Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation 4 Deutscher Bundestag Regulatorische Zusammenarbeit im Rahmen von TTIP und die Rolle nationaler Parlamente Thilo Bodes These (aus seinem Buch „Die Freihandelslijge: Warum TTIP nur den Konzernen nützt - und uns allen schadet", DVA 2015)t, wonach die „Gesetzgebung als Kernfunktion des Parlaments durch regulatorische Kooperation ausgelagert" würde, erweist sich im Ergebnis als sachlich unzutreffend und polemisch. Bei der Regulierungskooperation geht es um die Zusammenarbeit bei der Ausgestaltung, Überwachung , Durchsetzung oder Umsetzung (nicht Neuschaffung) von Regulierungen. Die Mechanismen der regulatorischen Kooperation greifen grundsätzlich nur dort, wo gemeinsame Interessen zwischen den Vertragspartnern bestehen. Regulatorische Zusammenarbeit ist an sich nichts wirklich Neues: Eine solche Form der Kooperation wird zwischen den USA und der EU im Rahmen des Transatlantischen Wirtschaftsrats (TEC) bereits seit 2007 praktiziert; Ansätze und Erfahrungen mit dieser Kooperation werden jetzt im Rahmen von TTIP aufgegriffen und ausgebaut. Regulatorische Zusammenarbeit erfolgt durch die Exekutive. Im Rahmen der EU bestehen bereits heute weitgehende Möglichkeiten zur Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen auf die Exekutive (EU-Kommission, vgl. Art. 290 AEUV), die auch genutzt werden. Die Kompetenz zur Delegation ist allerdings durch Art. 290 Abs. 2 AEUV rechtlich eingegrenzt und wird richterlich kontrolliert.' EU verfügt bereits heute über mehrere Standardisierungs- und Regulierungsagenturen und -ausschüsse (z.B. European Committe for Standardjzation); die meisten der ins nationale Recht inkorporierten Regulierungen stammen von diesen Ausschüssen. Diese arbeiten auf internationaler Ebene eng mit den entsprechenden ausländischen Regulierungsbehörden zusammen — etwa im Rahmen der Internationalen Organisation für Normung (International Organization for Standardization, ISO-Standards). Auch eine frühzeitige Einbeziehung von Interessenvertretern (Lobbyisten) und Bürgerbeteiligung im Rahmen von sog. Konsultationsverfahren ist sowohl im europäischen als auch im deutschen Gesetzgebungsprozess bereits heute vorgesehen (vgl. Art. 11 EUV); amerikanische Industrievertreter haben auch heute schon Einfluss auf EU-Gesetzgebung. Den amerikanischen Partnern geht es im Rahmen der TTlP•Verhandlungen vor allem um den letzten punkt: die sog. good legulatory pmctice, also Transparenz und öffentliche Beteiligung. Nr. 107/15 (23. Juni 2015) @ 2015 Deutscher Bundestag Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung dnr Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleihmg_ Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik I. 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Regulatorische. Zusammenarbeit im Rahmen von TTIP und die Ralle nationaler Parlamente Seite 2 Im Rahmen von T TIP geschaffen werden soll ein institutioneller Rahmen, in dem sich die Regierungsbehörden der Vertragspartner austauschen können. Einen solchen Rahmen bildet der sog. Regulierungsrat — ein relativ neues Instrument, das bislang zwischen USA und Kanada bzw. Mexiko existiert, jedoch rechtlich außerhalb des Freihandelsabkommens NAFTA. Zusammensetzung, Funktion und Kompetenzen des sog. Regulierungsrats (Regulatory Cooperation Council): Der Ausschuss wird aus staatlichen Vertretern der Regulierungsinstitutionen zusammengesetzt ; Industrie und Zivilgesellschaft sind nicht formell beteiligt. Das Gremium hat nur koordinierende Funktion, aber keine Kompetenz, selbst zu regulieren. Durch TI'IP werden keine Regulierungskompetenzen auf ein Regulierungsgæmium wie den Regulierungsrat übertragen. Entscheidungsfindungsprozesse auf nationaler / europäischer Ebene werden sich durch TTIP•Regeln iiber regulatory cooperation formal nicht ändern. Wie läuft der Kooperationsmechanismus in der Praxis ab? Der Regulierungsrat wird z.B. einen Vorschlag oder eine Empfehlung zur Angleichung bzw. gegenseitigen Anerkennung einer Vorschrift machen. Dieser Vorschlag muss durch die Gremien der EU umgesetzt werden; die EU erlässt dazu im gewöhnlichen Verfahren eine Verordnung oder Richtlinie. Den EU-Gremien bleibt also weiterhin die Kompetenz für Regelungen zum Schutz legitimer Gemeinwohlinteressen. Der Regulierungsrat hat einen gesetzlichen Regulierungsauftrag, d.h. er ist gesetzlich auf die Verfolgung von Gemeinwohlzielen verpflichtet. Der Einfluss von Regierungslobbyisten auf den Regulierungsrat geht nach Auffassung der Experten (Prof. Krajewski, Uni Nürnberg) nicht weiter als jener Einfluss, den Unternehmen auch heute schon auf die etablierten Regulierungsinstitutionen haben. Es ist aber derzeit noch zu friih, über die praktischen Auswirkungen der Arbeit des Regulierungsrates eine seriöse Aussage zu treffen. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass T TIP als völkerrechtlicher Vertrag durch einfaches nationales Gesetz ins deutsche Recht inkorporiert wird — ein Vorrang vor deutschen Verfassungsbzw . europäischem Recht ist damit nicht verbunden. Es existiert auch kein Erfordernis einer Tm-Kompatibilität" von Gesetzen, welches den Bundestag in seiner Gesetzgebung einschränken würde. Streitfälle im Rahmen von T TIP werden ggf. durch sog. Staat-Investor-Streitbeilegungsverfahren geregelt. Wissenschaftliche Dienste Anhänge (als PdF beigefügt): Kurzinformation Regulalarische Zusammenarbeit im Rahmen von T TIP und die Rolle nationaler Parlamente Seite 3 Zur weitergehenden Befassung mit der Thematik Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der LINKEN zur regulatorischen Kooperation im T TIP-Abkommen — BT-Drs. 18/4432 vom 25. März 2015 , The Transatlantic Trade and Investment Partnership and the Parliamentary Dimension of Regulatory Cooperation " , hrsg. von der Politischen Abteilung des Europäischen Parlaments , 2014 Böll-Stiftung TTIP Series: "Regulatory cooperation under TTIP — a risk for democracy and national regulation?", hrsg. von Christiane Gerstetter, Sept. 2014. EU-Kommission (Hrsg.), Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP): Detailed Explanation on the EU proposal for a Chapter on Regulatory Cooperation, Mai 2015 Textvorschlag der EU-Kommission zur regulatorischen Kooperation (PdF-Datei) (verfügbar unter: http://xvvvw.corporateeuropc.org/sites/default/files/attachments/ttiv-euregulatory -cgherence-draft-proposal•23.01.15.pdf) — miisste also jetzt auf der Das Werk ist zeit/ich vordem erläuternden Vorschlag der EU-Kommission erschienen Grundlage neuer Fakten umgeschrieben und berichtigt werden. vgl. etwa EuGH. Urt. v. 5.9.2012. Rat ./. EP - c-355/10. Verfasser/in;