© 2018 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 – 097/18 China und Südostasien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 2 Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. China und Südostasien Aktenzeichen: WD 2 - 3000 – 097/18 Abschluss der Arbeit: 25. Oktober 2018 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Kontext der Verbindungen Chinas und Südostasiens 5 2.1. Chinas Eigenwahrnehmung 5 2.2. Historische Verbindungen Chinas und Südostasiens 6 2.3. Chinesische Minderheiten in Südostasien 7 3. Chinas Interessen in Südostasien 8 4. Grenzstreitigkeiten im Südchinesischen Meer 9 5. Infrastrukturprojekte Chinas in Südostasien 14 5.1. Belt and Road Initiative (BRI) 14 5.2. Kritik an der BRI 16 5.2.1. Kritik westlicher und regionaler Mächte 16 5.2.2. Kritik und Widerstand südostasiatischer Staaten 18 5.3. Einzelne Projekte im Rahmen der BRI 23 5.3.1. Tiefwasserhafen Kyaukpyu (Myanmar) 23 5.3.2. East Coast Railway (Malaysia) 24 5.3.3. Multi-Product Pipeline und Trans-Sabah Gas Pipeline (Malaysia) 24 5.3.4. Eisenbahn in Laos 24 6. Fazit 26 Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 4 1. Einführung Dieser Sachstand behandelt die Politik der Volksrepublik China gegenüber den Staaten Südostasiens den damit einhergehenden wachsenden ökonomischen und politischen Einfluss auf die Region. China hat in den letzten zwei Jahrzehnten sein Engagement in Südostasien stark und mit zunehmender Intensität ausgebaut. Neben einer militärischen Komponente (die sich primär auf die Kontrolle international umstrittener Inselgruppen im Südchinesischen Meer konzentriert) ist die Expansion chinesischen Einflusses vor allem wirtschaftlicher Natur. China treibt diese Expansion durch Diplomatie, Infrastrukturprojekte, Kreditvergaben und den Ausbau der Präsenz chinesischer Unternehmen voran. Zum Teil wird der wachsende chinesische Einfluss durch einen entsprechenden Rückzug der USA und der EU, bzw. westlicher Staaten, ermöglicht. Er ist aber auch dem enormen Anwachsen der chinesischen Wirtschaftskraft der letzten Jahre, der räumlichen Nähe zu Südostasien sowie dem Vorhandensein teils sehr alter Verbindungen Chinas und Südostasiens geschuldet. Nach einem kurzen Überblick über diese historischen Verbindungen Chinas und Südostasiens werden die strategischen und ökonomischen Interessen Chinas in der Region und sein entsprechendes politisches Vorgehen erläutert. Es folgt eine knappe Darstellung des Konfliktes um die umstrittenen Seegebiete im Südchinesischen Meer. Wichtigster Bestandteil von Chinas aktueller Südostasien- und Geopolitik ist die Belt and Road Initiative (BRI). Dargelegt wird das BRI-Grundkonzept, die Relevanz Südostasiens für die BRI sowie deren Implikationen für die südostasiatischen Staaten und andere regionale Akteure, die Kritik an der BRI sowie deren wichtigste Teilprojekte in Südostasien. Dieser Sachstand ist Teil einer Reihe von Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die sich mit Südostasien befasst. Einen Eindruck über die große wirtschaftliche Bedeutung Chinas als Handelspartner für die südostasiatischen Staaten verschafft die Ausarbeitung Deutschlands Beziehungen zu den Staaten Südostasiens im Kontext seiner außenpolitischen Interessen.1 Der Sachstand Stand der Demokratie in den südostasiatischen Staaten2 bietet darüber hinaus einen Einblick in die politischen Gegebenheiten, die es China in einigen Staaten Südostasiens ganz besonders ermöglichen, seinen Einfluss auszubauen. Die Rolle bzw. das Verhalten Chinas in Südostasien wurde und wird maßgeblich von der Rolle der USA in der Region geprägt. Diese wird Gegenstand eines zukünftigen Gutachtens sein. 1 Deutschlands Beziehungen zu den Staaten Südostasiens im Kontext seiner außenpolitischen Interessen, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 13. August 2018, WD 2 - 3000 - 096/18. 2 Stand der Demokratie in den südostasiatischen Staaten, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 23. August 2018, WD 2 - 3000 – 123/18. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 5 2. Kontext der Verbindungen Chinas und Südostasiens 2.1. Chinas Eigenwahrnehmung Auf dem Gebiet der heutigen Volksrepublik China entstanden einige der frühesten Hochkulturen der Menschheit. Schon lange vor der Entstehung von Nationalstaaten in Europa bildete sich im Jahre 221 v. Chr. das chinesische Kaiserreich. Trotz zahlreicher Konflikte, dem Wechsel von Dynastien und dem Niedergang der Souveränität durch die Kolonialisierung hatte das Reich formal bis 1912 Bestand und konnte bei Abdankung des letzten Kaisers von China auf eine über zweitausendjährige Geschichte zurückblicken, wobei die chinesische Geschichtsschreibung bis weit ins 1. Jahrtausend v. Chr. zurückreicht. Aus den Wirren von Bürgerkrieg, Zweitem Weltkrieg und kommunistischer Revolution ging die Volksrepublik China hervor, neben Taiwan Nachfolgerin des chinesischen Kaiserreiches und der kurzlebigen Republik China. Die Volksrepublik ist nach harten Entbehrungen in der Nachkriegszeit und der Kulturrevolution mittlerweile zu einer der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt aufgestiegen.3 Es ist im Hinblick auf die sehr lange Geschichte der Staatlichkeit Chinas nachvollziehbar, warum die Eigenwahrnehmung Chinas die eines seit Jahrtausenden kontinuierlich existierenden Gemeinwesens ist, eines Gemeinwesens, das älter, mächtiger und größer ist als alle anderen und dessen wirtschaftlicher Aufstieg der letzten Jahre nicht etwa ein geschichtlicher Glücksfall ist, sondern vielmehr eine Rückkehr zum status quo, zum China gebührenden Spitzenplatz, der ab dem späten 18. Jahrhundert vorübergehend verloren worden war. Aus chinesischer Sicht ist es selbstverständlich, dass China seine dominante Stellung in Asien ausgebaut hat und weiter ausbauen wird. China sah und sieht sich traditionell als Zentrum der Welt, aus dem Zivilisation, Kultur und Reichtum entspringen – nicht zuletzt ist dies die Prämisse seiner Eigenbezeichnung Zhōnghuá: wörtlich das „Reich der Mitte.“4 3 Ob China tatsächlich die größte Volkswirtschaft der Welt ist, ist umstritten, da die ökonomischen Bewertungsmaßstäbe anders, als es Schlagzeilen vermuten lassen, keineswegs einheitlich sind und die Grunddaten in China selbst nicht frei von politischer Beeinflussung sind. Unbestritten ist jedoch, dass China einen sehr schnellen und umfassenden wirtschaftlichen Aufstieg erlebt hat und heute zum Kreis der wirtschaftlich mächtigsten Staaten der Welt gehört. Siehe dazu Ben Carter, Is China's economy really the largest in the world?, BBC am 16. Dezember 2014, https://www.bbc.com/news/magazine-30483762 (zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018). 4 Vgl. auch die Ausführungen zu traditionellen asiatischen Herrschaftsvorstellungen in Verbindung mit Kosmologie in: Stand der Demokratie in den südostasiatischen Staaten, S.7 – 8 (Anm. 2) sowie Mohan Malik, Historical Fiction: China’s South China Sea Claims, World Affairs, Mai 2013, http://www.worldaffairsjournal.org/article/historical-fiction-china%E2%80%99s-south-china-sea-claims (zuletzt abgerufen am 18. September 2018): „China benutzt Volkserzählungen, Mythen und Legenden sowie Geschichte, um territorial und maritime Ansprüche zu untermauern. Chinesische Schulbücher lehren die Vorstellung, das Reich der Mitte sei die älteste und fortgeschrittenste Kulturnation, die sich nachgerade in der Mitte des Universums befinde, umgeben von geringeren, teilweise sinisierten Staaten in Ost- und Südostasien, die sich ihm stets beugen und ihren Respekt erweisen müssten. Das Geschichtsverständnis Chinas lässt die Grenzen zwischen dem, was eigentlich nur hegemonialer Einfluss war, Tributpflichtigkeit, Souveränität und tatsächlicher Kontrolle, oft absichtlich verschwimmen.“ (Übersetzung durch den Verfasser). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 6 2.2. Historische Verbindungen Chinas und Südostasiens Die Verbindungen Chinas nach Südostasien, bzw. zu der Region, die seit dem 20. Jahrhundert so bezeichnet wird, sind vielfältig und reichen lange zurück. China trieb lange vor Arabern, Indern und Europäern Handel mit den Ländern der Region. Auch war Südostasien Durchgangsstation für buddhistische Gelehrte auf dem Weg nach Indien, und einige der frühesten schriftlichen Zeugnisse über das heutige Kambodscha, Java oder Sumatra stammen von diesen Reisenden.5 Politisch dominierte China die damals bestehenden Länder jedoch nicht, sieht man einmal von der Hochphase der Expansion der in China zentrierten mongolischen Yuan-Dynastie (1271–1368) ab, die jedoch nur kurz dauerte und überdies auch in China selbst als Fremdherrschaft wahrgenommen wurde. Eine Ausnahme bildet der nördliche Teil Vietnams, der vom Jahre 111 v. Chr. bis 938 n. Chr. direkt von China regiert wurde. Einige Königreiche in Südostasien waren dem chinesischen Kaiserreich zeitweise tributpflichtig, doch galt dies für nahezu alle China bekannten Staaten.6 Erst mit dem Vertrag von Nanking im Jahre 1842 (Resultat der 1840 von China verlorenen Opiumkriege) endeten alle Tributzahlungen anderer Länder an den Kaiser von China, und China übernahm das im Westen praktizierte System internationaler Verträge.7 Kulturell übte China auf die meisten heutigen Staaten Südostasiens historisch einen geringeren Einfluss aus als Indien, mit den Ausnahmen von Vietnam, das sich kulturell, aber auch politisch stets nah an China orientierte und unter den südostasiatischen Ländern am eindeutigsten Teil der sogenannten Sinosphäre ist, sowie von Singapur, dass zu über 70 Prozent von ethnischen Chinesen bewohnt wird. Sprachliche, religiöse und kulturelle Einflüsse Indiens sind jedoch in allen anderen Ländern deutlich ausgeprägter. 5 Bemerkenswert ist auch der heute noch verlegte Reisebericht des von der mongolischen Yuan-Dynastie nach Yasodharapura, der damaligen Hauptstadt des Angkor-Reiches, entsandten Zhou Daguan mit dem Titel „Sitten in Kambodscha.“ Dieser Bericht ist das einzige noch existierende schriftliche Zeugnis über das Alltagsleben in Angkor. 