© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 104/19 Einstellung der Zahlungen an das VN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA durch einige Geber-Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 104/19 Seite 2 Einstellung der Zahlungen an das VN-Flüchtlingshilfswerk UNRWA durch einige Geber-Staaten Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 104/19 Abschluss der Arbeit: 17. September 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 104/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Zahlungsstopp durch die USA 4 3. Vorläufiger Zahlungsstopp durch die Schweiz, Niederlande, Belgien und Neuseeland 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 104/19 Seite 4 1. Einleitung Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, UNRWA) unterstützt palästinensische Flüchtlinge seit der Erteilung des entsprechenden VN-Mandats im Jahr 1949.1 Es erbringt Leistungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale Dienste und Nothilfe für heute nahezu 5,4 Mio. palästinensische Flüchtlinge im Gazastreifen, Westjordanland (einschließlich Ost-Jerusalem), Jordanien, Libanon und Syrien. UNRWA finanziert sich zum überwiegenden Teil durch jährliche freiwillige Spenden von Staaten bzw. privaten Organisationen. Laut eigenen Angaben verfügte UNRWA 2018 über einen Gesamthaushalt von ca. 1,3 Mrd. US $.2 Die größten Geber-Staaten waren dabei die EU (ca. 179 Mio.), Deutschland (ca. 177 Mio.) und Saudi Arabien (ca. 160 Mio.). Weitere große Geber waren Großbritannien, Schweden, USA, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Kuwait und Japan mit Förderbeträgen von ca. 45 – 100 Mio.3 Für 2019 strebt UNRWA laut seinem Leiter, Generalkommissar Pierre Krähenbühl, einen Gesamthaushalt von ca. 1,2 Mrd. an.4 2. Zahlungsstopp durch die USA In den letzten Jahren leisteten die USA folgende Zahlungen an UNRWA: 2015 – ca. 380 Mio., 2016 – ca. 368 Mio., 2017 – ca. 364 Mio., 2018 – ca. 60 Mio.,5 2019 – 06. Mit den USA hat dabei der zuvor größte Geber seine Zahlungen im August 2018 komplett eingestellt . Die oben angegebenen ca. 60 Mio. waren bereits im Januar 2018 ausbezahlt. Als Begründung gab die außenpolitische Sprecherin Heather Nauert an, die USA empfänden ihre Zahlungen 1 UN General Assembly Resolution 302 (IV) vom 8. Dezember 1949, https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/0/AF5F909791DE7FB0852560E500687282, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 2 Weiter alle Angaben zu den jährlichen Fördergeldern in US $. 3 Vgl. UNRWA Gesamtjahresübersicht 2018, https://www.unrwa.org/sites/default/files/list_of_2018_pledges _by_all_donors.pdf, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 4 Rede von Pierre Krähenbühl vor der UNRWA Aufsichtskommission vom 18. Juni.2019, https://www.unrwa .org/newsroom/official-statements/statement-unrwa-commissioner-general-advisory-commission-2019, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 5 Vgl. zu den einzelnen jährlichen Förderbeiträgen der USA und anderer Geber-Staaten die entsprechenden UNRWA Jahresübersichten, https://www.unrwa.org/how-you-can-help/government-partners/fundingtrends /donor-charts, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 6 Schätzung nach der erfolgten Ankündigung des Zahlungsstopps. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 104/19 Seite 5 an UNRWA als unverhältnismäßig hoch. Die Zahl der Leistungsempfänger steige unverhältnismäßig an und ein solches Geschäftsmodell sei auf Dauer nicht tragbar. Die USA seien sich dabei der Auswirkungen des Zahlungsstopps auf hilfsbedürftige palästinensische Flüchtlinge bewusst und wollten im Dialog mit den Vereinten Nationen und anderen Akteuren nach neuen tragfähigeren Wegen suchen.7 Als Reaktion auf den Zahlungsstopp der USA im August 2018 haben die EU und Deutschland nach entsprechender Ankündigung8 an der humanitären Hilfe für die palästinensischen Flüchtlinge über UNRWA nicht nur festgehalten, sondern ihre Gelder substantiell aufgestockt: Deutschland 2015 – ca. 91 Mio., 2016 – ca. 73 Mio., 2017 – ca. 76 Mio., 2018 – ca. 177 Mio., 2019 – noch keine Daten; EU 2015 – ca. 137 Mio., 2016 – ca. 160 Mio., 2017 – ca. 143 Mio., 2018 – ca. 178 Mio., 2019 – noch keine Daten. 3. Vorläufiger Zahlungsstopp durch die Schweiz, Niederlande, Belgien und Neuseeland Die Schweiz gehörte in den letzten Jahren jeweils zu den 10 größten Geber-Staaten mit folgenden Zahlungen: 2015 – ca. 25 Mio., 2016 – ca. 28 Mio., 2017 – ca. 27 Mio., 2018 – ca. 28 Mio., 2019 – ca. 23 Mio. Die vorläufige Einstellung der Zahlungen durch die Schweiz im August 2019 erfolgte als Reaktion auf den in den internationalen Medien zitierten internen Ethikbericht der UNRWA. In diesem Bericht wurde den obersten Führungsfunktionären einschließlich des Generalkommissars 7 Stellungnahme von Heather Nauert vom 31. August 2018, https://translations.state.gov/2018/08/31/statementby -heather-nauert-on-u-s-assistance-to-unrwa/, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 8 Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 28. September 2019, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik /themen/humanitaere-hilfe/unrwa-zusage-new-york/2142062, (letzter Zugriff: 17. September 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 104/19 Seite 6 Pierre Krähenbühl Machtmissbrauch, Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen.9 Das schweizerische Außendepartement (EDA) erklärte, bis zum Abschluss der Untersuchungen keine weiteren Zahlungen an UNRWA tätigen zu wollen. Die Zahlungen für das Jahr 2019 waren jedoch bereits geflossen. 10 Der Außenminister der Schweiz, Ignazio Cassis hatte UNRWA bereits im August 2018 wegen mangelnder Integration der Flüchtlinge kritisiert, zugleich aber betont, dass UNRWA in der Region für eine gewisse Stabilität sorge und man mittelfristig über eine bessere Mittelverwendung nachdenken müsse. 11 Die Niederlande gehörten in den letzten Jahren ebenfalls jeweils zu den 10 größten Geber-Staaten mit folgenden Zahlungen: 2015 – ca. 21 Mio., 2016 – ca. 22 Mio., 2017 – ca. 22 Mio., 2018 – ca. 23 Mio., 2019 – noch keine Daten. Einen Tag nach dem vorläufigen Zahlungsstopp durch die Schweiz kündigte auch die niederländische Ministerin für Entwicklung und Zusammenarbeit Sigrid Kaag in einer Stellungnahme gegenüber dem Sender Al Jazeera an, die noch ausstehenden 14,5 Mio. für das Jahr 2019 bis zum Abschluss der Untersuchung und einer angemessenen Reaktion der VN darauf einzufrieren. Die Niederlande seien darüber hinaus in den Verhandlungen mit den anderen Geldgebern, um eine Reaktion auf die Untersuchungen abzustimmen. 12 Belgien gehörte in den letzten Jahren jeweils zu den 20 größten Geber-Staaten mit folgenden Zahlungen : 2015 – ca. 12 Mio., 2016 – ca. 15 Mio., 2017 – ca. 12 Mio., 2018 – ca. 15 Mio., 2019 – noch keine Daten. 