© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 115/19 Völkerrechtliche Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion Fortgeltung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Übersicht der fortgeltenden Verträge 4 2.1. Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (sog. Moskauer Vertrag) 5 2.2. Abkommen zwischen dem Bundesminister für Forschung und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatskomitee für Nutzung der Atomenergie der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Kernenergie vom 22. April 1987 5 2.3. Abkommen zwischen dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatskomitee für den agro-industriellen Komplex der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit im Bereich der Agrarforschung vom 4. Mai 1987 6 2.4. Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 1989 6 2.5. Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 (sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag) 6 2.6. Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 1990 7 3. Liste der außer Kraft getretenen Verträge 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 115/19 Seite 4 1. Russische Föderation als Fortsetzer-Staat der Sowjetunion Nach den Unabhängigkeitserklärungen ehemaliger Mitgliedstaaten der Sowjetunion in den Jahren 1990-1991 wurde die Sowjetunion durch die Alma-Ata Deklaration vom 21. Dezember 1991 endgültig aufgelöst. Ungeachtet der Frage, ob die Sowjetunion aus völkerrechtlicher Sicht aufhörte zu existieren und die Russische Föderation als deren Nachfolgestaat agiert oder diese in Teilidentität fortführt,1 hat die Russische Föderation in einer Zirkularnote vom 13. Januar 1992 gegenüber allen VN-Mitgliedern erklärt, die Ausübung der Rechte und Erfüllung der Pflichten der von der Sowjetunion geschlossenen völkerrechtlichen Verträge fortzusetzen.2 Bereits am 26. Dezember 1991 hat die Bundesrepublik Deutschland in einem Schreiben an den russischen Staatspräsident Jelzin erklärt, Deutschland habe zur Kenntnis genommen, dass die Republik Russland alle mit der Sowjetunion geschlossenen Verträge fortsetzt.3 Beide Staaten sowie die übrige Staatengemeinschaft sind seitdem von der Auffassung, dass Russland die Vertragsrechte und -pflichten der Sowjetunion übernommen hat, nicht abgewichen.4 Damit gelten die zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion geschlossenen Verträge grundsätzlich fort, sofern sie nicht ausdrücklich befristet, gekündigt bzw. durch spätere Vereinbarungen ausdrücklich außer Kraft gesetzt wurden. 2. Übersicht der fortgeltenden Verträge Es handelt sich dabei insbesondere um folgende Verträge:5 1 Vgl. hierzu ausführlich Zhenis Kembayev, Probleme der Rechtsnachfolge von der Sowjetunion auf die Russische Föderation, in: Archiv des Völkerrechts - 46 (2008), Vol. 1, S. 106 ff.; Wolfgang Seiffert, Von der Sowjetunion (UdSSR) zur Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) : das verfassungsrechtliche und völkerrechtliche Schicksal der Sowjetunion seit dem August-Putsch 1991, in: Osteuropa Recht - 38 (1992), Vol. 2, S. 79 ff. 2 Siehe offizielle Übersetzung ins Deutsche in BGBl. 1992 II, S. 1016. 3 Siehe Wolfgang Seiffert (Fn. 1), S. 90 m.w.N. 4 Zhenis Kembayev (Fn. 1), S. 127, der dies auf politische Gründe wie Interessen an Weiteranwendung der Abrüstungsverträge und Begleichung der Auslandsschulden der ehemaligen Sowjetunion zurückführt. 