© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 - 122/16 EUNAVFOR MED und MSO Sea Guardian vor der Küste Libyens Möglichkeit des Vorgehens gegen illegale Erdölausfuhren Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 2 EUNAVFOR MED und MSO Sea Guardian vor der Küste Libyens Möglichkeit des Vorgehens gegen illegale Erdölausfuhren Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 122/16 Abschluss der Arbeit: 27. September 2016 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Rechtsgrundlagen 5 2.1. EUNAVFOR MED Operation Sophia 5 2.2. MSO Sea Guardian 6 3. Befugnis zum Vorgehen gegen illegale Erdölausfuhren aus Libyen und mögliche Zwangsmittel 7 4. Ergebnis 8 5. Dokumentenverzeichnis 9 6. Internetquellen 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 4 1. Einführung Im März 2014 beschäftigte sich der VN-Sicherheitsrat (im Folgenden „VN-SR“) mit illegalen Erdölausfuhren aus Libyen. Auf Grund der Erkenntnis, dass illegale Erdölexporte eine Bedrohung für den Frieden, die Sicherheit und die Stabilität Libyens darstellen, rief der VN-SR die internationale Gemeinschaft dazu auf, Libyen beim Schutz seiner Souveränität über libyschen Boden und Bodenschätze zu unterstützen.1 Im Rahmen der VN-SR Resolution 2146 (2014) wurde ein Mechanismus bereitgestellt, nach welchem die libysche Regierung zunächst eine Anlaufstelle (sog. focal point) einrichten solle. Diese würde ein VN-Komitee2 über Schiffe informieren, welche Erdöl illegal aus Libyen exportierten. Das Komitee würde daraufhin alle VN-Mitgliedstaaten über diese Schiffe in Kenntnis setzen. Gleichzeitig würde der VN-Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten autorisieren , die vom Komitee benannten Schiffe auf Hoher See zu untersuchen und „alle angemessenen Maßnahmen“ zu ergreifen, um sie in Abstimmung mit der libyschen Regierung zur Umkehr zu bewegen. Per Resolution 2278 (2016) des Sicherheitsrates wurde die Ermächtigung der VN- Mitgliedstaaten bis zum 31. Juli 2017 verlängert.3 Außerdem stellte der VN-Sicherheitsrat im Oktober 2015 mit Besorgnis fest, dass die illegale Schleusung von Migranten und Migrantinnen im Mittelmeer und insbesondere vor der Küste Libyens stark zugenommen habe.4 Kriminelle Organisationen würden durch die Schleusung und den Menschenhandel in, durch und aus dem Hoheitsgebiet Libyens auch terroristische Netzwerke unterstützen. Der VN-SR betonte, dass Libyen die Hauptverantwortung für die Bewältigung der Migrationsströme trage. Er erkannte aber im gleichen Atemzug an, dass eine effektive Bewältigung auf Grund der inneren Schwierigkeiten erschwert sei, mit welchen sich die libysche Regierung konfrontiert sah. Da die illegalen Schleuseraktivitäten nicht nur Libyen, sondern die gesamte Mittelmeerregion destabilisierten, forderte der VN-SR seine Mitgliedstaaten auf, Libyen dabei zu unterstützen, seine Grenzen zu sichern und den Menschenhandel in seinen Hoheitsgewässern einzudämmen.5 Im Dezember 2015 beschloss der VN-Sicherheitsrat schließlich, die Regierung der Nationalen Eintracht6 mit Sitz in Tripolis als einzige rechtmäßige Regierung Libyens anzuerkennen.7 Gleichzeitig sicherte der VN-SR zu, die Regierung bei der Bekämpfung der Schleusung von Mig- 1 VN-SR Res. 2146 vom 16. März 2014, S. 1, Absatz 4. 