Deutscher Bundestag Die Positionen der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen zu den Beziehungen zu Namibia Dokumentation Wissenschaftliche Dienste WD 2 – 3000 – 103/13 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 – 3000 – 103/13 Seite 2 Die Positionen der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen zu den Beziehungen zu Namibia Verfasser: Aktenzeichen: WD 2 – 3000 – 103/13 Abschluss der Arbeit: 13. Dezember 2013 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 – 3000 – 103/13 Seite 3 Fraktionsübergreifend bestand und besteht Konsens im Deutschen Bundestag, dass sich Deutschland der besonderen historischen und moralischen Verantwortung für Namibia verpflichtet fühlt. Mit der „Namibia-Entschließung“ des Deutschen Bundestages vom 16. März 1989 (Anlage 1) wurde noch vor offizieller Erlangung der Unabhängigkeit Namibias im Sinne der VN-Resolution 435 ein eindeutiges Zeichen der besonderen Verantwortung zum Ausdruck gebracht. Kerninhalt der Entschließung ist die Stärkung bilateraler Zusammenarbeit, insbesondere im Bereich der Entwicklung als tragende Säule. Die Entschließung von März 1989 beinhaltete unter anderem, die wirtschaftlichen Grundlagen Namibias zu erhalten und auszubauen, eine konsequente Menschenrechtspolitik fortzusetzen, die Kontakte und Gespräche aller politischen Kräfte Namibias zu fördern und damit den Unabhängigkeitsprozess zu unterstützen. Ebenso sollte die Entschließung die Grundlagen für eine wirtschaftliche, entwicklungspolitische und kulturpolitische Zusammenarbeit legen, wobei Namibia ein besonderer Schwerpunkt deutscher Entwicklungszusammenarbeit werden sollte. Die Deutsprachigen in Namibia wurden in der Entschließung aufgefordert , den Unabhängigkeitsprozess konstruktiv mitzugestalten und mitzutragen. Der Deutsche Bundestag verpflichtete sich, sich für die als berechtigt erachteten Interessen der deutschsprachigen Minderheit einzusetzen. Die Entschließung wurde von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und der SPD getragen. Die Fraktion „Die Grünen“ enthielt sich der Stimme. Mit ihrem Änderungsantrag (Anlage 2) ging es ihr unter anderem darum, die Besetzung Namibias durch Südafrika als völkerrechtswidrig zu benennen. Banken und Unternehmen, die sich widerrechtlich an der Ausbeutung namibischer Ressourcen beteiligt haben, sollten eine angemessene Entschädigung an die künftige unabhängige Regierung Namibias leisten.1 Mit dem Änderungsantrag verband die Fraktion zudem die Aufforderung an die Deutschsprachigen in Namibia, eigene Privilegien hinter das Gemeinwohl Namibias zurückzustellen. Als sich im Jahr 2004 zum 100. Mal der Beginn der Niederschlagung der Aufstände im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika jährte, nahmen dies die Fraktionen der SPD und von Bündnis 90 / Die Grünen zum Anlass, am 16. Juni 2004 einen Entschließungsantrag zum Gedenken an die Opfer des Kolonialkrieges im damaligen Deutsch-Südwestafrika einzubringen. (Anlage 4) Die Bundesregierung wurde in dem Antrag aufgefordert, die bilateralen Beziehungen zu vertiefen und die Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia auf hohem Niveau weiter zu führen. Wenngleich die Fraktionen von CDU/CSU und FDP den Inhalt dieses Antrags weitestgehend befürworteten, enthielten sie sich der Stimme. Begründet wurde dies insbesondere mit formalen Gründen der Einbringung des Antrags. Außerdem vertrat die CDU/CSU-Fraktion die Auffassung, dass ein Erinnern an die Geschichte nur dann sinnvoll sei, wenn Afrika deutlicher in die europäische Politik eingebunden und ein Afrika des 21. Jahrhunderts zu einem „Produkt der Afrikaner“ werde. In der Plenardebatte vom 17. Juni 2004 betonte die SPD-Fraktion die Wichtigkeit der Intensivierung des politischen Dialogs und regte an, ihn auch auf Ebene des Parlaments zu verstärken und weiterzuführen . (Anlage 5) Auch die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen forderte im Jahr 2008 einen breit angelegten ergebnisoffenen Dialog auf Ebene des Parlaments zur Aufarbeitung der Vergangenheit , aus dem dann gemeinsame Initiativen zur Versöhnung erwachsen könnten. Aus der schriftlichen Anfrage der Abgeordneten Yvonne Ploetz (Die Linke) vom 14. Oktober 2011 (Anlage 6) wird erkennbar, dass die Fraktion Die Linke die Massaker u.a. an den Herero und den Nama von der Bundesregierung offiziell als Völkermord anerkennen lassen möchte und außer 1 siehe auch BT-Plenarprotokoll 11/134 vom 16. März 1989, Rede MdB Dr. Helmut Lippelt (Hannover), S. 9938 bis 9939). (Anlage 3) Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 – 3000 – 103/13 Seite 4 einer offiziellen Entschuldigung seitens Deutschlands auch Entschädigungszahlungen vorsieht. Hinsichtlich der Anerkennung des Begriffs „Völkermord“ haben die Fraktionen von CDU/CSU und FDP stets darauf hingewiesen, dass die VN-Konvention vom 9. Dezember 1948 über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes für die Bundesrepublik Deutschland am 22. Februar 1955 in Kraft getreten ist und daher nicht