© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 097/19 Völkerrechtsfragen im Zusammenhang mit der Wiener Nuklearvereinbarung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 2 Völkerrechtsfragen im Zusammenhang mit der Wiener Nuklearvereinbarung Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 097/19 Abschluss der Arbeit: 22. Juli 2019 (zugleich letzter Zugriff auf die Internetquellen) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Aufkündigung der Nuklearvereinbarung 4 1.1. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Nuklearvereinbarung mit dem Iran 4 1.2. Regelung in der Resolution 2231 (2015) hinsichtlich der Aufhebung von Iran-Sanktionen 5 1.3. Möglicher Verstoß des Irans gegen Verpflichtungen aus dem JCPOA als Beendigungsgrund 7 1.4. Denkbare Aufhebung der Resolution 2231 (2015) zur Beendigung des JCPOA 8 1.5. Aufkündigung der Nuklearvereinbarung nach den allgemeinen Vorschriften zur Vertragsbeendigung im Völkerrecht 8 2. Völkerrechtliches Verbot der Anwendung von und Drohung mit Gewalt 9 2.1. Rechtsgrundlagen 9 2.2. Drohungen der US-Regierung gegen den Iran 11 3. Völkerrechtliche Zulässigkeit einseitiger Wirtschaftssanktionen 12 3.1. ILC-Artikelentwürfe zur Staatenverantwortlichkeit 13 3.2. Verhältnismäßigkeitserwägungen 13 3.3. Rechtsprechung des IGH 15 3.4. Menschenrechtliche Grenzen 15 3.4.1. Resolution 34/13 des VN-Menschenrechtsrats 15 3.4.2. Stellungnahme des VN-Sonderberichterstatters über die negativen Folgen einseitiger Zwangsmaßnahmen 16 3.4.3. Allgemeine Bemerkung des VN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 17 4. Völkerrechtlich zulässige Wirkungen einseitiger Wirtschaftssanktionen auf Drittstaaten 18 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 4 1. Aufkündigung der Nuklearvereinbarung Die Auftraggeber fragen nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit der Aufkündigung der Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm durch die Vereinigten Staaten. Diese Vereinbarung wurde zwischen Iran, den ständigen Mitgliedern des VN-Sicherheitsrats (China, Frankreich, Russland, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten), Deutschland und der Europäischen Union getroffen.1 Ihr Kernstück ist der „Gemeinsame umfassende Aktionsplan“ (JCPOA). Durch Resolution des VN-Sicherheitsrats 2231 (2015), deren integraler Bestandteil der JCPOA als Anlage zur Resolution geworden ist, wurde der JCPOA völkerrechtlich verbindlich.2 Im Mai 2018 erklärten die Vereinigten Staaten ihren Rückzug aus der Vereinbarung.3 In Reaktion auf die wieder in Kraft gesetzten Sanktionen kündigte die iranische Regierung im Mai 2019 an, einzelne Verpflichtungen der Nuklearvereinbarung schrittweise nicht mehr einzuhalten. 1.1. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Nuklearvereinbarung mit dem Iran Die Nuklearvereinbarung einschließlich des JCPOA ist kein verbindlicher völkerrechtlicher Vertrag im Sinne des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge,4 sondern lediglich eine politisch bindende Vereinbarung zwischen den o.g. Staaten und der EU. Zwar werden in Presseberichten die Nuklearvereinbarung bzw. der JCPOA oft als Vertrag oder Abkommen bezeichnet,5 dies entspricht jedoch nicht ihrer Rechtsnatur aus völkerrechtlicher Sicht. Der Text des JCPOA ist insofern eindeutig, u.a. da er von freiwilligen Maßnahmen spricht.6 Soweit bekannt, wurde die Nuklearvereinbarung von keiner ihrer staatlichen Parteien dem förmlichen Verfahren unter- 1 Joint Comprehensive Plan of Action, Vienna, 14 July 2915, http://eeas.europa.eu/archives/docs/statementseeas /docs/iran_agreement/iran_joint-comprehensive-plan-of-action_en.pdf. Anhänge und weitere Materialien stellt der Europäische Rat auf seiner Webseite zur Verfügung, siehe https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/iran/jcpoa-restrictive-measures/. Zu Inhalt und Verhandlungsgeschichte im Einzelnen siehe Auswärtiges Amt, Die Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm, 28. Juni 2019, https://www.auswaertigesamt .de/de/aussenpolitik/regionaleschwerpunkte/nahermittlererosten/wiener-nuklearvereinbarungatomprogramm -iran/202458. 2 Resolution des VN-Sicherheitsrats 2231 (2015), S/RES/2231 (2015), 25. Juni 2015, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_15/sr2231.pdf. 3 Vgl. hierzu bereits WD 2-3000-074-18, Völkerrechtliche Bewertung der Aufkündigung des Iran- Nuklearabkommens durch die US-Administration, 5. Juni 2018, https://www.bundestag.de/resource/blob/563348/e50a08010717c3e740ca75502deedb07/wd-2-074-18-pdfdata .pdf. Kap. 1 des vorliegenden Gutachtens ist eine nur unwesentlich bearbeitete Wiedergabe dieses Gutachtens . 4 Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge, BGBl. 1985 (Teil II), 13. August 1985, S. 926 ff. https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl285s0926.pdf%27% 5D__1562854307849. 5 Statt vieler: Stefan Kornelius, Iran handelt, als hätte das Land nichts mehr zu verlieren, in: SZ vom 18. Juni 2019, https://www.sueddeutsche.de/politik/iran-usa-atomstreit-1.4489218. 6 Siehe JCPOA, Einleitungssatz des operativen Teils der Nuklearvereinbarung (S. 6): „Iran and E3/EU+3 will take the following voluntary measures“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 5 zogen, das für die Ratifikation völkerrechtlicher Verträge in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen gilt. Das US-Außenministerium dokumentierte von Anfang an seine Rechtsauffassung, dass die Nuklearvereinbarung kein völkerrechtlicher Vertrag sei und sie lediglich politische Versprechen beinhalte .7 Für sich allein genommen, war die Nuklearvereinbarung einschließlich des JCPOA daher ursprünglich völkerrechtlich nicht verbindlich. Der JCPOA sieht eine Annahme durch den VN-Sicherheitsrat vor, wodurch die in Wien getroffene Nuklearvereinbarung rechtlich verbindlich gemacht werden sollte.8 Wie eingangs erwähnt, ist der JCPOA nunmehr als Bestandteil der Resolution 2231 (2015) mit dieser fest verknüpft.9 In der genannten Resolution beruft sich der VN-Sicherheitsrat ausdrücklich auf seine Befugnis zu rechtsverbindlichem Handeln nach Art. 41 VN-Charta und auf die bindende Wirkung seiner Beschlüsse gemäß Art. 25 VN-Charta. Durch diese spezifische rechtliche Konstruktion wurde der JCPOA, der ursprünglich nur eine politische Vereinbarung zwischen den o.g. Parteien war, für alle VN-Mitgliedstaaten völkerrechtlich verbindlich. Im Ergebnis ist der JCPOA kein völkerrechtlicher Vertrag, da es am Rechtsbindungswillen der Beteiligten fehlt. Vielmehr handelt es um eine politische Absichtserklärung, die „gegenseitige Verpflichtungen“ („reciprocal commitments“) enthält. Diese wurden von vorherein mit der Erwartung verbunden, in eine Resolution des VN-Sicherheitsrats inkorporiert zu werden. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die VN Mitgliedstaaten sich in Art. 25 VN-Charta dazu verpflichtet haben, Entscheidungen des VN-Sicherheitsrats umzusetzen. 1.2. Regelung in der Resolution 2231 (2015) hinsichtlich der Aufhebung von Iran-Sanktionen Ob die Vereinigten Staaten mit ihrem einseitigen Wieder-in-Kraft-Setzen des US- Sanktionsregimes gegen das Völkerrecht verstoßen haben, hängt zunächst davon ab, inwieweit die Aufhebung unilateraler US-Sanktionen verbindlich gewesen ist. Dabei ist zu beachten, dass nur diejenigen Bestimmungen des JCPOA völkerrechtlich verpflichtend sind, die auch in der Resolution 2231 (2015) als verbindlich formuliert worden sind. 7 Vgl. den Brief des US-Außenministeriums an den damaligen Kongressabgeordneten Mike Pompeo vom 19. November 2015: „The Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA) is not a treaty or an executive agreement, and is not a signed document. The JCPOA reflects political commitments between Iran, the P5+1 (the United States, the United Kingdom, France, Germany, Russia, China), and the European Union. As you know, the United States has a long-standing practice of addressing sensitive problems in negotiations that culminate in political commitments “, https://de.scribd.com/document/291042867/Letter-from-State-Department-Regarding-JCPOA. 8 Siehe Par. XIV Präambel des JCPOA, Par. 17, 18 und 34 JCPOA. 9 Par. 8 Resolution 2231 (2015) bestimmt in diesem Zusammenhang: “(…) that on the date ten years after the JCPOA Adoption Day, as defined in the JCPOA, all the provisions of this resolution shall be terminated (…)”. Vgl hierzu “Remarks by High Representative Mogherini on the latest developments regarding the implementation of the Joint Comprehensive Plan of Action”, https://eeas.europa.eu/headquarters/headquartershomepage /33922/remarks-high-representativevice-president-federica-mogherini-latest-developmentsregarding _fr. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 6 Zu unterscheiden ist zwischen der in Par. 18 ff. JCPOA bzw. Par. 5 ff. Resolution 2231 (2015) beschlossenen Aufhebung der kollektiven Sanktionen der VN10 einerseits, und der in Par. 21 ff. JCPOA ebenfalls vereinbarten Aufhebung einseitiger Sanktionen der Vereinigten Staaten und der EU. Während Par. 7 a) Resolution 2231 (2015) explizit die Aufhebung der VN-Sanktionen rechtsverbindlich anordnet, ist dies hinsichtlich der nationalen (US-)Sanktionen angesichts des Wortlauts der Resolution weniger eindeutig. So verwendet der operative Teil der Resolution 2231 (2015) in Bezug auf die Aufhebung nationaler US-Sanktionen eine andere Formulierung als bei der Aufhebung der VN-Sanktionen.11 Gem. Par. 2 Resolution 2231 (2015) „fordert [der Sicherheitsrat ] alle Mitgliedstaaten auf, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Umsetzung des Gemeinsamen Umfassenden Aktionsplans zu unterstützen, […] indem sie Maßnahmen unterlassen, die die Umsetzung der Verpflichtungen aus dem Aktionsplan untergraben.“12 Anders als bei der Aufhebung der VN-Sanktionen handelt der VN-Sicherheitsrat auch nicht nach Art. 41 der VN-Charta. Beides sind jedoch keine zwingenden Argumente für die Unverbindlichkeit von Par. 2 der Resolution 2231 (2015). So hat der Internationale Gerichtshof (IGH) in seinem Namibia-Gutachten13 klargestellt, dass Art. 25 VN-Charta, der die VN-Mitgliedstaaten zur Ausführung der Resolutionen des VN-Sicherheitsrats verpflichtet, nicht auf Entscheidungen nach Art. 41 und 42 VN-Charta beschränkt ist. Zudem hat der IGH den Absatz einer SR-Resolution, der mit der Formel „calls upon“ eingeleitet wurde, für verbindlich gehalten. Im Ergebnis lässt sich die Resolution 2231 (2015) also in der Weise interpretieren, dass der JCPOA auch im Hinblick auf die nationalen (US-)Sanktionen völkerrechtlich verbindliche Verpflichtungen enthält. Diese Sichtweise wird allerdings von einigen US-amerikanischen Juristen, wie etwa dem ehemaligen Völkerrechtsberater des US-amerikanischen Außenministeriums, nicht geteilt.14 Die US-Administration berief sich bei der Aufkündigung der Nuklearvereinbarung jedoch weniger auf die fehlende Rechtsverbindlichkeit des JCPOA, als vielmehr auf nationale Sicherheitsinteressen : 10 Dabei handelt es sich um Bestimmungen der SR-Resolutionen 1696 (2006), 1737 (2006), 1747 (2007), 1803 (2008), 1835 (2008), 1929 (2010) und 2224 (2015), jew. auf https://www.un.org/securitycouncil/content/resolutions-0. 11 Par. 7 Resolution 2231 (2015): The Security Council „decides […] acting under Article 41 of the UN-Charter“ 12 Im englischen Originaltext: „Calls upon all Members States, regional organizations and international organizations to take such actions as may be appropriate to support the implementation of the JCPOA, including by taking actions commensurate with the implementation plan set out in the JCPOA and this resolution and by refraining from actions that undermine implementation of commitments under the JCPOA.” 13 IGH, Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa), Gutachten, 21. Juni 1971, ICJ Rep. 1971, 42 ff., http://www.icj-cij.org/files/case-related/53/053-19710621-ADV- 01-00-EN.pdf. 14 John B. Bellinger, “The new UNSCR on Iran: Does it bind the United States (and future presidents)?”, Brookings Institution Washington, 21. Juli 2015, https://www.brookings.edu/blog/markaz/2015/07/21/the-new-unscr-oniran -does-it-bind-the-united-states-and-future-presidents/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 7 “(…) President Trump withdrew from the deal for a simple reason: it failed to guarantee the safety of the American people from the risk created by the leaders of the Islamic Republic of Iran. No more (…).“15 1.3. Möglicher Verstoß des Irans gegen Verpflichtungen aus dem JCPOA als Beendigungsgrund Ob das Wieder-in-Kraft-Setzen der US-Sanktionen einen Verstoß gegen den JCPOA i.V.m. Resolution 2231 (2015) darstellt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die vereinbarten tatsächlichen Voraussetzungen , das Sanktionsregime wieder aufleben zu lassen, vorliegen. Par. 11 Resolution 2231 (2015) sieht ein detailliertes Verfahren hinsichtlich eines möglichen Wiederauflebens der Iran-Sanktionen vor. Danach kann jeder am JCPOA beteiligte Staat eine „significant non-performance of commitments“ aus dem Abkommen geltend machen. Dies setzt voraus, dass der Iran tatsächlich seine Verpflichtungen aus dem JCPOA in erheblicher Weise missachtet hat.16 Ob die bloße Behauptung einer Partei der Vereinbarung ohne die Vorlage entsprechender Beweise ausreicht, hängt von der Auslegung der Formulierung in Par. 11 JCPOA17 ab. Eine Lesart des JCPOA, wonach die bloße Behauptung einer Verletzung der Nuklearvereinbarung genügen soll, würde indes dem erklärten Willen der Parteien, den JCPOA durch eine Sicherheitsratsresolution für 10 Jahre rechtsverbindlich zu machen (vgl. Par. 34 JCPOA), zuwiderlaufen .18 Abgesehen davon ist rechtlich ungeklärt, welcher Grad an Gewissheit hinsichtlich eines möglicherweise vereinbarungswidrigen Verhaltens einer Partei (hier: des Iran) vorliegen muss. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) hat mehrfach festgestellt, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem JCPOA erfülle.19 Allerdings handelt es sich bei der IAEO nicht um ein internationales (Schieds-)Gericht, das Verstöße rechtsverbindlich feststellen könnte. Damit ist 15 Vgl. Rede des US-Außenministers Mike Pompeo vor der Heritage Foundation vom 21. Mai 2018, „After the Deal: A New Iran Strategy”, https://www.state.gov/secretary/remarks/2018/05/282301.htm. 16 In diesem Fall müsste nach dem JCPOA der VN-Sicherheitsrat binnen 30 Tagen darüber abstimmen, ob die von Resolution 2231 (2015) aufgehobenen VN-Sanktionen aufgehoben bleiben. Verabschiedet der Sicherheitsrat keine entsprechende Resolution, treten die aufgehobenen Sanktionen des Sicherheitsrats automatisch wieder in Kraft. Insoweit kann bereits das Veto eines ständigen Sicherheitsratsmitglieds dafür sorgen, dass die VN- Sanktionen wieder eingesetzt werden. 17 Par. 11 JCPOA sieht vor: „(…) notification by a JCPOA participant State of an issue that the JCPOA participant State believes constitutes significant non-performance of commitments.” 18 So auch Paula Fischer/Bernd Scholl, Rückzug aus dem Atomabkommen: Drohen die USA mit einem Völkerrechtsbruch , https://intr2dok.vifa-recht.de/receive/mir_mods_00003251. 19 Francois Murphy, „Iran hints at seaborne reactors while respecting nuclear deal”, abrufbar unter: https://www.reuters.com/article/us-iran-nuclear-report/iran-hints-at-seaborne-reactors-while-respectingnuclear -deal-idUSKCN1G625G. “ IAEA: Iran hält Atomabkommen ein“, RP online v. 24.5.2018, https://rponline .de/politik/ausland/iaea-iran-haelt-atomabkommen-ein_aid-22851173. Der JCPOA regelt in Ziff. 74 ff. Verifikationsmaßnahmen durch die Internationale Atomenergie-Organisation. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 8 die Frage nach einem möglichen iranischen Verstoß gegen den JCPOA nicht in rechtlich verbindlicher Form beantwortet.20 Ob eine Verletzung der Nuklearvereinbarung durch den Iran vorliegt, ist letztlich eine Tatsachenfrage , die von den Wissenschaftlichen Diensten des Deutschen Bundestags nicht beantwortet werden kann.21 1.4. Denkbare Aufhebung der Resolution 2231 (2015) zur Beendigung des JCPOA Schließlich ließe sich daran denken, durch Aufhebung der Resolution 2231 (2015) der Verbindlichkeit des JCPOA die rechtliche Grundlage zu entziehen. Die theoretisch mögliche Aufhebung einer Resolution fiele in die ausschließliche Zuständigkeit des VN-Sicherheitsrats. Zwar tritt gem. Par. 8 Resolution 2231 (2015) diese ohnehin zehn Jahre nach dem Tag der Annahme des JCPOA außer Kraft. Doch könnte der VN-Sicherheitsrat schon vor diesem Datum auch ohne eine nachgewiesene Pflichtverletzung des Irans im Wege einer „Aufhebungsresolution“ Resolution 2231 (2015) außer Kraft setzen und dem JCPOA dadurch seine völkerrechtliche Verbindlichkeit wieder entziehen.22 Angesichts des Standpunktes der ständigen Mitglieder des VN- Sicherheitsrats zur Nuklearvereinbarung – mit Ausnahme der Position der Vereinigten Staaten – ist die Verabschiedung einer Aufhebungsresolution in absehbarer Zeit wenig wahrscheinlich. 1.5. Aufkündigung der Nuklearvereinbarung nach den allgemeinen Vorschriften zur Vertragsbeendigung im Völkerrecht Neben den spezifischen Voraussetzungen einer Beendigung der Nuklearvereinbarung bzw. der Aufhebung von Resolution 2231 (2015) wäre es denkbar, auf allgemeine völkerrechtliche Möglichkeiten der Vertragsbeendigung zurückzugreifen. Zwar ist der JCPOA kein völkerrechtlicher Vertrag i.S.v. Art. 2 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV), doch ist er einem Vertrag so ähnlich, dass eine analoge Anwendung des WÜRV in Betracht kommt. Für eine Analogie sprechen u.a.: der weite Vertragsbegriff des Art. 2 Abs. 1 (a) WÜRV23, der Bezug der Nuklearvereinbarung auf wechselseitige Verpflichtungen24 und völkerrechtliche Rahmenvor- 20 Vgl. etwa die Analyse von Max Fisher, in der New York Times vom 23.5.2018, “Deep in the Desert, Iran Quietly Advances Missile Technology”, abrufbar unter: https://www.nytimes.com/2018/05/23/world/middleeast/iranmissi - les.html?rref=collection%2Ftimestopic%2FIran%27s%20Nuclear%20Program&action=click&contentCollection =timestopics®ion=stream&module=stream_unit&version=latest&contentPlacement=1&pgtype=collection. 21 Zurückhaltung geboten ist dann auch bei rechtlichen Schlussfolgerungen, die eine klare Beantwortung der Tatsachenfrage voraussetzen. 22 Paula Fischer/Bernd Scholl, a.a.O. (Fn. 18). 23 Nach Art. 2 Abs. 1 (a) WÜRV ist ein Vertrag jede „in Schriftform geschlossene und vom Völkerrecht bestimmte internationale Übereinkunft zwischen Staaten, gleichviel ob sie in einer oder in mehreren zusammengehörigen Urkunden enthalten ist und welche besondere Bezeichnung sie hat“. Dass die EU Partner der Vereinbarung ist, wäre nach Art. 3 (c) WÜRV (analog) unbeachtlich. 24 Siehe JCPOA, Preamble and General Provisions, Abs. i. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 9 gaben25, die Schriftform der Nuklearvereinbarung und die Selbstverpflichtung der Parteien, den JCPOA nach Treu und Glauben und im Geiste der Grundsätze und Ziele der VN umzusetzen.26 Nach dem WÜRV können Staaten einen Vertrag kündigen, wenn und soweit dies in dem jeweiligen Vertrag vorgesehen ist (Art. 54 (a) WÜRV), oder wenn sie nach Konsultierung der anderen Vertragsstaaten deren Einverständnis erlangt haben (Art. 54 (b) WÜRV). Enthält ein Vertrag keine ausdrückliche Bestimmung über seine Beendigung, so kann er nur dann gekündigt werden, wenn feststeht, dass die Vertragsparteien die Möglichkeit einer Kündigung oder eines Rücktritts zuzulassen beabsichtigten, oder wenn ein Kündigungs- oder Rücktrittsrecht sich aus der Natur des Vertrags herleiten lässt (Art. 56 Abs. 1 (b) WÜRV). Zudem ist nach Art. 60 WÜRV eine Vertragspartei zur Vertragsbeendigung berechtigt, wenn eine andere Vertragspartei den Vertrag erheblich verletzt hat. Der JCPOA enthält keine Kündigungsklausel i.S. des Art. 54 (a) WÜRV (analog). Bei der in Par. 34.v. JCPOA vereinbarten Befristung der Vereinbarung auf 10 Jahre ab Annahme der SR- Resolution handelt es sich um eine abschließende Regelung der Geltungsdauer der Vereinbarung. Eine vorzeitige