6 Auch Großbritannien, die Niederlande und Portugal entrichteten zeitweise „Tribute“ an den chinesischen Kaiser, wobei die Europäer diese eher als Geschenke oder Warenmuster beim Versuch, China zur Aufnahme von Handelsbeziehungen zu bewegen, betrachteten. Der chinesische Hof erkannte insbesondere die englischen Industriewaren nicht als die Bedrohung einheimischer Produkte, als die sie sich schließlich herausstellen sollten. Siehe den Brief Kaiser Qian Longs an König Georg III.: „Wenn Wir die Annahme der von Euch, oh König, gesandten Tribute befahlen, so geschah dies nur in Anerkennung des Geistes, in dem Ihr sie von so weit her schicktet. Die majestätische Tugend Unserer Dynastie ist in alle Länder unter dem Himmel vorgedrungen und die Könige aller Völker haben Uns auf dem Land- und Seewege teuren Tribut entrichtet. Wie Euer Botschafter selbst sehen kann, besitzen Wir bereits alle Dinge. Wir legen keinen Wert auf ausländische Waren und haben für die Handwerkserzeugnisse Eures Landes keine Verwendung.“ Emperor Qian Long's Letter to King George III, 1793, http://academics.wellesley.edu/Polisci/wj/China/208/READINGS/qianlong.html (zuletzt abgerufen am 17. September 2018, Übersetzung durch den Verfasser). 7 Siehe als knappen Überblick über das Tributsystem Chinas: Chinese Tributary States, Global Security 2018, https://www.globalsecurity.org/military/world/china/history-tributary-states.htm (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 7 2.3. Chinesische Minderheiten in Südostasien Allen südostasiatischen Staaten ist die Existenz mehr oder weniger großer chinesischstämmiger Minderheiten gemein. Diese stammen aus unterschiedlichen Regionen Chinas und sind zu unterschiedlichen Zeiten, vornehmlich jedoch im späten 19. Jahrhundert sowie verstärkt ab 1911, von dort in die jeweiligen südostasiatischen Gebiete eingewandert. Viele Chinesen wurden von den Kolonialmächten als Arbeitskräfte abgeworben, später wanderte eine große Zahl wegen der andauernden Konflikte in China, nicht zuletzt auch der kommunistischen Revolution, aus. Mit der Unabhängigkeit der ehemaligen Kolonien wurden sie zumeist automatisch Staatsbürger des jeweiligen Landes. Sie wurden bzw. haben sich in unterschiedlichem Maße integriert. Während Chinesen in Singapur die Bevölkerungsmehrheit stellen und Staat und Gesellschaft dominieren,8 sind sie in Indonesien immer noch häufig Diskriminierungen ausgesetzt, wenn auch nicht mehr systematisch und von Staats wegen.9 In Thailand, das die weltweit größte chinesischstämmige Minderheit hat, sind die Chinesen nahezu assimiliert, betrachten sich selbst als Thais und werden auch als solche akzeptiert – bislang 14 Ministerpräsidenten des Landes waren reiner oder teilweiser chinesischer Abstammung.10 Grundsätzlich handelt es sich bei den südostasiatischen Chinesen um wirtschaftlich relativ erfolgreiche Minderheiten. Schon zu Kolonialzeiten bauten sie in und zwischen den entsprechenden Ländern große Handelsnetze auf und dominieren in einigen Staaten bis heute den Handel und bestimmte Branchen, was auch daran lag, dass ihnen der Erwerb von Land unter den Kolonialsystemen oft erschwert war. Auch weil die traditionelle chinesische Kultur materiellen Reichtum positiv besetzt und die Vorsorge für die nachfolgenden Generationen den Charakter einer religiösen Pflicht hat, gelangten viele Einwanderer recht rasch zu einem im Vergleich zu den zumeist agrarisch lebenden Autochthonen höheren Wohlstand.11 8 Yuen Sin und Ng Wai Mun, Being Chinese in multiracial Singapore: A framework to check one's ignorance, The Straits Times am 15. Februar 2018, https://www.straitstimes.com/opinion/being-chinese-in-multi-racial-spore (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). 9 Sumanto al Qurtuby, Sentimen Anti-Cina di Indonesia, DW am 2. Januar 2017, https://www.dw.com/id/sentimen-anti-cina-di-indonesia/a-36974659 (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). 10 Nirmal Ghosh, Little distinction between ethnic Thai and Chinese amid close ties, The Straits Times am 19. Februar 2015, https://www.straitstimes.com/asia/se-asia/little-distinction-between-ethnic-thai-and-chineseamid -close-ties (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). 11 Es existieren keine belegbaren Zahlen über den Anteil, den Angehörige chinesischer Minderheiten in südostasiatischen Staaten am jeweiligen Markt oder an den jeweiligen Gesamtprivatvermögen besitzen. Öfter genannte Zahlen (z.B. „73 Prozent aller indonesischen Privatvermögen in der Hand von 3 Prozent chinesischstämmiger Indonesier“) gehen oft tatsächlich auf rein politisch motivierte Behauptungen zurück. Dennoch ist unverkennbar, dass z.B. in Indonesien zahlreiche Konzerne und Konglomerate im Besitz chinesischstämmiger Indonesier sind. Siehe Zubaidah Nazeer, Why Chinese-Indonesians don’t have to hide any longer, South China Morning Post am 10. September 2016, https://www.scmp.com/weekasia /business/article/2018037/why-chinese-indonesians-dont-have-hide-any-longer (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 8 Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg der Volksrepublik China erhielten weiterhin bestehende Verbindungen dieser sogenannten Overseas Chinese nach China deutlichen ökonomischen Wert. Dennoch beruht die wirtschaftliche Dominanz Chinas in der Region nicht nur auf diesen Verbindungen, zumal viele der Overseas Chinese das kommunistische China keineswegs nur positiv sehen. Die Volksrepublik wiederum betrachtete die Overseas Chinese lange mit Argwohn.12 Seit den Reformen Deng Xiaopings in den 1980er Jahren sieht China die über 50 Millionen Overseas Chinese weltweit als mögliche Quelle von Knowhow und Investitionen an und bemüht sich aktiv um engere Verbindungen.13 Die Geschichte und gegenwärtige Situation der chinesischstämmigen Südostasiaten ist komplex und unterscheidet sich zwischen den Ländern erheblich. Ihre Existenz ist ein nicht zu vernachlässigender Bestandteil der wirtschaftlichen und kulturellen Verbindungen des heutigen China zu den südostasiatischen Staaten. Eine umfassende inhaltliche Darstellung würde jedoch den Rahmen dieses Sachstandes sprengen. 3. Chinas Interessen in Südostasien Geographisch ist Südostasien von erheblicher strategischer Bedeutung, insbesondere die Straße von Malakka und das Südchinesische Meer.14 Ungefähr 40 Prozent aller weltweit gehandelten Waren werden jährlich durch die Straße von Malakka transportiert. Bei Singapur ist die Meerenge nur etwa zwei Kilometer breit, was im Konfliktfall eine Blockade ermöglicht. Alle asiatischen Staaten, besonders China, Japan und Korea, sind von Kraftstoffimporten abhängig. Eine Blockade der Straße von Malakka hätte insbesondere für China erhebliche Konsequenzen, da 80 Prozent des von China importierten Rohöls über die Straße von Malakka und von dort über das Südchinesische Meer transportiert werden. Ein weiterer Grund für die strategische 12 Für eine ausführliche Analyse der Politik der VR China gegenüber den Overseas Chinese siehe Shaio H. Zerba, The PRC’s Overseas Chinese Policy, Naval Postgraduate School Monterrey, Juni 2008, https://www.researchgate.net/publication/235043811_The_PRC's_Overseas_Chinese_Policy (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). 13 Reforms urged to attract overseas Chinese, Xinhua am 11. März 2012, http://www.china.org.cn/china/NPC_CPPCC_2012/2012-03/11/content_24865428.htm (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). Eine ausführlichere Darstellung bietet Huiyao Wang, China’s competition for global talents: Strategy, Policy and Recommendations, Asia Pacific Foundation of Canada am 24. Mai 2012, https://www.asiapacific.ca/sites/default/files/filefield/researchreportv7.pdf (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). Dass die Versuche Chinas, insbesondere durch seine auswärtige Kultur- und Bildungspolitik Overseas Chinese stärker an sich zu binden, nicht unkritisiert bleiben, zeigt Yuen Sin, An evolving Singapore Chinese identity: Journey to the West - and now, the East, The Straits Times am 18. Februar 2018, https://www.straitstimes.com/singapore/journey-to-the-west-and-now-the-east (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). Dass die Overseas Chinese in den verschiedenen südostasiatischen Ländern eigene, komplexe Identitäten herausgebildet haben und gewisse Tendenzen, sich wieder an China zu orientieren, in erster Linie eine pragmatische Reaktion auf den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas darstellen, illustriert Grace Tan-Johannes, Why more Chinese Indonesians are learning Mandarin, and nurturing their children’s sense of belonging to Chinese culture, South China Morning Post am 23. August 2018, https://www.scmp.com/lifestyle/families/article/2160779/three-reasons-more-chinese-indonesians-are-learningmandarin -and (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). 14 Alle Informationen dieses Absatzes: David Shambaugh, U.S.-China Rivalry in Southeast Asia: Power Shift or Competitive Coexistence?, International Security, Vol. 42, Issue 04, Spring 2018, S.85-127. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 9 Wichtigkeit des Südchinesischen Meeres sind die Gas- und Ölvorkommen unterhalb des Meeresbodens. China hat daher mindestens drei strategische Interessen in Südostasien: - Sicherung des freien Warenflusses durch die Straße von Malakka, - Kontrolle des Südchinesischen Meeres, - Schaffung von alternativen Handelswegen von China zum Indischen Ozean. In wirtschaftlicher Hinsicht hat sich Südostasien zu einer der am schnellsten wachsenden Regionen der Welt gewandelt. Zusammengenommen bilden die Staaten der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) den sechstgrößten Wirtschaftsraum der Welt und werden im Jahre 2020 bereits der fünftgrößte sein.15 Es ist in Chinas Interesse, die südostasiatischen Märkte für chinesische Unternehmen bzw. ihre Produkte zugänglich zu halten und möglichst profitablen Handel mit Südostasien zu treiben. 