Das Engagement der Volksrepublik China in Afrika Interessen, Strategien und Auswirkungen - INFO-BRIEF - © 2007 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000-120/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasserin: Das Engagement der Volksrepublik China in Afrika. Interessen, Strategien und Auswirkungen INFO-BRIEF WD 2 – 3000-120/07 Abschluss der Arbeit: 31. August 2007 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Internationales Recht, Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Aktivitäten der Volksrepublik China in Afrika 4 2.1. Außenwirtschaftspolitische Interessen: Eroberung von Nischenmärkten 4 2.2. Außenpolitische Interessen 6 2.3. Die Attraktivität Chinas für Afrika – günstige Faktoren für dessen erfolgreiches Afrikaengagement 7 2.4. Die Auswirkungen des chinesischen Engagements auf Afrika 8 2.4.1. Wirtschaftliche Auswirkungen 8 2.4.2. Politische Auswirkungen 10 3. Aktivitäten der Europäischen Union in Afrika 12 3.1. Herausforderung: Kohärenz in der EU-Politik 12 3.2. Ziele europäischer Afrika-Politik 13 3.3. Europäische Sicherheitspolitik in Afrika 14 4. Resümee 15 5. Literatur 18 5.1. Aufsätze, Studien und Dokumente 18 5.2. Presseartikel 19 5.3. Weiterführende elektronische links 19 - 4 - 1. Einleitung Am 19. Dezember 2005 hat die Europäische Kommission eine umfassende Afrika- Strategie verabschiedet, welche in ihren Kernzielen auf eine wirtschaftlich behutsame und nachhaltige, ökologisch vertretbare Entwicklung vor allem des subsaharischen Kontinentteiles abhebt und zugleich auf die Stärkung demokratischer Reformen, die Schaffung von wirtschaftlich sicheren Rahmenbedingungen, die Förderung von Transparenz und die Korruptionsbekämpfung und die Einhaltung von Menschenrechten. Während die Diskussion der europäischen Geberländer also stark von solchen westlichen Normen geprägt ist, ist mit der Volksrepublik (VR) China ein neuer Akteur (wieder ) in Erscheinung getreten, dessen Handlungsschritte von anderen Optionen geleitet sind als die der Europäer. Im Folgenden werden schwerpunktmäßig die Interessen und Strategien der chinesischen Regierung dargestellt sowie die Auswirkungen dieses Engagements in einem von vielerlei Postkonflikt- und Transitionsprozessen gekennzeichneten Kontinent (2.) Der afrikapolitische Ansatz der Europäischen Union wird dem chinesischen kontrastierend gegenübergestellt (3.). 2. Aktivitäten der Volksrepublik China in Afrika 2.1. Außenwirtschaftspolitische Interessen: Eroberung von Nischenmärkten „We import from every source we can get oil from“ (Wir importieren von jeder Quelle, von der wir Öl bekommen können) – diese Äußerung von Li Xiaobing1 umschreibt treffend das zentrale außenwirtschaftliche Interesse der VR China an den afrikanischen Staaten. Aufgrund der rasanten wirtschaftlichen Entwicklung in China stieg auch dessen Bedarf nach Erdöl seit den 1990er Jahren bei weitem schneller als die eigene Ölproduktion 2. Seit 1993 ist China zum Netto-Ölimporteur geworden und bezieht etwa ein Drittel seines Öls aus dem Ausland. Im Bewusstsein der energiepolitischen Bedeutung verlässlicher Öllieferanten und der Vermeidung einseitiger Abhängigkeiten hat die Diversifizierung der auf dem Rohstoffimport basierenden Beziehungen zentralen Stellenwert in Chinas „Petro diplomacy“. Für die Bemühungen um bilaterale Abkommen mit möglichst vielen afrikanischen Staaten spricht aus chinesischer Sicht umso mehr, dass die Erschließung neuer Öl- und Erdgasquellen in Lateinamerika, Zentralasien und Russland 1 Li Xiaobing, stellv. Direktor der Abteilung Westasien und Afrika im chinesischen Handelsministerium , zitiert in: Denis M. Tull, Die Afrika-Politik der Volksrepublik China, SWP-Studie, August 2005, S. 21 2 So betrug der Zuwachs des chinesischen Gesamtverbrauches im Jahr 2003 10,15 % gegenüber dem Vorjahr; die Wachstumsrate der heimischen Ölförderung im gleichen Zeitraum dagegen nur 1,5 %. Vgl. Xuewu Gu, Chinas Rückkehr nach Afrika, S. 13 - 5 - auf konkurrierende Interessen der westlichen Länder und der USA und somit auf erhebliche Widerstände stößt.3 Eine ebenso große ökonomische Rolle wie als Rohstoffexporteur spielt Afrika für China als attraktiver Absatzmarkt für Exportgüter, insbesondere für Maschinen, Industrieprodukte , Telekommunikation, Waffen, Kleidung und Textilien.4 Allein zwischen 1989 und 1997 vergrößerte sich das Handelsvolumen um 431 Prozent, im März 2005 wurde in Peking eine chinesisch-afrikanische Handelskammer eröffnet, der auf chinesischer Seite 14.000 Unternehmen angehören. Mit drei Viertel aller afrikanischen Staaten bestehen heute bilaterale Handels- und Investitionsabkommen5. Während seines Besuches in acht afrikanischen Staaten im Januar 2007 stellte der chinesische Staatspräsident Hu Jintao „weiche“, d.h. nicht an strenge Bedingungen geknüpfte Kredite mit einem Volumen von insgesamt 1,416 Mrd. US-Dollar zur Verfügung, die vor allem dem Ausbau des Transportsektors, der Telekommunikation