rückwirkend gelte. Im August 2004 hatte die seinerzeitige Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), während einer Gedenkfeier in Namibia bei den Nachkommen der Herero und Nama um Entschuldigung für den Völkermord gebeten, woraufhin allerdings vom damaligen Außenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/ Die Grünen) erklärt worden war, es handele sich um eine private Äußerung, wohl weil die Aussage Entschädigungsansprüche gegenüber Deutschland nach sich ziehen könnte. Die Fraktionen von CDU/CSU und FDP haben in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass kein Anlass für die Thematisierung von Entschädigungszahlungen gesehen werde. Vielmehr konzentriere man sich insbesondere auf die bereits oben erwähnte im Jahr 2007 mit Namibia vereinbarte „Sonderinitiative“. Auch mit Antrag der Fraktion Die Linke vom 29. Februar 2012 (Anlage 7) wurde moniert, dass der Völkermord an den Stämmen u.a. der Herero und Nama bis heute nicht als solcher anerkannt oder entschädigt wurde. Nach Auffassung der Fraktion solle der Deutsche Bundestag daher der namibischen Nationalversammlung einen Dialog auf parlamentarischer Ebene vorschlagen, bei dem auch die Entschädigungsfrage angesprochen werden könnte. Außerdem wurde von der Fraktion Die Linke die Gründung einer deutsch-namibischen Parlamentariergruppe vorgeschlagen. Mit dem Antrag wurde zudem die Einrichtung eines Fonds oder einer Stiftung unter Beteiligung der Unternehmen, die während der Kolonialzeit von Zwangsarbeit und Enteignung der betreffenden Stämme profitiert haben, außerdem die Rückführung von menschlichen Überresten und Kulturgütern, die aus der Kolonialzeit stammen, sowie die Gründung einer Stiftung auf nationaler Ebene mit dem Ziel, das Bewusstsein über Kolonialismus und die deutsche Kolonialvergangenheit zu stärken, verbunden. Weiterhin sah der Antrag die Einrichtung einer deutschnamibischen Schulbuchkommission nach Vorbild der deutsch-polnischen Schulbuchkommission vor und forderte schließlich, in den Lehrplänen an deutschen Schulen solle ein stärkerer Fokus auf die deutsche Kolonialvergangenheit gelegt werden. Zu ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen erklärte die Bundesregierung , dass Entschädigungszahlungen in Form von Fonds oder Stiftungen nicht geplant seien und verwies nochmals auf die „Versöhnungsinitiative“. (Anlage 8) Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen forderten in ihrem Antrag vom 20. März 2012 die Bundesregierung auf, die Bemühungen Namibias um Aufnahme in den VN- Menschenrechtsrat aktiv zu unterstützen und die Beziehungen zu Namibia auch auf Ebene der Vereinten Nationen weiter zu intensivieren und voranzutreiben. Hinsichtlich der Versöhnungsinititative wurde u.a gefordert, diese aufzustocken und die bisherigen Ergebnisse einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Ebenso wie die Fraktion Die Linke forderten auch die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen die in Deutschland befindlichen Gebeine von Opfern der Hereo, Nama und Damara unter würdigen Umständen nach Namibia zurückzuführen und außerdem sicherzustellen, dass die während der Kolonialzeit im ehemaligen Deutsch- Südwestafrika geraubten Kulturgüter identifiziert und Angebote zur Rückgabe unterbreitet werden . Die Bundesregierung solle prüfen, ob auf Bundesebene eine Stiftung initiiert und im Schulunterricht ein stärkeres Gewicht auf die Behandlung der deutschen Kolonialvergangenheit gelegt werden könne. (Anlage 9) Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen forderten mit ihrem Antrag im Gegensatz zum Antrag der Fraktion Die Linke jedoch keine formellen Wieder- Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 2 – 3000 – 103/13 Seite 5 gutmachungs- oder Entschädigungszahlungen. Ausdrücklich wies die frühere Bundesministerin Wieczorek-Zeul während einer Aussprache im Plenum darauf hin, dass es den beteiligten Gruppen in Namibia nicht um Reparationszahlungen oder finanzielle Wiedergutmachung gehe. (Anlage 10) Obwohl die Fraktion der SPD und von Bündnis 90/ Die Grünen in ihrem Antrag gefordert hatten, dass Deutschland den Völkermord in Namibia auch als solchen bezeichnen müsse und dieser Umstand nicht mit formaljuristischen Argumenten verweigert werden dürfe, lehnte die Fraktion Die Linke den Antrag von SPD und Grünen mit der Begründung ab, der Antrag klammere tatsächliche Wiedergutmachungsleistungen aus und vermische sich unzulässigerweise mit der Entwicklungszusammenarbeit. Die FDP-Fraktion wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Definition des Begriffs „Völkermord“ keine Frage der Fraktionszugehörigkeit sei. Vielmehr hätten alle bisherigen Bundesregierungen an ihrer Wortwahl und völkerrechtlichen Einschätzung festgehalten. Im Rahmen der Zukunftsfragen sollte Deutschland sich dafür einsetzen , dass die Visapraxis für namibische Staatsbürger verbessert werde. Ebenso setzte sich die FDP-Fraktion dafür ein, dass zumindest in der 18. Wahlperiode eine Deutsch-Namibische Parlamentariergruppe eingesetzt werde.