Deutscher Bundestag Der Einsatz von Kampfdrohnen aus völkerrechtlicher Sicht Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 2 – 3000 - 118/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 2 Der Einsatz von Kampfdrohnen aus völkerrechtlicher Sicht Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 – 3000 - 118/1212 Abschluss der Arbeit: 27. September 2012 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Rechtliche Einordnung von Drohnen 5 3. Anwendbarer Rechtsrahmen 5 4. Der Einsatz von Kampfdrohnen und das ius in bello 7 4.1. Tötungsverbot 8 4.1.1. Einsätze im bewaffneten Konflikt 8 4.1.2. Einsätze außerhalb bewaffneter Konflikte 9 4.2. Verhältnismäßigkeitsprinzip 9 4.3. Heimtückeverbot 10 4.4. Unterscheidungsgebot 11 4.5. Rechtliche Grenzen einer Automatisierung der Kriegsführung 12 4.6. Verbot überflüssiger Verletzungen oder unnötiger Leiden 13 5. Statusfragen 14 5.1. Bedienungspersonal / Drohnenführer 14 5.2. Drohnen-Bodenstationen 14 6. Drohneneinsatz unter Parlamentsvorbehalt ? 15 7. Zusammenfassung 16 8. Literatur 17 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 4 1. Einführung Der Einsatz von Kampfdrohnen stellt nicht nur Politik und Ethik, sondern auch das Völkerrecht vor neue Herausforderungen. Die öffentliche Debatte über Drohnen verengt sich jedoch vor allem auf die medienpräsenten Drohneneinsätze der US-Regierung in Pakistan und im Jemen und die damit zusammenhängende Problematik der gezielten Tötungen („targeted killing “) von Al Quaida-Terroristen.1 Dabei wird leicht von der Frage nach der Rechtmäßigkeit des Einsatzes auf das Waffensystem als solches geschlossen. Betrachtet man Drohneneinsätze dagegen unter dem Blickwinkel der Automatisierung des Krieges, so stellt sich die grundsätzliche Frage, ob das Völkerrecht in der Lage ist, Drohnenkriege wirksam einzuhegen oder ob das geltende Recht als Bezugsrahmen für die unbemannte automatisierte Kriegsführung künftig an Bedeutung verlieren wird. Bezeichnenderweise ist in diesem Zusammenhang in der völkerrechtlichen Fachliteratur der Ruf nach einem rechtlichen „Sonderregime“ für Drohnen nicht wirklich laut geworden.2 Die Zulässigkeit von Kampfdrohneneinsätzen ist – ebenso wie der Einsatz eines bewaffneten Kampfjets – am Maßstab des geltenden Völkerrechts (insbesondere dem ius ad bellum) zu beurteilen . Rechtlich klärungsbedürftig sind in erster Linie einige drohnenspezifische Besonderheiten, die u.a. mit der unterschiedlichen Dislozierung von Steuerungseinheit (Bodenpersonal) und gesteuertem System (Drohne) zusammenhängen (dazu 5.). Problematisch erscheint der Drohneneinsatz mit Blick auf das Unterscheidungsgebot (dazu 4.4.) und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (dazu 4.2.). Überdies stellt sich die Frage, inwieweit das Völkerrecht einer Automatisierung der Kriegsführung Grenzen setzt (dazu 4.5.). Fraglich ist schließlich, ob Drohneneinsätze dem Parlamentsvorbehalt unterliegen (dazu 6.). 1 Vgl. dazu ausführlich Orr, Cornell Int´l L.J. 2011, S. 729 ff. In der Diskussion prallen die unterschiedlichen Rechtsverständnisse zum sog. „War on Terror“ aufeinander: Vgl. für die eher skeptisch bis ablehnende Sichtweise der deutschen Fachliteratur Melzer, Targeted Killing, S. 222 ff.; Richter, HuV-I 2011, S. 108 ff; Ambos /Alkatout, JZ 2011, S. 758 ff. Zur US-amerikanischen Sicht vgl. z.B. die Äußerungen von Harold Koh, Rechtsberater des US-State Department, The Obama Administration and International Law, Remarks at the Annual Meeting of the ASIL, 25.3.2010, www.state.gov/s/l/releases/remarks/139119.htm. 2 So z.B. Frau, HuV-I 2011, S. 72. Ein Sondervölkerrecht für Drohnen würde die geltenden Maßstäbe durcheinanderbringen und zur Lösung der eigentlichen Rechtsprobleme kaum etwas beitragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 5 2. Rechtliche Einordnung von Drohnen Drohnen sind keine ballistischen Raketen, sondern unbemannte militärische Luftfahrzeuge3 (unmanned aerial vehicles, UAV), die optional als Trägersysteme für Waffen dienen.4 Der Status als Luftfahrzeug ist insoweit bedeutsam, als dass staatliche Luftfahrzeuge Immunität genießen , das Recht zum freien Überflug in Anspruch nehmen können und einer Kennzeichnungspflicht unterliegen.5 Anwendbar ist insoweit das internationale Luftverkehrsrecht. Drohnen sind keine Waffen oder Kampfmittel6, sondern Waffensysteme, die neben den Waffen auch das für den Einsatz erforderliche Gerät (z.B. Aufklärungsoptik) umfassen.7 Für die Waffeneinsätze von Kampfdrohnen gilt insoweit das humanitäre Völkerrecht. Aufgrund ihrer Präsenz im Operationsgebiet sind Drohnen aber nicht bloß ein technisches Instrument, um Waffenwirkmittel einzusetzen (wie z.B. der Raketenwerfer). Vielmehr stellen Drohnen in gewisser Weise eine symbiotische Verbindung zwischen Trägersystem und militärischem Kampfmittel dar, welche die klassische Dichotomie zwischen Luftfahrzeug und Waffe zunehmend verschwimmen lässt.8 Eine technische Weiterentwicklung von Drohnen in Richtung autonomer Angriffsfähigkeit wird daher auch eine Neubewertung ihrer Waffeneigenschaft erforderlich machen. 