2 Sog. “Security Council Committee established pursuant to resolution 1970 (2011)”. Zur Arbeitsweise und der vom Komitee geführten Sanktionsliste, siehe https://www.un.org/sc/suborg/en/sanctions/1970 (zuletzt aufgerufen am 22. September 2016). 3 VN-SR Res. 2278 vom 31. März 2016, S. 2, Nr. 1. 4 VN-SR Res. 2240 vom 9. Oktober 2015, S. 1, Absatz 7. 5 VN-SR Res. 2240 vom 9. Oktober 2015, S. 2, Absatz 14. 6 Während der VN-Sicherheitsrat in seiner deutschen Übersetzung den Begriff „Regierung der Nationalen Eintracht “ verwendet, gebraucht das Auswärtige Amt den Betriff „Regierung der Nationalen Einheit“. 7 VN-SR Res. 2259 vom 23. Dezember 2015, S. 4, Nr. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 5 ranten und Migrantinnen sowie bei der Bekämpfung des Menschenhandels tatkräftig zu unterstützen .8 Im Juni 2016 wurde diese Unterstützung auf die Bekämpfung von Terrorismus und die Bekämpfung der Verbreitung ungesicherter Rüstungsgüter und Munition ausgeweitet.9 Die EU hat daraufhin die Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia, die NATO die Maritime Sicherheitsoperation Sea Guardian (im Folgenden „MSO Sea Guardian“) ins Leben gerufen. An der Mission EUNAVFOR MED Operation Sophia beteiligt sich die Bundeswehr bereits.10 Hinsichtlich der MSO Sea Guardian hat die Bundesregierung am 15. September 2016 einen Antrag zur Mandatierung eingebracht.11 Die Ausarbeitung soll in diesem Zusammenhang einerseits klären, auf welchen Rechtsgrundlagen die Missionen beruhen. Andererseits soll untersucht werden, ob die beteiligten Einsatzkräfte nach den Mandaten befugt sind, gegen Erdölausfuhren aus Libyen einzuschreiten, welche nicht von der Regierung der Nationalen Eintracht Libyens verantwortet oder autorisiert wurden. Schließlich ergibt sich daraus auch die Frage nach den Möglichkeiten des Einsatzes von Zwangsmitteln . 2. Rechtsgrundlagen 2.1. EUNAVFOR MED Operation Sophia Die Rechtsgrundlagen der Mission EUNAVFOR MED sind nach Angaben der Bundeswehr12: - VN-SR Res. 2292 vom 14. Juni 2016, - VN-SR Res. 2240 vom 9. Oktober 2015, - Beschluss (GASP) 2016/993 des Rates vom 20. Juni 2016 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2015/778 über eine Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED Operation SOPHIA), - Beschluss (GASP) 2016/118 des Politischen und Sicherheitspolitischen Komitees vom 20. Januar 2016 betreffend die Umsetzung der Resolution 2240 (2015) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen durch die EUNAVFOR MED Operation SOPHIA (EUNAVFOR MED Operation SOPHIA/1/2016), 8 VN-SR Res. 2240 vom 9. Oktober 2015, S. 3. 9 VN-SR Res. 2292 vom 14. Juni 2016, S. 3. 10 Zur Mandatierung der Mission EUNAVFOR durch den Deutschen Bundestag, siehe BT-PlPr 18/127, S. 12346- 12349. 11 Zur Mandatierung der Mission Sea Guardian, siehe den Antrag der Bundesregierung BT-Drs. 18/9632. 12 Rechtsgrundlagen zum Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer (19. Juli 2016): http://www.einsatz.bundeswehr .de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYsxDoAgEATf4ge43s5fqI05ZEUCHgYPTXy9FGaqmWRopobw HTxryMKJRprW0NvH2MdhQZCL9W3KUStS-hP0hUFt55bLAWcK1l0vX6q4xB5CZxy6D9gjJZU!/ (zuletzt aufgerufen am 23. September 2016). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 6 - Beschluss (GASP) 2015/972 des Rates vom 22. Juni 2015 über die Einleitung der Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED), sowie - Beschluss (GASP) 2015/778 des Rates vom 18. Mai 2015 über eine Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED). Nachdem die Bundesregierung am 16. September 2015 einen Antrag auf Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Mission gestellt hatte (BT-Drs. 18/6013), beschloss der Deutsche Bundestag am 1. Oktober 2015 ein entsprechendes Mandat.13 Im Übrigen unterliegt die Mission nach BT-Drs. 18/6013 folgenden völkerrechtlichen Verträgen: - Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982 (SRÜ), - Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität , - Internationales Übereinkommen von 1974 zum Schutz menschlichen Lebens auf See, - Internationales Übereinkommen von 1979 über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR-Übereinkommen), - Internationales Übereinkommen von 1976 zum Schutz der Meeresumwelt und der Küstengebiete des Mittemeers (SOLAS-Übereinkommen), sowie - Genfer Abkommen von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge. 2.2. MSO Sea Guardian Die Rechtsgrundlagen für den NATO-Einsatz MSO Sea Guardian sind nach Angaben der Bundesregierung 14: - VN-SR Res. 2292 vom 14. Juni 2016, sowie - Beschlüsse des Nordatlantikrates vom 7. bis 9. Juli 2016 und konkretisierende Folgebeschlüsse (unveröffentlicht). Im Hinblick auf den Einsatz Sea Guardian hat die Bundesregierung am 15. September 2016 die offizielle Mandatierung durch den Bundestag beantragt (BT-Drs. 18/9632). Am 29. September 2016 soll der Antrag im Plenum des Deutschen Bundestages beschlossen werden. Die MSO Sea Guardian unterliegt nach BT-Drs. 18/9632 den folgenden völkerrechtlichen Verträgen : - Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen von 1982, sowie - Protokoll zum Übereinkommen zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Seeschifffahrt von 2005. 13 BT-PlPr 18/127, S. 12346-12349. 14 BT-Drs. 18/9632 vom 15. September 2016, S. 1, Nr. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 7 3. Befugnis zum Vorgehen gegen illegale Erdölausfuhren aus Libyen und mögliche Zwangsmittel Die Rechtsgrundlagen beider Missionen beziehen sich auf die o.g. Resolutionen des VN Sicherheitsrates , insbesondere VN-SR Res. 2292 (2016).15 Sie zielen damit auf die Bekämpfung von Schleuseraktivitäten, Menschenhandel und Terrorismus, einschließlich der Verhinderung der Verbreitung ungesicherter Rüstungsgüter und sonstigem Wehrmaterial, ab. Die Anwendung militärischer Gewalt durch deutsche Einsatzkräfte erfolgt auf der Grundlage des Völkerrechts und wird durch die geltenden Einsatzregeln sowie die Rules of Engagement spezifiziert .16 Diese umfassen auch den Einsatz militärischer Gewalt zum Schutz eigener und anderer EUNAVFOR-MED- bzw. Sea Guardian-Kräfte sowie die Nothilfe. Das Recht zur individuellen Selbstverteidigung bleibt unberührt.17 Nach Angaben des BMVg wurde VN-SR Resolution 2146 (2014), welche sich auf illegale Erdölausfuhren aus Libyen bezog, bis dato weder durch die EU noch die NATO aufgegriffen oder umgesetzt . Die Beschlüsse des Nordatlantikrates vom 7. bis 9. Juli 2016 im Hinblick auf die Mission Sea Guardian wurden durch die NATO als Verschlusssache eingestuft und auf Anfrage der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages nicht vom BMVg herausgegeben. Sie können