4. Grenzstreitigkeiten im Südchinesischen Meer Wie oben ausgeführt, hat China ein Interesse an der Kontrolle des Südchinesischen Meeres, der durch dieses führenden Seehandelswege und der unter dem Meeresboden befindlichen Bodenschätze. Seit mindestens 1947 beansprucht China fast das gesamte Südchinesische Meer als sein Staatsgebiet. Auf chinesischen Karten reicht die Seegrenze fast bis zur indonesischen Inselgruppe Natuna, die etwas nördlich der Linie Singapur – Kuching (Malaysia) liegt. Die Volksrepublik China begründet ihre Sicht unter Verweis auf die Ansprüche auf einige Inseln, die die damalige Republik China nach der Kapitulation Japans (das diese Inseln zuvor kontrolliert hatte), erhoben habe und die in den Erklärungen von Kairo (1943) und Potsdam (1945) bestätigt worden seien.16 Tatsächlich erwähnen die beiden Erklärungen jedoch keine spezifischen Inseln oder Seegebiete, sondern sprechen nur davon, dass Japans Territorium auf seinen Kernarchipel beschränkt bleiben und es die Mandschurei, die Pescadores-Inseln sowie Taiwan an China zurückgeben solle. Vom Südchinesischen Meer und der sich darin befindlichen Inseln, Atolle, Riffe und Felsen spricht keine der beiden Erklärungen. Zudem behauptet China, schon seit alter Zeit die Kontrolle über die Seegebiete und die darin befindlichen Inseln ausgeübt zu haben, was sowohl von den meisten Historikern als auch von den meisten Völkerrechtlern bestritten wird.17 Die chinesische Sichtweise lässt sich mit den einschlägigen völkerrechtlichen 15 Melissa Cheok, Fifty Years On, Southeast Asia Emerges as Global Growth Leader, Bloomberg am 6. August 2017, https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-08-06/fifty-years-on-southeast-asia-emerges-as-global-growthleader (zuletzt abgerufen am 16. Oktober 2018). 16 Alle Informationen dieses Absatzes: Ralph Jennings, Analysts: China Misses Facts in Chiding US Over Contested Sea, Voice of America am 13. Februar 2017, https://www.voanews.com/a/analysts-china-misses-factsin -chiding-us-over-contested-sea/3720916.html (zuletzt abgerufen am 18. Oktober 2018). 17 Mohan Malik (Anm. 4). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 10 Regelungen nicht vereinbaren. Verkompliziert wird sie durch den Friedensvertrag zwischen Taiwan und Japan von 1952, in dem Japan den Verzicht auf die Spratlys und die Paracel-Inseln erklärt, aber zugunsten von Taiwan. Somit ergibt sich eine Anzahl von Grenzstreitigkeiten: Chinas Ansprüche kollidieren mit jenen Vietnams, der Philippinen, Malaysias, Indonesiens und Bruneis. Obwohl die Volksrepublik China den entsprechenden völkerrechtlichen Verträgen beigetreten ist und ihre Ansprüche auf die Spratly-Gruppe im Jahre 2016 vor einem internationalen Gericht verneint wurden, kann sie sich aufgrund ihrer enormen ökonomischen und militärischen Macht erlauben, die Ansprüche der anderen Staaten weitgehend zu ignorieren und ihre Präsenz im Südchinesischen Meer weiter auszubauen. Es geht bei den Streitigkeiten sowohl um Atolle, Riffe, und Felsen als auch um die Seegebiete selbst bzw. den Meeresgrund und die unter ihm verborgenen Rohstoffe. Erschwert wird das Ganze durch die Tatsache, dass Taiwan, das sich wie die Volksrepublik als Rechtsnachfolger der Republik China betrachtet, die gleichen Ansprüche erhebt wie die Volksrepublik. Dieser Aspekt wird im Rahmen dieses Gutachtens jedoch nicht betrachtet. Im Einzelnen gibt es sieben18 Streitfragen mit China:19 1. Das sogenannte Neun-Striche-Linie-Gebiet, so benannt nach der gestrichelt eingezeichneten Seegrenze in chinesischen Atlanten, das fast das gesamte Südchinesische Meer umfasst und sich mit den Ausschließlichen Wirtschaftszonen von Indonesien, Malaysia, Brunei, Vietnam und der Philippinen überlappt. 2. Seegrenze zwischen China und Vietnam parallel zur vietnamesischen Küste. 3. Seegrenze nördlich von Borneo zwischen China, Malaysia und den Philippinen. 4. Inseln, Riffe, Sandbänke und Felsen im Südchinesischen Meer, darunter die Paracel- Inseln, die Pratas-Inseln, die Spratlys und die Macclesfield-Bank. Das Gebiet um die Spratly-Inseln ist dabei besonders umstritten; alle Anspruch erhebenden Staaten (auch Taiwan) haben auf mindestens einer Insel bzw. einem Felsen permanente Bauwerke errichtet, um ihren Anspruch zu untermauern. 5. Seegrenze zwischen China und Indonesien nördlich von den indonesischen Natuna- Inseln. 6. Seegrenze zwischen China und den Philippinen vor den Küsten von Luzon und Palawan. 18 Daneben existiert mit den ungeklärten Grenzstreitigkeiten um einige Inseln (Sabah, Ambalat) zwischen Malaysia, Indonesien und den Philippinen ein weiterer Disput im Südchinesischen Meer. 19 Siehe Troubled waters in South China Sea, Interaktive Grafik, The Straits Times am 29. Februar 2016, https://graphics.straitstimes.com/STI/STIMEDIA/Interactives/2016/02/turf-wars-on-the-south-chinasea /index.html (zuletzt abgerufen am 17. September 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 11 7. Seegrenze zwischen den Philippinen und China sowie entsprechende Ansprüche auf Inseln in der Luzon-Straße. Vietnam und die Philippinen sind bzw. waren die Staaten, die sich am deutlichsten gegen chinesische Ansprüche zur Wehr setzen. Die Besetzung des Mischief-Riffes in der Spratly- Gruppe20 durch die chinesische Marine im Jahre 1995 führte China und die Philippinen an den Rand einer militärischen Auseinandersetzung.21 Nach einer Phase der Konstruktivität in den bilateralen Beziehungen, in denen beide Staaten ein Abkommen unterzeichneten, in dem sie ihrem Willen bekundeten, den Disput auf internationaler bzw. völkerrechtlicher Ebene zu regeln, verschlechterten sich die Beziehungen wieder, nachdem China seine Präsenz auf den Spratlys ausbaute. Im Jahre 2016 urteilte der Ständige Schiedsgerichtshof der Vereinten Nationen in Den Haag zugunsten der Philippinen in einem von diesen angestrengten Verfahren gegen die Volksrepublik China.22 China (sowohl die VR als auch Taiwan) habe keinen völkerrechtlichen Anspruch auf die Spratlys. Es gäbe keinen Beweis dafür, dass China, anders als behauptet, historisch je einen längeren Einfluss auf oder gar Kontrolle über die Spratly-Gruppe ausgeübt habe. Chinas Bauwerke auf einigen der Inseln stellten eine Verletzung der Souveränität der Philippinen dar. Überdies handele es sich bei den Spratlys nicht um Inseln, weshalb das Meer um sie herum nur bis zur 12-Seemeilen-Linie Territorium eines Staates sein, nicht jedoch Teil einer Ausschließlichen Wirtschaftszone.23 Die Spratlys sind daher auch kein relevanter Bezugspunkt für die Vermessung des Kontinentalschelfs, über den ein Anrainer ggf. Ansprüche geltend machen könnte.24 China lehnte das Urteil ab und erklärte, sich nicht daran gebunden zu fühlen. Satellitenbilder beweisen, dass China tatsächlich seine militärische Präsenz auf den Spratlys verstärkt und dort weitere Bauwerke errichtet sowie Soldaten stationiert hat.25 Mittlerweile hat China auf zahlreichen Riffen, Felsen und Atollen im ganzen Südchinesischen Meer Land aufgeschüttet und Bauwerke, darunter auch Flugfelder, errichtet. Damit versucht China, Fakten 20 Bei den Spratlys handelt es sich laut Urteil des Ständigen Schiedsgerichtshofes vom 12. Juni 2016 nicht um Inseln im Sinne des Seerechtes. 21 Philip Shenon, Manila Sees China Threat On Coral Reef, New York Times am 19. Februar 1995, https://www.nytimes.com/1995/02/19/world/manila-sees-china-threat-on-coral-reef.html (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). Satellitenbilder, die die massive Bautätigkeit der chinesischen Marine auf dem Mischief Reef belegen, unter: Asia Maritime Transparency Initiative, Mischief Reef, 2018, https://amti.csis.org/mischiefreef / (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). 22 Alle Informationen dieses Absatzes: Stephen McDonell, South China Sea: Tribunal backs case against China brought by Philippines, BBC am 12. Juli 2016, https://www.bbc.com/news/world-asia-china-36771749 (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). 23 Asia Maritime Transparency Initiative, Philippines v. China: Arbitration Outcomes, 2018, https://amti.csis.org/arbitration-map/ (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). 24 Stephen McDonell (Anm. 22). 25 Siehe Anm. 20. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 12 zu schaffen und die Anrainer bzw. die Staaten, zu deren Territorium die betreffenden natürlichen Strukturen eigentlich gehören, zur Aufgabe ihrer Ansprüche zu zwingen.26 Auch in anderen Teilen des Südchinesischen Meeres demonstriert China immer wieder seine Dominanz. Im Jahre 2016 begannen zahlreiche chinesische Trawler rund um die indonesischen Natuna-Inseln, eskortiert von einem Schiff der chinesischen Küstenwache, zu fischen.27 Obwohl China die Natuna-Inseln selbst als indonesisches Territorium anerkennt, behauptet es, das Meer nahe der Inseln sei „traditioneller Fanggrund chinesischer Fischer.“28 Diese wiederum werden von China seit Jahrzehnten auch militärisch geschult, sodass es sich bei den Besatzungen chinesischer Fischkutter faktisch um eine Art Miliz handelt.29 Beim Versuch der indonesischen Küstenwache, einen chinesischen Trawler aufzubringen, wurde ihr Schiff von dem der chinesischen Küstenwache gerammt.30 In Folge des als auftrumpfend und martialisch wahrgenommenen Auftretens Chinas sowie des als Wilderei empfundenen Fischfanges in seinen Gewässern hat sich Indonesien, das zuvor eher als Vermittler im Streit um das Südchinesische Meer und bewusst zurückhaltend aufgetreten war, deutlich auf Seiten der Philippinen bzw. Vietnams positioniert und damit begonnen, regelmäßig Marinemanöver in den Gewässern um Natuna abzuhalten.31 Überdies benannte Indonesien die von China beanspruchten Seegebiete um in „Nördliche Natuna-See“ (Laut Natuna Utara).32 Das Agieren und Auftreten Chinas in dem Konflikt bzw. den Konflikten macht seine hegemonialen Ansprüche in Südostasien am stärksten sichtbar. Die demonstrative Ablehnung völkerrechtlicher Regelungen, des Urteils eines internationalen Gerichtes und des Protestes mehrerer Nachbarstaaten sowie der USA verdeutlichen, dass China seine eigene Stellung im asiatisch-pazifischen Raum als herausragend und dominierend begreift. Allerdings bemüht sich die Volksrepublik trotz allem mitunter martialisch wirkenden Auftretens im Hinblick auf ihre 26 Than Truong Thuy, Land reclamation: a South China Sea game changer, Asia Maritime Transparency Initiative am 10. Dezember 2014, https://amti.csis.org/land-reclamation-a-south-china-sea-game-changer/ (zuletzt abgerufen am 23. September 2018). 27 Aaron J. Connelly, Will Indonesia, provoked, now choose to lead on the South China Sea?, Asia Maritime Transparency Initiative am 21. März 2016, https://amti.csis.org/will-indonesia-provoked-now-choose-leadsouth -china-sea/ (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). 28 Aaron J. Connelly (Anm. 27). 29 John Sudworth, South China Sea: The mystery of missing books and maritime claims, BBC am 19.Juni 2016, https://www.bbc.com/news/world-asia-china-36545565 (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). 30 Aaron j. Connelly (Anm. 27). 31 Indonesia Mulai Konfrontasi Klaim Cina di Laut Cina Selatan, DW am 11. September 2017, https://www.dw.com/id/indonesia-mulai-konfrontasi-klaim-cina-di-laut-cina-selatan/a-40443970 (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). 