3. Anwendbarer Rechtsrahmen Ob und inwieweit ein Einsatz von Kampfdrohnen völkerrechtlich zulässig ist, lässt sich nur auf der Grundlage des jeweils anwendbaren Rechts klären. Um das konkret anwendbare Recht im Operationsgebiet einer Drohne zu identifizieren, müssen der Konflikttypus und die am Konflikt beteiligten Streitparteien identifiziert werden. 3 Frau, HuV-I 2011, S. 62; Lewis, Texas Int´l L.J. 2012, S. 294. Eine Begriffs- und Statusbestimmung findet sich im “Manual on International Law applicable to Air and Missile Warfare”, 2009, das in Anlehnung an die Haager Luftkriegsregeln von 1923 das geltende Recht der Luftkriegsführung kodifiziert. 4 Beispiele für den Einsatz derartiger Systeme ist die mit lasergeführten AGM-114 Hellfire Missiles bestückte Drohne vom Typ MQ-1 Predator. Zur Klassifikation und Funktion und von Drohnen vgl. Schmitt, YIHL 2010, S. 313 f. 5 Näher Marauhn, in: Schmidt-Radefeldt/Meissler (Hrsg.), S. 62; Frau, HuV-I 2011, S. 63. 6 Boothby, S. 230. 7 Frau, HuV-I 2011, S. 63. 8 Ders., S. 64. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 6 Zu klären ist dabei, ob es sich um einen internationalen bewaffneten Konflikt (wie zum Beispiel im Irak 2003) oder um einen nicht-internationalen (internen) bewaffneten Konflikt (wie derzeit in Syrien) handelt. Der bewaffnete Konflikt eröffnet die Anwendung des humanitären Völkerrechts (ius in bello). Je nach Konfliktform finden dann die Genfer Konventionen und das 1. Zusatzprotokoll9 (internationaler Konflikt) oder eben nur das 2. Zusatzprotokoll und der gemeinsame Art. 3 der Genfer Konventionen (interner Konflikt) Anwendung.10 Wird der interne Konflikt durch die Präsenz bzw. Intervention ausländischer Streitkräfte „internationalisiert “ (wie z.B. in Afghanistan), so ergeben sich komplexere Konstellationen.11 Wird die Schwelle zum bewaffneten Konflikt im möglichen Operationsgebiet einer Drohne gar nicht erst erreicht12 (wie z.B. in Jemen), so findet das Kriegsvölkerrecht (ius in bello) keine Anwendung. Ein Militär- oder Polizeieinsatz ist dann vielmehr nach den (strengeren) Maßstäben der internationalen Menschenrechte sowie des Polizeirechts zu beurteilen. Der Unterschied zwischen der Anwendung von Polizeirecht oder Kriegsvölkerrecht wirkt sich vor allem bei der rechtlichen Beurteilung der bereits erwähnten „gezielten Tötungen“ aus.13 Überdies erfordern solche Einsätze auf fremdem Hoheitsgebiet die Zustimmung des betroffenen Staates; anderenfalls stellen sie eine völkerrechtswidrige Souveränitätsverletzung (Art. 2 Nr. 4 VN- Charta) dar.14 Nicht abschließend geklärt ist die Frage, welches Recht in den Grenzgebieten zwischen Afghanistan und Pakistan (Waziristan) anwendbar ist, in denen das Vorliegen eines bewaffneten 9 1. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 8.6.1977 (ZP I), BGBl. 1990 II, S. 1551. 10 Zum Einsatz von Drohnen in nicht-internationalen Konflikten vgl. Stroh, HuV-I 2011, S. 75 f. In jüngerer Zeit ist die Tendenz zu beobachten, weite Teile des für internationale Konflikte geltenden Kriegsvölkerrechts auch auf nicht-internationale Konflikte anzuwenden; in diese Richtung gehen einschlägige Urteile des Jugoslawien- Tribunals sowie das Statut des IStGH. 11 Zur Frage, welches Recht bei nicht-internationalen Konflikten mit Drittstaatenintervention anwendbar ist, vgl. Gasser/Melzer, S. 72f. In Afghanistan gilt nach allgemeiner Auffassung das Recht des internationalen Konflikts. 12Kriterien, wann diese Schwelle erreicht ist, liefert die Tadić-Entscheidung des Jugoslawien-Tribunals v. 2.10.1995, ICTY, Prosecutor v. Tadić, IT94-1-AR72, Appeal Chamber. Vgl. dazu Gasser/Melzer, S. 67. 13 Vgl. dazu noch die Ausführungen unter 4.1. Zur Problematik vgl. auch Melzer, S. 44 ff; Lewis, Texas Int´l L.J. 2012, S. 300; Waechter, JZ 2007, S. 61 ff. 14 Orr, Cornell Int´l L.J. 2011, S. 736. Zur entsprechenden Staatenpraxis vgl. Schmitt, YIHL 2010, S. 315. Ob ein Staat, der auf seinem Territorium internationale Terrorgruppen toleriert oder wissentlich unterstützt, seinen Anspruch auf territoriale Souveränität verliert, ist umstritten (dazu Ambos/Alkatout, JZ 2011, S. 764). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 7 Konflikts umstritten ist.15 4. Der Einsatz von Kampfdrohnen und das ius in bello Weder das Friedensvölkerrecht noch das humanitäre Völkerrecht verbieten per se den Einsatz von Kampfdrohnen.16 Ein Verbot von bestimmten Waffen oder Waffensystemen (bzw. die Reglementierung ihrer Herstellung, Lagerung oder ihres Einsatzes) setzt regelmäßig einen entsprechenden völkerrechtlichen Vertrag voraus (z.B. Chemiewaffenkonvention, Übereinkommen über Streumunition, Blendlaserwaffenprotokoll etc.).17 Ein solcher Vertrag in Bezug auf Drohnen existiert aber nicht. Kampfdrohnen sind jedoch an Artikel 36 ZP I zu messen, durch den das humanitäre Völkerrecht Anschuss an die technischen Entwicklungen findet. Die Vorschrift lautet: „Jede Hohe Vertragspartei ist verpflichtet, bei der Prüfung, Entwicklung, Beschaffung oder Einführung neuer Waffen oder neuer Mittel oder Methoden der Kriegführung festzustellen , ob ihre Verwendung stets oder unter bestimmten Umständen durch dieses Protokoll oder durch eine andere auf die Hohe Vertragspartei anwendbare Regel des Völkerrechts verboten wäre.“ Kampfdrohnen sind keine „Waffen“, aber sie können das Kampfgeschehen – und damit die Methoden der Kriegsführung – im Vergleich zu bemannten Waffensystemen verändern.18 Im Rahmen des Art. 36 ZP I ist daher zu prüfen, ob der Einsatz von Kampfdrohnen „unter bestimmten Umständen“ gegen Bestimmungen des humanitären Völkerrechts verstößt. Dabei kommen die gleichen Kategorien und Maßstäbe zum Tragen wie beim Einsatz herkömmlicher Waffensysteme.19 15 Dazu näher Schmitt, YIHL 2010, S. 311 f; Lewis, Texas Int´l L.J. 2012, S. 295; Ambos/Alkatout, JZ 2011, S. 760; Vogel, Denv. J. Int´l L. 2010, S. 130. Vertreten wird dabei zum Teil die These, dass der andauernde afghanische Konflikt gewissermaßen nach Pakistan „überschwappt“ (Spill-over-effect). Ungeklärt ist auch, ob und wieweit der afghanische Kämpfer seinen Kombattantenstatus auch bei einem Rückzug nach Pakistan oder Jemen „mitnimmt“. 16Frau, HuV-I 2011, S. 62. Die von dem englischen Robotiker Noel Sharkey gegründete NGO „International Committee for Robot Arms Control“ (ICRAC) setzt sich allerdings für eine Ächtung autonom agierender Waffensysteme auf internationaler Ebene ein. 17 Vgl. die Auflistung bei Gasser/Melzer, S. 55. 18 Marauhn, a.a.O. (Anm. 6), S. 62. 19 Schmitt, YIHL 2010, S. 313; Bohr, HuV-I 2011, S. 100 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 8 Im folgenden sollen einige zentrale Regelungen des ius in bello unter drohnenspezifischem Blickwinkel erörtert werden. 4.1. Tötungsverbot 4.1.1. Einsätze im bewaffneten Konflikt Anders als im Frieden ist im bewaffneten Konflikt die Tötung von Kombattanten – und in bestimmten Grenzen auch von Zivilisten – völkerrechtlich erlaubt.20 Ein Verstoß gegen das Menschenrecht auf Leben (Art. 6 IPBPR, Art. 2 EMRK) liegt bei rechtmäßigen Tötungshandlungen im Krieg nach Auffassung des Internationalen Gerichtshofes regelmäßig nicht vor.21 Im bewaffneten Konflikt ist das humanitäre Völkerrecht nämlich lex specialis gegenüber dem Menschenrechtsregime. Nicht von ungefähr hatte das BVerfG bereits in seiner Chemiewaffenentscheidung aus dem Jahre 1987 eine Verletzung des Grundrechts auf Leben in Zusammenhang mit der Landesverteidigung (bewaffneter Konflikt) rundweg verneint.22 An dieser humanitär-völkerrechtlichen Rechtslage ändert auch der Einsatz von Drohnen nichts. Drohnenschläge gegen militärische Ziele und Kombattanten sind insoweit keine ferngesteuerten Exekutionen ohne vorheriges Gerichtsverfahren, sondern zulässige Kriegshandlungen . Dass Tötungen „gezielt“ erfolgen – also nach sorgfältigem Targeting-Prozess unter Beachtung des Unterscheidungsgebotes – ist keine Verletzung des humanitären Völkerrechts, sondern vielmehr eine Bedingung desselben. Unterschiedslose Angriffe (d.h. „ungezielte“ Tötungen ) sind verboten (Art. 51 Abs. 4 ZP I). 20 Gasser/Melzer, S. 150 f; Murswiek, in: Sachs (Hrsg.), GG-Kommentar, München 6. Aufl. 2011, Art. 2, Rz. 172. Die Tötung von Zivilisten ist zulässig, „sofern und solange sie unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen“ (Art. 51 Abs. 3 ZP I). Umstritten ist in diesem Zusammenhang der Status von Taliban-Kämpfern sowie von Al Quaida- Terroristen. Die Tötung von unbeteiligten Zivilisten im bewaffneten Konflikt unterliegt dem Exzessverbot (Art. 51 Abs. 5 b ZP I). 21 IGH, Legal Consequences of the Construction of a Wall in Occupied Palestinian Territory v. 9.7.2004, ICJ Reports 2004, S. 136 ff.; Rn. 107-113. Art. 15 Abs. 2 EMRK toleriert insoweit Abweichungen vom ´Recht auf Leben` (Art. 2 EMRK) im Falle “rechtmäßiger Kriegshandlungen”. 