daher nicht inhaltlich geprüft werden. Die Beschlüsse des Rates der EU (GASP) über die Mission EUNAVFOR MED sind zwar öffentlich zugänglich, nehmen inhaltlich aber keinen Bezug auf Ölexporte aus Libyen. Schließlich finden sich auch in den Anträgen der Bundesregierung zur Mandatierung der Bundeswehr (BT-Drs. 18/6013 und BT-Drs. 18/9632) keine Bezüge zu Erdölausfuhren . Die NATO und EU Missionen zielen daher ausschließlich auf - die Bekämpfung von Menschenschmuggel und –handel, - einen gemeinsamen Kapazitätsaufbau i.S.e. Grenzmanagements zur Stabilisierung Libyens , sowie - die Bekämpfung des Terrorismus und des illegalen Waffenschmuggels 15 BT-Drs. 18/9632 vom 15. September 2016, S. 1, Nr. 2 (Sea Guardian); Beschluss (GASP) 2016/993 des Rates vom 20. Juni 2016 zur Änderung des Beschlusses (GASP) 2015/778 über eine Militäroperation der Europäischen Union im südlichen zentralen Mittelmeer (EUNAVFOR MED Operation SOPHIA), S. 1, Präambel, Nr. 4. 16 Aktueller Begriff. „‘Rules of Engagement‘ und die Taschenkarten der Bundeswehr“, 19. November 2009, WD 2 – 100/09. 17 BT-Drs. 18/6013, Nr. 6; BT-Drs. 18/9632, Nr. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 8 ab.18 Im Rahmen der Mission Sea Guardian lässt die beantragte Mandatierung der Bundeswehr außerdem „nicht mandatierungspflichtige Überwachungsaufgaben“ zur Unterstützung der internationalen Anstrengungen bei der Bewältigung der Flucht- und Migrationskrise in der Ägäis zu.19 Hieraus kann jedoch keine Befugnis zum militärischen Vorgehen gegen illegale Erdölexporte aus Libyen abgeleitet werden. Denn ein solches Vorgehen besitzt eine besondere Eingriffsintensität, welche nicht unter den Begriff der „nicht mandatierungspflichtigen Überwachungsaufgaben“ subsumiert werden kann, sondern vielmehr einer gesonderten Ermächtigung bedarf. 4. Ergebnis Eine Befugnis zum Vorgehen gegen Erdölexporte aus Libyen, welche nicht von der Regierung der Nationalen Eintracht Libyens verantwortet oder autorisiert wurden, kann aus den Rechtsgrundlagen der Missionen EUNAVFOR MED und MSO Sea Guardian nicht ohne Weiteres hergeleitet werden. Hierfür bedürfte es eines ausdrücklichen Beschlusses des Rates der EU gemäß Art. 42 Abs. 2-4 EUV i.V.m. Art. 38 Abs. 3 EUV bzw. des Nordatlantikrates gemäß Art. 5 Abs. 1 NATO- Vertrag sowie einer Mandatierung des Bundestages gemäß Art. 24 Abs. 2 GG. Ende der Bearbeitung 18 Siehe BT-Drs. 18/6013, Nr. 1, 3 und BT-Drs. 18/9632, Nr. 1. 19 BT-Drs. 18/9632, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 122/16 Seite 9 5. Dokumentenverzeichnis Aktueller Begriff. „‘Rules of Engagement‘ und die Taschenkarten der Bundeswehr“, 19. November 2009, WD 2 – 100/09. BT-Drs. 18/9632 vom 15. September 2016. BT-Drs. 18/6013 vom 16. September 2015. BT-PlPr 18/127 vom 1. Oktober 2015. VN-SR Res. 2146 vom 16. März 2014. VN-SR Res. 2240 vom 9. Oktober 2015. VN-SR Res. 2259 vom 23. Dezember 2015. VN-SR Res. 2278 vom 31. März 2016. VN-SR Res. 2292 vom 14. Juni 2016. 6. Internetquellen Rechtsgrundlagen zum Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer (19. Juli 2016): http://www.einsatz .bundeswehr.de/portal/a/einsatzbw/!ut/p/c4/LYsxDoAgEATf4ge43s5fqI05ZEUCHgYP- TXy9FGaqmWRopobwHTxryMKJRprW0NvH2MdhQZCL9W3KUStSh P0hUFt55bLAWcK1l0vX6q4xB5CZxy6D9gjJZU!/ (zuletzt aufgerufen am 23. September 2016).