sowie Rohstoff- und Energieprojekten zugute kommen sollen.6 Bei der erfolgreichen Eroberung des afrikanischen Marktes kommt China entscheidend seine Investitionsphilosophie zugute, die derjenigen der westlichen Länder diametral entgegengesetzt ist. Rahmenbedingungen wie politische Instabilität, Korruption und mangelnde Rechtssicherheit, die aus westlicher Sicht große Investitionshemmnisse darstellen und dafür sorgen, dass Afrika südlich der Sahara für Europa, die USA und Japan eine unverändert marginale Bedeutung hat7, schrecken chinesische Investoren nicht ab, sondern erscheinen wegen der damit verbundenen hohen Gewinnmargen (von rund 25 %) besonders attraktiv. Als spät auf den internationalen Weltmarkt getretene Wirtschaftsmacht sucht China offenbar gezielt diejenigen Nischen, in denen es nicht mit der westlichen Staatengemeinschaft konkurrieren muss und unterläuft so internationale Embargos oder Sanktionen. Allein auf dem Sektor der Waffenlieferungen in Konfliktstaaten des südlichen Afrika ist es China gelungen, zum zweitwichtigsten Exporteur nach Russland aufzusteigen8. 3 Vgl. ebda.; die gleiche Einschätzung teilen Margot Schüller, Helmut Asche, China als neue Kolonialmacht in Afrika?, S. 73f. 4 Denis M. Tull, Die Afrikapolitik der Volksrepublik China, S. 13 5 Vgl. ebda. 6 Vgl. Margot Schüller, Helmut Asche, S. 68 f. 7 Anders stellt sich das europäische Interesse an den nordafrikanischen Ländern dar, welche in den seit 1995 laufenden Barcelona-Prozess eingebunden werden sollen, vgl. Xuewu Gu, S. 14 8 Dies gilt unbeschadet von seinem gleichzeitig intensivierten Engagement in gemeinsamen VN- Friedensmissionen in Afrika, s. 2.2. - 6 - Neben der unmittelbar ökonomischen Bedeutung, die diese rasante Entwicklung der Außenhandelsbeziehungen9 für China hat, verfolgt die Volksrepublik mit der Knüpfung und Festigung möglichst vieler bilateraler Partnerschaften auf dem afrikanischen Kontinent mehrere außenpolitische Ziele. 2.2. Außenpolitische Interessen Mit dem Zerfall der Sowjetunion und dem Ende des Ost-West-Konfliktes wurde aus chinesischer Sicht die Herstellung einer multipolaren Weltordnung anstelle der von China befürchteten unipolaren Dominanz der USA zu einem zentralen strategischen Ziel. Um einerseits den eigenen politischen Einfluss in den Internationalen Organisationen zu erhöhen und zum anderen unerbetene Kritik der westlichen Staaten an der eigenen Menschenrechtspolitik in ihrer Relevanz zu mindern bzw. zu verhindern10, sucht China seit Anfang der 1990er Jahre intensiv die politische Unterstützung der Länder Afrikas, als deren Interessenrepräsentant und Fürsprecher es sich zugleich aufstellt. Die Volksrepublik spricht sich für weitere Entschuldungsrunden zugunsten der afrikanischen Länder aus, unterstützt eine Erweiterung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (VN) unter Einschluss von (afrikanischen) Entwicklungsländern und tritt für einen fairen Welthandel ein. Auch hat China in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl seiner Soldaten, die sich an VN-Friedensmissionen beteiligen, deutlich erhöht11. Als Resultat dieser Bemühungen kann China inzwischen regelmäßig bei Abstimmungen innerhalb multilateraler Organisationen, z.B. der VN-Menschenrechtskommission, auf die Stimmen der afrikanischen Vertreter zu seinen Gunsten zählen. Ein weiteres außenpolitisches Ziel Chinas ist es, die Anzahl der Länder zu erhöhen, welche das Ein-China-Prinzip anerkennen und somit keine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan unterhalten; diese Haltung in der Taiwan-Frage ist die einzige, von den Empfängerländern leicht zu erfüllende politische Bedingung, an die China die Vergabe von Entwicklungshilfe knüpft.12 9 Denis M. Tull gibt eine Schätzung wieder, wonach China im Jahr 2005 vermutlich Großbritannien als drittwichtigster Handelspartner (nach den USA und Frankreich) abgelöst hat, ebd., S. 12; 2004 hatte sich das chinesisch-afrikanische Handelsvolumen mehr als verzehnfacht und knapp 25 Milliarden US-Dollar erreicht. 10 So kam eine im UN-Menschenrechtsrat geplante Verurteilung des im Juni 1989 stattgefundenen Tiananmen-Massakers durch die Stimmen der afrikanischen Mitglieder nicht zustande; die Präsidenten Angolas und Namibias beglückwünschten die Regierung in Peking gar zu der erfolgreichen Niederschlagung der „antirevolutionären Demokratiebewegung“. 