5 Eine amtliche Zusammenstellung der Verträge zwischen Bundesrepublik Deutschland und Sowjetunion existiert – soweit ersichtlich – nicht. Eine Übersicht der Verträge zwischen Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation findet sich in der Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage zu deutsch-russischer zivilgesellschaftlicher Zusammenarbeit vom 23. Oktober 2017, BT-Drs. 18/13698, Anlage zu Frage 29, S. 22 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 115/19 Seite 5 2.1. Vertrag vom 12. August 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (sog. Moskauer Vertrag)6 In diesem Vertrag verpflichteten sich beide Staaten in Art. 1 zur Aufrechterhaltung des internationalen Friedens, Förderung der friedlichen Beziehungen zwischen den Europäischen Staaten sowie in Art. 2 zur Einhaltung der Charta der Vereinten Nationen. In Art. 3 wurden die bestehenden Grenzen der europäischen Staaten, insbesondere die Oder-Neiße-Linie, anerkannt sowie ein Verzicht auf Gebietsansprüche gegen einen anderen Staat erklärt. Die Bundesregierung übergab neben der Vertragsurkunde einen Brief des damaligen Außenministers Walter Scheel an den Außenminister der Sowjetunion Gromyko, in dem festgestellt wurde, dass der unterzeichnete Vertrag nicht im Widerspruch zum politischen Ziel der Wiedervereinigung Deutschland in freier Selbstbestimmung steht.7 Der Vertrag wurde mit dem Gesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 19728 ratifiziert und trat nach dem Austausch der Ratifikationsurkunden am 3. Juni 1972 in Kraft. Eine Befristung bzw. automatisches Ende der Gültigkeit des Vertrages wurde nicht vereinbart. 2.2. Abkommen zwischen dem Bundesminister für Forschung und Technologie der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatskomitee für Nutzung der Atomenergie der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung von Kernenergie vom 22. April 19879 Die Vertragsparteien vereinbarten darin u.a. besondere Programme, einen Austausch der Experten und Wissenschaftler in dem Bereich der friedlichen Kernenergie etc. Dieses Abkommen wurde gem. Art. 12 Abs. 2 für die Dauer von 5 Jahren geschlossen, bleibt jedoch auf unbegrenzte Zeit in Kraft, da es – soweit ersichtlich – nicht 6 Monate vor Ablauf von einer der Vertragsparteien gekündigt wurde. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Russischen Föderation wurden in den 1990- er Jahren mehrere Abkommen zur Kontrolle der Nuklearwaffen beschlossen,10 die jedoch – soweit ersichtlich – allesamt nicht die friedliche Nutzung der Kernenergie betrafen. 6 Siehe BGBl. 1972, II S. 354 ff. 7 Vgl. Brockhaus Online, Moskauer Vertrag, verfügbar unter: https://brockhaus.de/ecs/enzy/article/moskauervertrag , (letzter Zugriff: 16. Oktober 2019). 8 BGBl. 1972, II S. 353. 9 BGBl. 1988, II S. 398 ff. 10 Vgl. die Übersicht der Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage vom 23. Oktober 2017 (Fn. 5). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 115/19 Seite 6 2.3. Abkommen zwischen dem Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten der Bundesrepublik Deutschland und dem Staatskomitee für den agro-industriellen Komplex der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit im Bereich der Agrarforschung vom 4. Mai 198711 Die Vertragsparteien vereinbarten darin u.a. gemeinsame Forschungsprogramme, einen Austausch der Experten und Wissenschaftler im Bereich der Agrarforschung etc. Dieses Abkommen wurde gem. Art. 11 für die Dauer von 5 Jahren geschlossen, bleibt jedoch auf unbegrenzte Zeit in Kraft, da es – soweit ersichtlich – nicht 1 Jahr vor Ablauf von einer der Vertragsparteien gekündigt wurde. 2.4. Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Förderung und den gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen vom 13. Juni 198912 Die Vertragsparteien vereinbarten darin u.a. die Zulassung, Förderung und Gleichbehandlung der gegenseitigen Kapitalanlagen, deren freien Transfer in konvertierbarer Währung etc. Dieses Abkommen wurde gem. Art. 13 für die Dauer von 15 Jahren geschlossen, bleibt jedoch auf unbegrenzte Zeit in Kraft, da es – soweit ersichtlich – nicht 12 Monate vor Ablauf oder mit einer 12- monatiger Frist nach dessen Ablauf von einer der Vertragsparteien gekündigt wurde. 2.5. Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 (sog. Zwei-plus-Vier-Vertrag)13 Dieser Vertrag wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, der Französischen Republik, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland und den Vereinigten Staaten von Amerika am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet. In Art. 1 dieses Vertrages wurde festgelegt, dass das vereinte Deutschland die Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik und des ganz Berlin umfasst. Außerdem wurden die bestehenden deutschen Grenzen, insbesondere zu der Republik Polen, anerkannt und bestätigt, dass Deutschland keinerlei Gebietsansprüche gegen andere Staaten hat oder in Zukunft haben wird. Gem. Art. 7 Abs. 2 dieses Vertrages erhielt Deutschland volle Souveränität über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten.14 11 BGBl. 1998, II S. 407 ff. 12 BGBl. 1990, II S. 342 ff. 13 BGBl. 1990, II S. 1317 ff. 14 Vgl. DRA-Dossier, Der Zwei-plus-Vier-Vertrag, verfügbar unter: http://1989.dra.de/themendossiers/politik/zweiplus -vier-vertrag.html, (letzter Zugriff: 16. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 115/19 Seite 7 Ein automatisches Auslaufen dieses Vertrages oder eine Kündigungsmöglichkeit für eine der Vertragsparteien wurden nicht vereinbart. 2.6. Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 9. November 199015 Die Vertragsparteien vereinbarten in Art. 1 dieses Vertrages die gegenseitige Achtung ihrer souveränen Gleichheit, territorialen Integrität und politischen Unabhängigkeit. In Art. 2 bekannten sie sich zur Achtung der territorialen Integrität aller Staaten in Europa und der heutigen Grenzen und erklärten, keine Gebietsansprüche gegen andere Länder zu haben oder in Zukunft nicht zu erheben. Art. 3 enthält einen Verzicht auf Androhung oder Anwendung von Gewalt sowie die Bekundung, alle Streitigkeiten ausschließlich mit friedlichen Mitteln lösen zu wollen. Außerdem hielten die Vertragsparteien u.a. an der wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technischer und umweltschützenden Zusammenarbeit fest. Gem. Art 22 wurde der Vertrag für die Dauer von zwanzig Jahren geschlossen, verlängert sich jedoch jeweils um 5 Jahre, wenn nicht eine der Vertragsparteien den Vertrag 1 Jahr vor Ablauf der jeweiligen Geltungsdauer kündigt, was – soweit ersichtlich – bisher nicht geschehen ist. 3. Liste der außer Kraft getretenen Verträge Insbesondere folgende Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion sind dagegen bereits außer Kraft getreten: Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit vom 22. Juli 198616 – gem. Art. 11 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über wissenschaftlich -technische Zusammenarbeit vom 16. Juli 200917. Abkommen zwischen dem Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Gesundheitswesen der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit auf dem Gebiert des Gesundheitswesens und der medizinischen Wissenschaft vom 23. April 198718 – gem. Art. 10 des Abkommens zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland und dem Ministerium für Gesundheit und soziale Entwicklung 15 BGBl. 1991, II S. 702 ff. 16 BGBl. 1988, II. S. 394 ff. 17 BGBl. 2010, II S. 147. 18 BGBl. 1988, II. S. 403 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 115/19 Seite 8 der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens vom 15. Juli 201019. Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes vom 25. Oktober 198820 – gem. Art. 9 Abs. 3 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Russischen Föderation über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Umweltschutzes vom 28. Mai 199221. Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Erweiterung der Zusammenarbeit in den Bereichen von Wissenschaft und Hochschulen vom 2. Juli 199022 – dieses Abkommen galt gem. Art. 12 Abs. 2 bis zum 31. Dezember 1991 und enthielt keine Verlängerungsmöglichkeit . *** 19 BGBl. 2011, II, S. 855 ff. 20 BGBl. 1990, II S. 462 ff. 21 BGBl. 1992, II. S. 1240 ff. 22 BGBl. 1990, II S. 694 ff.