© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 092/20 Zum Rechtscharakter der Sicherheitsratsresolution 1325 (2000) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 2 Zum Rechtscharakter der Sicherheitsratsresolution 1325 (2000) Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 092/20 Abschluss der Arbeit: 26. Oktober 2020 (zugleich letzter Zugriff auf Internetlinks) Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Resolution 1325 (2000) und WPS-Agenda 4 2. Rechtsverbindlichkeit der Resolution 1325 (2000) 4 3. Nexus zwischen Resolution 1325 (2000) und dem VN- Frauenrechtskonventionsregime 7 4. Umsetzung 9 5. Sanktionsmechanismen bei Nichtbefolgung von Sicherheitsratsresolutionen 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 4 1. Resolution 1325 (2000) und WPS-Agenda Mit der einstimmig verabschiedeten Resolution 1325 (2000) vom 31. Oktober 20001 zu „Frauen, Frieden und Sicherheit“ sind Frauenmenschenrechte im sicherheitspolitischen Kontext erstmals Thema des VN-Sicherheitsrats geworden. Die Resolution trägt sowohl den VN als auch den VN- Mitgliedstaaten auf, Geschlechtergleichstellung und Frauenanliegen im Bereich der internationalen Sicherheitspolitik und in den Bemühungen zur Konfliktprävention und zur Konfliktlösung zu integrieren. Neben der verstärkten Einbindung von Frauen in politische Entscheidungsprozesse verankert die Resolution 1325 (2000) auch den Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt und Vergewaltigung in bewaffneten Konflikten. In den Folgejahren wurde die Agenda Women, Peace and Security („WPS-Agenda“) durch neun weitere „WPS-Resolutionen“ des VN-Sicherheitsrates präzisiert und ergänzt.2 Getragen wird die WPS-Agenda von den in der Resolution 1325 (2000) niedergelegten Leitprinzipien „Partizipation , Prävention, Protektion“ – ergänzt um das Prinzip der „prosecution“ (strafrechtliche Verfolgung ) aus der Resolution 1820 (2008).3 2. Rechtsverbindlichkeit der Resolution 1325 (2000) Die völkerrechtliche Verbindlichkeit der Resolution 1325 (2000) ergibt sich nicht ohne weiteres, auch wenn die mit dem Thema fachlich befassten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) dies zuweilen insinuieren.4 Der pauschale Hinweis auf Art. 25 VN-Charta, wonach die Mitglieder der Vereinten Nationen übereinkommen, die Beschlüsse des Sicherheitsrats im Einklang mit dieser Charta anzunehmen und durchzuführen, greift bei der Frage nach der Rechtsverbindlichkeit der Resolution ebenso zu kurz wie die Feststellung, dass Resolution 1325 (2000) nicht unter Kapitel VII der VN-Charta verabschiedet wurde. 1 Resolutionstext auf Deutsch abrufbar unter: https://www.un.org/depts/german/sr/sr_00/sr1325.pdf, sowie im englischen Original unter: https://undocs.org/S/RES/1325(2000). 2 Vgl. die Übersicht über die einschlägigen WPS-Resolutionen unter: https://www.unwomen.org/en/what-wedo /peace-and-security/global-norms-and-standards#_WPS_resolutions. 3 Vgl. Heinrich Böll-Stiftung, „Die UN-Resolutionen zu Frieden, Frauen, Sicherheit im Überblick“, http://www.gwi-boell.de/de/navigation/feminismus-geschlechterdemokratie-3849.html. 4 Eine detaillierte Analyse der rechtlichen Rahmenbedingungen von Res. 1325 findet sich dagegen im 16-seitigen Grundlagenpapier des Christlichen Friedensdienstes, Sarah Diack, „Rechtlicher und Institutioneller Kontext von UNSR 1325“, 13. November 2020, S. 8 f., https://www.cfdch .org/admin/data/files/marginal_asset/file/42/2015_grundlagenpapier_1325.pdf?lm=1478597615. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 5 Gem. Art. 25 VN-Charta kann der VN-Sicherheitsrat (im Rahmen seiner Aufgaben) gegenüber allen VN-Mitgliedstaaten verbindliche Beschlüsse fassen.5 Er tut dies regelmäßig bei Resolutionen unter Kapitel VII der VN-Charta.6 Dieses Kapitel betrifft „Maßnahmen des Sicherheitsrats bei Bedrohung oder Bruch des Friedens und bei Angriffshandlungen“.7 Resolution 1325 (2000) erging nicht unter Kapitel VII der VN-Charta. Vielmehr zählt sie zu den – in der Praxis des VN-Sicherheitsrats eher seltenen – „thematischen“ Resolutionen, die in unverbindlicher Form unter Kapitel VI der VN-Charta (dieses betrifft die „friedliche Beilegung von Streitigkeiten“) ergehen.8 Die (zuweilen propagierte) „Faustformel“, wonach Kapitel VII-Resolutionen rechtlich bindend, während die nach Kapitel VI ergangenen Resolutionen des VN-Sicherheitsrats dagegen rechtlich unverbindlich sind, vermag die rechtliche Realität indes nur unzureichend abzubilden.9 Die systematische Stellung von Art. 25 innerhalb der VN-Charta macht vielmehr deutlich, dass sich die dort niedergelegte Befugnis des Sicherheitsrates nicht auf Beschlüsse nach Kapitel VII der Charta beschränkt.10 5 Ruffert/Walter, Institutionalisiertes Völkerrecht, München: Beck, 2. Aufl. 2015, Rdnr. 90. Andreas v. Arnauld, Völkerrecht, Heidelberg: Müller, 4. Aufl. 2019, Rdnr. 155. 6 Eine Zusammenstellung mit Fragen und Antworten zum Thema „Kapitel-VII-Resolutionen” findet sich im 36-seitigen Security Council Special Research Report 2008 No. 1 (23. Juni 2008), “Security Council Action under Chapter VII: Myths and Realities”, https://www.securitycouncilreport.org/atf/cf/%7B65BFCF9B-6D27- 4E9C-8CD3-CF6E4FF96FF9%7D/Research%20Report%20Chapter%20VII%2023%20June%2008.pdf. 7 In der Präambel von „Kapitel VII-Resolutionen” findet sich regelmäßig die Formel: „The Security Council, acting under Chapter VII of the Charter of the UN (…)”. Der Sicherheitsrat stellt eine Bedrohung des Friedens nach Art. 39 VN-Charta fest und kann die Mitgliedstaaten sodann zu Zwangsmaßnahmen gegen den Friedensstörer (Art. 42 VN-Charta) ermächtigen. Vgl. näher Stefan Oeter, „Zwangsmaßnahmen nach Kapitel VII UN-Charta“, in: Vereinte Nationen (Zeitschrift) 4/2016, S. 164-169, https://zeitschrift-vereintenationen .de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2016/Heft_4_2016/08_Oeter_VN_4-16_5-8- 2016.pdf. 8 Christine Chinkin, “Adoption of 1325 Resolution”, in: Davies/True (Eds.), The Oxford Handbook of Women, Peace and Security, Oxford Univ. Press 2019, S. 26-37 (28 f.). Christine Bell / Catherine O'Rourke, “Peace agreements or pieces of paper? The impact of UNSR Resolution 1325 on peace processes and their agreements”, in: International & Comparative Law Quarterly (ICLQ) 2010, Vol. 59, S. 941-980 (943), abrufbar unter: https://www.cambridge.org/core/services/aop-cambridgecore /content/view/1AAFCDE695804F5E3A96729BEE924462/S002058931000062Xa.pdf/peace_agreements_or_p ieces_of_paper_the_impact_of_unsc_resolution_1325_on_peace_processes_and_their_agreements.pdf. 9 Vgl. grundlegend zur Diskussion Delbrück, in: Simma (Hrsg.), Charta der Vereinten Nationen. Kommentar, München: 1991, Art. 25 Rdnr. 11 ff. (14). 10 Andreas v. Arnauld, Völkerrecht, Heidelberg: Müller, 4. Aufl. 2019, Rdnr. 155. Innerhalb von Kapitel VII ist Art. 48 VN-Charta lex specialis. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 6 Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat Art. 25 VN-Charta in seinem Namibia-Gutachten wie folgt ausgelegt:11 “Article 25 is not confined to decisions in regard to enforcement action but applies to ´the decisions of the Security Council` adopted in accordance with the Charter. Moreover, that Article is placed, not in Chapter VII, but immediately after Article 24 in that part of the Charter which deals with the functions and powers of the Security Council. If Article 25 had reference solely to decisions of the Security Council concerning enforcement action under Articles 41 and 42 of the Charter, that is to say, if it were only such decisions which had binding effect, then Article 25 would be superfluous, since this effect is secured by Articles 48 and 49 of the Charter.” Folglich können sowohl Kapitel VII-Resolutionen als auch Kapitel VI-Resolutionen des VN- Sicherheitsrats verbindliche Wirkung entfalten.12 Umgekehrt können auch im Rahmen von Kapitel VII der VN-Charta unverbindliche Empfehlungen des Sicherheitsrats ergehen.13 Der Security Council Special Research Report von 2008 schlussfolgert dementsprechend:14 “The Council has general powers under articles 24 and 25 to adopt binding decisions and such decisions do not need to be always taken under Chapter VII (…). Resolutions adopted under Chapter VII may also (and usually do) include provisions which are nonbinding .” Ob eine Entschließung (resolution) des VN-Sicherheitsrats (in der Rechtsform einer Resolution) vom Inhalt her einen verbindlichen Beschluss (decision) oder nur eine unverbindliche Empfehlung (recommendation) enthält, muss also durch Auslegung der sprachlichen Fassung der 11 IGH, Rechtsgutachten vom 21. Juni 1971, „Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) Notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970)”, Advisory Opinion, 1971 I.C.J. 16 (June 21), Rdnr. 113, abrufbar unter: http://www.worldcourts.com/icj/eng/decisions/1971.06.21_namibia.htm. 12 Vgl. Peters, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus (Eds.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Vol. I, Oxford 2012, Art. 25 Rdnr. 11. 13 So Klein/Schmahl, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, Berlin: de Gruyter 2016, S. 312. 14 A.a.O. (Anm. 6). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 7 Resolution unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes ermittelt werden.15 Dies gestaltet sich nicht immer einfach, da ggf. auch die Diskussion unter den Sicherheitsratsmitgliedern im Vorfeld bzw. bei der Abfassung der Resolution berücksichtigt werden müssen. Eine völkerrechtlich verbindliche Auslegung einer Sicherheitsrats-Resolution bleibt dem Internationalen Gerichtshof (IGH) vorbehalten. In der Literatur ist mit beachtlichen Argumenten für eine völkerrechtliche Verbindlichkeit der Resolution 1325 (2000) plädiert worden. Dabei wurde auf die Einstimmigkeit bei der Abstimmung der Sicherheitsratsmitglieder sowie auf die entsprechende, vom „Geiste der Verpflichtung“ getragene Wortwahl der Resolution („[t]he Security Council … urges Member States to …; calls on …“) hingewiesen. In einer ausführlichen Analyse zur Rechtsverbindlichkeit von Resolution 1325 (2000) kommt der Ghanaische Völkerrechtler Appiagyei-Atua zu der Schlussfolgerung:16 “It is possible to infer the intent of the Security Council by relying on the language used, the discussions informing the formulation of a resolution, reference to Charter provisions, and international laws invoked and relied upon. Resolution 1325 contains strong language in many of its provisions. The Resolution seeks to support women’s roles in promoting peace and security, objectives shared by the UN Charter. Additionally, Resolution 1325 is firmly grounded in, and reflects, several major treaties, customary law and jus cogens norms that regulate peace, security, conduct of war, and women and children’s rights. In sum, Resolution 1325 is binding because it authorizes acts that are intra vires the UN Charter and other international laws. (…).” 