32 Ralph Jennings, RI Ubah Nama Sebagian Laut China Selatan dengan 'Laut Natuna Utara', VOA Indonesia am 20. Juli 2017, https://www.voaindonesia.com/a/indonesia-ubah-nama-sebahian-laut-china-selatan-/3952207.html (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 13 ökonomischen und strategischen Interessen um eine gewisse Konstruktivität im Verhältnis zu den anderen Anrainern des Südchinesischen Meeres. So reagierte die Regierung in Beijing zwar verärgert auf das Urteil von 2016 und erklärte, es sei null und nichtig, kündigte aber auch an, „sich mit den direkt involvierten Staaten beraten” zu wollen und schlug eine „gemeinsame Erkundung und Entwicklung“ der Meeresressourcen vor.33 Zudem bekräftigte China seine Unterstützung für die Freiheit der Seefahrt in sowie des Luftverkehrs über dem Südchinesischen Meer und seine Bereitschaft, den ungehinderten Zugang zu internationalen Seeverkehrsrouten sicherzustellen. Hierbei handelt es sich, wie oben dargelegt, auch um ein ureigenes Interesse Chinas selbst. Obwohl China seine militärische Präsenz in den umstrittenen Gebieten ausbaut und offenkundig versucht, Fakten zu schaffen, ist es also allem Anschein nach immer noch bemüht, den Nachbarstaaten nicht allzu offensichtlich seine Macht zu demonstrieren. Das dürfte auch mit der Tatsache zu tun haben, dass insbesondere die Philippinen mit den USA einen militärischen Verbündeten haben, mit dem sich China auf keinen direkten Konflikt einlassen möchte. Dass die Philippinen unter Präsident Rodrigo Duterte auf das Angebot einer gemeinsamen Entwicklung der Ressourcen unter dem Meeresboden grundsätzlich zugestimmt haben, obwohl die meisten dieser Ressourcen laut Urteil von 2016 allein den Philippinen zustehen, verdeutlicht aber wiederum auch, dass zumindest die Regierung Duterte dazu bereit ist, einige der von China geschaffenen Fakten hinzunehmen.34 Dies wird jedoch in der philippinischen Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert und auch die nationale Sicherheitsstrategie der philippinischen Streitkräfte geht davon aus, dass Chinas Vorgehen im Südchinesischen Meer die größte Bedrohung für die Philippinen darstellt.35 Zudem ist auch Duterte trotz verbaler Ausfälle gegenüber den USA von keinem der Abkommen mit Amerika zurückgetreten. Vietnam wiederum zeigt sich deutlich skeptischer als die Philippinen und hat im Jahre 2017 durch unilaterale Erkundung eines potentiellen Erdgasfeldes deutlich gemacht, dass es Chinas Forderung nach einem Stopp aller nicht gemeinsamen Erkundungsmaßnahmen nicht nachkommt.36 33 Alle Informationen dieses Absatzes: Stephen McDonell (Anm. 22). 34 Jay Batongbacal, Philippine-China joint development talks still at an impasse, despite green light, 23. April 2018, https://amti.csis.org/philippine-china-joint-development-impasse/ (zuletzt abgerufen am 19. September 2018). Allerdings erfährt Präsident Duterte wegen seiner sehr chinafreundlichen Politik auch deutlichen politischen Widerstand auf den Philippinen, insbesondere von Seiten des Militärs. Siehe Richard Javad Heydarian, Duterte faces domestic resistance, Asia Maritime Transparency Initiative am 13. April 2017, https://amti.csis.org/duterte-faces-domestic-resistance/ (zuletzt abgerufen am 19. September 2019). 35 Ministerium für Verteidigung der Republik der Philippinen, National Security Strategy – Security and Development for Transformational Change and the Well-Being of the Filipino People, 2018, http://www.officialgazette.gov.ph/downloads/2018/08aug/20180802-national-security-strategy.pdf (zuletzt abgerufen am 16. Oktober 2018). 36 Murray Hiebert und Gregory Poling, Tensions bubble to the surface in China-Vietnam spat, The Asia Maritime Transparency Initiative am 28. Juni 2017, https://amti.csis.org/tensions-bubble-china-vietnam/ (zuletzt abgerufen am 9. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 14 5. Infrastrukturprojekte Chinas in Südostasien China engagiert sich wirtschaftlich und entwicklungspolitisch - Kategorien, die sich im Falle Chinas oft nicht klar trennen lassen - stark in seinen Nachbarländern und der ganzen Region Südostasien.37 Chinesische Staatsunternehmen sind an diversen Vorhaben als Investoren und Ausführende beteiligt, chinesische Banken liefern zumeist die Kredite. Allein in Indonesien bauen chinesische Unternehmen für viele Milliarden Dollar Brücken, Straßen, Häfen und Bahnlinien; des Weiteren sind sie oft größter Investor bei neuen Ölpalmenplantagen, Minen und Kohlegruben.38 Ähnliche Beispiele finden sich für jedes südostasiatische Land. Von herausragender Bedeutung ist jedoch Chinas Engagement bei koordinierten Infrastrukturprojekten, die erhebliche wirtschaftliche und strategische Bedeutung für China und die betroffenen Länder haben. Insbesondere letzteres – die strategisch-militärische Komponente – ist für die Vereinigten Staaten, Indien und andere Anrainer des Indopazifik Anlass zur Sorge. Die Gesamtheit dieser Infrastrukturprojekte bildet die Belt and Road Initiative (BRI), die im Folgenden dargestellt wird. 5.1. Belt and Road Initiative (BRI) Im Deutschen wird zumeist von der Initiative Neue Seidenstraße gesprochen, wenn es um Chinas ambitioniertes Vorhaben interkontinentaler Vernetzung geht. Die eigentliche „Neue Seidenstraße“, d.h. die Landverbindung zwischen China und Europa, ist aber nur ein Teil eines umfassenden Bündels von Infrastrukturprojekten, mit dem China sich mit insgesamt 64 Staaten auf den eurasischen und afrikanischen Kontinenten verbinden will und wofür es ein Gesamtinvestitionsvolumen von über einer Billion USD angibt.39 Dieses Projektbündel wird als Belt and Road Initiative (BRI) bezeichnet.40 Die BRI, ursprünglich auch bekannt als One Belt, One Road und Silk Road Economic Belt and the 21st-century Maritime Silk Road wurde im September 2013 anlässlich eines Besuches von Xi Jiping in Kasachstan zum ersten Mal vorgestellt; im Oktober 2013 folgte auf einem weiteren 37 Für eine interaktive Darstellung chinesischer Entwicklungs- und Wirtschaftshilfeprojekte siehe AidData, Mapping China's Global Development Footprint - AidData's Geocoded Global Chinese Official Finance Dataset – Chinese Project Locations, 2018, https://www.aiddata.org/china-project-locations-v-1-0-1 (zuletzt abgerufen am 1. Oktober 2018). Auffallend ist für Südostasien die Konzentration auf Laos, Kambodscha sowie die Regionen Hanoi und Manila. Die Daten stammen jedoch nicht aus offiziellen chinesischen Statistiken, da die Volksrepublik China keine Zahlen und Daten zu ihrer Entwicklungspolitik veröffentlicht. 38 Anjelina Anjar Sawitri, Cina Akan Biayai 9 Proyek Infrastruktur Indonesia, Tempo am 9. Mai 2016, https://bisnis.tempo.co/read/769468/cina-akan-biayai-9-proyek-infrastruktur-indonesia/full&view=ok (zuletzt abgerufen am 23. September 2018). 39 Philip Oltermann, Germany's 'China City': how Duisburg became Xi Jinping's gateway to Europe, The Guardian am 1. August 2018, https://www.theguardian.com/cities/2018/aug/01/germanys-china-city-duisburg-became-xijinping -gateway-europe#img-3 (zuletzt abgerufen am 23. September 2018). 40 Lily Kuo und Nico Kommenda, What is China's Belt and Road Initiative?, The Guardian im Juli 2018, https://www.theguardian.com/cities/ng-interactive/2018/jul/30/what-china-belt-road-initiative-silk-roadexplainer (zuletzt abgerufen am 23. September 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 15 Staatsbesuch in Indonesien die Präsentation der Vision der „maritimen Seidenstraße“ mit Südostasien als Herzstück.41 Und im März 2015 veröffentlichte die chinesische Regierung eine Art Erklärung, in der sie ihre Vision und ihre Handlungskonzepte für die Umsetzung der Initiative darlegte.42 Die BRI benötigt zwar die aktive Kooperation der betreffenden Staaten und verlangt ihnen (teils sehr hohe) Kosten für die entsprechenden Infrastrukturprojekte ab, ist faktisch jedoch kein multilaterales Projekt im eigentlichen Sinne, da Planung, Finanzierung und Durchführung von China vollkommen dominiert werden, wie in den folgenden Abschnitten dargelegt wird.43 Allerdings kann China dennoch nicht ohne die Unterstützung der entsprechenden Länder auskommen und hat in jüngster Zeit auch Rückschläge hinnehmen müssen (s. Abschnitt 5.2.2). Südostasien ist als direkte Nachbarregion Chinas von den Plänen sowohl vom Belt (dem „Festlandsanteil“ der BRI) als auch der „Maritimen Seidenstraße des 21. Jahrhunderts“ (dem Ausbau der Seewege und Häfen) betroffen. In der offiziellen Erklärung zur BRI heißt es: „Belt und Road führen durch die Kontinente Asien, Europa und Afrika und verbinden den dynamischen ostasiatischen Wirtschaftskreis am einen Ende mit dem entwickelten europäischen Wirtschaftskreis am anderen Ende und umfassen Länder mit riesigem Potential für wirtschaftliche Entwicklung. Der Silk Road Economic Belt soll China, Zentralasien, Russland und Europa (über die Ostsee)44 zusammenführen; China über Zentral- und Westasien mit dem Persischen Golf und dem Mittelmeer verbinden sowie mit Südostasien, Südasien und dem Indischen Ozean. Die Maritime Seidenstraße des 21. Jahrhunderts soll von Chinas Küsten einerseits durch das Südchinesische Meer und den Indischen Ozean bis Europa, andererseits durch das Südchinesische Meer in den Südpazifik führen.45 Auf dem Land wird sich die Initiative auf den Aufbau einer neuen eurasischen Landbrücke konzentrieren und die Wirtschaftskorridore China-Mongolei-Russland, China-Zentralasien-Westasien und China- Indochinesische Halbinsel konzentrieren (…) Auf See wird die Initiative sich darauf 41 Staatsrat der Volksrepublik China, Chronology of China’s Belt and Road Initiative, 28. März 2015, http://english.gov.cn/news/top_news/2015/04/20/content_281475092566326.htm (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 42 Nationale Entwicklungs- und Reformkommission, Ministerium für auswärtige Angelegenheiten und Ministerium für Handel der Volksrepublik China, Vision and Actions on Jointly Building Silk Road Economic Belt and 21st-Century Maritime Silk Road, 25. März 2015, http://en.ndrc.gov.cn/newsrelease/201503/t20150330_669367.html (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 43 Laut Chinas offizieller Darstellung ist die BRI ein globales Projekt, das allen beteiligten Staaten Zusammenarbeit sowie gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung und wirtschaftliche Reform abverlangt und damit zu Völkerfreundschaft und Frieden führt (Anm. 39). 