11 Vgl. Denis M. Tull, S. 11f. 12 Offenbar erfolgreich: Taiwan wird heute nur noch von sieben afrikanischen Staaten (gegenüber 19 im Jahr 1963) anerkannt, vgl. Denis M. Tull, S. 9; als erstes lateinamerikanisches Land hat Costa - 7 - 2.3. Die Attraktivität Chinas für Afrika – günstige Faktoren für dessen erfolgreiches Afrikaengagement Bereits in den 1960er und 70er Jahren schuf die VR China unter Premierminister Zhou Enlai die Voraussetzungen für die heutige positive Aufnahme in Afrika13. Mit einer Vielzahl von Maßnahmen trug die chinesische Regierung dazu bei, das Vertrauen Afrikas zu begründen: Ihre politische Unterstützung für die Unabhängigkeitsbestrebungen afrikanischer Staaten drückte die Volksrepublik materiell durch Lieferungen von Waffen , Geld, Nahrungsmitteln und Medikamenten an Guerillagruppen im südlichen Afrika aus. Mehr als 150.000 Chinesinnen und Chinesen arbeiteten bis in die 1980er Jahre als Entwicklungshelfer dort. Chinesische Ärzteteams gewährleisteten kontinentweit einen großen Teil der gesundheitlichen Basisvorsorge. Dass die Chinesen dort – in bewusster Abgrenzung von den als überheblich geltenden Europäern – außerordentlich zurückhaltend auftraten und dass China Afrika mit Nahrungsmittellieferungen zu einem Zeitpunkt beistand, als in China selbst der Hunger noch nicht beseitigt war14, hat den Grundstein für die bis heute angewandte Rhetorik der „Süd-Süd-Solidarität“ gelegt: China als das größte Entwicklungsland setzt sich kontinuierlich für Afrika, den Kontinent mit den meisten Entwicklungsländern ein. Wiederholt erteilte Schuldenerlasse15 scheinen diese Haltung obendrein zu belegen. Die Hauptgründe für afrikanische Staaten, sich bereitwillig auf langfristige Bindungen im Sinne von handels- und außenpolitischen Partnerschaften mit der VR China einzulassen , sind jedoch in der Gegenwart zu suchen. China bietet den afrikanischen Ländern Wirtschaftshilfe in Form preiswerter Kredite an, ohne diese an ökonomische oder politische Bedingungen wie Demokratisierung, Einhaltung der Menschenrechte und Transparenz zu knüpfen. Damit erhalten diese nach jahrzehntelanger Abhängigkeit von westlichen Regierungen neue Entscheidungsoptionen, ihre Rohstoffe zu für sie günstigeren Konditionen zu verkaufen.16 Seine Afrikareise im Januar 2007 führte Staatspräsident Hu Jintao in die afrikanischen Staaten Kamerun, Liberia, Sudan, Sambia, Namibia, Mosambik, Südafrika und Seychel- Rica soeben seine diplomatischen Beziehungen zu Taiwan abgebrochen, um diejenigen zur VR China zu intensivieren, Radio DLF vom 7. Juni 2007 13 Vgl. Xuewu Gu, S. 14 14 „Hilfe von Armen für Arme“, zitiert in Anna Donata Quaas, Handel, Hilfe und Diplomatie 15 Bis 2005 erhielten 31 afrikanische Länder einen Schuldenerlass, und auch bei den bilateralen Abkommen mit den acht im Januar 2007 besuchten Staaten war Entschuldung ein Bestandteil. 16 So betont der Präsident Nigerias in einem Interview mit der FAZ die Vielzahl der Vorzüge, die für Nigeria in einer intensiven Zusammenarbeit mit China bestehen gegenüber Wirtschaftshilfen aus dem Westen zu ungünstigeren Konditionen für das afrikanische Land, www.faz.net.de - 8 - len17, mit denen in insgesamt 50 Abkommen Vereinbarungen zur weiteren wirtschaftlichen Zusammenarbeit abgeschlossen und Kredite mit einem Volumen von insgesamt 1,416 Mrd. US-Dollar zur Verfügung gestellt wurden. Diese Gelder sollen primär der Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zugute kommen, vor allem im Bereich des Transport- und Telekommunikationssektors.18 Mit seiner strikten Verteidigung des Souveränitätsprinzips stärkt China die Handlungsspielräume autoritärer afrikanischer Regierungen. Seine großzügige Finanzierung von Prestigeprojekten wie Regierungsgebäuden, Fußballstadien u.ä.19 ist bei politisch in Bedrängnis geratenen Potentaten wohl gelitten, stellt dies doch nicht nur einen starken ideologischen Rückhalt gegenüber potenziellen westlichen Geberstaaten dar, sondern auch gegenüber Forderungen nach Demokratisierung aus der eigenen Bevölkerung.20 Schließlich hat die sprunghafte Zunahme der chinesisch-afrikanischen Fertiggüterausfuhr , vor allem der durch geringe Produktionskosten preiswerten Textil- und Elektrogüter , zu einer spürbaren Verbesserung des Lebensstandards der afrikanischen Bevölkerung geführt. 2.4. Die Auswirkungen des chinesischen Engagements auf Afrika Chinas Selbstwahrnehmung als Fürsprecher der afrikanischen Entwicklungsländer im Rahmen der proklamierten Süd-Süd-Solidarität soll im Folgenden im Hinblick auf die wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen des chinesischen Engagements auf den Kontinent beleuchtet werden. 2.4.1. Wirtschaftliche Auswirkungen Mit seinem zentralen Interesse an Afrikas Rohstoffen agiert China interessegeleitet; Afrikas Abhängigkeit von wenigen, starken Preisschwankungen ausgesetzten Exportprodukten wird weiter fortgeschrieben. Mit der Vergabe unkonditionierter Kredite unterläuft China die Bemühungen der Extractive Industries Transpareny Initiative (EITI), Patronage und Korruption in der 17 Bei fünf dieser Länder hat China großes Interesse an deren natürlichen Ressourcen: Kamerun (mineralische Ressourcen), Sudan (Erdöl), Sambia (Kupfervorkommen), Namibia (Gasreserven und Uraniumvorkommen ), Südafrika (Eisenerze und Diamant), vgl. Margot Schüller, Helmut Asche, S. 69ff. 18 Vgl. ebd. 19 Hierfür würden westliche, primär auf Armutsbekämpfung orientierte Staaten keine Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen, vgl. Xuewu Gu, S. 17 20 Vgl. Denis