WD 2 - 3000 - 092/16 (28. Juni 2016) © 2016 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Vertragspartner des Klimaschutzabkommens von Paris sind 175 Staaten einschließlich der EU (Vertragsschlusskompetenz nach Art. 191 Abs. 4 UAbs. 1, 216 ff. AEUV) und der EU- Mitgliedstaaten.1 Großbritannien hat das multilaterale Klimaschutzabkommen – neben 174 anderen Staaten – unterzeichnet und ist damit (unabhängig von der EU) eigenständiger Vertragspartner des Klimaschutzabkommens (Zuständigkeit der EU-Mitgliedstaaten zum Abschluss von internationalen Abkommen: Art. 191 Abs. 4 UAbs. 2 AEUV). Das Klimaschutzabkommen wird – parallel zum Ratifikationsverfahren in der EU – von den EU- Mitgliedstaaten als eigenständige Vertragsparteien im Einklang mit den nationalen Vorschriften ratifiziert. Die macht die rechtliche Bewertung im Vergleich zu einem gemischten Handelsabkommen wie TTIP (Art. 207 Abs. 3 AEUV), bei dem allein die EU Vertragspartner der USA ist, vergleichsweise einfach.2 1 Der Umstand, dass auch die EU eigenständiger Vertragspartner des Pariser Klimaschutzabkommens ist, hat vor allem symbolisch-politische Gründe, nachdem die EU im Post-Kyoto-Prozess eine Führungsrolle übernommen hat. Die Kompetenzen der EU im Bereich des Klimaschutzes sind gering (vgl. Art. 191 Abs. 1 Spiegelstrich 4 AEUV); das Pariser Abkommen könnte von den EU-Mitgliedstaaten daher auch ohne die EU erfüllt werden. Gleichwohl werden Klimaschutzabkommen, bei denen die EU und die EU-Mitgliedstaaten Vertragspartner sind, auch als „gemischte Abkommen“ bezeichnet (vgl. näher dazu Kahl, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV-Kommentar, München, 2. Aufl. 2012, Art. 191 AEUV, Rdnr. 15). 2 Bei gemischten Handelsabkommen der EU (wie z.B. TTIP) ergibt sich das Ratifikationserfordernis für die EU- Mitgliedstaaten aus dem Umstand, dass durch TTIP Gesetzgebungszuständigkeiten der EU-Mitgliedstaaten berührt werden. Bei TTIP erscheint die Lage mit Blick auf einen möglichen Brexit entsprechend komplizierter. Hier wird man in einem (künftigen) Austrittsabkommen zwischen der EU und Großbritannien (Art. 50 Abs. 2 EUV) Regelungen über die Rolle Großbritanniens im Verhandlungs- und Ratifikationsprozess aushandeln müssen . Der Austrittsvertrag könnte dann etwa vorsehen, dass Großbritannien an dem TTIP-Vertrag weder in der Verhandlungs- noch in der Ratifikationsphase mehr beteiligt wird. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Auswirkungen eines „Brexit“ auf den Ratifizierungsprozess des Klimaschutzabkommens von Paris Kurzinformation Auswirkungen eines „Brexit“ auf den Ratifizierungsprozess des Klimaschutzabkommens von Paris Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe, Tel: (030) 227-32444 Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Die EU hat den Willen bekundet, das europarechtliche Ratifikationsverfahren (nach Art. 218 AEUV) zügig voranzutreiben, damit das Klimaschutzabkommen noch vor 2020 in Kraft treten kann.3 Die Europäische Kommission hat am 10. Juni 2016 den Weg für die zügige Ratifizierung des Klimaschutzabkommens durch die EU freigemacht. Der Vorschlag der Kommission zur Ratifizierung des Übereinkommens im Namen der EU liegt nun dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Genehmigung vor. Formell handelt es sich um einen Beschluss des Rates (Art. 218 Abs. 6 AEUV). Der Rat kann ihn dann annehmen, wenn das Europäische Parlament seine Zustimmung erteilt hat (Art. 218 Abs. 6a AEUV). Angesichts des von der EU vorgelegten „Tempos“ ist es sehr wahrscheinlich, dass der EU- Ratifikationsprozess durch die EU-Organe zeitlich vor dem Wirksamwerden eines „Brexit“ abgeschlossen werden kann. Ein Brexit würde nämlich frühestens nach Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt einer formellen Austrittserklärung Großbritanniens (Art. 50 Abs. 2 AEUV) – bzw. mit Inkrafttreten eines noch zu verhandelnden Austrittsabkommens mit der EU – in Kraft treten (Art. 50 Abs. 3 EUV). Bis heute liegt noch keine formelle Austrittserklärung Großbritanniens vor. Bis zu dem Tage, an dem der Brexit wirksam wird, agiert Großbritannien in den EU-Institutionen als Vollmitglied. Auch während der mehrjährigen „Übergangsphase“, die erst mit einer britischen Austrittserklärung zu laufen beginnt, ist Großbritannien kein EU-Mitglied „2. Klasse“. Würde der EU-Ratifikationsprozess noch vor dem Wirksamwerden eines Brexit abgeschlossen, so wäre Großbritannien bis zum Brexit europarechtlich an das Klimaschutzabkommen gebunden (Art. 216 Abs. 2 AEUV). Mit dem Wirksamwerden des Brexit würde diese europarechtliche Bindung wieder erlöschen. Dies würde indes an der völkerrechtlichen Bindung Großbritanniens, welche infolge einer eigenen (nationalen) Ratifikation des Pariser Klimaschutzabkommen eintritt , nichts ändern. Weil es das Klimaschutzabkommen selbst gezeichnet hat und entsprechend ratifizieren muss, wird sich Großbritannien auch einer Ratifikation des Abkommens durch die EU politisch (wohl) nicht in den Weg stellen. Im Übrigen beschließt der Rat hier mit qualifizierter Mehrheit (Art. 218 Abs. 8 UAbs. 1 AEUV) und das Europäische Parlament mit einfacher Mehrheit (Art. 231 AEUV), so dass Großbritannien eine Ratifikation des Abkommens durch die EU rechtlich nicht verhindert könnte. Ende der Bearbeitung 3 Vgl. dazu die Mitteilungen der Europäischen Kommission an das EP und den Rat vom 2.3.2016, COM(2016) 110 final, http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52016DC0110&from=DE (insb. Punkt 2.2). Das Klimaschutzabkommen tritt insgesamt in Kraft, sobald es von 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der weltweiten Emissionen verursachen, ratifiziert wurde.