44 Wie Anm. 38 darlegt, wurde dieser Teil der Erklärung von der Wirklichkeit überholt. Tatsächlich ist es nicht allein die Ostsee, die Europa und China über Russland verbindet, sondern es verkehren bereits Güterzüge direkt zwischen Deutschland und China. 45 Man beachte, dass Nordamerika bzw. die östlichen Pazifikanrainer nicht genannt werden. Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 16 konzentrieren, sichere und effiziente Transportwege als Verbindungen wichtiger Hafenstädte (…) zu schaffen.“46 Südostasien ist, wie auf Seite 8 dargelegt, für China von entscheidender strategischer Bedeutung. Dementsprechend sind dort mehrere Kernprojekte der BRI lokalisiert: drei Landhandelswege samt dazugehörigen Häfen, Öl- und Gaspipelines, Eisenbahnlinien und Straßen sowie die sogenannte „Maritime Seidenstraße“ (Maritime Silk Road Initiative, MSRI). Insbesondere die Landhandelswege mit den geplanten Pipelines dienen auch der Lösung des „Malakka-Problems“ (s. S.8): China strebt den Bau von Straßen und Häfen zum bzw. am Indischen Ozean an, um sich des strategischen Problems einer möglichen Seeblockade der Straße von Malakka zu entledigen. Dem gleichen Ziel würde ein Kanal durch den Isthmus von Kra in Thailand dienen, wobei es hierbei zwar schon Grundkonzepte, aber noch keine festen Pläne oder auch nur eine offizielle Stellungnahme Thailands gibt.47 Die geplanten bzw. im Bau befindlichen und zum Teil schon abgeschlossenen Bauprojekte haben das Potenzial, Südostasien erheblich zu verändern und ökonomischen Nutzen zu bringen. Sie stoßen aber nicht nur auf Begeisterung, weder bei betroffenen südostasiatischen Staaten, noch bei den USA, Indien, Australien und Japan (s.u.). In vielen der beteiligten Staaten herrscht vor allem die Sorge, sich durch die zumeist co- und kreditfinanzierten Bauprojekte bei China zu überschulden: die Kredite für den nichtchinesischen Anteil an den Vorhaben werden meist von China selbst gewährt. Die vier genannten Staaten befürchten vor allem, dass Häfen und Straßen China auch einen direkten militärischen Vorteil verschaffen könnten. Zum stärksten Kritiker hat sich nach dem dortigen Machtwechsel im Jahre 2018 Malaysia entwickelt. Zur Kritik an der BRI siehe den folgenden Abschnitt. 5.2. Kritik an der BRI Die großen Anstrengungen Chinas, die BRI zu realisieren und dafür Investitionen in 64 Staaten Asiens, Europas und Afrikas zu tätigen, treffen auch auf Kritik, die hier, im Falle Südostasiens ausführlicher, erläutert werden soll. 5.2.1. Kritik westlicher und regionaler Mächte Vor allem aus den USA, Indien, Japan und Australien kommen kritische Stimmen, die das militärische und strategische Potenzial der BRI betonen. Die vier Staaten führen seit 2007 den sogenannten Quadrilateral Security Dialogue („Quad“), ein strategisches Gesprächsformat, das 46 Anm. 42, Übersetzung durch den Verfasser. 47 Rhea Menon, Thailand's Kra Canal: China's Way Around the Malacca Strait, The Diplomat am 6. April 2018, https://thediplomat.com/2018/04/thailands-kra-canal-chinas-way-around-the-malacca-strait/ (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 17 als Reaktion auf die wachsende Macht Chinas im Indopazifischen Raum gebildet wurde und von gemeinsamen Marinemanövern flankiert wird.48 Für die USA ist dabei die Möglichkeit, ihre hegemoniale Stellung im asiatisch-pazifischen Raum zu verlieren, ganz grundsätzlich ein Negativum.49 Die USA versuchen, ihren Einfluss beizubehalten bzw. wiederzugewinnen. Angebote Chinas an lateinamerikanische Länder, sich der BRI anzuschließen, werden von den USA als Provokation wahrgenommen. Die Position Chinas in der Region wurde auch durch den Rückzug der USA aus dem transpazifischen Freihandelsabkommen TTP gestärkt, die sich durch diesen von Präsident Donald Trump verordneten Rückzug faktisch selbst geschwächt haben. Japan fürchtet vor allem um seine Energiesicherheit.50 Seine Energieversorgung ist noch abhängiger von Importen als die Chinas und als weitgehend bodenschatzloses Inselreich ist Japan auf freie Seehandelswege angewiesen. Japan befürchtet, dass China durch die Umgehung der Straße von Malakka selbst zum Re-Exporteur von Kraftstoffen werden und damit Japan potentiell unter Druck setzen könnte, zumal es, sobald der Landweg für Kraftstoffe nach China über Pakistan und Myanmar erst nutzbar ist (s.u.), selbst die Straße von Malakka blockieren könnte. Australien fürchtet ebenfalls Chinas militärisches Potenzial und vor allem Versuche Chinas, seine Meeresgebiete unter Bruch des Seevölkerrechtes auszuweiten.51 Es hat sich der Maritime Silk Road nicht angeschlossen, verhält sich aber bezüglich China insoweit ambivalent, als dass es seine Wirtschaftsbeziehungen zur Volksrepublik deutlich intensiviert und z.B. den Hafen von Darwin an eine mit der BRI assoziierte chinesische Firma verkauft hat.52 Indien sieht seine Interessen durch das Engagement Chinas vor allem in Pakistan und Sri Lanka berührt und hat als einziger Staat der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (Shanghai Cooperation Organization, SCO) der BRI keine Unterstützung zugesagt.53 Insbesondere die in den 48 Allerdings ist der Quad kein tatsächliches Bündnis, sondern eher lose strukturiert. Mehrere Jahre lang ruhte das Format, da Australien sich unter der damaligen Regierung von Kevin Rudd daraus zurückzog. Auch Indien, das traditionell stark auf seine außenpolitische Unabhängigkeit achtet, scheut vor einer zu starken Bindung zurück und hat häufig öffentlich betont, nicht grundsätzlich gegen eine gewichtigere Rolle Chinas in der Region zu sein. Siehe Andrew Shearer, Quad redux: A new agenda for Asia's maritime democracies, The Interpreter am 10. November 2017, https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/quad-redux-new-agenda-asia-maritimedemocracies (zuletzt abgerufen am 8. Oktober 2018). 49 Andrew Shearer und Jessy Barker Gale, The Quadrilateral Security Dialogue and the Maritime Silk Road Initiative, Asian Maritime Transparency Initiative am 4.April 2018, https://amti.csis.org/quadrilateral-securitydialogue -maritime-silk-road/ (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). 50 Andrew Shearer und Jessy Barker Gale (Anm. 49). 51 Jeffrey Hornung, The potential of the Quadrilateral, Asia Maritime Transparency Initiative am 21. Februar 2018, https://amti.csis.org/the-potential-of-the-quadrilateral/ (zuletzt abgerufen am 9. Oktober 2018). 52 Andrew Shearer und Jessy Barker Gale (Anm. 49). 53 India refuses to endorse China's BRI, The Times of India am 10. Juni 2018, https://timesofindia.indiatimes.com/india/india-refuses-to-endorse-chinas-bri/articleshow/64530284.cms (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 18 letzten Jahren sehr intensivierte wirtschaftliche und politische Kooperation der Volksrepublik China mit Pakistan, mit dem Indien seit jeher ein sehr schwieriges, oft sogar offen feindliches, Verhältnis pflegt, bereitet Indien Sorge.54 Pakistan ist einer der wichtigsten Bausteine der BRI, hier errichtet China unter anderem eine internationale Schnellstraße55 von Kashgar in Xinjiang nach Gwadar am Persischen Golf, wo es außerdem einen großen Hafen baut.56 Indien hat überdies offene Grenzstreitigkeiten mit China. Es befürchtet außerdem eine mögliche Militarisierung des faktisch chinesischen Hafens auf der Insel Ceylon (siehe unten Abschnitt 5.2.2) und eine Verletzung der Souveränität seiner Seegebiete.57 Indien schwankt in seiner öffentlichen Position zu Chinas Expansion zwischen deutlicher Kritik und starker Zurückhaltung und versucht, im Sinne seiner Non-Alignment-Doktrin China in Kooperation mit anderen Staaten einzuhegen, ohne sich dabei selbst zu binden.58 5.2.2. Kritik und Widerstand südostasiatischer Staaten Anhaltende Kritik aus Südostasien lösten die Entwicklungen um das Hafenprojekt Hambantota auf Sri Lanka aus.59 Sri Lankas Regierung hatte in dem Ort Hambantota seit Anfang der 2000er Jahre den Bau eines Tiefwasserhafens für den Güterumschlag geplant. Dieser Hafen wurde letztlich von chinesischen Unternehmen errichtet. Das Projekt wurde größtenteils von Sri Lanka finanziert, wobei es die dafür notwendigen Kredite – bei einem sehr hohen Zinssatz von 6,3 Prozent - von Chinas Regierung bzw. chinesischen Staatsbanken erhielt. Da Sri Lanka diese Kredite angesichts seiner insgesamt sehr hohen Auslandsschulden nicht mehr bedienen konnte, erklärte es sich im Jahre 2017 dazu bereit, als Gegenleistung für den Erlass der Schulden den Hafen in Gänze für 99 Jahre an China zu verpachten. Somit profitiert Sri Lanka kaum vom Hafen Hambantota. Kritiker werfen China vor, diese Situation ganz bewusst herbeigeführt und Sri Lanka absichtlich in eine Schuldenfalle gelockt zu haben. Außerdem könnte der Hafen 54 Zur indischen Sicherheitspolitik, insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis zu Pakistan und Indiens verstärkte Hinwendung zu maritimer Sicherheit, siehe: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Deutsch-indische Sicherheitskooperation, S. 10 ff., 1. August 2016, Az. WD 2 - 3000 - 097/16, https://www.bundestag.de/blob/438646/1ccb91bf37b0e5382c5aa3cc88e56163/wd-2-097-16-pdf-data.pdf (zuletzt abgerufen am 22. Oktober 2018). 55 Der sogenannte Karakoram Highway, der die Grenze zwischen Pakistan und China am Khunjerab-Pass im Karakorumgebirge überquert. 56 Gurmeet Kanwal, Pakistan’s Gwadar Port: A new naval base in China’s String of Pearls in the Indo-Pacific, Asia Maritime Transparency Initiative am 4. April 2018, https://amti.csis.org/gwadar-port-naval-base-string-pearls/ (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). 57 Sarah Watson, Will India truly start „acting east” in Andaman and Nicobar?, Asia Maritime Transparency Initiative am 16. November 2015, https://amti.csis.org/will-india-truly-start-acting-east-in-andaman-andnicobar / (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). 58 Sarah Watson, India needs more than cautious statement on the South China Sea, Asia Maritime Transparency Institute am 6. Dezember, 2016, https://amti.csis.org/india-cautious-statements-south-china-sea/ (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). 