WD 2 - 3000 - 096/17 (23. Oktober 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Die Verlängerung der 2016 beschlossenen Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte – also Menschen, die zwar keiner individuellen Verfolgung i.S.d. Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt sind, die sich aber im Herkunftsland aufgrund der dortigen Bürgerkriegssituation einer unmenschliche Behandlung gegenübersehen – wirft nach wie vor Fragen hinsichtlich der Vereinbarkeit der Verwaltungspraxis mit den Bestimmungen der VN-Kinderrechtskonvention (KRK) vom 20. November 1989 auf. Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages haben dazu in einem Gutachten vom 19. Februar 2016 zur „Vereinbarkeit der Regelungen des Asylpakets II betreffend die Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge mit der VN-Kinderrechtskonvention “ (WD 2 – 3000 – 026/16) Stellung genommen. Die Regelungen der VN-Kinderrechtskonvention genießen zwar keinen Vorrang vor nationalem Recht; letzteres muss aber im Lichte der völkerrechtlichen Verpflichtungen angewendet werden. Dies gilt vor allem für das Leitprinzip nach Art. 3 der VN-Kinderrechtskonvention; bei Anträgen auf Familienzusammenführung sind demnach Aspekte des Kindeswohls zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund wurde in dem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG in Blick genommen, dessen konsequente Anwendung in Widerspruch zu dem von der Kinderrechtskonvention geforderten Verwaltungsermessen gerät. In dem Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste wurde sodann die Möglichkeit einer kinderkonventionskonformen behördlichen Ermessenausübung nach Maßgabe der Härtefallklausel des § 22 AufenthG in Erwägung gezogen. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte Kurzinformation Verlängerung der Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Schutzberechtigte Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 In diesem Zusammenhang hat nun das Deutsche Institut für Menschenrechte (DIMR) in einer Stellungnahme1 zu einer öffentlichen Anhörung im Innenausschuss des Deutschen Bundestages vom 20. März 2017 darauf hingewiesen, dass die Anwendung von § 22 AufenthG in der Praxis2 (insb. bei der Visumserteilung für Familienangehörige) bislang kaum eine Rolle gespielt habe und restriktiv gehandhabt werde.3 Die in der Stellungnahme des DIMR widergegebene Verwaltungspraxis gibt mit Blick auf die Verpflichtungen aus der VN-Kinderrechtskonvention Anlass zur Sorge. Zu Recht weist die Stellungnahme des DIMR auf das Gebot der völkerrechtskonformen Anwendung des innerstaatlichen Rechts hin.4 Dieser Verpflichtung könnte und müsste die deutsche Verwaltungspraxis unter Anwendung der Härtefallklausel des § 22 AufenthG stärker nachkommen. Dieser verweist in Satz 1 auf „völkerrechtliche Gründe“, worunter unschwer auch das „Kindeswohl“ im Sinne der KRK bzw. das Recht auf Familienleben (Art. 8 EMRK) subsumiert werden kann. *** 1 Stellungnahme des DIMR verfügbar unter: https://www.bundestag.de/blob/498370/457a37cf8bd8035e49efeb30acb2d1ff/18-4-807-d-data.pdf. 2 Herangezogen wird dabei die Allgemeine Verwaltungsvorschrift vom 26. Oktober 2009 zum Aufenthaltsgesetz http://www.verwaltungsvorschriften-im-internet.de/pdf/BMI-MI3-20091026-SF-A001.pdf. Die Verwaltungsvorschriften, welche die Verwaltungspraxis leiten, stellen vor allem auf das Kriterium der „dringenden humanitären Gründe“, nicht jedoch auf das Kriterium des Kindeswohls bzw. der Familienzusammenführung ab. 3 Das DIMR beruft sich (vgl. S. 4, Anm. 6 und 7 der Stellungnahme) auf die Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Ole Schröder, Deutscher Bundestag, Plenarprotokoll 18/205 v. 30.11.2016, S. 20482. Vgl. weiter die DIMR- Stellungnahme, S. 14. 4 Stellungnahme des DIMR, a.a.O. (Anm. 1), S. 15 f.