Aufkündigung widerspräche daher dem Sinn und Zweck des JCPOA und wäre mit Art. 56 Abs. 1 (b) WÜRV (analog) unvereinbar. Überdies würde eine entsprechende Berechtigung zur Aufkündigung sowohl das Konfliktlösungsverfahren gem. Par. IX. und X. der JCPOA Präambel, als auch das Monitoring Verfahren nach Par. XVI der JCPAO Präambel unterlaufen. Ebenso wenig haben die anderen Parteien der Vereinbarung ihr Einverständnis i.S.v. Art. 54 (b) WÜRV (analog) erklärt. Es bleibt allein die Frage, ob der Iran die Nuklearvereinbarung erheblich verletzt hat und die Vereinigten Staaten daher in analoger Anwendung von Art. 60 WÜRV zur Beendigung berechtigt sein könnten. Die zur Beurteilung notwendigen tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen entziehen sich den Ermittlungs- und Feststellungsmöglichkeiten der Wissenschaftlichen Dienste. Ob den Vereinigten Staaten möglicherweise ein Recht zur Beendigung der Vereinbarung infolge einer möglichen Verletzung der Vereinbarung durch den Iran zukommt, kann daher nicht abschließend beurteilt werden. 2. Völkerrechtliches Verbot der Anwendung von und Drohung mit Gewalt 2.1. Rechtsgrundlagen Die Auftraggeber fragen nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit einer staatlichen Drohung mit Krieg und Vernichtung. Das völkerrechtliche Gewaltverbot ist in Art. 2 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen (VN- Charta) wie folgt normiert: 25 Siehe JCPOA, Preamble and General Provisions, Art. iv., vi. und passim. 26 Siehe JCPOA, Preamble and General Provisions, Art. vi. und viii. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 10 Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.27 Der IGH hat in einem Gutachten bestätigt, dass Drohung mit und Anwendung von Gewalt grundsätzlich nach dem gleichen völkerrechtlichen Maßstab zu beurteilen sind: The notions of “threat” and “use” of force under Article 2, paragraph 4, of the Charter stand together in the sense that if the use of force itself in a given case is illegal—for whatever reason—the threat to use such force will likewise be illegal. In short, if it is to be lawful, the declared readiness of a State to use force must be a use of force that is in conformity with the Charter. For the rest, no State—whether or not it defended the policy of deterrence—suggested to the Court that it would be lawful to threaten to use force if the use of force contemplated would be illegal.28 Ob das Völkerrecht die Drohung mit Gewalt im Einzelfall erlaubt, kommt auf die Vereinbarkeit der Gewaltdrohung mit den in der VN-Charta festgelegten Zielen der VN an. Unter den in Art. 1 VN-Charta aufgeführten Zielen und Grundsätzen sind im vorliegenden Zusammenhang besonders relevant: (1) den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren und zu diesem Zweck wirksame Kollektivmaßnahmen zu treffen, um Bedrohungen des Friedens zu verhüten und zu beseitigen, Angriffshandlungen und andere Friedensbrüche zu unterdrücken und internationale Streitigkeiten oder Situationen, die zu einem Friedensbruch führen könnten, durch friedliche Mittel nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und des Völkerrechts zu bereinigen oder beizulegen; (2) freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen. Wenn ein Staat einem anderen Staat mit Krieg und/oder Vernichtung droht, kommt es nach der VN-Charta mithin darauf an, ob die Drohung im konkreten Einzelfall der Wahrung von Frieden und Sicherheit dient, sie letztlich auf eine friedliche Streitbeilegung abzielt und sie den Grundsatz der souveränen Gleichheit der VN-Mitgliedstaaten respektiert. 27 Art. 2 Abs. 4 Charta der Vereinten Nationen, BGBl. 1973 II S. 430, https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&bk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//*% 5B@attr_id=%27bgbl273s0430.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl273s0430.pdf%27 %5D__1563181723159. 28 IGH, Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons Advisory Opinion, 8 July 1996, ICJ Reports 1996, p. 226, https://www.icj-cij.org/files/case-related/95/095-19960708-ADV-01-00-EN.pdf, par. 47. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 11 Die Kriegsdrohung wäre auch dann völkerrechtlich vertretbar, wenn im vorliegenden Zusammenhang eine Ausnahme vom Gewaltverbot griffe. Eine entsprechende Ausnahme gilt gemäß der VN-Charta im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen einen VN-Mitgliedstaat. So bleibt das Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung gem. Art. 51 VN-Charta bestehen, bis der VN-Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Die Auslegung der rechtlichen Voraussetzungen einer legitimen Ausübung des Selbstverteidigungsrechts ist im Fluss.29 So wird in Teilen der Literatur ein weitreichender Ansatz vertreten, wonach unter die völkerrechtlich zulässige Selbstverteidigung auch der „Einsatz militärischer Mittel zur vorsorglichen Ausschaltung einer möglicherweise im Entstehen begriffenen, nicht zwingend objektiv belegbaren, allerdings für hinlänglich plausibel erachteten Bedrohung“ fallen könne.30 Legt man diese Auffassung zugrunde, so wäre möglicherweise auch eine Kriegsdrohung, die darauf abzielt, zum eigenen Schutz die Verbreitung von Atomwaffen militärisch zu verhindern, zu rechtfertigen. Zu betonen ist allerdings, dass sich die extensive Auslegung des Selbstverteidigungsrechts bisher im Völkerrecht nicht durchsetzen konnte. Insbesondere hält der IGH an der herrschenden Meinung fest, dass die Selbstverteidigung nur dann legitim ist, wenn ein Angriff gegenwärtig ist oder er zumindest unmittelbar bevorsteht .31 Die Kriegsdrohung kann also nach geltender Völkerrechtslage nicht mit Präventionsinteressen gerechtfertigt werden, mögen diese auch noch so berechtigt sein. Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Drohung mit und die Anwendung von Gewalt sind nach den gleichen völkerrechtlichen Maßstäben zu beurteilen. Grundsätzlich berechtigt das völkerrechtswidrige Verhalten eines Staates einen anderen Staat nicht zur Reaktion mit Gewalt. Ein staatliches Recht, einseitig Gewalt anzuwenden oder mit ihr zu drohen, gibt es im Völkerrecht nur im Rahmen der (individuellen oder kollektiven) Selbstverteidigung. 