22 BVerfGE 77, 170 (221) – C-Waffen: „Mit der Entscheidung für die militärische Landesverteidigung hat das GG zu erkennen gegeben, dass der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Rückwirkungen auf die Bevölkerung bei einem völkerrechtsgemäßen Einsatz von Waffen gegen den militärischen Gegner im Verteidigungsfall nicht umfasst.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 9 4.1.2. Einsätze außerhalb bewaffneter Konflikte Anders stellt sich die Situation bei Einsätzen außerhalb bewaffneter Konflikte dar, wenn das humanitäre Völkerrecht keine Anwendung findet. Für die Zielpersonen bei Drohneneinsätzen unter der „Friedensrechtsordnung“ gelten die menschenrechtlichen Garantien. Als (terroristische ) Straftäter können sie nach Maßgabe des Polizei- und Strafrechts belangt werden. Tötungen sind eine Verletzung des Menschenrechts auf Lebens und daher nur noch ganz ausnahmsweise gerechtfertigt, etwa wenn es zur Verteidigung oder Nothilfe unerlässlich ist (z.B. finaler Rettungsschuss). Teile der Literatur vertreten daher die Auffassung, dass Kampfdrohnen außerhalb bewaffneter Konfliktszenarien – also unter der „Friedensrechtsordnung“ – gar nicht völkerrechtsgemäß eingesetzt werden können.23 Der Bericht des ehemaligen VN-Sonderberichterstatters Alston zu extralegalen Tötungen und „targeted killing“ führt insoweit aus: „Outside the context of armed conflict, the use of drones for targeted killing is almost never likely to be legal. A targeted drone killing in a State’s own territory, over which the State has control, would be very unlikely to meet human rights law limitations on the use of lethal force.”24 Am Beispiel des Verhältnismäßigkeitsprinzips spitzt sich die Problematik noch einmal zu. 4.2. Verhältnismäßigkeitsprinzip Die technischen Handlungsoptionen einer Kampfdrohne reduzieren sich auf eine Art „binären Code“: Tötung oder Einsatzabbruch – tertium non datur. Drohneneinsätze belassen dem Drohnenführer also vergleichsweise geringe Spielräume für flexible oder abgestufte Reaktionen , wie sie etwa bei der Terrorismusbekämpfung aber auch bei der Aufstandsbekämpfung (counter-insurgency) in Bürgerkriegssituationen unerlässlich sind, um rechtlichen Vorgaben (insb. Menschenrechtsstandards, Verhältnismäßigkeitsprinzip) zu genügen. Hier erweist sich der Einsatz von militärischen Spezialeinheiten, die den Gegner sowohl festnehmen als auch kampfunfähig machen können, als deutlich situationsadäquater. 23 Lewis, Texas Int´l L.J. 2012, S. 300. 24 Philip Alston, Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions, UN Doc. A/HRC/14/24/Add.6, 28. Mai 2010, Rz. 85, verfügbar unter: http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/14session/A.HRC.14.24.Add6.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 10 Forderungen des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz nach einer verstärkten Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips auch im bewaffneten Konflikt25 – z.B. den Gegner nicht zu töten, wenn er unter den gegebenen Umständen ohne zusätzliche Risiken auch durch Gefangennahme außer Gefecht gesetzt werden kann – werden durch den Einsatz von Drohnen konterkariert. Der vom IKRK formulierte Grundsatz „Gefangennahme vor Tötung“26 ist zwar nach herrschender Auffassung völkerrechtlich (noch) nicht verbindlich;27 die Studie hat aber angesichts der besonderen Stellung des IKRK ein erhebliches Gewicht für die Weiterentwicklung und Gewohnheitsrechtsbildung des humanitären Völkerrechts. Ein Weg aus diesem Dilemma könnte sein, Drohneneinsätze in bewaffneten Konflikten auf Szenarien zu beschränken, bei denen die Möglichkeit zur risikolosen Festnahme ex-ante ausgeschlossen ist.28 4.3. Heimtückeverbot Das humanitäre Völkerrecht verbietet perfide (heimtückische) Angriffe (Art. 37 Abs. 1 ZP I). Drohneneinsätze fallen nicht darunter. Zwar werden die im Vergleich zu bemannten Düsenflugzeugen nahezu lautlosen Drohnen von den Zielpersonen oft nicht (oder erst zu spät) bemerkt ; doch durch die Nutzung von Wirkmitteln, die der Gegner im wahrsten Sinne des Wortes nicht wahrnimmt, erschleicht sich der Drohnenführer kein besonderes Vertrauen, wie es aber für den Perfiedietatbestand erforderlich wäre.29 25 Hier gilt gemeinhin nur das sog. Exzessverbot. Zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im humanitären Völkerrecht vgl. näher Gasser/Melzer, S. 95. 26 IKRK, Interpretative Guidance on the Notion of Direct Participation in Hostilities under International Humanitarian Law, 2009, http://www.icrc.org/eng/assets/files/other/irrc-872-reports-documents.pdf. Die vom IKRK erhobene Forderung findet sich schon bei Jean Pictet, Development and Principles of International Humanitarian Law, Dordrecht 1985, S. 75. 27 Für eine Rechtsverbindlichkeit bereits Fleck, HuV-I 2011, S. 80: „Ist die Gefangennahme aber ohne Risiko möglich , dann haben auch Soldaten kein Recht zur Tötung des Gegners.