M. Tull, S. 8 - 9 - Erdölwirtschaft zu bekämpfen. So wurde beispielsweise in Angola ein Verlust an Erdöleinnahmen in Höhe von 10% des BIP, der durch Patronage und Korruption entstanden sein soll, unter Berufung auf die außenpolitische Maxime der Nicht-Einmischung in die internen Angelegenheiten des Landes seitens Chinas nicht thematisiert. Folgerichtig entschied sich Angola zwischen zwei Kreditangeboten einerseits des IWF (mit Auflagen zur Transparenz über die Erdöleinnahmen) und Chinas andererseits (ohne Bedingungen) für das letztere.21 Doch auch in den Bereichen, in denen chinesische Investitionen in Afrika zu einem sozioökonomischen Aufschwung führen könnten, sind die erhofften Impulse - jedenfalls in der Vergangenheit - ausgeblieben oder verpufft. So führte zwar eine zu Anfang des 21. Jahrhunderts begonnene Produktionsverlegung zahlreicher chinesischer Textilfabriken in afrikanische Länder vorübergehend zur dortigen Entstehung von mehreren Zehntausenden von Arbeitsplätzen22, diese gingen jedoch ebenso schnell wieder verloren, als aus chinesischer Sicht der Grund für diese Investitionen entfallen war: das zuvor bestehende Ausfuhrverbot asiatischer Waren in die USA. Die Verlagerung chinesischer Produktionsstätten nach Afrika ließ durch diesen Umweg aus asiatischen Produkten afrikanische werden, welche in die USA exportiert werden durften und den chinesischen Herstellern die Fortsetzung ihrer Geschäfte erlaubten. Kaum hatte China wieder selbst direkten Zugang zum US-amerikanischen Markt, waren die afrikanischen Textilprodukte nicht mehr konkurrenzfähig. Wie auf dem Weltmarkt, so sind afrikanische Unternehmen auch in ihrer Heimat der chinesischen Konkurrenz aufgrund nicht zu unterbietender Produktionskosten und Preise unterlegen. Chinesische Händler und Beschäftigte, die von ihren Unternehmen mit nach Afrika gebracht werden23, stellen inzwischen wachsende und wirtschaftlich einflussreiche Kolonien: 3.000 in Kamerun, 5.000 in Lesotho, 50.000 in Nigeria; in Angola wird ein Anstieg des Bevölkerungsanteils der Chinesen von derzeit 2.500 auf ca. 30.000 erwartet.24 Wo ein deutlicher wirtschaftlicher Aufschwung durch ausländische Investoren nicht mit der Schaffung von Arbeitsplätzen für einheimische Arbeitskräfte sowie mit deren Ausbildung einhergeht, dürften Ressentiments und soziale Spannungen vorprogrammiert sein. Hinsichtlich der im Januar 2007 während des Afrikabesuches von Präsident Hu Jintao vereinbarten Projekte und Aktivitäten sprechen Margot Schüller und Helmut Asche je- 21 Vgl. Margot Schüller, Helmut Asche, S. 74 22 Betroffen waren v.a. Südafrika, Simbabwe, Lesotho, Namibia, Kenia, vgl. Denis M. Tull 23 Bereits in den 80er Jahren hatten die Chinesen schlechte Erfahrungen mit afrikanischen Arbeitern gemacht, die aufgrund mangelnder Ausbildung nicht in der Lage waren, anspruchsvolle Anlagen zu warten, vgl. Anna Donata Quas 24 Vgl. Denis M. Tull, S. 23 - 10 - doch von einem komplexen Geflecht an Beziehungen, dessen langfristige Auswirkungen noch zu untersuchen seien. Angesichts einer Vielzahl vereinbarter Projekte in den Bereichen Infrastruktur, Bildung, Technologietransfer und Außenhandel könne die chinesische Afrikapolitik nicht vereinfachend als neokolonialistisch bezeichnet werden25. 2.4.2. Politische Auswirkungen 80 % der subsaharischen afrikanischen Demokratien gelten als nichtkonsolidiert, insbesondere die Postkonfliktstaaten Angola, Liberia, Sierra Leone, Burundi, Demokratische Republik Kongo. Das Engagement Chinas in fragilen Transitionsstaaten wirkt in politischer Hinsicht vielschichtig: Eine Unterstützung von demokratiefördernden Maßnahmen findet nicht statt, da dies aus chinesischer Sicht auch nicht auf der eigenen innenpolitischen Agenda steht und sich die Unterstützung von Reformen im Ausland kontraproduktiv für die Situation im eigenen Land auswirken könnte. Mit seiner Strategie, gezielt in solche konkurrenzfreien Nischen einzusteigen, welche aufgrund der Sanktionspolitik der westlichen Geberländer freigeworden sind, konterkariert China deren Bestrebungen, die nachhaltigen Reformen wirtschaftlicher und politischer Prozesse auch durch den Nachdruck gemeinsam erhobener Anforderungen und konditionierter Hilfen zu befördern. „In einer Phase, in der westliche Industriestaaten gemeinsam mit afrikanischen Institutionen mit steigender Intensität an der Implementierung von Regulierungskonzepten in ressourcenreichen Staaten arbeiten – etwa zur Durchsetzung von Transparenz im Bereich der öffentlichen Finanzen –, kann Peking durch abweichendes Verhalten als ‚Trittbrettfahrer’ sowohl ökonomische Vorteile als auch die politische Gunst korrupter Regime erlangen“26, stellt Denis M. Tull in seiner Studie aus dem Jahr 2005 fest. Unübersehbar und besonders problematisch wirken sich die chinesischen Waffenlieferungen 27 auf die subsaharischen Konfliktregionen aus, wo sie direkt zur Kriegsverlängerung bzw. Destabilisierung sowie zum Machterhalt