© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 103/18 Einrichtung von SAR-Zonen und Seenotrettungsleitstellen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 2 Einrichtung von SAR-Zonen und Seenotrettungsleitstellen Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 103/18 Abschluss der Arbeit: 13. Juli 2018 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Einrichtung einer SAR-Zone 4 3. Einrichtung einer Seenotrettungsleitstelle 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 4 1. Einleitung Das Übereinkommen über Seenotrettung von 1979 (Convention on Maritime Search and Rescue, SAR-Konvention)1 regelt die zwischenstaatliche, koordinierte Rettung von in Seenot geratenen Personen in Gebieten außerhalb des Küstenmeers eines Staates (insbesondere in der Ausschließlichen Wirtschaftszone und auf Hoher See). Die Vertragsstaaten haben sich u.a. in Art. 2.1 des Annexes der SAR-Konvention dazu verpflichtet , in Abstimmung mit ihren Anrainerstaaten sog. SAR-Zonen2 einzurichten und gegenüber dem Generalsekretär der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization , IMO) zu notifizieren (siehe im Detail unten 2.). Ziel der Bestimmung ist es, die Pflicht zur Seenotrettung aus Art. 98 des VN-Seerechtsübereinkommens zwischen Staaten möglichst flächendeckend und effektiv zu organisieren.3 Ferner sind die Vertragsstaaten nach Art. 2.3 des Annexes der SAR-Konvention verpflichtet, für die jeweilige SAR-Zone eine nationale Rettungsleitstelle (Maritime Rescue Coordination Centre, MRCC) einzurichten. Diese Verpflichtung steht allerdings im eigenen Ermessen der Vertragsstaaten (siehe im Detail unten 3.). 2. Einrichtung einer SAR-Zone Die SAR-Konvention gibt keine inhaltlichen Anforderungen vor, die erfüllt sein müssen, um eine SAR-Zone einzurichten und beim Generalsekretär der IMO zu notifizieren. Sie legt lediglich in Art. 2.1.4 ihres Annexes fest, dass sich Anrainerstaaten über die exakten Ausmaße der jeweiligen SAR-Zone einigen sollen. Sollten die betroffenen Staaten hierüber keine Einigung erzielen können , so sollen sie nach Art. 2.1.5 des Annexes der SAR-Konvention gütlich angemessene Arrangements treffen, über die eine Seenotrettung in den umstrittenen Gebieten sichergestellt ist. Damit soll eine Abdeckung auch umstrittener Gebiete garantiert werden. Dabei lässt die Bestimmung der SAR-Zonen die Frage nach den Grenzen der Staatsgebiete unberührt. Das International Aeronautical and Maritime Search and Rescue Manual (IAMSAR Manual), das 2016 von der IMO herausgegeben wurde, soll Staaten bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus der SAR-Konvention anleiten. Es stellt rechtlich unverbindliche Richtlinien zur Organisation und Durchführung von SAR-Services bereit, die auf die Optimierung der einzurichtenden An- 1 Übereinkommen über Seenotrettung (unterzeichnet am 27. April 1979, in Kraft getreten am 22. Juni 1985), U.N.T.S., Vol. 1405, S. 118, in der abgeänderten Fassung von 2004 (siehe BGBl., Teil II, S. 782). 2 SAR-Zonen stellen keine nach dem SRÜ festgelegten, völkerrechtlichen Meereszonen dar. Sie unterliegen damit je nach dem Standort des betreffenden Schiffes oder Bootes (Küstenmeer, AWZ oder hohe See) dem Rechtsregime des SRÜ. 3 Zur weltweiten Aufteilung der SAR-Zonen siehe: https://sarcontacts.info/; IMO, „Availability of Search and Rescue (SAR) Services“ (1. Dezember 2012), Dok.