“ Ähnlich Melzer, Targeted Killing, S. 289. 28 Für diese Option Fleck, HuV-I 2011, S. 80. 29 Melzer, S. 414 f.; Frau, HuV-I 2011, S. 65. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 11 4.4. Unterscheidungsgebot Im bewaffneten Konflikt gilt das Unterscheidungsgebot, das die Konfliktparteien dazu verpflichtet , die Zivilbevölkerung sowie zivile Objekte zu schützen (Art. 48 ZP I) und bei Angriffen zwischen militärischen und zivilen Zielen zu unterscheiden (Art. 51 ZP I). Drohneneinsätze müssen diesem Gebot Rechnung tragen. Die Problematik des Unterscheidungsgebotes verschärft sich, wenn sich die Rahmenbedingungen im Operationsgebiet bis zur Entfaltung ihrer Waffenwirkung verändern. Insoweit stellt sich die Frage, ob und inwieweit Kampfdrohnen tatsächlich in der Lage sind, darauf zu reagieren , wenn sich in ihrem Zielgebiet eine neue Konstellation hinsichtlich der Zivilbevölkerung oder militärischer Objekte ergeben hat. Als rechtlich entscheidend erweisen sich in dem Zusammenhang entsprechende Kontroll-, Interventions- und Korrekturmöglichkeiten seitens des Personals der Bodenstation. Insoweit ist unbestritten, dass die an den Staat zu stellenden Anforderungen im Bereich des „targeting" sowie seine Verpflichtungen zur Aufklärung und Informationsauswertung in „Echtzeit“ mit zunehmender Automatisierung der Kriegsführung steigen.30 Dazu gehört auch die technische Möglichkeit des Drohnenführers, den Einsatz in jeder Phase abzubrechen. Anders als Piloten eines Kampfjets nehmen Drohnenpiloten jedoch die Realität über Tausende Kilometer hinweg nur durch Sensoren und Kameras wahr.31 Selbst eine verfeinerte Kamera - und Satellitentechnik ist vor störanfälligen oder schmalbandigen Funkverbindungen nicht gefeit. Die amerikanischen Drohneneinsätze in Pakistan haben gezeigt, dass Opfer in der Zivilbevölkerung ungeachtet einer verbesserten Aufklärungsfähigkeit und Präzision der Drohnenangriffe nicht ausgeschlossen werden können.32 Zudem können die Datenmengen der Drohnen- Sensoren nicht nur die Kapazitäten der Übertragungssatelliten überfordern, sondern sie ent- 30 Frau, HuV-I 2011, S. 65; Stroh, HuV-I 2011, S. 77; Fleck, HuV-I 2011, S. 79; Marauhn, a.a.O. (Anm. 6), S. 67. Ansätze hierzu finden sich bereits in Art. 57 Abs. 2 ZP I (Vorsichtsmaßnahmen beim Angriff). 31 Lewis, Texas Int´l L.J. 2012, S. 297 f. Allerdings wird auch ein Jetpilot den völkerrechtlichen Status von Individuen aus der Luft nicht immer eindeutig feststellen können (so Richter, HuV-I 2011, S. 107). 32 Eine jüngst erschienene, von der Stanford und der New York University gemeinsam veröffentlichte Studie setzt sich sehr kritisch mit der amerikanischen Drohnenpolitik in Pakistan auseinander und versucht, das Bild eines chirurgisch präzisen Drohnenkriegs zu hinterfragen (http://livingunderdrones.org/; dazu auch Kreye, SZ v. 26.9.2012, S. 11). Die Studie geht von ca. 2.500 bis 3.300 Toten durch Drohneneinsätze in Pakistan im Zeitraum zwischen Juni 2004 und September 2012 aus, von denen ca. 500-900 Zivilisten seien, darunter 176 Kinder. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 12 ziehen sich einer vollständigen Auswertbarkeit durch den Drohnen-Fernsteuerer allein schon durch ihre Quantität.33 Fehlinterpretationen bei Lagebildanalysen sind insoweit nicht auszuschließen .34 Das Problem verstärkt sich, wenn ein Drohnenpilot mehrere (teil)autonome Drohnen steuert. In der Konsequenz tritt an die Stelle menschlicher Wahrnehmung schon heute eine maschinelle (künstliche) Intelligenz, die nach Mustern sucht und daraus Handlungsempfehlungen ableitet. Bei sog. „Signature Strikes“ übernimmt die Drohne wesentliche Teile des Targeting- Prozesses, in dem sie typische Bewegungsmuster beim Zielobjekt erfasst und diese mit den in Datenbanken gespeicherten Aufzeichnungen abgleicht. 4.5. Rechtliche Grenzen einer Automatisierung der Kriegsführung Diese Entwicklung führt zur Frage nach den rechtlichen Grenzen einer Automatisierung der Kriegsführung. Die Rückkopplung von automatisierten Entscheidungsprozessen gehört zu den zentralen Forderungen der automatisierten Kriegsführung. Allein die Rückkopplung einer Entscheidung an den Drohnenpiloten (den sog. „man in the loop“) macht eine völkerrechtliche Zurechnung von Kriegshandlungen überhaupt möglich. Für die Anwendung des Rechts im Kriege sind Wertungen erforderlich, die von einer Maschine nicht geleistet werden können , da diese Wertungen sich nicht in einem Computeralgorithmus „programmieren“ lassen.35 Damit sind einer fortschreitenden Automatisierung/Autonomisierung der Kriegsführung rechtliche Grenzen gesetzt.36 Unbedenklich wäre es, Analyseaufgaben des Targeting-Prozesses aus Zeit- und Kostengründen auf die Drohne zu verlagern; rechtlich unzulässig wären dagegen autonome Waffeneinsätze der Drohne.37 Der Befehl zum Töten entzieht sich aus rechtlichen 33 Rieger, FAZ v. 21.9.2012, S. 31. 