autokratischer Herrschaftsregime beitragen.28 25 Vgl. Margot Schüller, Helmut Asche, S. 76f. 26 Denis M. Tull, S. 25 27 Sowie weitere Technologie zur Unterdrückung oppositioneller Kräfte, z.B. durch Auslieferung eines Störsenders an die Regierung von Simbabwe, vgl. Denis M. Tull, S. 24 28 Waffenlieferungen gingen u.a. an Sudan, Äthiopien und Eritrea sowie an Simbabwe, vgl. Margot Schüller, Helmut Asche, S. 76 - 11 - Als prototypisch kann Chinas strategisches Vorgehen im Sudan angesehen werden: Um die Wende zum 21. Jahrhundert zogen sich zunächst westliche Unternehmen als Reaktion auf den Bürgerkrieg der Regierung gegen die oppositionelle Sudan People’s Liberation Army und auf die Vertreibung Hunderttausender Zivilisten aus dem sudanesischen Ölgeschäft zurück. In diese Bresche hinein investierte China in Erdölkonzessionen, den Bau von Pipelines, die Erschließung von Ölfeldern und den Bau von Raffinerien und Hafenanlagen mit dem Ergebnis, dass China heute 6,9 % seiner Ölimporte aus dem Sudan bezieht. Vor dem Hintergrund dieser erfolgreich verlaufenen Nischenstrategie erklärt sich Chinas Verhalten im VN-Sicherheitsrat, unter Androhung seines Vetos die Verabschiedung von Sanktionen gegenüber dem Sudan zu verhindern. Die politische Rechtfertigung seiner Verhinderungsstrategie lautet wiederum: Die Darfur-Krise sei eine innerstaatliche Angelegenheit, die eine externe Einmischung nicht zulasse.29 Mit der erfolgreichen Verknüpfung der wirtschaftspolitischen Strategie, nämlich die eigene Energieversorgung langfristig zu sichern, mit der außenpolitischen Strategie der strikten „Nichteinmischung“ und Stützung autoritärer Machthaber unterläuft die chinesische Politik nicht nur Werte der westlichen Außen- und Entwicklungspolitik. Zugleich werden so de facto die Bestrebungen des 2002 beschlossenen NEPAD-Planes (New Partnership for African Development) afrikanischer Staaten geschwächt, der auf Eigenverantwortung setzt, auf gute Regierungsführung und die Schaffung von Rahmenbedingungen , die ein privatwirtschaftlich getragenes Wachstum ermöglichen sollen.30 29 Vgl. die ausführliche Darstellung dieser Problematik bei Denis M. Tull: „Chinesische Interessenpolitik : das Beispiel Sudan“, ebd., S. 19 ff. 30 Thomas Scheen hebt hervor, dass Afrika in der Folge des NEPAD-Planes zwar in einen innerafrikanischen Dialog getreten sei, dass die erhoffte Umsetzung konkreter Schritte jedoch v.a. auch wegen des Desinteresses autoritärer Staatsoberhäupter an einem Monitoring nicht vorankomme. Thomas Scheen, Totenstille um den Rettungsplan. Das afrikanische Entwicklungsprojekt NEPAD, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Mai 2007 - 12 - 3. Aktivitäten der Europäischen Union in Afrika Im Folgenden werden nur diejenigen Gesichtspunkte europäischer Afrika-Politik schlaglichtartig hervorgehoben, die zum Vergleich mit den Aktivitäten der VR China auf dem afrikanischen Kontinent von Bedeutung erscheinen. 3.1. Herausforderung: Kohärenz in der EU-Politik Dass es sich bei der Europäischen Union um eine Gemeinschaft von Staaten handelt, welche neben gemeinsamen Werten und Zielsetzungen auch nationalstaatliche Interessen verfolgen, wird nicht zuletzt bei dem Versuch deutlich, eine gemeinsame Afrikapolitik zu formulieren und umzusetzen. Frankreich und Großbritannien nehmen aufgrund ihrer Geschichte als Kolonialmächte und den bis heute hiermit verbundenen besonderen regionalen und bilateralen Beziehungen eine Sonderstellung in der europäischen Gemeinschaft ein. Die Bemühungen um die Abstimmung einer gemeinsamen Afrika- Strategie der EU haben deutlich gemacht, dass die Harmonisierung einer europäischen Entwicklungspolitik mit den nationalen Entwicklungspolitiken einen mühsamen, von vielen Detailverhandlungen über inhaltliche Zielkonflikte und Meinungsunterschiede über die Umsetzungsinstrumente geprägten Prozess darstellt. Strittig ist etwa die Frage, in welchem Verhältnis Entwicklungspolitik und Sicherheitspolitik zueinander stehen sollten; ebenso ist umstritten, wie bilaterale Hilfen koordiniert werden sollen und welcher Anteil der Hilfen direkt der Europäischen Kommission übertragen werden soll.31 Ein weiterer, in Zeiten knapper Haushaltsbudgets relevanter Punkt der Auseinandersetzung ist die Frage, ob ein Mehr an Entwicklungshilfe den afrikanischen Staaten auch mehr helfe oder vielmehr ihre Abhängigkeit von dauerhafter Alimentation weiter verstärke .32 Auch die unterschiedlich stark ausgeprägte Bedeutung der zivilgesellschaftlichen Kräfte (NGOs, Kirchen) in den einzelnen Ländern trägt zur unterschiedlichen Akzentuierung der jeweiligen nationalen Entwicklungspolitik bei. Darüber hinaus differieren bei den EU- als Geberländern die Vorstellungen darüber, welche Qualität der bei den Empfängerländern vorhandenen staatlichen Strukturen und welcher Grad an Demokratisierung für die Gewährung von Hilfen als ausreichend erachtet wird. 31 Eine kritische Darstellung der mühsamen Annäherung