© 2016 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 091/16 Die Sozial- und Menschenrechtsstandards der Weltbank und der Asian Infrastructure Investment Bank Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 2 Die Sozial- und Menschenrechtsstandards der Weltbank und der Asian Infrastructure Investment Bank Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 091/16 Abschluss der Arbeit: 4. Juli 2016 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Sozial- und Menschenrechtsstandards 4 2.1. Weltbank 5 2.2. AIIB 6 3. Beschwerdemechanismen 6 3.1. Weltbank 6 3.2. AIIB 8 4. Transparenzvorschriften 11 4.1. Weltbank 11 4.1.1. World Bank Policy on Access to Information 11 4.1.2. Environmental and Social Framework 11 4.2. AIIB 12 4.2.1. Public Information Interim Policy 12 4.2.2. Environmental and Social Framework 12 5. Fazit 13 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 4 1. Einleitung Im Jahr 2013 hat die Volksrepublik China die Gründung der Asiatischen Infrastruktur-Investitionsbank (Asian Infrastructure Investment Bank, kurz AIIB) angestoßen. Am 25. Dezember 2015 ist deren Gründungsvertrag (Articles of Agreement, kurz AoA) in Kraft getreten. Ergänzt wird er unter anderem durch die im Februar 2016 verabschiedeten Umwelt- und Sozialvorschriften der AIIB (Environmental and Social Framework, kurz ESF-AIIB).1 Seit dem Jahr 2012 entwickelt auch die Weltbank ihre Umwelt- und Sozialvorschriften weiter.2 Am 15. März 2016 wurde der dritte Konsultationsprozess zum zweiten Entwurf eines Environmental and Social Framework (kurz ESF-WB)3 abgeschlossen,4 der diverse Vorgängerregelungen ablösen soll.5 Der vorliegende Sachstand vergleicht – auf Basis dieser Regelwerke – die bei Projektfinanzierungen durch die Weltbank und die AIIB geltenden Sozial- und Menschenrechtsstandards (2.), die insoweit vorgesehenen Beschwerdemechanismen (3.) sowie die in diesem Zusammenhang einzuhaltenden Transparenzvorschriften (4.). 2. Sozial- und Menschenrechtsstandards Die ESF der Weltbank und der AIIB sind sehr umfangreich und können im Rahmen dieses Sachstandes nicht in allen Details abgehandelt werden. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Darstellung ihrer Grundzüge. 1 Das Dokument ist online abrufbar unter http://www.aiib.org/uploadfile/2016/0226/20160226043633542.pdf (letzter Abruf: 30. Juni 2016). 2 Weltbank, Fact Sheet Review and Update of the World Bank’s Environmental and Social Framework, abrufbar unter http://pubdocs.worldbank.org/en/47361438717309557/Safeguards-Fact-Sheet-2015.pdf (letzter Abruf: 28. Juni 2016). 3 Das Dokument ist online abrufbar unter http://consultations.worldbank.org/Data/hub/files/consultation-template /review-and-update-world-bank-safeguard-policies/en/materials/clean_second_draft_es_framework_final _draft_for_consultation_july_1_2015.pdf (letzter Abruf: 30. Juni 2016). 4 Siehe den Internetauftritt der Weltbank, abrufbar unter http://consultations.worldbank.org/consultation/reviewand -update-world-bank-safeguard-policies (letzter Abruf: 28. Juni 2016). 5 Gemäß § 12 des Abschnitts “Overview of the World Bank Environmental and Social Framework” ersetzt der ESF-WB die folgenden “Operational Policies (OP)” und “Bank Procedures (BP)”: OP/BP4.00, Piloting the Use of Borrower Systems to Address Environmental and Social safeguard Issues in Bank-Supported Projects, OP/BP4.01, Environmental Assessment, OP/BP4.04, Natural Habitats, OP4.09, Pest Management, OP/BP4.10, Indigenous Peoples, OP/BP4.11, Physical Cultural Resources, OP/BP4.12, Involuntary Resettlement, OP/BP4.36, Forests, and OP/BP4.37, Safety of Dams. This Framework does not replace OP/BP4.03, Performance Standards for Private Sector Activities, OP/BP7.50, Projects on International Waterways, and OP/BP7.60, Projects in Disputed Territories. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 5 2.1. Weltbank Die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction and Development, kurz IBRD) verfolgt nach Art. 1 ihrer AoA unter anderem den Zweck, ihre Mitglieder dabei zu unterstützen, die Produktivität, den Lebensstandard und die Arbeitsbedingungen auf ihrem Territorium zu verbessern. Auch die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Association, kurz IDA) hat nach Art. 1 ihrer AoA unter anderem das Ziel, den Lebensstandard in den weniger entwickelten Gegenden der Welt zu steigern. Im ESF- WB, der explizit für die Tätigkeit der IBRD und der IDA gilt,6 finden diese Programmsätze eine konkrete Ausgestaltung. Der ESF-WB setzt sich aus drei allgemeinen und zehn besonderen Abschnitten zusammen. Während die allgemeinen Abschnitte die Zielsetzung erläutern und die für die Bank geltenden Vorgaben darstellen, enthalten die besonderen Abschnitte Umwelt- und Sozialstandards („Environmental and Social Standards“, kurz ESS), an die sich die Kreditnehmer7 zu halten haben. § 6 S. 1 des (allgemeinen) Abschnitts “A Vision for Sustainable Development” erläutert, dass der ESF-WB nicht lediglich dazu dient, den entwicklungspolitischen „Do no harm“ - Grundsatz zu verwirklichen, sondern darüber hinaus das Ziel verfolgt, bestimmte Entwicklungsziele zu maximieren . Wie § 4 des (allgemeinen) Abschnitts „Overview of the World Bank Environmental and Social Framework” erläutert, geht die Weltbank davon aus, dass die Bindung an die im ESF-WB verankerten ESS die Kreditnehmer dabei unterstützt, die Armut zu reduzieren und den Wohlstand im Dienste der Bürger und der Umwelt in nachhaltiger Weise zu mehren. Im Einzelnen beinhaltet der ESF-WB die folgenden zehn ESS: - “Assessment and Management of Environmental and Social Risks and Impacts”, - “Labor and Working Conditions”, - “Resource Efficiency and Pollution Prevention and Management”, - “Community Health and Safety”, - “Land Acquisition, Restrictions on Land Use and Involuntary Resettlement”, - “Biodiversity Conservation and Sustainable Management of Living Natural Resources”, - “Indigenous Peoples”, - “Cultural Heritage”, - “Financial Intermediaries”, - “Stakeholder Engagement and Information Disclosure”. 6 Gemäß Fußnote 2 zu § 1 des (allgemeinen) Abschnitts “World Bank Environmental and Social Policy for Investment Project Financing” ist der Begriff “Bank” im Sinne des ESF-WB mit “IBRD bzw. IDA“ gleichzusetzen. 7 Gemäß Fußnote 4 zu § 2 des Abschnitts “World Bank Environmental and Social Policy for Investment Project Financing” sind darunter, soweit sich aus dem Kontext nichts anderes ergibt, zu verstehen: Kreditnehmer oder Empfänger bankseitiger Finanzierung für ein Investitionsprojekt sowie jede andere Einheit, die für die Umsetzung des Projekts verantwortlich ist Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 6 2.2. AIIB Die AIIB hat nach der Präambel ihrer AoA unter anderem eine nachhaltige soziale Entwicklung der asiatischen Ökonomien zum Ziel. Gemäß Art. 13 Abs. 4 AoA soll die AIIB sicherstellen, dass ihre Aktivitäten mit ihren Politiken in Einklang stehen, einschließlich derjenigen zu den Umwelt - und Sozialauswirkungen. Letztere ist Gegenstand des ESF-AIIB. Der ESF-AIIB setzt sich aus zwei allgemeinen Abschnitten und vier besonderen Abschnitten zusammen . Entsprechend der Systematik des ESF-WB enthalten die allgemeinen Abschnitte eine Erläuterung der Zielsetzung und der für die Bank geltenden Vorgaben, während die ersten drei besonderen Abschnitte die von Seiten der Bankkunden zu beachtenden Umwelt- und Sozialstandards beeinhalten. Der vierte besondere Abschnitt zählt Projekte auf, die wegen ihrer umweltoder sozialschädlichen Wirkungen von einer Finanzierung ausgeschlossen sind. Zu den Ausschlusskriterien zählen unter anderem Zwangsarbeit, schädliche oder ausbeuterische Kinderarbeit , kommerzielle Holzgewinnung in primären tropischen Regenwäldern oder Urwäldern und Ankauf von Ausrüstung für diese Zwecke, sowie Produktion von oder Handel mit Holz oder anderen Waldprodukten aus nicht nachhaltig bewirtschafteten Wäldern. Im Einzelnen umfasst der ESF-AIIB die folgenden drei ESS: - „Environmental and Social Assessment and Management“, - „Involuntary Resettlement“, - „Indigenous Peoples“. 