34Shane, C.I.A. Is Disputed on Civilian Toll in Drone Strikes, New York Times v. 11.8.2011, www.nytimes.com/2011/08/12/world/asia/12drones.html?pagewanted=all. Dem Bericht zufolge kam es im Februar 2010 zur Tötung von 23 afghanischen Zivilisten, weil bei der Auswertung der Aufnahmen einer Aufklärungsdrohne mehrere Fahrzeuge fälschlicherweise als militärisches Ziel identifiziert wurde, obwohl sich dort auch Frauen und Kinder befanden. 35 Fragwürdig erscheint insoweit der Versuch einer „Ethik-Programmierung“ am Georgia Institute of Technology in Atlanta unter Leitung des Robotikers Ronald C. Arkin (www.cc.gatech.edu/ai/robot-lab/ethics/#multi); vgl. kritisch dazu auch Krishnan, Killer Robots, 2009, S. 107 ff. sowie Kreye, SZ v. 26.9.2012, S. 11. 36 Diese Grenzen exakt zu bestimmen, bliebe einem internationalen Code of Conduct überlassen. 37 Computerautonomie besteht heute bereits beim automatisierten „Turbo“-Börsenhandel, wo Computerprogramme in Sekundenbruchteilen auf (vermeintliche) Kursdifferenzen mit massenhaften Kaufs- und Verkaufsaufträgen reagieren und dadurch (nicht beabsichtigte) Kurseinbrüche am Aktienmarkt provozieren können. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 13 (und moralischen) Gründen einer Automatisierung.38 Die Entscheidungsgewalt muss nämlich bei demjenigen verbleiben, der für die Einhaltung des rechtlichen Rahmens, in dem sich der Einsatz bewegt, haftungs- und strafrechtlich auch die Verantwortung übernimmt.39 Ob dies angesichts der begrenzten menschlichen Fähigkeit zur Aufnahme und zur Auswertung der immensen, von Maschinen für Maschinen generierten Datenströmen künftig überhaupt noch möglich sein wird oder ob die aus rechtlichen Gründen aufrechterhaltene menschliche Kommandogewalt irgendwann nur noch als bloße „Formalie“ erscheint, lässt sich durchaus bezweifeln .40 4.6. Verbot überflüssiger Verletzungen oder unnötiger Leiden Art. 35 Abs. 2 ZP I verbietet Methoden der Kriegsführung, die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen. Relevant in diesem Zusammenhang erscheint die sog. „Playstation-Mentalität“ des Tötens,41 die dadurch entsteht, dass der Drohnenführer das Kampfgeschehen in einer digital vermittelten (räumlichen und psychologischen) Distanz als „reales Videospiel“ am Joystick in seinem Büro erlebt.42 Studien zufolge nähmen Empfindungen wie Mitleid und Empathie mit zunehmender Entfernung zum Opfer ab, wodurch die moralische Hemmschwelle zum Töten sinke.43 Insoweit besteht die Gefahr, dass die Automatisierung des Krieges auch eine Brutalisierung der Kriegsführung nach sich zieht. 38 So auch Bohr, HUV-I 2011, S. 98. 39 Sollte dies bei autonomen Entscheidungen der Drohne der Computerprogrammierer sein? 40 So Rieger, a.a.O. (Anm. 33). 41 Alston, a.a.O. (Anm. 24), Rz. 84; Bohr, HuV-I 2011, S. 99. 42 Lewis, Texas Int´l L.J. 2012, S. 298. Zum Arbeitsalltag eines Drohnenpiloten vgl. Interview mit Major B. Callahan in: Der Spiegel v. 10.3.2010; zu den ethischen Implikationen vgl. Jutta Weber, Digitale Kriegsmaschinerie, in: Die ZEIT v. 1.7.2010, S. 34. 43 Vogel, Denv. J. Int´l L. 2010, S. 133 m.w.N.; Grossmann, Dave, On Killing: The Psychological Cost of Learning to Kill in War and Society, 1995, S. 187. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 14 5. Statusfragen 5.1. Bedienungspersonal / Drohnenführer Soweit das Bedienungspersonal den Streitkräften im Sinne von Artikel 43 Abs. 1 ZP I angehört , fallen sie unter den Kombattantenstatus und können ihrerseits bekämpft werden. Handelt es sich beim Bedienungspersonal dagegen um Zivilpersonen, beispielsweise Bedienstete von Unternehmen,44 so sind sie weder Kombattanten noch Söldner (gem. Art. 47 Abs. 2 ZP I); vielmehr genießen sie als Zivilisten den durch das humanitäre Völkerrecht gewährten Schutz, „sofern und solange sie nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teilnehmen“ (Art. 51 Abs. 3 ZP I). Wann dies der Fall ist, wurde in den Genfer Abkommen oder im Zusatzprotokoll nicht definiert. Nach den interpretativen Leitlinien der im Mai 2009 veröffentlichten IKRK- Studie45 zu dieser Frage soll dies dann der Fall sein, wenn die Zivilperson organisatorisch in die entsprechenden Geschehensabläufe der Streitkräfte integriert ist.46 Die örtliche Nähe ist dabei kein Kriterium für die unmittelbare Teilnahme an den Feindseligkeiten. Im Ergebnis wird die Steuerung von unbemannten Systemen einhellig als unmittelbare Teilnahme an den Feindseligkeiten zu qualifiziert.47 Das Drohnenpersonal ist völkerrechtlich ebenso wie der Pilot eines Kampfjets einzuordnen. 