2.2. Drohungen der US-Regierung gegen den Iran Im vorliegenden Sachverhalt, der der Frage der Auftraggeber zugrunde liegt, ist zunächst festzuhalten , dass die Äußerungen des US-Präsidenten und seiner Administration, wie sie der Presse 29 Siehe statt vieler Elizabeth Wilmshurst, The Chatham House Principles of International Law on the Use of Force in Self-Defence, ICLQ Vol. 55, October 2006, S. 963 ff. Vgl. zu dieser Frage auch WD 2 - 3000 - 203/15, Staatliche Selbstverteidigung gegen Terroristen Völkerrechtliche Bewertung der Terroranschläge von Paris vom 13. November 2015. Aktualisiert und ergänzt um: Völkerrechtliche Implikationen der VN-Resolution 2249 (2015) und völkerrechtliche Grundlagen und Verfassungsmäßigkeit einer Beteiligung der Bundeswehr an der Bekämpfung des „Islamischen Staates“ in Syrien, 30. November 2015, https://thomas-hitschler.de/wpcontent /uploads/2015/11/203_15_Staatliche-Selbstverteidigung-gegen-Terroristen-aktualisierte-Version.pdf, passim. 30 Johannes Schwehm, Präventive Selbstverteidigung, in: Archiv des Völkerrechts, Bd. 46 (2008), S. 368 ff., S. 372, s.a. S. 388 ff. 31 IGH, Case concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v USA) (Merits), 27 June 1986, ICJ Reports 1986, https://www.icj-cij.org/files/case-related/70/070-19860627-JUD-01-00-EN.pdf, para. 176. Vgl. hierzu auch Michael Bothe, Friedenssicherung und Kriegsrecht, in: Wolfgang Graf Vitzthum (Hrsg.); Völkerrecht, 5. Auflage, Berlin 2010, S. 657 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 12 zu entnehmen waren, inhaltlich bedingt sind. Sie stellen die Vernichtung des Iran unter der Voraussetzung in Aussicht, dass dieser sich weiterhin völkerrechtswidrig verhalten sollte.32 Im Übrigen mag es jedoch eher fernliegend sein, die unter 2.1. ausgeführten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen als erfüllt zu bezeichnen. Nach Presseberichten und offiziellen Verlautbarungen der betroffenen Staaten dürfte vielmehr davon auszugehen sein, dass die Kriegsdrohung im konkreten Fall zu einer Eskalation des Konflikts führte, die internationale Sicherheit negativ beeinträchtigte und weithin als im Widerspruch zu den Grundsätzen der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker stehend bewertet wurde.33 Zu bedenken ist allerding, dass sich öffentliche Verlautbarungen von Konfliktparteien und aktuelle Verhandlungsinhalte stark unterscheiden können. Ob eine Kriegsdrohung im Einzelfall zur Vermeidung eines Krieges geführt hat, lässt sich oft erst aus historischer Perspektive beurteilen.34 3. Völkerrechtliche Zulässigkeit einseitiger Wirtschaftssanktionen Gegenstand des Auftrages ist eine völkerrechtliche Einordnung der US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen gegenüber dem Iran infolge der Aufkündigung der Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm. Unilaterale Wirtschaftssanktionen – also staatliche Gegenmaßnahmen, die außerhalb des VN- Rahmens getroffen werden – unterliegen völkerrechtlichen Schranken. Wichtigste Schranke ist das in Art. 2 Ziffer 7 VN-Charta für nicht-militärische Maßnahmen speziell geregelte völkerrechtliche Interventionsverbot.35 Die rechtliche Einhegung unilateraler Sanktionen ist von besonderer Bedeutung, weil im Unterschied zu den kollektiven Sanktionsmaßnahmen der Staatengemein- 32 Vgl. den Bericht der Tagesschau, Spannungen am Golf: Trump droht Iran mit Vernichtung, Stand: 20.05.2019 07:29 Uhr, https://www.tagesschau.de/ausland/iran-trump-saudi-arabien-101.html; Der Tagesspiegel, Trump zum Konflikt mit Iran: „Ich will keinen Krieg“, Stand: 22.06.2019, 10:49 Uhr, https://www.tagesspiegel.de/politik/trump-zum-konflikt-mit-iran-ich-will-keinen-krieg/24482562.html. 33 Siehe statt vieler: ‘Brink of war’: World leaders push for Iran-US restraint, As Iran-US showdown intensifies, nations around the globe press Tehran and Washington to step back from war, in: Al Jazeera, 21. Juni 2019, https://www.aljazeera.com/news/2019/06/russia-accuses-pushing-iran-situation-brink-war- 190621083706284.html; .Trump Threatens ‘Obliteration’ of Iran, as Sanctions Dispute Escalates, in: NYT, 25. Juni 2019, https://www.nytimes.com/2019/06/25/world/middleeast/iran-rouhani-us-sanctions.html; siehe auch die Artikelübersicht der FAZ zum Thema Iran, https://www.faz.net/aktuell/politik/thema/iran. 34 Vgl. in diesem Sinne James Crawford: “[T]he threat of force remains a part of everyday life on the international plane, and State practice had demonstrated a certain tolerance of it [...] the threat of force […] may even play a role in the settlement of disputes”, in: ders. (Hrsg.), Brownlie’s Principles of Public International Law, 8. Auflage, Oxford 2012, S. 747. (m.w.N.). 35 Vgl. Philip Kunig, Prohibition of Intervention, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, http://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e1434#law- 9780199231690-e1434-div2-4, Rn. 7 ff.; Niestedt in: Krenzler/Herrmann/Niestedt, EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 12. EL Oktober 2018, V. 50. Rn. 10 ff. Niedergelegt ist das Interventionsverbot auch in der Resolution der VN-Generalversammlung 2625 (1970), Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, https://www.legal-tools.org/doc/e6c77e/pdf/. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 13 schaft ein einzelner Staat, der durch Wirtschaftssanktionen Rechtsdurchsetzung in eigener Angelegenheit betreibt, gewissermaßen als Richter und Vollstrecker in eigener Sache handelt. Im Verhältnis zwischen Mitgliedern der Welthandelsorganisation (WTO) enthalten die im Rahmen der WTO abgeschlossenen Übereinkommen, insbesondere das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen (GATT) und das Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), wohl die wichtigsten Grenzen völkerrechtlicher Zulässigkeit von Wirtschaftssanktionen. Da Iran kein WTO-Mitgliedstaat ist und bei der WTO lediglich Beobachterstatus genießt36, sind die welthandelsrechtlichen Einschränkungen einseitiger Wirtschaftssanktionen im vorliegenden Zusammenhang nicht einschlägig. 3.1. ILC-Artikelentwürfe zur Staatenverantwortlichkeit Völkerrechtliche Schranken unilateraler Maßnahmen finden sich u.a. in den Artikelentwürfen zur Staatenverantwortlichkeit der VN-Völkerrechtskommission (ILC). Die ILC-Artikelentwürfe sind kein völkerrechtlicher Vertrag und als solche rechtlich nicht bindend, wurden aber von der VN-Generalversammlung durch Resolution verabschiedet37 und spiegeln in weiten Teilen den Stand der Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts wider.38 Die ILC-Artikelentwürfe definieren als völkerrechtliche Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verhängung von Gegenmaßnahmen u.a., dass der sanktionierende Staat den sanktionierten Staat vorab abmahnt und eine gütliche Einigung anstrebt (Art. 52 der Artikelentwürfe zur Staatenverantwortlichkeit). Weiterhin sehen die ILC-Artikelentwürfe vor, dass der sanktionierende Staat die Beweislast für das vorausgegangene völkerrechtswidrige Verhalten des sanktionierten Staates trägt (vgl. Art. 49 der Artikelentwürfe zur Staatenverantwortlichkeit).39 Eine abschließende Beurteilung, inwiefern die angeführten rechtliche Grenzen von unilateralen Sanktionen tatsächlich Teil des Völkergewohnheitsrechts geworden sind, war bisher – soweit ersichtlich – nicht Gegenstand einer völkerrechtlich bindenden gerichtlichen Entscheidung. 