59 Alle Informationen dieses Absatzes: Jonathan Hillman, Game of Loans: How China bought Hambantota, Asia Maritime Transparency Initiative am 4. April 2018, https://amti.csis.org/game-of-loans-china-hambantota/ (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 19 theoretisch auch militärisch nutzbar sein und liegt strategisch sehr günstig zwischen der Straße von Malakka und Chinas Militärbasis in Djibouti. Der von China zusätzlich zum Hafen errichtete Flughafen wurde dagegen völlig am Bedarf vorbei geplant, hat kaum Flugbetrieb und wurde von China nicht übernommen, so dass Sri Lanka weiter für den Unterhalt aufkommen muss. Dieses Gebaren wird China auch in anderen Situationen vorgeworfen: es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass China – insbesondere in Afrika – hohe Kredite vergeben hat, obwohl deren Rückzahlung angesichts der Umstände ganz offenkundig in höchstem Maße unwahrscheinlich ist.60 Kritiker folgern daraus, dass China mit der Kreditvergabe nicht ausschließlich die Finanzierung von Projekten verfolgt, sondern vielmehr Schulden als Druckmittel einsetzt und deswegen Entwicklungsländer bewusst auf diplomatischem Wege in Schuldenfallen lockt (die sogenannte debt trap diplomacy). Das Center for Global Development in Washington weist in einer Analyse vom März 2018 nach, dass insbesondere acht Staaten, die an der BRI partizipieren, einem sehr erheblichen Risiko ausgesetzt sind, durch die BRI in eine Schuldenfalle zu geraten, darunter mit Laos auch ein südostasiatisches Land.61 Andere Kritiker von Chinas Engagement wenden sich eher grundsätzlich gegen eine von ihnen empfundene Vereinnahmung und Dominanz Chinas in ihren Staaten. Ein Beispiel für eine Entwicklung, in der binnen weniger Jahre ohne Rücksicht auf die Lokalbevölkerung eine massive Expansion chinesischen Einflusses auf Wirtschaft und Politik stattfand, ist das kambodschanische Sihanoukville.62 Das Seebad wurde in den letzten Jahren durch zahlreiche chinesische Bauprojekte, wie einen Hafen, Hotels, Einkaufszentren, Casinos, Ferienwohnanlagen, Straßen und andere Infrastrukturprojekte deutlich verändert. Dabei kommt dies der einheimischen Bevölkerung nur relativ wenig zu Gute, da z.B. chinesische Hotels fast ausschließlich chinesische Arbeitskräfte oder chinesische Bauunternehmen chinesische Arbeiter beschäftigen und chinesische Bewohner, Restaurants und Touristen aus China importierte Nahrungsmittel kaufen. Die Stadt ist binnen weniger Jahre enorm gewachsen, allerdings ist dies größtenteils auf den Zuzug von Chinesen zurückzuführen; etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind inzwischen chinesisch. Durch den Zuzug und den Tourismus steigen die Lebenshaltungs- und Wohnkosten für die Kambodschaner, die bereits zu den ärmsten Bevölkerungen Südostasiens gehören. Da einige andere Kambodschaner selbstverständlich dennoch profitieren, wächst die Schere zwischen Arm und Reich und es erhöhen sich die sozialen Spannungen. Die Armut 60 Brahma Chellaney, China's Debt-Trap Diplomacy, The Namibian am 27. Januar 2017, https://www.namibian.com.na/160579/archive-read/Chinas-Debt-Trap-Diplomacy (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). 61 John Hurley, Scott Morris und Gailyn Portelance, Examining the Debt Implications of the Belt and Road Initiative from a Policy Perspective, Center for Global Development, CGD Policy Paper 121, S. 11-19, März 2018, https://www.cgdev.org/sites/default/files/examining-debt-implications-belt-and-road-initiative-policyperspective .pdf (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). Die anderen von der „chinesischen Schuldenfalle” bedrohten Länder sind Djibouti, Kirgisien, Tadschikistan, die Malediven, die Mongolei, Pakistan und das NATO-Mitglied Montenegro. 62 Alle Informationen dieses Absatzes, sofern nicht durch Fußnote anders vermerkt: Hannah Ellis-Peterson: 'No Cambodia left': how Chinese money is changing Sihanoukville, The Guardian am 31. Juli 2018, https://www.theguardian.com/cities/2018/jul/31/no-cambodia-left-chinese-money-changing-sihanoukville (zuletzt abgerufen am 1. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 20 Kambodschas, die dort gering ausgeprägte und wenig wirkmächtige Zivilgesellschaft sowie die weit verbreitete Korruption ermöglichen diese Entwicklung bzw. machen ein korrigierendes Eingreifen der kambodschanischen Regierung unwahrscheinlich. Überdies ist Sihanoukville Bestanteil einer kambodschanisch-chinesischen Wirtschaftszone entlang der Küste, wobei jedoch die große Mehrheit der dort operierenden Unternehmen chinesisch ist. Auch an anderen Orten Kambodschas ist das wirtschaftliche Engagement Chinas stark: so bauen chinesische Unternehmen z.B. einen neuen Flughafen und ein Stadion in Pnomh Penh, wovon sich wiederum die autokratische Regierung unter Hun Sen Prestige und damit politische Stärkung erhofft.63 Da Hun Sen ein China gegenüber ausgesprochen freundlicher Regierungschef ist, unterstützte die Volksrepublik ihn bei den letzten Wahlen in Kambodscha ganz öffentlich durch Spenden und Auftritte des chinesischen Botschafters bei Wahlkampfveranstaltungen.64 In Folge seiner Wiederwahl schaffte Hun Sen in den letzten Jahren systematisch Pressefreiheit und politische Rechte ab. Laut Auskunft kambodschanischer Politikanalysten haben über achtzig Prozent der Kambodschaner inzwischen ein schlechtes Bild von China und den Chinesen, da letztere sich der einheimischen Wahrnehmung nach in chinesisch dominierten Städten wie Sihanoukville rücksichtslos und nach Kolonialherrenart benähmen.65 In keinem anderen südostasiatischen Land ist der Einfluss Chinas so groß und so offenkundig wie in Kambodscha. Sihanoukville bzw. Kambodscha steht exemplarisch für in Südostasien vielerorts gefürchtete Szenarien, in denen China durch wirtschaftliche Übermacht und die Kooptierung lokaler Eliten „Quasi-Kolonien“ errichtet.66 Zum schärfsten Kritiker in Südostasien hat sich im Jahre 2018 Malaysia entwickelt. Nach dem Wahlsieg der ehemaligen Opposition hat sich die neue Regierung vom ausgesprochen chinafreundlichen Kurs der Regierung Najib Razaks abgewandt. Zwar hatte auch die 63 Chinese project spending empowers Southeast Asia's strongmen, Nikkei Asian Review am 25. Juli 2018, https://asia.nikkei.com/Spotlight/Belt-and-Road/Chinese-project-spending-empowers-Southeast-Asia-sstrongmen (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). Der Artikel führt auch aus, dass Hun Sens Hinwendung zu China durch fallende Popularitätswerte ausgelöst wurde. China wiederum unterstütze ihn, weil es so sicherstellen wolle, dass ASEAN seine Ambitionen im Südchinesischen Meer nicht verurteilen kann, da die Organisation auf dem Einstimmigkeitsprinzip beruht. 64 Bernhard Zand, Operation Mekong, Der Spiegel am 8. Oktober 2018. 65 Bernhard Zand (Anm. 64). 66 Vgl. die Aussage der Analystin Anwita Basu: „You’d have an inflow of Chinese tourists, labour and food – Chinese everything. It has happened in South Korea; it has happened in most of South-East Asia. I think, rhetorically speaking, Dr Mahathir is concerned with retaining Malaysia’s culture,” In: Desmond Ng und Emily Liu, What now for the High-Speed Rail and Malaysia’s East Coast Rail Link?, Channel News Asia am 23. Mai 2018, https://www.channelnewsasia.com/news/cnainsider/singapore-kl-high-speed-rail-east-coast-rail-linkmoney -mind-10259732 (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). In Sri Lanka plant China den Bau einer ganzen Stadt, wobei die Kritik daran ganz ähnlich argumentiert wie im Falle Sihanoukvilles. Siehe Michael Safi, Sri Lanka's 'new Dubai': will Chinese-built city suck the life out of Colombo?, The Guardian am 2. August 2018, https://www.theguardian.com/cities/2018/aug/02/sri-lanka-newdubai -chinese-city-colombo (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). Nach dem Wahlsieg der Opposition im Jahre 2015 wurde das Projekt Port City von der neuen Regierung zunächst ein Jahr lang gestoppt: Siehe Sameer Lalwani, Stirred but not shaken: Sri Lanka’s rebalancing act, Asia Maritime Transparency Initiative am 18. Juni 2015, https://amti.csis.org/stirred-but-not-shaken-sri-lankas-rebalancing-act/ (zuletzt abgerufen am 5. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 21 Vorgängerregierung mit öffentlicher Kritik reagiert, als chinesische Fischer und Küstenwachenschiffe in die malaysische Wirtschaftszone im Südchinesischen Meer eindrangen, doch unterstützte ihre Politik BRI und die malaysisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen stets vorbehaltlos.67 Damit schlägt Malaysia einen Weg ein, der dem der Philippinen entgegengesetzt ist: während diese früher unter den südostasiatischen Staaten die schärfste Kritik an China übten, haben sie ihre Chinapolitik unter Präsident Rodrigo Duterte fast gänzlich geändert.68 Die neue Mehrheit in Malaysia hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, die Politik der Regierung Najib Razaks aufzugeben und chinesische Bauprojekte in Malaysia, die im Lande mit Korruption und Kollusion sowie dem „Ausverkauf Malaysias“ assoziiert werden, zu überprüfen und ggf. zu beenden. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Mohamad Mahathir prüft den Rückzug der Genehmigungen für chinesische Infrastrukturprojekte mit einem Gesamtvolumen von 40 Mrd. USD und hat angekündigt, sich stärker als bisher mit den von Chinas Verhalten im Südchinesischen Meer betroffenen Staaten zu koordinieren. Die Aufgabe bzw. Verkleinerung malaysisch-chinesischer Infrastrukturprojekte soll auch dazu dienen, die große Auslandsverschuldung Malaysias abzubauen, wobei der größte Schuldner Malaysias die Volksrepublik China ist. Ausdrücklich bezog sich der Finanzminister Malaysias bei der entsprechenden Ankündigung auf das Beispiel Hambantota. Der neue Kurs Malaysias ist im Übrigen auch eine Änderung der Politik von Ministerpräsident Mahathir, der bereits von 1981 bis 2003 im Amt war. Damals betrachtete er den Aufstieg Chinas als Gegengewicht zu den von ihm als übermächtig wahrgenommenen USA und begrüßte ihn, da er der damaligen Politik Malaysias, sich an keine Hegemonialmacht zu binden und weitgehend unabhängig zu bleiben, nützlich erschien. Große chinesische Investitionen, die die malaysische Regierung nun aufgeben wird, sind die geplante Eisenbahntrasse an der Ostküste des Festlandes und eine geplante Erdgaspipeline. Chinesische Investitionen im Immobiliensektor wurden von der neuen Regierung bereits deutlich begrenzt und mit Restriktionen belegt, unter anderem die sogenannte Forest City, eine geplante Stadt, die bei einer Investitionssumme von 100 Mrd. USD fast ausschließlich um Käufer aus China warb. Ministerpräsident Mahathir bezeichnete die Verträge mit China als „ungleiche Verträge“, eine Bezeichnung, die in China wohlbekannt ist. Sie wird dort benutzt für die zahlreichen Abkommen zwischen westlichen Kolonialmächten und dem Kaiserreich im 19. und frühen 20. Jahrhundert, in denen letzteres zur Aufgabe von Territorien und anderen 67 Vijay Sakhuja, China may lose friends in Southeast Asia, The Asia Maritime Transparency Initiative am 1.Juli 2015, https://amti.csis.org/china-may-lose-friends-in-southeast-asia/ (zuletzt abgerufen am 9. Oktober 2018). Malaysia hat zwischen 1983 und 1999 fünf Strukturen im Spratly-Gebiet in Besitz genommen: die Riffe Ardasier, Mariveles, Erica und Swallow sowie die Investigator-Sandbank. Für eine Analyse der früheren Chinapolitik Malaysias siehe Prashanth Parameswaran, Playing It Safe: Malaysia’s Approach to the South China Sea and Implications for the United States, Center for a New American Security, Februar 2015, https://www.files.ethz.ch/isn/189746/CNAS%20Maritime%206_Parameswaran_Final.pdf (zuletzt abgerufen am 9. Oktober 2018). 