5.2. Drohnen-Bodenstationen Der völkerrechtliche Status einer Bodenstation ist anhand von Artikel 52 Abs. 2 ZP I zu bestimmen . Dort heißt es: „Angriffe sind streng auf militärische Ziele zu beschränken. Soweit es sich um Objekte handelt, gelten als militärische Ziele nur solche Objekte, die auf Grund ihrer Beschaffenheit , ihres Standorts, ihrer Zweckbestimmung oder ihrer Verwendung wirksam zu militärischen Handlungen beitragen und deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung unter den in dem betreffenden Zeitpunkt gegebenen Umständen einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt“. 44 In den USA unterliegen private Militärfirmen strengen Lizensierungen. Vgl. zum Status des CIA-Personals Vogel, Denv. J. Int´l L. 2010, S. 133 m.w.N. 45 IKRK, Interpretive Guidance, a.a.O. (Anm. 26). 46 Näher dazu Vogel, Denv. J Int´l L. 2010, S. 119 f. 47 Lewis, Texas Int.´l L.J. 2012, S. 294; Frau, HuV-I 2011, S. 68. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 15 Mit Blick auf ihre Zweckbestimmung und Verwendung tragen die Bodenstationen und Drohnen -Steuerungszentren im bewaffneten Konflikt zweifellos zu militärischen Handlungen bei. Ebenso dürfte unstreitig sein, dass deren gänzliche oder teilweise Zerstörung, deren Inbesitznahme oder Neutralisierung während des Einsatzes oder der Einsatzvorbereitung einen eindeutigen militärischen Vorteil darstellt. Bodenstationen sind damit militärische Ziele i.S.d. humanitären Völkerrechts. Die Besonderheit beim Drohneneinsatz ergibt sich daraus, dass die Bodenstation regelmäßig nicht im Konfliktgebiet, sondern vielmehr im Hinterland der jeweiligen Konfliktpartei disloziert ist.48 Drohneneinsätze weiten demnach die Kampfzone auf das vermeintliche sichere Hinterland aus. Das Bekämpfen einer Bodenstationen unterliegt vielfältigen humanitärvölkerrechtlichen Beschränkungen: Zu ergreifen sind Vorsichtsmaßnahmen, um „Verluste unter der Zivilbevölkerung, die Verwundung von Zivilpersonen und die Beschädigung ziviler Objekte, die dadurch mit verursacht werden könnten, zu vermeiden und in jedem Fall auf ein Mindestmaß zu beschränken“(Art. 57 Abs. 2 lit. a ZP I). Auf der anderen Seite darf der Betreiber einer Bodenstation diese nicht „innerhalb oder in der Nähe dicht bevölkerter Gebiete militärische Ziele“ anlegen (Artikel 58 lit. b ZP I). Es dürfte vor diesem Hintergrund nicht zulässig sein, die Bodenstation für den Betrieb unbemannter Systeme außerhalb militärischer Anlagen anzulegen.49 6. Drohneneinsatz unter Parlamentsvorbehalt ? Die Frage, ob der Einsatz von Drohnen als „Auslandseinsatz“ der Bundeswehr unter Parlamentsvorbehalt steht, ist – soweit ersichtlich – in der Literatur noch nicht weiter thematisiert worden. Angesichts der Dislozierung von Bodenstation und Bodenpersonal in Deutschland erscheint diese Frage zumindest im Ansatz diskussionswürdig. Die Bundesregierung hat für Aufklärungsdrohnen deutlich gemacht, dass der „Einsatz eines Aufklärungs-UAV im Ausland den allgemein geltenden Regelungen im Grundgesetz und im Parlamentsbeteiligungsgesetz zum Parlamentsvorbehalt unterliegt.50 Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis für den Einsatz bewaffneter Drohnen. 48 So wird beispielsweise der Einsatz US-amerikanischer Drohnen in Pakistan von einer US-Luftwaffenbasis im US- Bundestaat Nevada aus gesteuert. 49 Marauhn, a.a.O. (Anm. 6), S. 70. 50 Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs.16/12481 v. 26.3.2009, S. 11 (Fragen 20 und 22). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 16 Das BVerfG hat deutlich gemacht, dass „der weit bemessene Gestaltungsspielraum der Exekutive im auswärtigen Bereich mit der Anwendung militärischer Gewalt endet“. Dem Übergang von der Diplomatie zur Gewalt korrespondiere insoweit „eine Veränderung in den Proportionen der innerstaatlichen Gewaltenteilung“.51 Ein zustimmungspflichtiger „Einsatz bewaffneter Streitkräfte“ liegt nach Auffassung des BVerfG vor, wenn Soldaten der Bundeswehr „in bewaffnete Unternehmungen einbezogen“ werden.52 Dies ist bei Drohneneinsätzen (zumindest) rechtlich der Fall, da dem Bodenpersonal im bewaffneten Konflikt Kombattantenstatus zufällt (s.o. 5.1.) und es damit zu einem legitimen militärischen Ziel wird. Bodenpersonal (Steuerungseinheit) und gesteuertes System (Drohne) bilden somit rechtlich eine Bewertungseinheit. Der Unterschied zwischen dem Drohnenfernsteuerer und dem Tornadopiloten besteht freilich in dem Risiko des Tornadopiloten, im Auslandseinsatz verletzt oder getötet zu werden. Im Vordergrund des Parlamentsvorbehalts stehen jedoch nicht allein die Gefahren, denen sich deutsche Soldaten im Auslandseinsatz aussetzen; vielmehr geht es um die parlamentarische Mitverantwortung des militärischen Auftrags deutscher Streitkräfte sowie der politischen Implikationen des Auslandseinsatzes. Das BVerfG führt insoweit aus: „Der Einsatz bewaffneter Gewalt bedeutet nicht nur ein erhebliches Risiko für Leben und Gesundheit deutscher Soldaten, sondern er birgt auch ein politisches Eskalationsoder doch Verstrickungspotential: Jeder Einsatz kann von der begrenzten Einzelaktion in eine größere und länger währende militärische Auseinandersetzung münden, bis hinein in einen umfänglichen Krieg.