abs. 2 OrdenG ist zwar die Rede von einer Schwelle bei Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen eines Verbrechens (§ 12 Abs. 1 StGB) oder mindestens sechs Monaten wegen eines bestimmten vorsätzlichen Vergehens (§ 12 Abs. 2 StGB) wie Hochverrat, Landesverrat etc. bzw. bei Aberkennung der Fähigkeit, öffentliche Ämter zu bekleiden. Bei Erreichen dieser Schwelle besteht aber lediglich eine Mitteilungsverpflichtung der Strafvollstreckungsbehörde nach Rechtskraft des Urteils. Eine solche Mitteilung soll dem Verleihungsberechtigten ermöglichen, die Entziehung der verliehenen Auszeichnung zu prüfen. Eine Aussage über das für eine entehrende Straftat etwa erforderliche Mindestmaß an Freiheitsstrafe enthält diese Vorschrift jedoch nicht. Ebenso wenig findet sich eine Definition des Begriffes „entehrende Straftat“ sonst im geltenden Strafrecht .6 Die Kommentarliteratur schlägt deswegen vor, auf die Wertung des § 45 StGB zurückzugreifen: Dieser sieht bei bestimmten Straftaten als Nebenfolge den Verlust der Amtsfähigkeit, der Wählbarkeit oder des Stimmrechts vor, die einen ähnlichen Einschnitt in die Stellung des Betroffenen in der Gesellschaft wie Entziehung einer verliehenen Auszeichnung bedeuten können.7 Der Verlust der Amtsfähigkeit ist gem. § 45 Abs. 1 StGB bei Freiheitsstrafe ab einem Jahr wegen Verbrechens zwingend. Ferner kann das Gericht bei bestimmten Delikten, etwa Amtsdelikten gem. § 358 StGB, ab einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten einen Verlust der Amtsfähigkeit etc. gesondert anordnen. Insofern spricht viel dafür, die Schwelle einer entehrenden Straftat bei den o.g. einem Jahr Freiheitsstrafe bei Verbrechen bzw. 6 Monaten und Vorliegen eines besonderen Delikts zu sehen. Eine (höchst-)richterliche Entscheidung, in der der Begriff der entehrenden Straftat oder das dafür erforderliche Mindestmaß an Freiheitsstrafe thematisiert wurde, ist nicht bekannt . Das oben erläuterte Begehen einer entehrenden Straftat durch den Betroffenen stellt aber als benanntes Regelbeispiel weder eine hinreichende noch eine notwendige Voraussetzung für die Entziehung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr dar. Wie allgemein bei der Rechtssetzungstechnik eines Regelbeispiels hat deren Erfüllung lediglich eine Indizwirkung. Diese kann aufgrund einer Gesamtabwägung mit einem zusätzlichen Begründungsaufwand widerlegt werden.8 Ist das Regel- 4 Laitenberger, Birgit/Birkenbach, Dorothea/Bassier, Maria, Deutsche Orden und Ehrenzeichen, Kommentar zum Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen, 6. Aufl. 2005, § 4 OrdenG Rn. 3. 5 Ebenda, § 4 OrdenG Rn. 2. 6 Ebenda. 7 Ebenda 8 Bosch, Nikolaus, in: Schönke, Adolf/Schröder, Horst, Strafgesetzbuch Kommentar, 30. Aufl. 2019, § 243 StGB Rn. 1; Schmitz, Roland, in: Münchener Kommentar zum StGB, Band 4, 3. Aufl. 2017, § 243 Rn. 6; zu Regelbeispielen bei Prüfung der Unzuverlässigkeit vgl. Eifert, Martin, „Zuverlässigkeit” als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, JuS 2004, S. 565, 567 f. Kurzinformation Aberkennung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 3 beispiel dagegen nicht erfüllt, so kann die entsprechende negative Indizwirkung dadurch widerlegt werden, dass Umstände vorliegen, die der gesetzlichen Wertung des benannten Regelbeispiels entsprechen.9 Bei der Entziehung von Auszeichnungen nach § 4 OrdenG kommt dafür ein sonstiges – nicht zwangsläufig strafbewehrtes – unwürdiges Verhalten des Betroffenen in Frage, welches einer entehrenden Straftat in seiner Bedeutung qualitativ gleichkommt.10 Ordnungswidrigkeiten und allgemeine Vergehen, insbesondere fahrlässige Straftaten sind daher nicht entehrend im Sinne dieser Vorschrift.11 Die Kommentarliteratur nennt als Bespiel für sonstiges unwürdiges Verhalten ein öffentliches Eintreten für radikales Gedankengut oder eine bewusste öffentliche Unterstützung von Vertretern der äußeren Rechten oder Linken bzw. eine Doppelexistenz zur Verschleierung einer problematischen Vergangenheit.12 Die Unwürdigkeit des Betroffenen muss dabei stets in Bezug auf die verliehene Auszeichnung, die entzogen werden soll, festgestellt werden.13 Gerade solche öffentliche Äußerungen des Betroffenen, die seine Vorbildfunktion für die Angehörigen der Bundeswehr konterkarieren, können danach ein sonstiges unwürdiges Verhalten darstellen und eine Entziehung des Ehrenkreuzes der Bundeswehr rechtfertigen. Eine (höchst-)richterliche Entscheidung, in der ein sonstiges unwürdiges Verhalten des Betroffenen, das zum Entzug einer Auszeichnung geführt hätte, thematisiert wurde, ist ebenfalls nicht bekannt. Trotz der Tatsache, dass gem. § 4 Abs. 1 Satz. 2 OrdenG für Klagen gegen Entziehung von Titeln und Auszeichnungen ausdrücklich der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist,14 besteht also ein Mangel an Rechtsprechung hierzu. Dies mag daran liegen, dass es dem Betroffenen im Regelfall möglich ist, der drohenden Entziehung der Auszeichnung durch Verzicht, etwa in Form einer freiwilligen Rückgabe der Auszeichnung, zuvorzukommen,15 um dadurch zu verhindern, dass das Entziehungsverfahren öffentlich wird. Soweit ersichtlich, existieren zu den Fällen der erfolgten Entziehung oder des freiwilligen Verzichts auf das Ehrenkreuz der Bundeswehr keine Statistiken oder sonstige Angaben der Bundeswehr.16 *** 9 Schmitz, in: MüKO StGB, [Fn. 8], § 243 Rn. 7. 10 Laitenberger/Birkenbach/Bassier [Fn. 4], § 4 OrdenG Rn. 5. 11 Ambs, Friedrich/Häberle, Peter, in: Erbs, Georg/Kohlhaas, Max, Strafrechtliche Nebengesetze, Stand: März 2019, § 4 OrdenG Rn. 4. 12 Laitenberger/Birkenbach/Bassier [Fn. 4], § 4 OrdenG Rn. 5. 13 Ambs/Häberle [Fn. 11], § 4 OrdenG Rn. 6; Laitenberger/Birkenbach/Bassier [Fn. 4], § 4 OrdenG Rn. 7. 14 Vgl. Bernzen, Enno, in: Nomos Kommentar Titel-, Orden- und Ehrenzeichengesetz, 1. Aufl. 2007, § 4 OrdenG, Rn. 1. 15 Laitenberger/Birkenbach/Bassier [Fn. 4], § 4 OrdenG Rn. 24 f. 16 Zu den Zahlen der verliehen Ehrenkreuze der Bundeswehr vgl. Broschüre des Bundesministeriums der Verteidigung , Ehrenzeichen und Eisatzmedaillen der Bundeswehr, Stand März 2017, [Fn. 2], S. 18 ff.