-Nr. SAR.8/Circ.4, verfügbar unter: http://www.ubak.gov.tr/ BLSM_WIYS/AAKKM/tr/pdf/20140310_110828_77857_1_79302.pdf (jeweils zuletzt aufgerufen am 2. Juli 2018). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 5 lagen und Services gerichtet ist.4 Dennoch setzt das Manual keine rechtlichen Maßstäbe hinsichtlich der Verpflichtungen der Vertragsstaaten der SAR-Konvention. Das IAMSAR Manual beschreibt, dass eine SAR-Zone ein bestimmtes Gebiet ist, in dem SAR- Services geleistet werden und welches grundsätzlich mit einer Seenotrettungsleitstelle assoziiert sein soll.5 Maritime SAR-Zonen werden im IMO SAR Plan veröffentlicht. Ziel ist es, die Hauptverantwortlichkeit für die Koordinierung von Seenotrettungen in einem bestimmten Gebiet festzulegen . Für die bessere praktische Handhabung sollen sich Staaten bei der Grenzziehung möglichst auf gerade Linien einigen, die von Nord nach Süd oder von Ost nach West zwischen gut definierbaren geographischen Punkten verlaufen.6 SAR-Zonen sollen zusammenhängen und, soweit praktisch möglich, nicht überlappen.7 Einmal definierte SAR-Zonen können im Einvernehmen der betroffenen Staaten auch verändert bzw. angepasst werden, wenn dies zu effizienteren oder effektiveren Rettungseinsätzen führen würde.8 Das Einvernehmen kann zwischen den Staaten auf formellem oder informellem Wege zustande kommen. In der Praxis können die Grenzen einer bestimmten SAR-Zone im Rahmen eines IMO SAR-Workshops vorläufig festgelegt und nachträglich genehmigt werden.9 Die so definierten Zonen sollen nicht als Hindernisse für die Rettung von Personen in Seenot verkannt werden. Daher soll jede Einrichtung innerhalb einer SAR-Organisation auf Notsituationen reagieren, wo und wann immer sie hierzu in der Lage ist.10 Im Juli 2017 hat Libyen erstmals eine SAR-Zone gegenüber der IMO notifiziert, welche mit der Tripoli Flight Information Region korrespondierte.11 Diese Mitteilung wurde später durch die Angabe exakter geographischer Koordinaten ergänzt.12 Am 10. Dezember 2017 zog Libyen die Notifizierung allerdings aus unbekannten Gründen zurück.13 2017 beauftragte Italien zudem eine 4 Siehe auch die Liste von Dokumenten mit Relevanz für die internationale Seenotrettung: IMO, „Documents of Relevance to SAR“ (3. Februar 2017), verfügbar unter: http://www.imo.org/en/OurWork/Safety/RadioCommunications AndSearchAndRescue/SearchAndRescue/Pages/IMO-documents-relevant-to-SAR.aspx (zuletzt aufgerufen am 11. Juli 2018). 5 IMO, IAMSAR Manual (IMO, London, 2016), Bd. I: Organization and Management, S. 2-8. 6 Ibid., S. 2-8. 7 Ibid. 8 Ibid., S. 2-9. 9 Ibid. 10 Ibid. 11 Antwort des EU-Kommissars Avramopoulos auf eine Parlamentarische Anfrage (26. April 2018), EU-Dok. Nr. E- 000547/2018, verfügbar unter: http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=E-2018- 000547&language=EN (zuletzt aufgerufen am 12. Juli 2018). 12 Ibid. 13 Sachstand, „Seenotrettung im Mittelmeer: Rechte und Pflichten von Schiffen nach der SAR-Konvention und Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 6 Machbarkeitsstudie zur Errichtung einer libyschen SAR-Zone, die von der EU gesponsert wird und in Abstimmung mit den Nachbarstaaten Libyens und in Übereinstimmung mit internationalem Seerecht eine SAR-Zone identifizieren soll.14 Eine Seenotrettungsleitstelle soll in Tripolis errichtet werden.15 Weder die konkreten Koordinaten der libyschen SAR-Zone noch Kontaktdaten der Seenotrettungsleitstelle konnten im Rahmen der Recherchen zu diesem Sachstand