“53 7. Zusammenfassung Kampfdrohnen sind völkerrechtlich nicht verboten. Der Einsatz von Drohnen steht aber unter dem Vorbehalt der strikten Einhaltung des geltenden Völkerrechts sowie des verfassungsrechtlichen Parlamentsvorbehalts. Die rechtliche Bewertung von Drohneneinsätzen spitzt bestehende Rechtsprobleme (z.B. die Frage des „targeted killing“ von Terroristen) zu, ist aber an den gleichen völkerrechtlichen Kategorien und Maßstäben zu messen wie der Einsatz be- 51 BVerfG Urt. v. 7.5.2008 (2 BvE 1/03), Rz. 70 f. 52 Ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfGE 90, 286 (388); E 108, 34; BVerfG Urt. v. 7.5.2008 (2 BvE 1/03), Rz. 59 ff. 53 BVerfG Urt. v. 7.5.2008 (2 BvE 1/03), Rz. 71. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 17 mannter Waffensysteme. Das humanitäre Völkerrecht erweist sich bei der Regelung des Einsatzes unbemannter Waffensysteme im bewaffneten Konflikt als erstaunlich zeitgemäß; ein völkerrechtliches Sonderregime für Drohnen ist daher nicht angezeigt. Bei Drohneneinsätzen sind Drohnenpersonal und Bodenstation statusrechtlich in den bewaffneten Konflikt einbezogen. Mit Blick auf das humanitäre Völkerrecht ist insbesondere das Unterscheidungsgebot zwischen militärischen und zivilen Zielen (Art. 51 ZP I) zu beachten. Mit zunehmender Automatisierung der Kriegsführung steigen dabei die an den Staat zu stellenden Anforderungen im Bereich des „targeting" sowie seine Verpflichtungen zur Aufklärung und Informationsauswertung in „Echtzeit“. Unerlässlich ist weiterhin die technische Möglichkeit , einen Drohnenangriff in jeder Phase des Einsatzes abzubrechen. Die reduzierten Handlungsoptionen einer Drohne führen allerdings zu einem Verlust an Differenzierungsmöglichkeiten in der Kriegsführung. Vor allem die fehlenden Möglichkeiten, Gefangene zu machen oder nicht-letal reagieren zu können, sind mit einem menschenrechtskonformen Einsatz vor dem Hintergrund des Rechts auf Leben und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip kaum zu vereinbaren. Der Einsatz von Kampfdrohnen außerhalb bewaffneter Konflikte , bei denen das humanitäre Völkerrecht nicht zur Anwendung kommt, erscheint daher unter Menschenrechtsgesichtspunkten per se völkerrechtswidrig. Aber auch in bewaffneten Konflikten wird die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zunehmend diskutiert. Die Automatisierung der Kriegsführung, die durch Entwicklung und Einsatz von Drohnen weiter fortschreitet, wirft noch ungelöste ethische, rechtliche und psychologische Probleme auf. Rechtliche Grenzen des Automatisierungsprozesses werden überschritten, wenn die Drohne neben der computertechnischen Datenauswertung und -analyse auch autonome Entscheidungen zum Waffeneinsatz trifft. Die (rechtliche) Verantwortung für den Waffeneinsatz muss beim Drohnenpersonal verbleiben. Ob dies angesichts der immensen Datenmengen, die für eine solche Entscheidung auszuwerten sind, künftig noch faktisch möglich ist, erscheint zweifelhaft. Die Logik der Automatisierung setzt eine Automatisierungsspirale in Gang, an deren Ende die menschliche Entscheidung durch die autonome Entscheidung der Maschine abgelöst zu werden droht. 8. Literatur Ambos, Kai/Alkatout, Josef, Der Gerechtigkeit einen Dienst erwiesen? Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Tötung Osama bin Ladens, in: JZ 2011, S. 758-764. Boor, Felix, Der Drohnenkrieg in Afghanistan und Pakistan, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften (HUV-I) 2011, S. 97-104. Boothby, William H., Weapons and the Law of Armed Conflict, Oxford 2008. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 2 – 3000 - 118/12 Seite 18 Fleck, Dieter, Unbemannte Flugkörper in bewaffneten Konflikten: Neue und alte Rechtsfragen, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften (HUV-I) 2011, S.78-80. Frau, Robert, Unbemannte Luftfahrzeuge im internationalen bewaffneten Konflikt, in: Humanitäres Völkerrecht – Informationsschriften (HUV-I) 2011, S. 60-72. 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