3. Nexus zwischen Resolution 1325 (2000) und dem VN-Frauenrechtskonventionsregime Die gesamte WPS-Agenda (einschließlich der Resolution 1325 (2000)) entfaltet sich rechtlich und politisch im Kontext der VN-Frauenrechtskonvention (Convention on the Elimination of All 15 Theodor Schweisfurth, Völkerrecht, Tübingen: Mohr 2006, Rdnr. 68. Peters, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus (Eds.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Vol. I, Oxford 2012, Art. 25 Rdnr. 8 f. Vgl. zur Auslegung näher Ulrike Brandl, „Auslegung von Resolutionen des Sicherheitsrats: Einheitliche völkerrechtliche Regelungen oder ´pick and choose` aus möglichen Auslegungsregeln?“, in: Archiv des Völkerrechts (AVR) 2015, S. 279-321. Michael C. Wood, “The Interpretation of Security Council Resolutions”, in: Max Planck Yearbook of United Nations Law (1998) 2, S. 73-95, https://www.mpil.de/files/pdf2/mpunyb_wood_2.pdf. Peters, in: Simma/Khan/Nolte/Paulus (Eds.), The Charter of the United Nations. A Commentary, Vol. I, Oxford 2012, Art. 25 Rdnr. 26 ff. 16 Kwadwo Appiagyei-Atua, “United Nations Security Council Resolution 1325 on Women, Peace, and Security – Is it Binding?”, in: Human Rights Brief Vol. 18, No. 3 (2011), S. 2-6, https://www.researchgate.net/publication/254568755_United_Nations_Security_Council_Resolution_1325_on_ Women_Peace_and_Security_-_Is_it_Binding (PdF zum Herunterladen). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 8 Forms of Discrimination against Women, CEDAW).17 Die Konvention mit ihren mittlerweile 189 Vertragsparteien18 gilt praktisch universell. Im Gegensatz zur Resolution 1325 (2000) enthält CEDAW ein vertragsbasiertes verbindliches Kontroll- und Berichterstattungssystem (vgl. Art. 18 CEDAW); überdies sieht das Fakultativprotokoll zu CEDAW19 ein Beschwerdeverfahren (Art. 2 bis 7) sowie ein Untersuchungsverfahren (Art. 8 bis 10) vor. Die Resolution 1325 (2000) und das CEDAW-Rechtsregime sind inhaltlich auf vielfältige Weise miteinander verzahnt und rechtlich nachgerade „komplementär“.20 Mit Resolution 1325 (2000) hat der VN-Sicherheitsrat die Staaten aufgefordert, die Regeln des Übereinkommens zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau zu beachten (Ziff. 9). In der Folgeresolution 1820 (2008) vom 19. Juni 200821 ging der VN-Sicherheitsrat noch einen Schritt weiter und forderte alle Nicht-Mitgliedstaaten von CEDAW auf, die Konvention zu unterzeichnen und zu ratifizieren (Res.-Präambel). Der gem. Art. 17 CEDAW zur Überwachung der VN-Frauenrechtskonvention eingesetzte Ausschuss (Committee on the Elimination of Discrimination against Women) hat in seinen – völkerrechtlich allerdings unverbindlichen – generellen Empfehlungen (general recommendations) auf die Resolution 1325 (2000) Bezug genommen. Insbesondere die generelle Empfehlung Nr. 30 17 VN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau vom 18. Dezember 1979, Text in engl. Sprache abrufbar unter: https://www.un.org/womenwatch/daw/cedaw/text/econvention.htm. Dokumenten und Erläuterungen finden sich im Handbuch zur VN-Frauenrechtskonvention, hrsg. vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Stand: November 2019), https://www.bmfsfj.de/blob/142726/33b8e977afd60afd4da59306111fc397/20191218-handbuchfrauenrechtskonvention -cedaw-konsultationsfassung-data.pdf. 18 Vgl. zum Ratifikationsstatus von CEDAW die Übersicht https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-8&chapter=4&lang=en. 19 Fakultativprotokoll (Optional Protocol) vom 6. Oktober 1999, abrufbar unter: https://www.frauenrechtskonvention.de/fakultativprotokoll-zum-uebereinkommen-zur-beseitigung-jeder-formvon -diskriminierung-der-frau-2243/. Das Fakultativprotokoll hat derzeit 114 Mitgliedstaaten, darunter Deutschland (Ratifikationsstand abrufbar unter: https://treaties.un.org/pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-8-b&chapter=4&clang=_en). 