68 Alle Informationen dieses Absatzes: Richard Javad Heydarian, Malaysia as a new vortex of regional resistance against China, Asia Maritime Transparency Initiative am 17. September 2018, https://amti.csis.org/malaysianew -vortex-regional-resistance-china/ (zuletzt abgerufen am 9. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 22 Konzessionen gezwungen wurde.69 Zu Infrastrukturprojekten Chinas in Malaysia sagte er an anderer Stelle: „Wenn das bedeutet, Verträge an China zu vergeben, riesige Summen von China zu leihen, und dann gehen die Einzelverträge nach China, und chinesische Unternehmen ziehen es vor, ihre eigenen Arbeiter zu nutzen, und alles, was sie benutzen, wird aus China importiert und sogar die Bezahlung findet nicht hier statt, sondern in China …diese Art von Vertrag ist keine, die ich begrüße.“70 Hinsichtlich der umstrittenen Gebiete im Südchinesischen Meer will Malaysia sich einerseits verstärkt um eine Befestigung seiner eigenen Anlagen auf den von ihm beanspruchten Riffen kümmern, andererseits hat Mahathir zu einer Demilitarisierung des Südchinesischen Meeres aufgerufen.71 Weniger Kritik, als vielmehr große Zögerlichkeit hinsichtlich der konkreten Umsetzung von BRI- Projekten im eigenen Land zeigt Vietnam.72 Offiziell unterstützt das Land die BRI diplomatisch, hat sich aber angesichts von unklaren finanziellen Risiken sowie der Spannungen um das Südchinesische Meer bislang nicht dazu bereiterklärt, spezifische BRI-Projekte im eigenen Land zuzulassen. Insgesamt haben der Fall Hambantota und die Furcht vor einem „Sihanoukville-Szenario“ dafür gesorgt, dass die südostasiatischen Staaten sich in letzter Zeit auch nach anderen Kreditgebern bzw. Investoren für die von ihnen geplanten Infrastrukturprojekte umsehen und sich nicht mehr primär auf China verlassen.73 Vor allem sind sie bemüht, die finanziellen Mittel im Inland zu generieren. Dass gerade der Versuch Chinas, Südostasien durch seine große ökonomische Übermacht enger an sich zu binden, unter Umständen zu einer Stärkung der einheimischen Volkswirtschaften und zu größerer finanzieller Verantwortlichkeit in den südostasiatischen 69 Sumisha Naidu, Mahathir confirms Malaysia will scrap KL-Singapore HSR project, Channel News Asia am 28. Mai 2018, https://www.channelnewsasia.com/news/singapore/mahathir-mohamad-confirms-malaysia-pullsout -of-kl-singapore-hsr-10284144 (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). 70 Zubaidah Ibrahim und Bhavan Jaipragas, Nothing to fear from China, says Malaysia’s Mahathir Mohamad, but lopsided deals must end, South China Morning Post am 19. Juni 2018, https://www.scmp.com/weekasia /geopolitics/article/2151451/nothing-fear-china-says-malaysias-mahathir-mohamad-lopsided (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018, Übersetzung durch den Verfasser). Originalzitat: „When it involves giving contracts to China, borrowing huge sums of money from China, and the contract goes to China, and China contractors prefer to use their own workers from China, use everything imported from China, even the payment is not made here, it’s made in China … that kind of contract is not something that I welcome.” 71 Bhavan Jaipragas, Forget the warships: Malaysian PM Mahathir’s peace formula for South China Sea, South China Morning post am 19. Juni 2018, https://www.scmp.com/week-asia/geopolitics/article/2151403/forgetwarships -malaysian-pm-mahathirs-peace-formula-south (zuletzt abgerufen am 9. Oktober 2018). 72 Für eine knappe Zusammenfassung der vietnamesischen Position zur BRI siehe Le Hong Hiep, The Belt and Road Initiative in Vietnam: Challenges and Prospects, Yusof ishak Institute am 29. März 2018, https://www.iseas.edu.sg/images/pdf/ISEAS_Perspective_2018_18@50.pdf (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 73 Michelle Jamrisko, Southeast Asia Looks Beyond China to Fund Massive Project Needs, Bloomberg am 16. April 2018, https://www.bloomberg.com/news/articles/2018-04-16/southeast-asia-looks-beyond-china-to-fundmassive -project-needs (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 23 Ländern führt, ist Spekulation, liegt aber im Rahmen der Möglichkeiten und wird sich in Zukunft zeigen. 5.3. Einzelne Projekte im Rahmen der BRI Die BRI besteht nicht nur aus Infrastrukturprojekten, sondern auch aus umfassenden Investitionen Chinas in den relevanten Ländern sowie aus diplomatischen Avancen, mit denen China seinen politischen Einfluss ausbauen will. Gleichzeitig sind die Infrastrukturprojekte ihrer Konzeption nach Komponenten eines Netzwerkes, so dass sie im Grunde nicht nur für sich allein betrachtet werden können. Dennoch gibt es unter ihnen besonders bedeutende und/oder große Vorhaben. Einige davon wurden inzwischen gestoppt bzw. ganz beendet, was sie zu guten Beispielen für die Tatsache macht, dass Chinas Expansion nicht ohne Widerstand und Rückschläge bleibt. Im Folgenden eine Auswahl der wichtigsten Projekte in Südostasien im Rahmen der BRI und ihr aktueller Verwirklichungsstand. 5.3.1. Tiefwasserhafen Kyaukpyu (Myanmar)74 Staatseigene chinesische Unternehmen haben mit der Regierung von Myanmar Verträge über den Bau eines Tiefwasserhafens in der Sonderwirtschaftszone Kyaukpyu am Golf von Bengalen abgeschlossen. Kyaukpyu bildet den Endpunkt einer Erdöl- sowie einer Gaspipeline, die von dort nach Kunming in der südwestchinesischen Provinz Yunnan führt. Der Hafen hatte ursprünglich ein Investitionsvolumen von 7,3 Mrd. USD. Dieses verringerte sich jedoch auf Betreiben der myanmarischen Regierung deutlich (auf 1,3 Mrd. USD), da Myanmar angesichts der Entwicklungen eines vergleichbaren Hafenprojektes in Sri Lanka (s.u.) befürchtet, das Land durch Überschuldung in Abhängigkeit von China zu bringen.75 Die Inbetriebnahme des Hafens wird nichtsdestotrotz Chinas strategische Verwundbarkeit durch eine mögliche Blockade der Straße von Malakka erheblich reduzieren. Das Projekt ergibt auch wirtschaftlich Sinn, da sich die Gütertransportwege in den Süden und Westen Chinas durch Vermeidung des Seetransports durch die Straße von Malakka und das Südchinesische Meer erheblich verkürzen. Bilaterale Gespräche und Absichtserklärungen zum Hafen Kyaukpyu gab es bereits, bevor China die BRI vorstellte, das Projekt wurde mittlerweile zum Bündel der BRI-Vorhaben hinzugefügt. Im Dezember 2017 unterzeichneten Staatsrätin Aung San Suu Kyi und Präsident Xi Jinping eine Absichtserklärung über die Einrichtung eines chinesisch-myanmarischen Wirtschaftskorridors, der sich von Kyaukypu über Mandalay bis Kunming erstrecken soll und vermutlich den Bau einer Straße sowie eventuell einer Zugverbindung beinhalten wird. 74 Alle Informationen dieses Abschnittes, sofern nicht durch Fußnote anders vermerkt, : Gregory Poling, Kyaukpyu: Connecting China and the Indian Ocean, Asia Maritime Transparency Initiative am 4. April 2018, https://amti.csis.org/kyaukpyu-china-indian-ocean/ (zuletzt abgerufen am 23. September 2018). 75 Myanmar scales back Chinese-backed port project over debt fears, The Guardian am 2. August 2018, https://www.theguardian.com/world/2018/aug/02/myanmar-scales-back-chinese-backed-port-project-over-debtfears (zuletzt abgerufen am 23. September 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 24 5.3.2. East Coast Railway (Malaysia) Die East Coast Rail Link (ECRL) war ein chinesisch-malaysisches Projekt mit einem Investitionsvolumen von 1,8 Mrd. USD und Teil der BRI. Die Eisenbahnlinie sollte über etwa 600 Kilometer Port Klang an der Westküste mit Pengkalan Kubor an der malaysisch-thailändischen Grenze verbinden, dabei die Halbinsel durchqueren und an der Ostküste entlangführen. Planung und Bau sollte primär das chinesische Staatsunternehmen China Communications Construction Company (CCCC) übernehmen. Finanziert wurde das Projekt zu 85 Prozent durch einen Kredit der Export-Import Bank of China mit der Westküste mit einem Zinssatz von 3,25 Prozent. Im August 2017 begannen die Bauarbeiten. Im Mai 2018 wies das malaysische Eisenbahnamt CCCC an, alle Arbeiten an der Strecke abzubrechen. Vorausgegangen war eine Überprüfung aller von der Vorgängerregierung beschlossenen Großprojekte durch die neue Regierung unter Ministerpräsident Mahathir. Der Stopp des Baus ist für die BRI ein deutlicher Rückschlag. 5.3.3. Multi-Product Pipeline und Trans-Sabah Gas Pipeline (Malaysia)76 Auch diese beiden Pipelines gehören zu den von der Regierung Mahathir gestoppten BRI- Projekten in Malaysia. Die Multi-Product Pipeline (MPP) sollte eine Pipeline zwischen Melaka (Malakka) an der Westund Jitra an der Ostküste Malaysias werden. Die Trans-Sabah Gas Pipeline (TSGP) sollte Gas vom Terminal in Pekan Kimanis nach Sandakan (beide in der Provinz Sabah auf der Insel Borneo) transportieren. Insgesamt wurden für beide Projekte Kosten von umgerechnet etwa 2,17 Mrd. USD veranschlagt. Anders als im Falle der ECRL ging dem Stopp der Pipelineprojekte ein Korruptionsskandal sowie eine Durchsuchung der Büros der am Bau beteiligten Firmen voraus, so dass der Stopp von der malaysischen Regierung öffentlich vorrangig mit der Korruptionsbekämpfung begründet und weniger mit Kritik an China verbunden wurde. Insbesondere die MPP hätte die Straße von Singapur, die schmalste Stelle der Straße von Malakka, umgangen und damit für China die schon erläuterten strategischen Vorteile gebracht. 