© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 123/19 99 WTO-Verfahren zu Maßnahmen der EU, die den Handel mit zivilen Flugzeugen beeinträchtigen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 123/19 Seite 2 WTO-Verfahren zu Maßnahmen der EU, die den Handel mit zivilen Flugzeugen beeinträchtigen Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 123/19 Abschluss der Arbeit: 8. November 2019 (zugleich letzter Zugriff auf Internetquellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 123/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Gestattung handelspolitischer Gegenmaßnahmen 4 2. Potentiell handelsverzerrende Maßnahmen aus Sicht der WTO-Streitbeilegungsgremien 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 123/19 Seite 4 1. Gestattung handelspolitischer Gegenmaßnahmen Die streitgegenständlichen handelspolitischen Maßnahmen betreffen den Handel mit großen zivilen Flugzeugen der Airbus SE1 und ihrer Vorgängergesellschaften. Der jüngste WTO-Schiedsspruch vom Oktober 2019 (Decision by the Arbitrator)2 ermächtigt die Vereinigten Staaten zu handelspolitischen Gegenmaßnahmen, mit denen sie nunmehr auf die welthandelsrechtswidrigen Praktiken der EU und ihrer Mitgliedstaaten reagieren dürfen. Der aktuelle Schiedsspruch in dieser Angelegenheit beruht auf einem Bericht (Report) des WTO-Berufungsgremiums (Appellate Body) vom Mai 2011.3 Dem Bericht des Berufungsgremiums lag ein Bericht (Report) eines Streitschlichtungsgremiums (Panel) vom Juni 2010 zugrunde.4 Das Berufungsgremium stellte bereits in seinem Bericht vom Mai 2011 letztinstanzlich rechtsverbindlich die handelsverzerrende Wirkung der Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten fest. Die nachfolgende Darstellung der streitgegenständlichen handelsverzerrenden Maßnahmen beruht auf einer Zusammenschau der beiden öffentlich zugänglichen Entscheidungen des Streitschlichtungsgremiums und des Berufungsgremiums. Entsprechend der Fragestellung des Auftraggebers werden lediglich Maßnahmen berücksichtigt, die von deutschen Stellen oder unter deren Beteiligung ergriffen wurden. Einzelheiten zu den Maßnahmen konnten im Rahmen der vorliegenden Darstellung nur so weit berücksichtigt werden, wie sie in den genannten Entscheidungen des Streitschlichtungsgremiums und des Berufungsgremiums aufgeführt sind. 2. Potentiell handelsverzerrende Maßnahmen aus Sicht der WTO-Streitbeilegungsgremien - Launch Aid/Member State Financing:5 Zinsfreie bzw. nicht zu einem marktgerechten Zinssatz gewährte Darlehen Deutschlands, die Airbus seit 1969 für die Lancierung der Airbus-Modelle A 300, A 310, A 320, A 330/A 340 und A 380 zur Verfügung gestellt wurden , sind aus welthandelsrechtlicher Sicht als handelsverzerrende Maßnahmen zu werten . 1 Zur Entwicklung der Gesellschaftsstruktur der Airbus Gruppe siehe https://www.airbus.com/company/history .html sowie Panel, Fn. 2055 zu Par 7.183 und Appellate Body, S. 246 Par. 578 und Fn. 1383. 2 European Communities and Certain Member States – Measures Affecting Trade in Large Civil Aircraft, Recourse to Article 22.6 of the DSU by the European Union, Decision by the Arbitrator, WT/DS316/ARB, 2 October 2019, https://docs.wto.org/dol2fe/Pages/FE_Search/FE_S_S009-DP.aspx?language=E&CatalogueId- List=257423,257360,257361,250346,249762,249543,248455,247318,246883,246665&CurrentCatalogueId Index=1&FullTextHash=&HasEnglishRecord=True&HasFrenchRecord=True&HasSpanishRecord=True. 3 European Communities and Certain Member States – Measures Affecting Trade in Large Civil Aircraft, AB-2010-1, Report of the Appellate Body, WT/DS316/AB/R, 18 May 2011, file:///P:/_unverschluesselt /Eigene%20Dateien/002%20BT/Auftr%C3%A4ge/316ABR.pdf (nachfolgend: Appellate Body). 4 European Communities and Certain Member States –Measures Affecting Trade in Large Civil Aircraft, Report of the Panel, WT/DS316/R, 30 June 2010, https://www.wto.org/english/tratop_e/dispu_e/316r_e.pdf (nachfolgend: Panel). 