20 Beate Rudolf, „CEDAW und Resolution 1325 – Völkerrechtliche Maßstäbe für die Förderung der Menschenrechte von Frauen nach Konflikten“, in: BMJ (Hrsg.), Frauenrechte in Verfassung und Gesetzgebung nach bewaffneten Konflikten. Workshop des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz und der Bundesakademie für Sicherheitspolitik am 30. Oktober 2012, Berlin 2012, S. 24-47 (28), https://www.bmjv.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Frauenrechte_Verfassung_Gesetzgebung.pdf?__blob=publi cationFile&v=8. Vgl. näher auch Catherine O´ Rourke / Aisling Swaine, „WPS and CEDAW, Optional Protocol and General Recommentations“, in: Davies/True (Hrsg.), The Oxford Handbook of Women, Peace and Security, Oxford Univ. Press 2019, S. 669-679 (678). 21 Deutsche Übersetzung abrufbar unter: https://www.un.org/depts/german/sr/sr_07-08/sr1820.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 9 (2013) zum Thema ´Frauen in der Konfliktverhütung`22 hebt hervor, dass der Inhalt der Resolution 1325 (2000) bzw. der ihr nachfolgenden „WPS-Resolutionen“ Teil der Implementierung von CEDAW bilden.23 4. Umsetzung Bald nach der Verabschiedung von Resolution 1325 (2000) wurde deutlich, dass Instrumente nötig sind, um die Beschlüsse und Forderungen der Resolution in den einzelnen Mitgliedsstaaten praktisch umzusetzen und entsprechende Fortschritte bewerten zu können. In seiner Resolution 1889 (2009)24 begrüßte der VN-Sicherheitsrat die (freiwilligen) nationalen Aktionspläne, wonach die einzelnen Staaten konkrete Indikatoren formulieren (sollen), darunter z.B. Angaben, bis wann Maßnahmen realisiert werden, wie viel personelle, finanzielle und materielle Ressourcen zur Verfügung gestellt, wie die zivilgesellschaftlichen Gruppen eingebunden werden oder wie statistische Daten erhoben werden sollen.25 Der CEDAW-Ausschuss empfiehlt den Vertragsstaaten der VN-Frauenrechtskonvention, ihre nationalen Aktionspläne zur WPS-Agenda mit den Bestimmungen der CEDAW in Einklang zu bringen. Gleichwohl haben auch 20 Jahre nach der Resolution 1325 (2000), deren Umsetzung als schleppend beklagt wird,26 nur ein Teil der Staatengemeinschaft solche Aktionspläne verabschiedet . Resolution 1325 (2000) schreibt den Staaten im Ergebnis keinen konkreten Weg vor, wie (bzw. in welcher Form) sie die verbindlichen Beschlüsse des Sicherheitsrats umzusetzen und durchzuführen haben. Auch die Empfehlung Nr. 30 des CEDAW-Ausschusses, die im Gegensatz zu Reso- 22 General Recommendation No. 30 on women in conflict prevention, conflict and post-conflict situations, (https://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/CEDAW/GComments/CEDAW.C.CG.30.pdf), CEDAW/C/GC/30 vom 1. November 2013, vgl. insb. Rdnr. 28 (a): “The Committee recommends that States parties … ensure that national action plans and strategies to implement Security Council Resolution 1325 (2000) and subsequent resolutions are compliant with the Convention, and that adequate budgets are allocated for their implementation.” 23 Vgl. näher Catherine O´ Rourke / Aisling Swaine, „WPS and CEDAW, Optional Protocol and General Recommentations“, in: Davies/True (Eds.), The Oxford Handbook of Women, Peace and Security, Oxford Univ. Press 2019, S. 669-679 (673 f.). 