3.2. Verhältnismäßigkeitserwägungen Es gibt keine einheitliche Rechtsposition der Staatengemeinschaft, wann rechtmäßig ausgeübter wirtschaftspolitischer Druck die Schwelle zur völkerrechtswidrigen Intervention überschreitet.40 36 WTO, Members and Observers https://www.wto.org/english/thewto_e/whatis_e/tif_e/org6_e.htm. 37 GV-Resolution 56/83 verabschiedet auf der 85. Plenarsitzung am 12.Dezember 2001, ohne Abstimmung, auf Empfehlung der Sechsten Ausschusses, Offizielles Protokoll der Generalversammlung, Sechsundfünfzigste Tagung , Beilage 589 (A/56/589 Corr. 1), http://eydner.org/dokumente/darsiwaev.PDF. 38 Siehe im Einzelnen James Crawford, State Responsibility, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690-e1093#law- 9780199231690-e1093-div1-3. 39 Eckart Klein, Gegenmaßnahmen, in: Berichte DGVR 37 (1997), S. 39 ff. (46 f.). 40 Schwierigkeiten bei der Abgrenzung stellt auch fest Philip Kunig, a.a.O. (Fn. 14), Rn. 25 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 14 Zentrale gewohnheitsrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung für unilaterale Wirtschaftssanktionen dürfte sein, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in seiner völkerrechtlichen Ausprägung beachtet wird (vgl. Art. 51 der Artikelentwürfe zur Staatenverantwortlichkeit). Im gleichen Sinne lassen sich verschiedene Resolutionen der VN-Generalversammlung als Bestätigung sehen, dass extreme Formen der Druckausübung jedenfalls dann unter das Interventionsverbot fallen, wenn sie die Schwelle der Erheblichkeit überschreiten, indem sie vitale Staatsinteressen berühren und den sanktionierten Staat in der Ausübung seiner Souveränität spürbar behindern.41 Formal betrachtet sind diese Resolutionen der VN-Generalversammlung rechtlich nicht bindend, sie können aber zur Entstehung oder Verfestigung von Völkergewohnheitsrecht beitragen.42 Im Einzelnen sind die inhaltlichen Schranken, die der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in diesem Zusammenhang bezeichnet, umstritten. In der wissenschaftlichen Literatur wird die Verhältnismäßigkeit verneint, wenn die Gegenmaßnahme den Unrechtsgehalt des sanktionierten Delikts weit übersteigt, zeitlich unbeschränkt ist und irreversible Folgen hat, so dass selbst bei Beendigung des sanktionsauslösenden Verhaltens eine Aufhebung der Sanktion die negativen Folgen der Sanktionen nicht mehr beseitigen würde .43 Es dürfte ein relativ breiter Konsens bestehen, als relevante Umstände, auf deren Grundlage die Verhältnismäßigkeit und somit letztlich die Völkerrechtskonformität von Gegenmaßnahmen beurteilt wird, zumindest auch folgende Punkte in Betracht zu ziehen: Der VN-Generalsekretär stellte 1993 fest: „There is no clear consensus in international law as to when coercive measures are improper, despite relevant treaties, declarations, and resolutions adopted in international organizations which try to develop norms limiting the use of these measures”, Note by the Secretary-General, Economic Measures as a Means of Political and Economic Coercion against Developing Countries, 25.10.1993, UN Doc. A/48/535, Abs. 1. Die fehlende Konkretisierung von Anforderungen sowohl auf normativer Ebene als auch in der Staatenpraxis – insbesondere mit Blick auf Sanktionen durch Drittstaaten – kritisiert auch Elena Katselli, Countermeasures by Non-Injured States in the Law on State Responsibility, ESIL, http://www.esilsedi .eu/sites/default/files/Katselli_0.PDF. 41 Vgl. Friendly Relations-Declaration, A/RES/2625 (XXV), 24. Oktober 1970, https://www.un.org/depts/german/gv-early/ar2625.pdf; Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten, A/RES/3281 (XXIX), 12. Dezember 1974, https://zeitschrift-vereintenationen .de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_1975/Heft_4_1975/06_a_Doks_VN_VN_4-75.pdf; Erklärung über die Unzulässigkeit der Intervention und der Einmischung in die inneren Angelegenheiten, A/RES/36/103, 9. Dezember 1981, https://www.un.org/depts/german/uebereinkommen/ar36103.pdf). 42 Siehe im Einzelnen Christian Tomuschat, United Nations, General Assembly, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690- e555?prd=OPIL#law-9780199231690-e555-div1-4, Rz. 22 und passim. 43 Vgl. hierzu Rainer Arnold/Elisabeth Meindl in Manfred Dauses/Markus Ludwigs (Hrsg.), EU-WirtschaftsR-HdB, 47. EL März 2019, Rn. 111. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 15 - die Schwere der angenommenen Völkerrechtsverletzung des sanktionierten Staates, - die Bedeutung des vom sanktionierten Staat verletzten Rechtsguts, - das Ausmaß der Beeinträchtigung dieses Rechtsguts, - die völkerrechtliche Legitimität der Zielsetzung des sanktionierenden Staates, - der konkrete Regelungsgegenstand, - die Intensität der Maßnahme, - die Tragweite der Folgen für den sanktionierten Staat, - die Beziehung zwischen Mitteln und Zweck im konkreten Einzelfall.44 3.3. Rechtsprechung des IGH In seinem Urteil in Sachen USA v. Nicaragua45 gelangte der IGH zu dem Schluss, dass eine völkerrechtswidrige Intervention jedenfalls dann vorliege, wenn die verwendeten Sanktionsmittel und -methoden von solcher Intensität seien, dass der betroffene Staat in existenziell wichtigen Belangen zu einem fremdbestimmten Verhalten gezwungen werde bzw. wenn ein Embargo als Druckmittel verwendet werde, um etwas zu erreichen, worauf der verhängende Staat keinen Rechtsanspruch habe.46 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass gem. Art. 59 IGH- Statut Entscheidungen des IGH nur für die Streitparteien und nur in Bezug auf die einzelne Rechtssache, in der entschieden wurde, bindend sind.47 3.4. Menschenrechtliche Grenzen 3.4.1. Resolution 34/13 des VN-Menschenrechtsrats Der VN-Menschenrechtsrat (VN-MRR) hat in seiner am 24. März 2017 verabschiedeten Resolution 34/13 betont, dass einseitige Zwangsmaßnahmen gegen das Völkerrecht, das humanitäre Völkerrecht , die VN-Charta und die Normen und Grundsätze für friedliche Beziehungen zwischen 44 Vgl. Kommentar zu Art. 51 der Artikel zur Staatenverantwortlichkeit in den dazugehörigen Materialien, http://legal.un.org/legislativeseries/book25.html. Unter Nennung verschiedener Fallbeispiele und Darstellung der Entwicklung auch Elena Katselli a.a.O. (Fn. 39). 45 IGH, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua, ICJ Reports 1986, https://www.icjcij .org/files/case-related/70/070-19860627-JUD-01-00-EN.pdf, S. 14, 126. 