WD 2 - 3000 - 096/16 (26. Juli 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Durch Beschluss vom 12. Dezember 2015 haben 195 Staaten das Klimaschutzübereinkommen von Paris (im Folgenden: KlSchÜbk) angenommen. In Kraft treten wird das Übereinkommen allerdings erst, wenn es von mindestens 55 Staaten, auf die mindestens 55 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen entfallen, ratifiziert ist. Ziel des KlSchÜbk ist es gemäß seinem Art. 2 Abs. 1, die weltweite Reaktion auf die Bedrohung durch Klimaänderungen zu verstärken, indem insbesondere der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur begrenzt wird, die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöht und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine emissionsarme Entwicklung gefördert wird, und die Finanzmittelflüsse mit einer emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung in Einklang gebracht werden. Die vorliegende Kurzinformation widmet sich der Frage, ob das KlSchÜbk eine ausdrückliche Verankerung des Klimaschutzes in der deutschen Verfassung erforderlich macht bzw. eine solche sinnvoll erscheinen lässt. Das KlSchÜbk enthält keine explizite Vorgabe, dem Klimaschutz auf einer bestimmten Ebene der innerstaatlichen Normenhierarchie Rechnung zu tragen oder ihm gar ausdrücklich Verfassungsrang einzuräumen. Eine solche Verpflichtung dürfte sich auch nicht im Wege der Auslegung des KlSchÜbk begründen lassen. Zwar enthält das KlSchÜbk Vorschriften, deren Wortlaut einer solchen Auslegung zugänglich wäre. So bestimmt z.B. Art. 12 KlSchÜbk, dass „Maßnahmen zur Verbesserung (…) des öffentlichen Bewusstseins (…) auf dem Gebiet der Klimaänderungen zu ergreifen“ sind. Eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung des Klimaschutzes könnte als solche Maßnahme angesehen werden. Jedoch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass sich das mit dem KlSchÜbk verfolgte Ziel nur dann erreichen lässt, wenn der Klimaschutz eine ausdrückliche Verankerung in den Verfassungen der Vertragsstaaten erfährt. Ebendies wäre aber Voraussetzung für die Annahme einer entsprechenden Verpflichtung im Wege der Auslegung. Da somit eine Verpflichtung zur ausdrücklichen Verankerung des Klimaschutzes in der deutschen Verfassung nicht besteht, stellt sich die Frage, ob eine solche Verankerung sinnvoll wäre. Dies zu beantworten, ist Aufgabe der politischen Entscheidungsträger. Bei der Diskussion darüber können unter anderem folgende Argumente fruchtbar gemacht werden: Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Verfassungsrechtliche Verankerung des Klimaschutzes im Licht des Pariser Klimaschutzabkommens Kurzinformation Verfassungsrechtliche Verankerung des Klimaschutzes im Licht des Pariser Klimaschutzabkommens Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Das mit dem KlSchÜbk verfolgte Klimaschutzziel ist sehr konkret gefasst. Art. 2 Abs. 1 lit. a) KlSchÜbk bestimmt, dass der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau gehalten und Anstrengungen unternommen werden sollen, ihn auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Entsprechend detailliert sind die Pflichten der Vertragsparteien geregelt. Gemäß Art. 3 KlSchÜbk haben sie „national festgelegte Beiträge“ („nationally determined contributions“) zu leisten, deren Modalitäten in Artt. 4, 7, 9, 10, 11 und 13 KlSchÜbk im Einzelnen ausgeführt werden. Eine Klimaschutzvorschrift im Grundgesetz müsste demgegenüber – entsprechend dem Wesen von Verfassungsbestimmungen – deutlich kürzer und genereller ausfallen. Art. 4 Nr. 2 S. 4 der niederösterreichischen Landesverfassung lautet beispielsweise: „Dem Klimaschutz kommt besondere Bedeutung zu“. Und Art. 7 Abs. 7 der Vorarlberger Landesverfassung bestimmt: „Das Land bekennt sich zum Klimaschutz. Zu diesem Zweck fördert das Land Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz sowie die nachhaltige Nutzung erneuerbarer Energien, den Betrieb von Atomanlagen hingegen lehnt es ab“. Fraglich erscheint, ob die Aufnahme einer derartigen Vorschrift in das Grundgesetz den differenzierten Vorgaben des KlSchÜbk zusätzlichen Nachdruck verliehe oder diese vielmehr relativierte. Das KlSchÜbk befasst sich an etlichen Stellen ausdrücklich mit der Berücksichtigung spezifischer anderer Schutzgüter. So soll die Fähigkeit zur Anpassung an nachteilige Auswirkungen von Klimaänderungen gemäß Art. 2 Abs. 1 lit. c) KlSchÜbk in einer Weise gestärkt werden, die die Nahrungsmittelproduktion nicht bedroht. Ein anderes Beispiel bietet Art. 7 Abs. 5 KlSchÜbk, wonach Maßnahmen zur Anpassung an Klimaänderungen (unter anderem) einem geschlechtergerechten , partizipatorischen Ansatz folgen und auf traditionelles, lokales bzw. das Wissen indigener Völker ausgerichtet sein sollen. Das Grundgesetz folgt einem anderen Ansatz, nämlich dem ungeschriebenen Prinzip der praktischen Konkordanz. Danach sind sämtliche widerstreitenden Verfassungsbestimmungen miteinander in schonenden Ausgleich zu bringen. Dass die spezifischen Berücksichtigungsvorgaben des KlSchÜbk im Rahmen einer verfassungsrechtlichen Konkordanzbetrachtung angemessenen abgebildet würden, ist nicht sicher. Wie bereits erörtert, wäre eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung des Klimaschutzes allerdings eine Möglichkeit, das öffentliche Bewusstsein für Klimaänderungen zu steigern und so die Erreichung des mit dem KlSchÜbk verfolgten Ziels fördern. Ergänzend sei angemerkt, dass Art. 191 Abs. 1, Spiegelstrich 4 AEUV nicht gegen eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung des Klimaschutzes im Grundgesetz spricht. Die Vorschrift bestimmt, dass die „Umweltpolitik der Union (…) insbesondere zur Bekämpfung des Klimawandels “ beiträgt. Zwar ist es unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit nicht stets wünschenswert , wenn auf unterschiedlichen Ebenen der Normenhierarchie identische Vorgaben bestehen . Jedoch wäre ein solcher Fall hier nicht gegeben. Denn Art. 191 Abs. 1, Spiegelstrich 4 AEUV richtet sich in erster Linie an die Organe der EU, während die Vorschriften des Grundgesetzes für die Organe des deutschen Staates gelten. Ende der Bearbeitung