ermittelt werden.16 3. Einrichtung einer Seenotrettungsleitstelle Die SAR-Konvention stellt die Einrichtung einer Seenotrettungsleitstelle in das pflichtgemäße Ermessen eines jeden Vertragsstaates. So heißt es in Art. 2.3.1 des Annexes der SAR-Konvention: „To meet the requirements of paragraphs 2.2.1 and 2.2.2 Parties shall establish rescue co-operation centres for their search and rescue services (…) as they consider appropriate”. Dass nicht jeder Staat eine eigene Rettungsleitstelle betreiben muss, bestätigt auch das IAMSAR Manual. Hiernach können Staaten anstelle dessen Kooperationsabkommen mit anderen Staaten abschließen, um gemeinsame Rettungsleitstellen (rescue sub-centres) zu schaffen, die in einem Staat liegen und von einem anderen oder beiden Staaten gemeinsam betrieben werden.17 Dadurch kann – insbesondere im Falle von Staaten mit sehr begrenzten Ressourcen – eine Doppelung von Aufwand und Einrichtungen vermieden und Kosten für Ausbildung, Training wie auch den Unterhalt mehrerer Leitstellen konsolidiert werden.18 Wenn ein Staat sein Ermessen dahingehend ausübt, ein eigenes MRCC einzurichten, muss dieses gemäß Art. 2.3.3 des Annexes der SAR-Konvention mit adäquaten Mitteln zur Kommunikation (etwa mit Anrainerstaaten) und insbesondere zum Empfang von Notrufen ausgestattet sein.19 Das IAMSAR Manual konkretisiert die Anforderungen an die Ausstattung einer Seenotrettungsleitstelle wie folgt (die völkerrechtlich verbindliche SAR-Konvention trifft hierzu keine Vorga- Ausprägungen des Refoulement-Verbots auf Hoher See“ (13. Februar 2018), WD 2 - 3000 - 013/18, S. 4, m.w.N. 14 Feasibility Study on the Libyan Maritime Rescue Coordination Centre Project. 15 EU, „Assessment of the Libyan Coast Guard Legal Framework and Capability in Terms of SAR Services“ (10. Oktober 2018), EU-Dok. Nr. HOME/2016/ISFB/AG/EMAS/0051, verfügbar unter: https://www.guardiacostiera .gov.it/stampa/Documents/2017-10-10-varsavia.pdf (zuletzt aufgerufen am 12. Juli 2018). 16 SAR Contacts, verfügbar unter: https://sarcontacts.info/srrs/ly_srr/ (zuletzt aufgerufen am 12. Juli 2018). 17 IMO, IAMSAR Manual (Fn. 5), S. 2-4. 18 Ibid., S. 5-1. 19 Siehe auch IMO, “Guidance on Minimum Communication Needs of Maritime Rescue Co-ordination Centres (MRCCs)” (28. Februar 2005), COMSAR/Circ.37. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 7 ben). Eine Seenotrettungsleitstelle ist hiernach eine betriebsbereite Einrichtung, die für eine effiziente Organisation von SAR-Services ebenso zuständig ist wie für die Koordinierung einzelner Rettungsoperationen innerhalb ihrer SAR-Zone.20 Sie sollte an einem Ort angesiedelt werden, von wo aus sie ihre Funktion effektiv erfüllen kann. Hierfür können bestehende Einrichtungen der Kommunikation, Verteidigung, Rechtsdurchsetzung sowie Luft- und Schifffahrt zu sog. Joint Rescue Cooperation Centres zusammengelegt werden.21 Da diese Einrichtungen bereits ähnliche Aufgaben wahrnehmen, kann deren Aufgabenspektrum auf die Seenotrettung erweitert werden, wenn und soweit zusätzliche personelle und räumliche Ausstattung bereitgestellt wird.22 Bezüglich der Einrichtung von Seenotrettungs-Kapazitäten stellt das IAMSAR Manual fest, dass jede SAR-Zone Eigentümlichkeiten im Hinblick auf Transportmöglichkeiten, Klimaverhältnisse, Topographie sowie physikalischer Charakteristika aufweist.23 Da unterschiedliche lokale Faktoren unterschiedliche lokale Problemlagen mit sich bringen, könne