© 2017 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 097/17 Der VN-Mechanismus für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten Kriegsverbrechen in Syrien seit März 2011 Rechtsnatur, Mandat und Finanzierungsgrad Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/17 Seite 2 Der VN-Mechanismus für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten Kriegsverbrechen in Syrien seit März 2011 Rechtsnatur, Mandat und Finanzierungsgradd Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 097/17 Abschluss der Arbeit: 27. Oktober 2017 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsnatur des Mechanismus 5 3. Finanzierung 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/17 Seite 4 1. Einleitung Der Mechanismus der Vereinten Nationen (VN) für die Untersuchung und Verfolgung von schwersten Kriegsverbrechen in Syrien seit März 2011 (International, Impartial and Independent Mechanism to Assist in the Investigation and Prosecution of Persons Responsible for the Most Serious Crimes under International Law Committed in the Syrian Arab Republic since March 2011, im Folgenden „der Mechanismus“ oder „IIIM“) wurde per Resolution A/71/248 der VN- Generalversammlung (VN-GV) vom 19. Dezember 2016 ins Leben gerufen. Hierbei hat die Bundesregierung nach eigenen Angaben aktiv mitgewirkt, um der „Kultur der Straflosigkeit“ in Syrien entgegenzutreten (Anlage 1, VS-NfD). Der Mechanismus dient als komplementäre Institution zur internationalen Untersuchungskommission Independent International Commission of Inquiry on Syria, welche 2011 vom Menschenrechtsrat gegründet wurde.1 Während die Untersuchungskommission in erster Linie Beweise für Menschenrechtsverletzungen sammeln und den Mitgliedstaaten hierüber öffentlich Bericht erstatten soll, besteht die Aufgabe des Mechanismus darin, speziell Beweise zur Identifizierung konkreter Täter zu sammeln.2 Im Wesentlichen kommt dem IIIM eine Funktion zu, die vergleichbar mit nationalen Strafverfolgungsbehörden ist und damit über das Mandat der Untersuchungskommission hinausgeht.3 Ziel ist es, Akten zu möglicherweise strafrechtlich relevantem Verhalten bestimmter Personen anzulegen, wobei der IIIM nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln hat.4 Der IIIM befindet sich zur Zeit im Aufbau. Er hat seinen Sitz in Genf und wird von der Französin Catherine Marchi-Uhel als Direktorin geleitet.5 Seit ihrem Amtsantritt im Juni 2017 befasst sich Marchi-Uhel mit Aufbau und Arbeitsmethoden sowie Personalrekrutierung. Aktuell arbeitet mit ihr ein kleines Start-up-Team, welches den IIIM zügig arbeitsfähig machen soll.6 Der vorläufige Organisationsplan sieht neben dem Direktorbüro drei Abteilungen, zuständig für die konkrete 1 VN-Hochkommissar für Menschenrechte Zeid Ra'ad Al Hussein, Pressemitteilung (27. Februar 2017), verfügbar unter: http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=21241 (zuletzt aufgerufen am 20. Oktober 2017); siehe auch: http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/IICISyria/Pages/IndependentInternational Commission.aspx (zuletzt aufgerufen am 26. Oktober 2017). 2 VN-GV, Bericht des VN-Generalsekretärs (19. Januar 2017), VN-Dok.-Nr. A/71/755, Rn. 31. 3 Ibid., Rn. 32: „Specifically, the Mechanism is required to prepare files to assist in the investigation and prosecution of the persons responsible and to establish the connection between crime-based evidence and the persons responsible, directly or indirectly, for such alleged crimes, focusing in particular on linkage evidence and evidence pertaining to mens rea and to specific modes of criminal liability“. 4 VN-GV, Bericht des VN-Generalsekretärs (16. August 2017), VN-Dok.-Nr. A/71/755/Add.1, Rn. 7. 5 VN, „Secretary-General Appoints Catherine Marchi-Uhel of France to Head International Impartial Independent Mechanism Investigating Serious Crimes in Syria“ (3. Juli 2017), VN-Dok.-Nr. SG/A/1744-BIO/4979-DC/3720, verfügbar unter: https://www.un.org/press/en/2017/sga1744.doc.htm (zuletzt aufgerufen am 23. Oktober 2017). 6 VN-GV, Bericht des VN-Generalsekretärs (16. August 2017) (Fn. 4), Rn. 17, 18-22. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/17 Seite 5 Beweiserhebung, sowie vier Serviceeinheiten für Verwaltung, IT, Sicherheit und Sprachen vor.7 2. Rechtsnatur des Mechanismus Im Unterschied zum VN-Sicherheitsrat besitzt die VN-Generalversammlung nicht die Kompetenz , ein internationales oder hybrides Gericht einzusetzen und die Mitgliedstaaten der VN zur Kooperation mit diesem zu verpflichten, um mögliche Täter für die in Syrien begangenen Verbrechen strafrechtlich verantwortlich zu machen. Daher hat sich die Generalversammlung Ende 2016 dazu entschlossen, zumindest den Boden für ein künftiges, durch den Sicherheitsrat einzusetzendes Tribunal8 bzw. Strafverfahren auf nationaler oder regionaler Ebene zu bereiten. Ziel ist es letztlich, die Durchführung potentieller Strafverfahren gegen einzelne Täter oder Tätergruppen zu ermöglichen, indem Informationen und Beweise für schwerste Verbrechen in Syrien gesammelt , zusammengeführt und analysiert werden. Vor dem Hintergrund, dass die VN-GV die Mitgliedstaaten der VN in diesem Punkt in keiner Weise verbindlich verpflichten kann, basiert der Mechanismus auf der freiwilligen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen wie etwa der Commission for International Justice and Accountability. Dies gilt sowohl für die Ausgestaltung der praktischen Arbeit als auch die Finanzierung durch einzelne Staaten. Der Mechanismus ist als Unterausschuss und damit Nebenorgan der VN-Generalversammlung i.S.d. Art. 7 Abs. 2 i.V.m. Art. 22 VN-Charta zu qualifizieren (siehe auch Regeln 96 ff. der Geschäftsordnung der VN-GV9). Nebenorgane der VN-GV setzen sich aus Staatenvertretern und/ oder unabhängigen Sachverständigen zusammen. Zur Besetzung des Mechanismus legte die VN-GV fest: “The Mechanism will be headed by a senior judge or prosecutor with extensive experience in criminal investigations and prosecutions, at the Assistant Secretary-General level, and a deputy with extensive experience in international criminal justice and an in-depth knowledge of international criminal law, international human rights law and international humanitarian law, at the D-1 level. They should have a proven record of independence and impartiality and be committed to upholding justice, accountability and human rights and ensuring gender equality. Their background, prior public statements or political or other affiliations should not be of a nature that would affect their independence and impartiality or create perceptions of bias“.10 7 Ibid., Rn. 16. 8 (Oder für die aktuell eher unwahrscheinliche Überweisung der Situation durch den Sicherheitsrat an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag [IStGH]. Zur Zeit blockieren die Vetomächte China und Russland die Überweisung der Situation an den IStGH.). 9 VN-GV, Geschäftsordnung (2008), VN-Dok.-Nr. A/520/Rev.17. 10 VN-GV, Bericht des VN-Generalsekretärs (Fn. 2), Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 097/17 Seite 6 Aus dem Status des Mechanismus als Nebenorgan folgt, dass dessen rekrutiertes Personal, Archive, Liegenschaften etc. ebenfalls Immunität genießen.11 3. Finanzierung Die jüngsten offiziellen Angaben zur Finanzierung des IIIM stammen von Ende Oktober 2017 und umfassen die schriftlich und mündlich zugesicherten, freiwilligen Beiträge von bis dato 35 Staaten sowie der Europäischen Kommission (Anlage 2, VS-NfD). Nur die Niederlande, Finnland und Dänemark haben bereits Beiträge für das Jahr 2018 zugesichert, die Niederlande auch für 2019. Größte Geldgeber sind bislang die Niederlande, Finnland, Dänemark und die Bundesrepublik Deutschland.12 Die Beträge ergeben eine Gesamtsumme von 10.949.754 USD; davon entfallen 7.521.332 USD auf das Jahr 2017. Sollte es bis einschließlich 2019 bei den genannten Beträgen bleiben, könnte sich der Gesamtbetrag am Ende von 2019 auf etwa 22 Mio. USD belaufen. Über die Frage, wie hoch der eigentliche Finanzbedarf des IIIM veranschlagt wurde, ließen sich im Zuge der Recherchen für diesen Sachstand keine Erkenntnisse gewinnen. Auffallend ist, dass die große Mehrheit der bisherigen Geber EU- bzw. europäische Staaten sind. Nur zwei der Geber (Katar und Kuwait) sind Länder der MENA-Region. Die Türkei, Kanada, Australien, Neuseeland, Thailand und Botswana sind die sechs anderen der acht nichteuropäischen Geberländer. *** 11 Siehe auch die Terms of Reference im Annex zur VN-GV Res. A/71/755, Rn. 29. 12 Sowohl Deutschland als auch Finnland haben einen Beitrag von 1 Mio. Euro für das Jahr 2017 zugesagt. Durch Kursschwankungen ergibt sich jeweils ein geringfügig unterschiedlicher Betrag in USD.