3. Beschwerdemechanismen 3.1. Weltbank Der ESF-WB sieht im (allgemeinen) Abschnitt „World Bank Environmental and Social Policy for Investment Project Financing“ eine doppelte Beschwerdemöglichkeit vor: Zum einen hat der Kreditnehmer gemäß § 57 des genannten Abschnitts8 einen Beschwerdemechanismus , einen Beschwerdeprozess oder ein Beschwerdeverfahren einzurichten, mit Hilfe dessen er Bedenken und Beschwerden der von dem Projekt betroffenen Personen, insbesondere über sein Umwelt- und Sozialverhalten, entgegennehmen und lösen kann. Die Beschwerdemöglichkeit muss in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken und Auswirkungen des Projekts stehen. Nähere Vorgaben zu ihrer Form finden sich in einer Fußnote zur genannten Vorschrift.9 8 Die Vorschrift lautet wie folgt: „The Bank will require the Borrower to provide a grievance mechanism, process, or procedure to receive and facilitate resolution of concerns and grievances of project-affected parties arising in connection with the project, in particular about the Borrower’s environmental and social performance. The grievance mechanism will be proportionate to the risks and impacts of the project.” 9 Die Fußnote lautet wie folgt: “The grievance mechanism may utilize existing formal or informal grievance mechanisms, provided they are properly designed and implemented, and deemed suitable for project purposes; these may be supplemented as needed with project-specific arrangements.” Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 7 Zum anderen sieht § 58 des genannten Abschnitts10 vor, dass Parteien, die von einem finanzierten Projekt betroffen sind, darauf bezogene Beschwerden neben dem projekteigenen Beschwerdemechanismus oder einem geeigneten örtlichen Beschwerdemechanismus dem Beschwerdeabhilfeservice der Weltbank (Grievance Redress Service, kurz GRS) unterbreiten können. Dieser hat sicherzustellen, dass die ihm vorgelegten Beschwerden umgehend geprüft werden. Hat die Bank eine angemessene Möglichkeit zur Reaktion auf die Beschwerde erhalten, können die betroffenen Parteien ihre Beschwerde auch der unabhängigen Überprüfungskommission der Weltbank übermitteln und die Durchführung einer Konformitätsprüfung fordern. Deren Ziel ist es, festzustellen, ob durch eine Nichtbeachtung der weltbankeigenen Politiken und Verfahrensweisen ein Schaden verursacht worden ist. Darüber hinaus enthalten die besonderen Abschnitte des ESF-WB Vorschriften zu den spezifischen Beschwerdemöglichkeiten betreffend einzelne ESS: Gemäß § 21 S. 1 des Abschnitts “ESS 2. Labor and Working Conditions” ist ein „gesonderter“ Beschwerdemechanismus für arbeitsplatzbezogene Bedenken einzurichten, der allen Projektmitarbeitern (und gegebenenfalls deren Organisationen) offensteht. Nähere Vorgaben finden sich in §§ 21 S. 2 und 3, 22, 23 des genannten Abschnitts. Eine Einschränkung dieser Beschwerdemöglichkeit auf bestimmte Arten von Projekten – etwa auf Projekte aus dem Privatsektor – ist nicht vorgesehen . § 33 des genannten Abschnitts stellt klar, dass auch im Zuge des Projekts durch Dritte11 beschäftigte Vertragsarbeiter12 Zugang zu einem Beschwerdemechanismus haben müssen. Sind diese Dritten nicht in der Lage, einen solchen bereitzustellen, hat der Kreditnehmer den Vertragsarbeitern den Beschwerdemechanismus gemäß §§ 21 – 23 des genannten Abschnitts zur Verfügung zu stellen. Gemäß § 19 des Abschnitts “ESS 5. Land Acquisition, Restrictions on Land Use and Involuntary Resettlement”13 hat der Kreditnehmer sicherzustellen, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt der 10 Die Vorschrift lautet: „Project-affected parties may submit complaints regarding a Bank-financed project to the project grievance mechanism, appropriate local grievance mechanism, or the World Bank’s corporate Grievance Redress Service (GRS). The GRS ensures that complaints received are promptly reviewed in order to address project-related concerns. After bringing their concerns directly to the World Bank's attention and giving Bank Management a reasonable opportunity to respond, project-affected parties may submit their complaint to the World Bank’s independent Inspection Panel to request an independent compliance audit to determine whether harm has occurred as a result of World Bank non-compliance with its policies and procedures.” 