auch die SAR-Konvention keine Vorgaben über die konkrete Art und Ausgestaltung von Serviceeinrichtungen, Anlagen, Ausrüstung und Personalbestand machen.24 Nach dem IAMSAR Manual sind die Hauptkomponenten eines funktionierenden SAR-Services: - zeitlich durchgehende Kommunikationsfähigkeiten innerhalb der SAR-Zone sowie mit externen SAR-Services, - eine Seenotrettungsleitstelle zum Zwecke der Koordination von SAR-Services, - soweit erforderlich, ein oder mehrere untergeordnete Rettungsstellen (rescue sub-centre) zur Unterstützung der Seenotrettungsleitstelle, - SAR-Einrichtungen, einschließlich search and rescue units mit spezialisierter Ausrüstung und geschultem Personal, - Medizinische Ausrüstung sowie medizinische Versorgungs- und Evakuierungsmöglichkeiten , - für den Bedarfsfall designierte On-Scene-Koordinatoren zur Koordinierung aller beteiligten Einheiten, und - Einheiten, die bei Rettungsoperationen Unterstützung leisten.25 Ferner sollte nach Ansicht der IMO jede Seenotrettungsleitstelle mit folgenden Fähigkeiten ausgestattet sein: 26 20 IMO, IAMSAR Manual (Fn. 5), S. 2-3. 21 Ibid., S. 2-4. 22 Ibid. 23 Ibid., S. 2-1. 24 Ibid. 25 Ibid. 26 Ibid., S. 2-5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 8 Required Desired - 24-hour availability - trained persons - persons with a working knowledge of the English language - charts which apply to the [Search and Rescue Region] (aeronautical, nautical, topographic and hydrographic) - means of plotting - ability to receive distress alerts, e.g., from [Mission Control Centres], CESs etc. - immediate communications with: - associated [Air Traffic Services] units - associated [Rescue Sub-Centres] - [Direction Finding] and position-fixing stations - associated [Coast Radio Stations] - rapid and reliable communications with: - Parent agencies of [Search and Rescue Units] - adjacent [Regional Cooperation Centres ] - designated meteorological offices - employed [Search and Rescue Units] - alerting posts - plans of operation - ability to coordinate provision of medical advice - ability to coordinate provision of medical assistance or evaluation - wall chart depicting [Search and Rescue Regions], [Search and Rescue Sub- Regions] and neighboring [Search and Rescue Regions], Search and Rescue Resources - computer resources - databases - vessel tracking information including [Automatic Identification System], [Longrange Identification Tracking], [Vessel Monitoring System] and [Ship Reporting System] Die konkrete Ausstattung einer Seenotrettungsleitstelle wird dabei immer anhand der individuell erwartbaren Notsituationen in der jeweiligen SAR-Zone zu bestimmen sein. Da Art. 5.12.2 des Annexes der SAR-Konvention bestimmt, dass den Seenotrettungseinheiten auch eine medizinische Evakuierung von in Seenot geratenen Personen ermöglicht werden muss, sollen die Seenotrettungsleitstellen Verbindungen zu den Maritime Telemedical Assistance Services herstellen, um rund um die Uhr auf verfügbares medizinisches Personal zurückgreifen zu können.27 Außerdem sollte das nationale Recht derart ausgestaltet werden, dass die Kompetenzen der Behörden an Land (etwa Regionalregierungen oder Polizeibehörden) komplementär zu denjenigen 27 Ibid., S. 2-10. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 103/18 Seite 9 Kompetenzen der Rettungsleitstellen zu See sind.28 Insofern sollen sich Kompetenzen ergänzen und nicht gegenseitig behindern. *** 28 Ibid.