9 Ian Williams, Al Jazeera News vom 29. Juli 2019 https://www.aljazeera.com/news/2019/07/ethics-report-accuses -unrwa-leadership-abuse-power-190726114701787.html, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 10 SRF News vom 30. Juli 2019, https://www.srf.ch/news/schweiz/unrwa-unter-druck-schweiz-stellt-zahlungenan -uno-palaestinenserhilfswerk-ein, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 11 Fabian Schäfer, Michael Surber, Neue Züricher Zeitung Digital vom 30. Juli 2019, https://www.nzz.ch/schweiz/schweiz-stellt-zahlungen-an-uno-palaestinenserhilfswerk-vorlaeufig-einld .1499020?fbclid=IwAR0pyTWGtcT8BaQyiiGzgdqDcsFb2FL9j7gtSOfEYXlb0Y9D3181A_O1tBk, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 12 Al Jazeera News vom 1. August 2019, https://www.aljazeera.com/news/2019/07/netherlands-switzerland-suspend -unrwa-funding-ethics-report-190731074050968.html, (letzter Zugriff: 17. September 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 104/19 Seite 7 Kürzlich meldete sich auch die Israelische Botschaft in Belgien per Twitter und zitierte dabei den Belgischen Minister für Finanzen und Entwicklungszusammenarbeit Alexander De Croo, der den Sachverhalt als vollkommen unakzeptabel bezeichnete, sollten sich die Vorwürfe gegen die Führung von UNRWA als wahr herausstellen. Die Geldbeiträge von Belgien an UNRWA wurden daher ebenfalls vorläufig eingestellt.13 Neuseeland gehörte in den letzten Jahren zu den kleineren Geber-Staaten, stockte seine Zahlungen jedoch seit 2018 deutlich auf: 2015 – ca. 0,7 Mio., 2016 – ca. 0,7 Mio., 2017 – ca. 0,7 Mio., 2018 – ca. 2,7 Mio., 2019 – ca. 2,5 Mio. Schließlich folgte auch eine Ankündigung des Israel Institute of New Zeeland, einer neuseeländischen Denkfabrik, wonach Neuseeland ebenfalls dem Beispiel der oben genannten Länder folgen und die Zahlungen an UNRWA bis zum Abschluss der Untersuchungen und Vorlage eines aussagekräftigen Berichtes einfrieren werde. Diese Aussage wurde jedoch von dem Ministerium für Auswärtiges und Handeln von Neuseeland insoweit revidiert, als ohnehin keine Zahlungen an UNRWA bis März 2020 geplant seien und die Entscheidung über weitere Zahlungen daher nach Auswertung des Untersuchungsberichtes getroffen werden könne.14 Die oben genannten Vorwürfe werden zurzeit von dem Office of Internal Oversight Services (OIOS), einer speziellen Kommission der VN untersucht. UNRWA hat wegen laufender Ermittlungen bisher auf inhaltliche Stellungnahme verzichtet und ihre umfassende Kooperationsbereitschaft bei den Ermittlungen zugesichert.15 Abschließend ist anzumerken, dass die Liste der oben genannten Geber-Staaten eine Momentaufnahme darstellt und gegenwärtig noch nicht abzusehen ist, ob weitere Geber-Staaten dem Beispiel folgen und ihre Zahlungen bereits vor der Vorlage des Untersuchungsberichtes der OIOS vorläufig einstellen könnten. *** 13 Tovah Lazaroff, The Jerusalem Post vom 4. August 2019, https://www.jpost.com/Middle-East/Belgium-suspends -UNRWA-funds-following-reports-of-ethical-misconduct-597561, (letzter Zugriff: 17. September 2019). 14 Alex Winston, The Jerusalem Post vom 27. August 2019, https://www.jpost.com/Middle-East/New-Zealandsuspends -funding-to-UNRWA-NGO-says-599719; IINZ News vom 27. August 2019, https://israelinstitute .nz/2019/08/confusion-at-mfat-over-unrwa-funding/ (letzter Zugriff jeweils: 17. September 2019). 15 UNRWA Stellungnahme vom 1. August 2019, https://www.unrwa.org/newsroom/official-statements/unrwaoperations -support-hope-and-dignity-palestine-refugees-continues, (letzter Zugriff: 17. September 2019).