24 Sicherheitsrats-Resolution 1889 (2009) vom 5. Oktober 2009, https://www.un.org/depts/german/sr/sr_09- 10/sr1889.pdf. 25 Vgl. Heinrich Böll-Stiftung, „Die UN-Resolutionen zu Frieden, Frauen, Sicherheit im Überblick“, http://www.gwi-boell.de/de/navigation/feminismus-geschlechterdemokratie-3849.html. 26 Vgl. Simone Wisotzki, „Frauen und Frieden und Sicherheit. 15 Jahre UN-Sicherheitsratsresolution 1325: Wenig Grund zum Feiern“, in: Vereinte Nationen (Zeitschrift) 6/2015, S. 266-270, https://dgvn.de/fileadmin/publications/PDFs/Zeitschrift_VN/VN_2015/Heft_6_2015/06_Beitrag_Wisotzki_VN_6 -15_26-11-2015.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 10 lution 1325 (2000) den staatlichen action plan immerhin explizit erwähnt, entfaltet keine völkerrechtliche Bindungswirkung hinsichtlich des „wie“ der staatlichen Umsetzung. In Deutschland ist die nationale Umsetzung der VN-Resolution 1325 (2000) bzw. der „WPS- Agenda“ seit Jahren Gegenstand parlamentarischer Diskussionen.27 Die Bundesregierung begreift die Umsetzung der Resolution 1325 (2000) als Querschnittsthema, das bei Entscheidungen, Aktivitäten und Projekten ihrer Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik berücksichtigt wird. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang der „Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung von Resolution 1325 zu ´Frauen, Frieden, Sicherheit` des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2017 bis 2020.28 Mit dem 2017 verabschiedeten Aktionsplan hat sich die Bundesregierung zu konkreten Maßnahmen verpflichtet, um eine verstärkte Beteiligung von Frauen in der Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Friedenskonsolidierung zu fördern, sich für den Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt in bewaffneten Konflikten einzusetzen und auf eine geschlechtersensible Aufarbeitung von gewaltsamen Konflikten hinzuwirken. Ebenfalls im Jahre 2017 verabschiedete die Bundesregierung ihre politischen Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (als Folgedokument zum Aktionsplan Zivile Krisenprävention).29 Nach Auskunft der Bundesregierung ist die „Agenda 1325“ in den Leitlinien der Bundesregierung als eines der Bezugsdokumente für das Engagement beim Krisenengagement genannt und kommt beim Handeln der Bundesregierung zur Anwendung.30 Die Leitlinien enthalten in ihrem Anhang 1 (S. 147 ff.) eine Reihe von Selbstverpflichtungen der Bundesregierung. Bei den Leitlinien handelt es sich um ein politisches Dokument ohne rechtliche Bindungswirkung – die Umsetzung der Leitlinien kann also nicht gerichtlich eingeklagt werden. 27 Vgl. zuletzt etwa die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, „Umsetzung der UN-Resolution 1325 Frauen, Frieden und Sicherheit des UN-Sicherheitsrates“, BT-Drs. 19/21846 vom 28. August 2020, https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/218/1921846.pdf. Vgl. bereits Gutachten Wiss. Dienste vom 16. Oktober 2012, „Zum Stand der Umsetzung der Resolution 1325 (2000) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen“, WD 2 – 3000 – 144/12, https://www.bundestag.de/resource/blob/800562/fdb88f70fb500074bfcbeb91efe8c6b7/WD-2-144-12-pdfdata .pdf. 28 Abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/209856/dce24ab4dfc29f70fa088ed5363fc479/170111- aktionsplan-1325-data.pdf. Der Aktionsplan wurde am 11. Januar 2017 durch das Bundeskabinett beschlossen und als BT-Drs. 18/10853 veröffentlich. 