5 Panel, S. 365 – 531, Par. 7.488 ff. Appellate Body, S. 332 – 407, insbesondere Par. 1414. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 123/19 Seite 5 - European Investment Bank Loans:6 Streitgegenständlich waren zwölf Darlehen der Europäischen Investitionsbank (EIB)7 an die (damalige) EADS8 für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen . Streitschlichtungsgremium und Berufungsgremium kamen zu dem Schluss, dass die Darlehen zwar Subventionen, jedoch keine Verstöße gegen Welthandelsrecht darstellten. - Provision of Infrastructure and Infrastructure-Related Grants:9 Nach Auffassung des Berufungsgremiums sind die vom Streitschlichtungsgremium in der Vorinstanz noch gerügten streitgegenständlichen Infrastrukturmaßnahmen welthandelsrechtlich zulässig. In Deutschland handelte es sich hier vor allem um die Überlassung von Land zur industriellen Nutzung am Mühlenberger Loch und um die erweiterte, ausschließliche Nutzung der Start-und Landebahn in Bremen durch Airbus. - German Government’s Transfer of its Ownership Share in Deutsche Airbus to the Daimler Group: 10 Das Streitschlichtungsgremium sah eine handelsverzerrende Subvention zugunsten von Airbus darin, dass die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Jahre 1989 einen zwanzigprozentigen Anteil an der Deutschen Airbus erwarb und sie diesen im Jahre 1992 an Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) übertrug. Das Berufungsgremium sah die Kausalität zwischen dieser Subvention und einer hieraus möglicherweise resultierenden Handelsverzerrung als nicht hinreichend belegt an, so dass kein Verstoß gegen Welthandelsrecht vorliegt. - Forgiving at least DM 7.7 Billion of Deutsche Airbus’ Government Debt:11 Das Streitschlichtungsgremium stellte fest, dass die finanzielle Restrukturierung der Schulden von Airbus keine spezifische Subvention war. Im Rahmen dieser Restrukturierung übernahm Deutschland 1998 gegen die Zahlung von 1,75 Milliarden DM die Begleichung von Schulden der Airbus. Die Feststellung des Streitschlichtungsgremiums wurde vom Berufungsgremium nicht aufgehoben. Die Restrukturierung ist somit als welthandelsrechtskonform zu bewerten. 6 Panel, S. 532 – 629. Appellate Body, S. 8 Par. 10 und S. 259 Par. 610. 7 Deutschland ist Anteilseignerin an der EIB und in allen Entscheidungsgremien (Rat der Gouverneure, Verwaltungsrat , Direktorium) vertreten, siehe im Einzelnen https://europa.eu/european-union/about-eu/institutionsbodies /european-investment-bank_de sowie https://www.eib.org/de/index.htm. 8 Vgl. zur Entwicklung der Airbus bereits oben, Fn. 1 sowie Panel, Fn. 2055 zu Par 7.183 und Appellate Body, S. 246 Par. 578 und Fn. 1383. 9 Panel, S. 629 – 705, insbesondere S. 642 ff. (Mühlenberger Loch); S. 659 ff. (Bremer Landebahn); S. 694, 705 (Nordenham); Appellate Body, S. 609 Par. 1414, S. 618 Par. 12 f., S. 621 Par. 33. 10 Panel, S. 706 – 724, insbesondere Par 7.1302. Appellate Body S. 621, Par. 33. 11 Panel, S. 724 – 731, insbesondere Par. 7.1308. Appellate Body S. 3 Fn. 10, S. 9 Par. 12, S. 268 Par. 629. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 123/19 Seite 6 - Research and Technological Development Funding that the European Commission and the Member States provide to Airbus:12 Das Berufungsgremium sieht keine hinreichend nachgewiesene Kausalität zwischen bestimmten Fördermaßnahmen Deutschlands und der EG im Bereich Forschung und Entwicklung und einer daraus möglicherweise resultierenden Handelsverzerrung. Aus welthandelsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sind mithin die Forschungs- und Entwicklungsförderung der EG im 2., 3., 4., 5. und 6. Forschungsrahmenprogramm ; die Bundes-Fördermaßnahmen im Rahmen des 1., 2. und 3. Luftfahrforschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie; und die Fördermaßnahmen auf Länderebene in Bayern, Bremen und Hamburg. *** 12 Panel, S. 762 – 822 (einschl. EU-Rahmenprogramme, Bundesförderung, Landesförderung in Bayern, Bremen und Hamburg). Appellate Body S. 621 Par. 33.