46 Vgl. Marian Niestedt in: Horst Günter Krenzler u.a. (Hrsg.), EU-Außenwirtschafts- und Zollrecht, 12. EL Oktober 2018, V. 50. Rn. 13 f. 47 Statut des Internationalen Gerichtshofs vom 26. Juni 1945, BGBl. 1973 II S. 505, https://beckonline .beck.de/Dokument?vpath=bibdata%2Fges%2Fighs%2Fcont%2Fighs.htm&anchor=Y-100-G-IGHS. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 16 Staaten verstoßen und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung eines Staates sowie die Durchsetzung der Menschenrechte beeinträchtigen. Alle Staaten werden aufgefordert, keine einseitigen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen und bereits bestehende Sanktionen rückgängig zu machen . Der VN-MRR urged all States to refrain from imposing unilateral coercive measures, also urged the removal of such measures, as they are contrary to the Charter and norms and principles governing peaceful relations among States at all levels, and it should be recalled that such measures prevent the full realization of economic and social development of nations while also affecting the full realization of human rights.48 Resolutionen des VN-MRR sind formal betrachtet unverbindliche Empfehlungen des VN-MRR an die VN-Generalversammlung. Für sich genommen begründen sie keine Rechtspflichten der Staaten , gleichwohl kommt ihnen ein starker appellatorischer Charakter zu, zumal sie im Einzelfall auch zur Entwicklung von Völkergewohnheitsrecht beitragen können.49 3.4.2. Stellungnahme des VN-Sonderberichterstatters über die negativen Folgen einseitiger Zwangsmaßnahmen 2014 setzte der VN-MRR einen Sonderberichterstatter über die negativen Folgen einseitiger Zwangsmaßnahmen (Special Rapporteur on the negative impact of unilateral coercive measures on the enjoyment of human rights) ein.50 Im Mai 2019 brachte der Sonderberichterstatter in einem Bericht an den VN-MRR seine Besorgnis angesichts neuer Zwangsmaßnahmen der US- Regierung zum Ausdruck. Er führte insbesondere im Hinblick auf Venezuela, Iran und Kuba aus: [T]he use of economic sanctions for political purposes violates human rights and the norms of international behaviour. Such action may precipitate man-made humanitarian catastrophes of unprecedented proportions. “Regime change through economic measures likely to lead to the denial of basic human rights and indeed possibly to starvation has never been an accepted practice of international relations,” said Idriss Jazairy, the UN Special Rapporteur concerned with the negative impact of sanctions. “Real concerns and serious political differences between governments must never be resolved by precipitating economic and humanitarian disasters, making ordinary people pawns and hostages thereof.51 48 Resolution 34/13 des VN-Menschenrechtsrates vom 24.03.2017, https://documents-ddsny .un.org/doc/UNDOC/LTD/G17/071/14/PDF/G1707114.pdf?OpenElement . 49 Siehe im Einzelnen Beate Rudolf, United Nations Commission on Human Rights/United Nations Human Rights Council, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690- e883?rskey=VXr3dN&result=1&prd=OPIL. 50 Das auf drei Jahre befristete und bis 2020 verlängerte Mandat des VN-Sonderberichterstatters Mr. Idriss Jazairy (Algerien) ist in der Resolution A/HRC/RES/27/21 des VN-MRR, 3. Oktober 2014, inhaltlich bestimmt, https://www.right-docs.org/doc/a-hrc-res-27-21/). 51 UN OHCHR, US sanctions violate human rights and international code of conduct, UN expert says, 6. Mai 2019, https://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=24566&LangID=E. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 17 Der Sonderberichterstatter hat eine rein beratende Funktion, seine Berichte sind rechtlich nicht bindend.52 3.4.3. Allgemeine Bemerkung des VN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Der VN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte hat sich in einer Allgemeinen Bemerkung (General Comment)53 der Frage angenommen, ob Sanktionen mit Menschenrechten vereinbar sind, wenn infolge der Sanktionen breite Bevölkerungskreise ihre wirtschaftliche Grundlage verlieren und staatliche Infrastruktur, etwa im Gesundheitsbereich, zerstört wird. Allgemeine Bemerkungen und Empfehlungen des VN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind formal betrachtet rechtlich unverbindlich, gleichwohl kommt ihnen ein starker autoritativer Charakter zu.54 Zur Vereinbarkeit von Sanktionen mit Menschenrechten führt der Ausschuss aus: While the impact of sanctions varies from one case to another, the Committee is aware that they almost always have a dramatic impact on the rights recognized in the Covenant . Thus, for example, they often cause significant disruption in the distribution of food, pharmaceuticals and sanitation supplies, jeopardize the quality of food and the availability of clean drinking water, severely interfere with the functioning of basic health and education systems, and undermine the right to work. In addition, their unintended consequences can include reinforcement of the power of oppressive élites, the emergence, almost invariably, of a black market and the generation of huge windfall profits for the privileged élites which manage it, enhancement of the control of the governing élites over the population at large, and restriction of opportunities to seek asylum or to manifest political opposition. While the phenomena mentioned in the preceding sentence are essentially political in nature, they also have a major additional impact on the enjoyment of economic, social and cultural rights. 52 Siehe im Einzelnen Par. 22 der Resolution A/HRC/RES/27/21 des VN-MRR. 53 Vgl. zu den General Comments (= Allgemeine Bemerkungen) Walter Kälin/Jörg Künzli, Universeller Menschenrechtsschutz , Basel, 2. Aufl. 2013, Rn. 638 ff. Das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) führt zum Begriff der Allgemeinen Empfehlungen aus: „Allgemeinen Bemerkungen oder Allgemeine Empfehlungen (General Comments or Recommendations) erklären die in den einzelnen Menschenrechtsverträgen nur sehr kurz genannten Rechte und konkretisieren sie dadurch. Ausgehend von den Staatenberichten legen die Vertragsorgane in den Allgemeinen Bemerkungen einzelne Menschenrechte oder die Rechtsnatur menschenrechtlicher Verpflichtungen aus. Sie geben Staaten Orientierungen für die praktische Umsetzung der Menschenrechte und bilden einen Bewertungsmaßstab für die Beurteilung der Fortschritte von Staaten bei dieser Umsetzung.“, https://www.institut-fuermenschenrechte .de/themen/entwicklungspolitik/oft-gestellte-fragen/was-sind-allgemeine-bemerkungen/. 54 DIMR, a.a.O. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 18 Although the Committee has no role to play in relation to decisions to impose or not to impose sanctions, it does, however, have a responsibility to monitor compliance by all States parties with the Covenant. When measures are taken which inhibit the ability of a State party to meet its obligations under the Covenant, the terms of sanctions and the manner in which they are implemented become appropriate matters for concern for the Committee. […] Economic, social and cultural human rights must be taken fully into account when designing an appropriate sanctions regime. […] effective monitoring, which is always required under the terms of the Covenant, should be undertaken throughout the period that sanctions are in force.55 Im Hinblick auf US-Sanktionen ist zu berücksichtigen, dass die Vereinigten Staaten den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR) nicht ratifiziert haben. Die – ohnehin schon rechtlich unverbindlichen – Allgemeinen Empfehlungen und Bemerkungen des VN-Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sind dadurch für die Verhaltensorientierung der Vereinigten Staaten von geringer Bedeutung. 4. Völkerrechtlich zulässige Wirkungen einseitiger Wirtschaftssanktionen auf Drittstaaten Die Auftraggeber fragen danach, wie unilaterale Wirtschaftssanktionen infolge ihrer Auswirkungen auf Drittstaaten, die nicht Zielland der Sanktionen sind, völkerrechtlich zu bewerten sind. Im Hinblick auf kollektive Sanktionen regelt Art. 50 VN-Charta, dass ein Staat den VN- Sicherheitsrat zwecks Lösung des Problems konsultieren kann, wenn er vor besonderen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steht infolge von Maßnahmen, die der VN-Sicherheitsrat gegen einen anderen Staat ergriffen hat. A fortiori und in Verbindung mit Kapitel 6 VN-Charta56 lässt sich argumentieren, dass ein VN-Mitgliedstaat den VN-Sicherheitsrat auch dann in der Angelegenheit anrufen darf, wenn seine wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus unilateralen Wirtschaftssanktionen gegen einen Drittstaat erwachsen. Auf der Grundlage der Staatenpraxis zu Art. 50 VN-Charta dürfte es jedoch in beiden Fällen (d.h.: kollektive und unilaterale Sanktionen) als Voraussetzung anzusehen sein, dass die aus der Sanktion resultierenden wirtschaftlichen Probleme eine gewisse Erheblichkeitsschwelle übersteigen.57 Zu betonen ist, dass dem Recht des beeinträchtigten Drittstaates , den VN-Sicherheitsrat anzurufen, keine Pflicht des VN-Sicherheitsrats zu irgendeinem 55 General Comment No. 8 (1997), The relationship between economic sanctions and respect for economic, social and cultural rights, E/C.12/1997/8, 12.12.97, https://www.escr-net.org/resources/general-comment-8, Par. 3 und 9. Vgl. dazu Kälin/Künzli, a.a.O. (Fn. 52), Rn. 755. Vgl. zum Stand der Ratifikation vgl. die UN Treaty Collection (Stand: 28.6.2019) https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-3&chapter=4&clang=_en. 56 Nach Art. 35 Abs. 1 i.V.m. Art. 34 VN-Charta kann jedes VN-Mitglied die Aufmerksamkeit des VN- Sicherheitsrats auf jede Situation richten, die zu internationalen Reibungen führen oder eine Streitigkeit hervorrufen könnte. 57 Vgl. zur Auswirkung der Rhodesien-Sanktionen auf Drittstaaten Brun-Otto Bryde, Kommentierung zu Art. 50 VN-Charta, in: Bruno Simma (Hrsg.), Charta der Vereinetn Nationen, Kommentar, München 1991, Rz. 11. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 19 bestimmten Verhalten entspricht.58 Die Freistellung des VN-Sicherheitsrats von konkreten Handlungspflichten in diesem Zusammenhang dürfte umso mehr gelten, wenn der unilateral sanktionierende Staat Ziele verfolgt, die im Interesse der Staatengemeinschaft liegen, wie z.B. die Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen oder die Eindämmung der Unterstützung vom VN- Sicherheitsrat als terroristisch eingestufter Gruppierungen. In einem Arbeitspapier der Menschenrechtskommission, das dem VN-Wirtschafts- und Sozialrat unterbreitet wurde, wird als Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für einseitige Sanktionen postuliert, dass diese nicht zu Kollateralschäden für Drittstaaten führen dürften.59 So solle einem Staat, der an der Völkerrechtsverletzung des sanktionierten Staates nicht beteiligt ist, aus der Sanktion kein Nachteil erwachsen dürfen.60 Einseitige Wirtschaftssanktionen könnten im Verhältnis zu Drittstaaten nicht nur eine Verletzung wirtschaftsvölkerrechtlicher Regeln darstellen, sondern seien vielmehr als Versuch zu werten, ein einseitiges Embargo durch Anwendung von Zwangsmitteln in ein multilaterales Embargo umzuwandeln.61 In der Völkerrechtswissenschaft werden vor allem Fälle diskutiert, in denen Wirtschaftssanktionen gegen ein bestimmtes Zielland die Volkswirtschaften eines nicht-sanktionierten Drittstaates so weit unterminieren, dass dadurch dessen politische Stabilität bedroht ist.62 Im vorliegenden Fall, in dem US-Sanktionen gegen den Iran die Volkswirtschaft von Drittstaaten beeinträchtigen, ist nicht ersichtlich, dass ein Drittstaat hierdurch in eine unausweichliche wirtschaftliche Zwangslage gebracht worden wäre, in der er politische Entscheidungen nicht mehr souverän hätte treffen können. Ein Nötigungselement ist nicht zu erkennen. Zudem ist auch hier wieder die erklärte Zielsetzung der Sanktionen (Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen, Eindämmung der Unterstützung vom VN-Sicherheitsrat als terroristisch eingestufter Gruppierungen) in die Interessenabwägung als ein erheblicher Belang einzustellen. Eine Einschränkung der Zulässigkeit bzw. die mögliche Völkerrechtswidrigkeit einseitiger Wirtschaftssanktionen lässt sich in diesem Fall jedenfalls nicht damit begründen, dass Drittstaat genötigt und/oder unangemessen geschädigt werden. Ob die Drittwirkung einseitiger Wirtschaftssanktionen im Einzelfall gegen bilaterale Abkommen zwischen dem sanktionierenden Staat und dem mittelbar betroffenen Drittstaat verstößt, ist von 58 Brun-Otto Bryde, a.a.O., Rz. 11. 59 The Adverse Consequences of Economic Sanctions, Review of Further Developments in Fields with Which the Subcommission Has Been or May Be Concerned, “The Bossuyt Report”, Economic and Social Council, E/CN.4/Sub.2/2000/33, June 21, 2000, https://www.globalpolicy.org/global-taxes/42501-the-adverseconsequences -of-economic-sanctions.html#26, Par. 43. 60 The Bossuyt Report, Fn. 26. 61 The Bossuyt Report, Par. 100. 62 Statt vieler: Dursun Peksen, Socio-Economic and Political Consequences of Economic Sanctions for Target and Third-Party Countries, https://www.ohchr.org/Documents/Events/Seminars/CoercitiveMeasures/DursunPeksen.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/19 Seite 20 Land zu Land auf der Grundlage der jeweils getroffenen Vereinbarungen unterschiedlich zu beurteilen . ***