29 Abrufbar auf der Homepage des Auswärtigen Amtes unter: https://www.auswaertigesamt .de/blob/283636/d98437ca3ba49c0ec6a461570f56211f/leitlinien-krisenpraevention-konfliktbewaeltigungfriedensfoerderung -dl-data.pdf. 30 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Stand der Umsetzung des zweiten Aktionsplans der Bundesregierung zur Umsetzung von Resolution 1325 zu Frauen, Frieden, Sicherheit des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen für den Zeitraum 2017 bis 2020“, BT-Drs. 19/1750 vom 19. April 2018 (Antwort auf Frage 1), https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/017/1901750.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 092/20 Seite 11 5. Sanktionsmechanismen bei Nichtbefolgung von Sicherheitsratsresolutionen Resolution 1325 (2000) sieht selber keinen rechtlichen Mechanismus vor, um die mitgliedstaatliche Durchführung und Umsetzung der Sicherheitsratsbeschlüsse zu kontrollieren oder – im Nichtbefolgungsfall – zu sanktionieren. Für den Fall, dass ein VN-Mitgliedstaat seiner Pflicht, verbindliche Beschlüsse des Sicherheitsrates durchzuführen, nicht nachkommt, trifft – anders als im Falle einer staatlichen Nichtbefolgung von IGH-Urteilen (vgl. insoweit Art. 94 Abs. 2 VN-Charta31) – Art. 25 VN-Charta keine Regelung . Der VN-Sicherheitsrat kann seine eigenen Beschlüsse also in der Regel nicht selber durchsetzen . Der Sicherheitsrat kann ein „renitentes“ VN-Mitgliedstaat noch nicht einmal wegen Verletzung der VN-Charta vor dem IGH verklagen; als Parteien vor dem IGH können nämlich nur Staaten auftreten (Art. 35 Abs. 1 IGH-Statut). Zwangsmaßnahmen gegen einen Staat, der seinen Verpflichtungen aus Art. 25 VN-Charta nicht nachkommt, könnte der VN-Sicherheitsrat nur im Rahmen von Kapitel VII VN-Charta ergreifen. Die bloße Nichtbefolgung einer „thematischen“ Resolution des Sicherheitsrats (wie z.B. die Resolution 1325 (2000)) durch einen VN-Mitgliedstaat dürfte indes keine Bedrohung des Friedens i.S.v. Art. 39 VN-Charta darstellen. Immerhin hätte der Sicherheitsrat gem. Art. 34 VN-Charta die Möglichkeit, eine solche Situation im Hinblick auf ihre Friedensgefährdung zu untersuchen. All dies ist in der Praxis aber noch nicht vorgekommen. Im Ergebnis kann die Umsetzung der Resolution 1325 (2000) also nicht erzwungen bzw. ihre Nichterfüllung kann nicht sanktioniert werden . Umso wichtiger erweist sich der Nexus zwischen Resolution 1325 (2000) und dem CEDAW- Kontrollregime (s.o. 3.). So müssen die Mitgliedstaaten der VN-Frauenrechtskonvention alle vier Jahre dem für die Überwachung der Konvention geschaffenen CEDAW-Ausschuss Bericht erstatten und Rechenschaft über deren Implementierung ablegen. Die Verbindung der WPS-Agenda mit CEDAW birgt Potential, die Regierungen verstärkt in die Pflicht zu nehmen und die WPS- Agenda bzw. Resolution 1325 (2000) zu implementieren.32 Streitigkeiten zwischen den CEDAW- Vertragsparteien über die Auslegung und Anwendung ihrer Verpflichtungen aus der Frauenrechtskonvention können überdies gem. Art. 29 Abs. 1 CEDAW zum Gegenstand eines Schiedsverfahrens oder eines Verfahrens vor dem IGH gemacht werden, sofern der betroffene Mitgliedstaat keinen entsprechenden Vorbehalt angebracht hat (Art. 29 Abs. 2 CEDAW). *** 31 Kommt eine Streitpartei ihren Verpflichtungen aus einem IGH-Urteil nicht nach, so kann der VN-Sicherheitsrat, wenn er es für erforderlich hält, gem. Art. 94 Abs. 2 VN-Charta Empfehlungen abgeben, um dem Urteil Wirksamkeit zu verschaffen. 32 Sarah Diack, „Rechtlicher und Institutioneller Kontext von UNSR 1325“, Grundlagenpapier des Christlichen Friedensdienstes vom 13. November 2020, S. 9, https://www.cfdch .org/admin/data/files/marginal_asset/file/42/2015_grundlagenpapier_1325.pdf?lm=1478597615.