der EU-Staaten an eine gemeinsame Politik findet sich bei dem Afrika-Experten Peter Molt, der zu der Beurteilung kommt, ein koordiniertes System europäischer Afrika-Politik sei bisher nicht zustande gekommen, vgl. Peter Molt, Deutschland : ratlos in Afrika, S. 84 32 Wolfgang Drechsler, Bonos Irrtum. Braucht der Schwarze Kontinent wirklich noch mehr Entwicklungshilfe ? In: Der Tagesspiegel vom 6. Juni 2007 - 13 - Die Notwendigkeit der Benennung von unterschiedlichen Zielen und Interessen, das erforderliche Aushandeln gemeinsamer Handlungsoptionen, -strategien und Finanzierungsmodi , d.h. energie- und zeitaufwändige Prozesse, wie die EU-Mitgliedsstaaten sie durchlaufen müssen, entfallen für die VR China bei der Planung und Umsetzung ihrer Afrika-Politik. 3.2. Ziele europäischer Afrika-Politik Mit der Verabschiedung einer gemeinsamen Afrika-Strategie durch den Europäischen Rat im Dezember 2005 wurde erstmals versucht, einen neuen Rahmen für alle europäischen Akteure abzustecken und zugleich Afrika als Einheit zu betrachten. Zentrale Ziele dieser Afrika-Strategie sind: die Verwirklichung des EU-Stufenplans zur Verdopplung bzw. Verdreifachung der Entwicklungshilfe (Offical Development Assistance, ODA) bis 2010 bzw. 2015 die Unterstützung afrikanischer Reformbestrebungen im Rahmen der NEPAD- Initiative (New Partnership for Africa) und der Afrikanischen Union (AU) die Herstellung von Kohärenz angesichts der Vielzahl von Akteuren und der inhaltlichen Vielfalt europäischer Politik.33 „Die neue Strategie soll die Grundsätze, die diese Beziehungen bestimmen – allen voran Gleichheit, Partnerschaft und Eigenverantwortlichkeit (‚ownership’) – konsolidieren und ihnen neues Gewicht verleihen.“34 Als Komponenten zur Realisierung solcher sich dialogisch verstehender Beziehungen werden Partnerschaften in allen wichtigen staatlichen und zivilgesellschaftlichen Bereichen vorgeschlagen. Zugleich bestätigt diese Strategie die Zielsetzungen der im Jahr 2000 von den Vereinten Nationen beschlossenen Millenium Development Goals (MDG), in deren Zentrum die Verringerung der Armut und Verbesserungen im Bereich der Bildung und Gesundheit stehen. Als unabdingbare Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung nennt das Strategie-Papier der EU-Kommission weiterhin Frieden und Sicherheit, eine umweltver- 33 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss. Eine Strategie der Europäischen Union für Afrika: Wegbereiter für einen Europa-Afrika-Pakt zur Beschleunigung der Entwicklung Afrikas , KOM (2005), 12.10.2005, 489 endgültig. Eine ausführliche Zusammenfassung der Ziele der EU-Afrika-Strategie findet sich bei Sven Grimm, Nina Kielwein, Die Afrika-Strategie der Europäischen Union – Kohärenz gegenüber einem vielschichtigen Kontinent im Wandel? In: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik. Analysen und Stellungnahmen 9/2005 34 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, ebd., S. 3 - 14 - trägliche Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen in Afrika und eine verantwortungsvolle und wirksame Staatsführung. Folgerichtig unterstützt es die Europäische Union, dass sich einige afrikanische Länder auf einen „Afrikanischen Peer-Review- Mechanismus“ (APRM) verständigt haben, dem Kernstück der NEPAD-Initiative. Im Rahmen von APRM haben sie damit begonnen, ein regelmäßiges Monitoring ihres Regierungshandelns durchzuführen, dessen Ergebnis in einem Konsenspapier zusammengefasst und in einen nationalen Aktionsplan münden soll. Hinsichtlich des angestrebten Wirtschaftswachstums spricht sich die EU für die Förderung eines breit angelegten und nachhaltigen Wirtschaftswachstums aus sowie für die Ausweitung des Süd-Süd-Handels, des Nord-Süd-Handels und des multilateralen Handels . „Die Entwicklung integrierter Märkte und die Förderung von Handel und Entwicklung bilden das konzeptionelle Herzstück der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA), die die EU zurzeit mit vier Regionen in Subsahara-Afrika aushandelt.“35 Einen besonderen Stellenwert nimmt hierbei die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität des afrikanischen Agrarsektors ein. Ziel dieser auch Economic Partnership Agreements (EPAs) genannten Abkommen ist die Etablierung von Freihandelszonen, um die sukzessive und nachhaltige Integration der afrikanischen Staaten in die Weltwirtschaft zu verwirklichen.36 Weil stabile staatliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen als wesentliche Voraussetzungen für das Erreichen dieser Ziele angesehen werden, werden Hilfsgelder an politische Bedingungen geknüpft: good governance und Transparenz. Bei Verstößen gegen die Menschenrechte, demokratische Grundrechte oder die Rechtsstaatlichkeit und in Fällen schwerer Korruption besteht die Möglichkeit der Aussetzung der Zusammenarbeit . 