5.3.4. Eisenbahn in Laos Eine Bahntrasse für Hochgeschwindigkeitszüge, die von Boten an der Grenze zu Yunnan nach Vientiane an der Grenze zu Thailand führt, ist das Kernstück der von China avisierten Eisenbahnschnellstrecke von Kunming in Yunnan nach Singapur, die die Reisezeit zwischen 76 Blake H. Berger, Malaysia’s Canceled Belt and Road Initiative Projects and the Implications for China, The Diplomat am 27. August 2018, https://thediplomat.com/2018/08/malaysias-canceled-belt-and-road-initiativeprojects -and-the-implications-for-china/ (zuletzt abgerufen am 10. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 25 beiden Städten auf zehn Stunden reduzieren soll.77 Anders als andere Projekte hatte China bereits vor der BRI Pläne für den Bau einer Eisenbahn quer durch sein südliches Nachbarland. Laos verfügt bislang über nahezu gar kein Eisenbahnnetz (es existiert nur ein kurzes Stück Trasse, dass bei Vientiane beginnt und faktisch nur eine Verlängerung des thailändischen Bahnnetzes ist). Anders als in Malaysia, wo es bereits Bahntrassen bis nach Singapur gibt und der Stopp der ECLR somit zumindest für das Ziel der Eisenbahnverbindung China - Singapur kein Problem darstellt, ist der Bau der Eisenbahnlinie in Laos unverzichtbar für Chinas Pläne. Noch stärker als in Kambodscha kommt das autokratische und intransparente Regime Laos der Durchsetzbarkeit von Chinas Plänen gelegen.78 Da es keine parlamentarische oder zivilgesellschaftliche Kontrolle gibt, konnte China mit dem Zentralkomitee der Laotischen Kommunistischen Partei bzw. der laotischen Regierung direkt und hinter verschlossenen Türen verhandeln. Allerdings gibt es unbestätigte Meldungen, denen zufolge auch innerhalb der laotischen Regierung Unzufriedenheit über das Finanzierungsmodell der Bahn gibt bzw. gegeben hat.79 Obwohl die Eisenbahntrasse in Laos für China so wichtig ist, bergen die Bedingungen der chinesisch-laotischen Verträge, sofern öffentlich bekannt, für Laos ein sehr hohes Risiko, in die Schuldenfalle zu geraten. Wie in Abschnitt 5.2.2 ausgeführt, ist Laos das einzige Land in Südostasien, dem nach einer ökonomischen Analyse des Center for Global Development durch seine Beteiligung an der BRI diese Gefahr unmittelbar droht.80 Die Kosten für den Bau der Trasse samt Bahnhöfen werden offiziell auf ca. 6,8 Mrd. USD veranschlagt, was 2016 der Hälfte von Laos‘ Wirtschaftsleistung entsprach.81 Laos trägt mindestens 840 Mio. USD, wobei 70 Prozent 77 Kunming-Singapore High-Speed Railway begins construction, People’s Daily am 25. April 2011, http://en.people.cn/90001/90776/90882/7360790.html (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). Tatsächlich kam es jedoch 2011 noch nicht zum Beginn der Bauarbeiten, da ein Korruptionsskandal zum Rücktritt des chinesischen Eisenbahnministers führte. In der Folge des Baustopps erklärte sich die laotische Regierung dazu bereit, einziger Investor der Strecke zu werden, wobei 70 Prozent der Kosten von einem Kredit der China Export-Import Bank beigesteuert werden. Siehe The Nation/Deutsche Presse-Agentur, Vientiane-China rail link now a priority project, 25. September 2013, http://www.nationmultimedia.com/business/Vientiane-China-raillink -now-a-priority-project-30215555.html (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 78 „Laos ist für diese Art undurchsichtige Deals durch persönliche Netzwerke besonders anfällig. Seine staatlichen Strukturen befinden sich immer noch im Werden und sind nicht willens oder bereit, eine Kultur der Transparenz bei seinen Entscheidungsfindungsprozessen zu fördern. Die autoritäre Natur des Parteienstaates Laos behindert kritische Debatten oder einen offenen Ideenaustausch.“ Keith Barney, High speed rail could bankrupt Laos, but it’ll keep China happy, The Conversation am 7. April 2014, http://theconversation.com/highspeed -rail-could-bankrupt-laos-but-itll-keep-china-happy-22657 (zuletzt abgerufen am 15. Oktober, Übersetzung des Zitates durch den Verfasser). 79 Lao Officials Balk at China’s Loan Terms For Railway Project, Radio Free Asia am 10. Januar 2015, https://www.rfa.org/english/news/laos/lao-officials-balk-at-chinas-loan-terms-for-railway-project- 10012015142717.html (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 80 John Hurley, Scott Morris und Gailyn Portelance (Anm. 61). 81 Bernhard Zand (Anm. 64). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 26 davon mit Krediten der China Export-Import Bank finanziert werden.82 Als Sicherheit soll Laos China die Erträge aus dem Abbau von Bauxit und Kalisalzen angeboten haben.83 Wie andernorts werden beim Bau vor allem Chinesen beschäftigt; Laoten in erster Linie bei geringer qualifizierten und bezahlten Arbeiten, so dass ein ökonomischer Nutzen für die Einheimischen bislang relativ gering ausfällt – und dies, obwohl während des Baus naturgemäß noch die meisten Arbeitsmöglichkeiten entstehen.84 Überdies mussten für den Bau der Trasse bislang über 4.400 Haushalte in Nordlaos weichen; ob die Menschen adäquate Entschädigungen erhalten, ist unklar.85 An den Entscheidungsprozessen vor Ort sind die Bürger in der sozialistischen Diktatur Laos ohnehin nicht beteiligt, was entlang der Strecke Berichten von Medien und Menschenrechtsorganisationen zufolge zu sozialen Spannungen und Unzufriedenheit führt.86 Neben dem finanziellen Risiko hat die Trasse auch andere Auswirkungen auf Laos. Zwar stellt sie unbestreitbar eine große Aufwertung der Infrastruktur dar und bietet entsprechend große wirtschaftliche und soziale Vorteile, doch sind auch Landschafts- und Umweltzerstörung Folgen des Baus sowie vor allem des mit dem Bau verbundenen Anwachsens der Städte und Dörfer an der Strecke. Zudem wird ein unkontrolliertes Anwachsen des Tourismus aus China nach Inbetriebnahme der Eisenbahn befürchtet.87 6. Fazit Südostasien ist für China von erheblicher strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung und bildet daher einen Fokus seiner Außen- und Handelspolitik. China ist bestrebt, sich eine seiner Größe und Wirtschaftskraft angemessene Machtposition in Asien zu sichern. Da seine ostasiatischen Nachbarn Südkorea und Japan eng an die USA angebunden und ausgereifte, 82 Unklar ist, ob China sich nicht doch an der Finanzierung beteiligt. Entsprechende Meldungen aus dem Jahr 2014 sind offiziell unbestätigt. Es wäre angesichts von Chinas großem Interesse an der Eisenbahnstrecke in Laos jedoch nicht unplausibel, dass China das Risiko eines Finanzierungsausfalls seitens Laos nicht eingehen will. China Gives New Pledge on Lao Rail Project, Radio Free Asia am 10. Juni 2014, https://www.rfa.org/english/news/laos/railway-project-10062014181543.html (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 83 Radio Free Asia (Anm. 79). 84 Peter Janssen, China train project runs roughshod over Laos, Asia Times am 18. August 2018, http://www.atimes.com/article/china-train-project-runs-roughshod-over-laos/ (zuletzt abgerufen am 11. Oktober 2018). Eine Auswirkung der Präsenz tausender chinesischer Arbeiter ist u.a. eine große Zunahme der Zahl laotischer Frauen, die sich prostituieren. 85 Ping Manongdo, Host nations must drive China’s Belt and Road towards sustainability. Here’s how, Eco Business, 14. September 2018, https://www.eco-business.com/news/host-nations-must-drive-chinas-belt-androad -towards-sustainability-heres-how/ (zuletzt abgerufen am 12. Oktober 2018). 86 Marwaan Macan-Markar, China's Belt and Road rail project stirs discontent in Laos, Nikkei Asian Review am 25. März 2018, https://asia.nikkei.com/Politics/China-s-Belt-and-Road-rail-project-stirs-discontent-in-Laos2 (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). 87 Peter Janssen, Chinese tourist ‘invasion’ feared as high-speed Laos-China Railway will boost visitor numbers dramatically, South China Morning Post am 24. August 2018, https://www.scmp.com/lifestyle/travelleisure /article/2160947/chinese-tourist-invasion-feared-high-speed-laos-china (zuletzt abgerufen am 15. Oktober 2018). Wissenschaftliche Dienste WD 2 - 3000 – 097/18 Seite 27 hochentwickelte Volkswirtschaften sind, konzentriert es sich auf seine südlichen und westlichen Nachbarn. Südostasien kann man als Herzstück der chinesischen Belt and Road Initiative (BRI) betrachten. Hier entscheidet sich, ob es China gelingt, sich seines strategischen Schwachpunktes, einer möglichen Blockade der Straße von Malakka, zu entledigen. Zugleich birgt die Region mit den Streitigkeiten um das Südchinesische Meer das höchste Konfliktpotential. Obwohl China für alle südostasiatischen Staaten der bedeutendste Handelspartner ist und grundsätzlich in allen Ländern ein Interesse an guten Beziehungen zu China besteht, stößt dessen wirtschaftliche und politische Expansion hier in einigen Ländern zunehmend auf Kritik und Widerstand. Als unfair wahrgenommene finanzielle Risiken stehen einem als nicht ausreichend empfundenen Nutzen gegenüber und haben zur unilateralen Verkleinerung oder kompletten Beendigung einiger der wichtigen Projekte der BRI geführt. Dies trifft vor allem auf die Staaten zu, in denen mehr oder weniger demokratische Strukturen und eine öffentliche Debatte existieren (Malaysia, Myanmar), während die autokratischen Regime von Laos und Kambodscha trotz offenkundig sehr hoher finanzieller und sozialer Risiken mit China kooperieren. Faktisch ungelöst bleibt der Konflikt um das Südchinesische Meer. Trotz eines Urteiles des Ständigen Schiedsgerichtshof schafft China weiterhin Fakten, in dem es militärische Anlagen auf eigentlich den Philippinen gehörenden Riffen und Atollen errichtet. Zwar ist die gegenwärtige philippinische Regierung von einem Konfrontationskurs abgerückt, doch ist nicht sicher, wie sich zukünftige Regierungen verhalten werden (insbesondere nicht, wie sich eine eventuelle Wiederbelebung des historisch engen Verhältnisses zwischen Philippinen und USA auswirken könnte). Am Konflikt zeigt sich auch die weniger kooperative, hegemoniale Seite Chinas, die auch in Zukunft das Potential für Spannungen, gerade mit den südostasiatischen Staaten, birgt. Die Heterogenität Südostasiens, der ungelöste Konflikt um das Südchinesische Meer sowie die bislang schlecht abschätzbaren Reaktionen anderer regionaler Mächte (Indien, Australien, Japan sowie die USA) werden das Verhältnis Chinas zu Südostasien weiterhin prägen und wie in den letzten Jahren für eine hohe Dynamik der Entwicklungen sorgen. ***