3.3. Europäische Sicherheitspolitik in Afrika Als Konsens innerhalb der Europäischen Union gilt, dass regionale Konflikte und Staatenzerfall zwei Hauptbedrohungen im 21. Jahrhundert darstellen. Die Gemeinsame Außen - und Sicherheitspolitik/Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP/ESVP) der Europäer zielt daher darauf ab, durch eine Politik der Förderung demokratischer staatlicher Strukturen diese Bedrohungen abzuwehren und hierzu auch militärische und polizeiliche Instrumente einzusetzen. Zugleich wollen sie die Vereinten Nationen im Rahmen eines effektiven Multilateralismus stärken. 35 ebd., S. 5; 36 Vgl. Sven Grimm, Nina Kielwein, Die Afrika-Strategie der Europäischen Union, S. 3 - 15 - Als Bestandteile einer idealen Strategie zum nachhaltigen Wiederaufbau von Postkonfliktstaaten in Afrika nennt Hans-Georg Ehrhart „rechtsstaatliche Verfassung, Wahlen, Finanzhilfen, wirtschaftlicher Wiederaufbau, militärische Absicherung durch internationale Präsenz“ und bezeichnet eine so komplex angelegte Friedensoperation zugleich als sehr teuer und bislang wenig erfolgreich.37 Sich mit einem so weitgehenden Anspruch dauerhaft auch in afrikanischen Staaten zu engagieren wie im Balkan und in Afghanistan würde die Möglichkeiten (und auch den Willen) der europäischen Staaten übersteigen . In dem Bewusstsein, dass der Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen und die Wiederherstellung des staatlichen Gewaltmonopols die wichtigsten Schritte in langfristigen Nachkriegs-Prozessen darstellen, folgt die ESVP dem Anspruch nach den Schwerpunkten „Entprivatisierung der Gewalt und Reform des Sicherheitssektors, Förderung einer unabhängigen Justiz, Dezentralisierung der Macht und wirtschaftliche Unterstützung “38. Damit befindet sich die EU in einem strukturellen Widerspruch zwischen Anspruch und Chancen auf der einen und Machbarkeit auf der anderen Seite: Die weitgehenden und nachhaltigen Ziele einer umfassenden Unterstützung für den afrikanischen Kontinent, welche in der Afrika-Strategie formuliert sind, sowie das (mit Ausnahmen) weitgehende Fehlen definierter wirtschaftlicher und strategischer Eigeninteressen in afrikanischen Regionen und Einzelstaaten könnte die EU-Mitgliedsstaaten dazu prädestinieren, als vertrauenswürdige Partner in Transitions- und Postkonfliktprozessen zu fungieren. Gerade das Fehlen expliziter wirtschaftspolitischer oder strategischer Interessen dürfte jedoch zugleich erklären, warum die europäischen Länder – bei begrenzten nationalen Budgets und Ressourcen – zu einem stärkeren Engagement im Rahmen der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik nicht bereit und/oder in der Lage sind. 4. Resümee „Diejenigen, die zuerst an der Quelle sind, trinken das reinste Wasser.“ Dieses vom tansanischen Präsidenten Benjamin Mkapa zur Beschreibung des chinesischen Interesses an Afrika benutzte Sprichwort39 ist geeignet, die Wettbewerbsvorteile zu benennen, welche die spezifische Wirtschafts- und Außenpolitik der VR China in Afrika derzeit eröffnet. Als bereits endgültige Feststellung, wer den Wettlauf um die Sicherung neuer Märkte und langfristiger Energiequellen gewonnen habe, wäre dieses Bild hingegen verfrüht. 37 Vgl. Hans-Georg Ehrhart, Was soll die EU im Kongo? Die europäische Afrika-Strategie zwischen Symbolik, Realpolitik und kosmopolitischem Engagement, S. 88 38 ebd., S. 89 39 Zitiert in: Xuewu Gu, S. 16 - 16 - Der afrikanische Kontinent selbst, da sind sich die Experten einig, ist zu ausdifferenziert , die chinesisch-afrikanischen Beziehungen zu komplex, die europäische Entwicklungshilfe für Afrika zu umfangreich und seit langem etabliert, als dass von einem gewissermaßen proportionalen Bedeutungsverlust der westlichen Geberländer einhergehend mit dem chinesischen Vordringen gesprochen werden könne. Zwar tut sich China als einzelner Staat leichter als die vielstimmige EU, entlang seiner energie-, handels- und außenpolitischen Interessen mit einer Vielzahl afrikanischer Staaten Vereinbarungen abzuschließen, zudem unbehindert durch Bindungen an den westlichen Wertekanon. China hat preiswertes Geld ohne politische Bedingungen anzubieten , wogegen Europa mit seiner konditionierten Hilfsstrategie (d.h. Kredite gegen Demokratie und Menschenrechte) ins Hintertreffen geraten könnte. Andererseits gehen diejenigen Wissenschaftler, die die Entwicklung der chinesischen Außenpolitik der letzten Jahre intensiv verfolgen, davon aus, dass China im Sinne der angestrebten Etablierung multilateraler Machtpole darauf bedacht ist, sich nicht durch Aktionen zu isolieren, die ihm eine internationale Ächtung wie 1989 eintragen würden. Auch halten sie eine Sichtweise, wonach China in Afrika als neokolonialistischer Rohstoff -Extrakteur auftrete, für verkürzt und verweisen auf den vielfältigen sozioökonomischen Aufschwung, den gerade die Technologie- und Infrastrukturabkommen der jüngsten Zeit den afrikanischen Staaten tatsächlich bringen könnten40. Denis M. Tull empfiehlt, Deutschland und seine Partner sollten sich langfristig darauf einstellen und darauf reagieren, dass Chinas verstärktes Engagement in Afrika kein Übergangsphänomen bleiben wird: „Auf Grundlage kontinuierlicher Bobachtung der chinesischen Ziele und Strategien in Afrika, die vor allem durch die Botschaften vor Ort geleistet werden könnte, sollte mit den westlichen und afrikanischen Partnern eine Diskussion sowohl über die Bewertung wie auch über die Auswirkungen und Perspektiven des chinesischen Engagements geführt werden. Nicht weniger wichtig wäre es, einen Dialog mit chinesischen Regierungsvertretern – in Peking ebenso wie in den afrikanischen Staaten – anzustoßen, der auf das Ziel ausgerichtet sein sollte, afrikapolitische Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu identifizieren. Gegebenenfalls sollte in diesem Rahmen der Versuch unternommen werden, auf die chinesische Seite im Sinne deutscher und europäischer Ziele einzuwirken .“41 40 Vgl. hierzu die tendenziell optimistische Einschätzung bei Margot Schüller und Helmut Asche 41 Denis M. Tull, S. 28 - 17 - Für den Versuch, einen kontinuierlichen Dialog zwischen China und Europa über die jeweiligen Aktivitäten in Afrika zu suchen, spricht auch die Erfahrung, dass sich Chinas Außenpolitik im Gefolge seiner Wirtschaftsreformen sukzessive verändert hat, insofern an die Stelle der früheren Ablehnung des internationalen Systems dessen Akzeptanz und der Wille getreten sind, in den Gremien selbst als gestaltender Akteur aufzutreten.42 42 Vgl. Hanns Günther Hilpert u.a., China 2020. Perspektiven für das internationale Auftreten der Volksrepublik, S. 6; die Autoren dieser SWP-Studie kommen ebenfalls zu der zusammenfassenden Einschätzung, dass es für eine Prognose, ob China sich in den nächsten fünfzehn Jahren zu einer „ganz starken“ Macht oder doch einem „ganz schwachen“ Land entwickeln werde, zu früh sei. - 18 - 5. Literatur 5.1. Aufsätze, Studien und Dokumente Sven Bernhard Gareis, Das Ende der Zurückhaltung? Chinas UN-Politik wird aktiver und machtbewußter, in: Vereinte Nationen 4/2005 Xuewu Gu, Chinas Rückkehr nach Afrika. Pekings neue Einschätzung des strategischen Werts Afrikas, in: der überblick 4/2005 Thomas Heberer, Anja Senz, Neokoloniale Ausbeutung? Chinas Interessen in Afrika, in: Eins Entwicklungspolitik. Entwicklungspolitik Information Nord-Süd, 6/7 2007, S. 43 - 45 Hans Günther Hilpert u.a., China 2020. Perspektiven für das internationale Auftreten der Volksrepublik, SWP-Studie, Oktober 2005, www.swp-berlin.org Hans-Georg Ehrhart, Was soll die EU im Kongo? Die europäische Afrika-Strategie zwischen Symbolik, Realpolitik und kosmopolitischem Engagement, in: Internationale Politik Juni 2006, S. 84 – 89 Sven Grimm, Nina Kielwein, Die Afrika-Strategie der Europäischen Union – Kohärenz gegenüber einem vielschichtigen Kontinent im Wandel? In: Deutsches Institut für Entwicklungspolitik. Analysen und Stellungnahmen 9/2005 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament und den Wirtschafts- und Sozialausschuss. Eine Strategie der Europäischen Union für Afrika: Wegbereiter für einen Europa-Afrika-Pakt zur Beschleunigung der Entwicklung Afrikas, KOM (2005) 489 endgültig, 12.10.2005 Peter Molt, Deutschland: ratlos in Afrika. Statt immer mehr Entwicklungshilfegleder nach Afrika zu pumpen, könnte Deutschland zum Vorreiter einer qualitativ ausgerichteten Afrika-Politik werden, in: Internationale Politik November 2006, S. 78 - 87 Alice Neuhäuser, Pekings Politik in Afrika. Zur Verschiebung eines weltpolitischen Machtgefüges, in: Die Politische Meinung. Monatsschrift zu Fragen der Zeit, 5/2007, S. 74 - 78 Anna Donata Quaas, Handel, Hilfe und Diplomatie, in: der überblick 4/2005 Margot Schüller, Helmut Asche, China als neue Kolonialmacht in Afrika? Umstrittene Strategien der Ressourcensicherung, in: China aktuell. Monatszeitschrift, 36/2007, S. 67 – 78 - 19 - Frank Sieren, Konkubinenwirtschaft. Was der Aufstieg Chinas für ein Land wie Deutschland bedeutet, in: IP Dezember 2005 Denis M. Tull, Die Afrikapolitik der Volksrepublik China, SWP-Studie, August 2005, www.swp-berlin.org 5.2. Presseartikel „Der Westen saß am längeren Hebel“, Interview mit dem nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo, in: faz.net vom 18. Mai 2007 http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E81E3F62963DF4106B59 988DA8BB53FD7~ATpl~Ecommon~Scontent.html (download vom 7. Juni 2007) „Totenstille um den Rettungsplan. Das afrikanische Entwicklungsprojekt Nepad“, Thomas Scheen in Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 31. Mai 2007 „Bonos Irrtum. Braucht der Schwarze Kontinent wirklich noch mehr Entwicklungshilfe ? Immer mehr Afrikaner verneinen das“, in: Der Tagesspiegel vom 6. Juni 2007 5.3. Weiterführende elektronische links http://ec.europa.eu/europeaid/projects/water/index_en.htm (EU-Finanzierung eines Wasserprojektes, download 4.6.2007) http://www.bmz.de/de/wege/ez_eu/eu-wege/akpstaaten/index.html (EU-Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten, download 4.6.2007)