11 Zur Definition dieses Begriffs siehe Fußnote 2 zu § 3 des Abschnitts “ESS 2. Labor and Working Conditions”. 12 Zur Definition dieses Begriffs siehe § 3 (b) des Abschnitts “ESS 2. Labor and Working Conditions”. 13 Die Vorschrift lautet: “The Borrower will ensure that a grievance mechanism for the project is in place, in accordance with ESS10 as early as possible in project development to address specific concerns about compensation , relocation or livelihood restoration measures raised by displaced persons (or others) in a timely fashion. Where possible, such grievance mechanisms will utilize existing formal or informal grievance mechanisms suitable for project purposes, supplemented as needed with project-specific arrangements designed to resolve disputes in an impartial manner.” Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 8 Projektentwicklung ein Beschwerdemechanismus eingerichtet wird, dem umgesiedelte und andere Personen zeitnah Bedenken betreffend Entschädigung, Umsiedlung oder Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Lebensgrundlagen unterbreiten können. Gemäß § 29 des Abschnitts “ESS 7. Indigenous Peoples”14 hat der Kreditnehmer für das Projekt einen Beschwerdemechanismus einzurichten, der für die projektbetroffene indigene Bevölkerung kulturell geeignet und zugänglich ist und der Verbreitung gerichtlicher Verfahren und hergebrachter Konfliktlösungsmechanismen in diesem Teil der Bevölkerung Rechnung trägt. Gemäß § 26 des Abschnitts „ESS 10. Stakeholder Engagement and Information Disclosure” hat der Kreditnehmer einen projektbezogenen Beschwerdemechanismus einzurichten, um so in angemessener Zeit gegenüber Bedenken und Beschwerden projektbetroffener Parteien zur Umweltund Sozialbilanz des Projekts beziehen reagieren zu können. Wie eine Fußnote zu der betreffenden Vorschrift klarstellt,15 kann dieser Beschwerdemechanismus zugleich als Beschwerdemechanismus für Bedenken zu Entschädigung, Umsiedlung oder Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Lebensgrundlagen (s.o.) sowie für als Beschwerdemechanismus für die indigene Bevölkerung (s.o.), nicht aber als „gesonderter“ Beschwerdemechanismus für arbeitsplatzbezogene Bedenken (s.o.) genutzt werden. Detaillierte Vorgaben zur Ausgestaltung des Beschwerdemechanismus finden sich in Anhang 1 des genannten Abschnitts. 3.2. AIIB Der ESF-AIIB sieht im (allgemeinen) Abschnitt “Environmental and Social Policy” ebenfalls eine doppelte Beschwerdemöglichkeit vor: 14 Die Vorschrift lautet: “The Borrower will ensure that a grievance mechanism is established for the project, as described in ESS10, which is culturally appropriate and accessible to affected Indigenous Peoples, and takes into account the availability of judicial recourse and customary dispute settlement mechanisms among Indigenous Peoples.” 15 Fußnote 8 lautet: „The grievance mechanism to be provided under this ESS may be utilized as the grievance mechanism required under other ESSs (see ESSs 5 and 7). However, the grievance mechanism for project workers required under ESS2 needs to be provided separately.” Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 9 Zum einen hat gemäß § 63 S. 1 des genannten Abschnitts16 der Bankkunde einen angemessenen Beschwerdemechanismus einzurichten. Dieser muss es ermöglichen, die Bedenken und Beschwerden von Personen, die meinen, von den Umwelt- oder Sozialauswirkungen des Projekts nachteilig betroffen zu sein, entgegenzunehmen und zu lösen. Zudem muss der Mechanismus die von dem Projekt betroffenen Personen über das Vorhandensein der Beschwerdemöglichkeit aufzuklären . Ferner muss die Beschwerdemöglichkeit in einem angemessenen Verhältnis zu den Risiken und Auswirkungen des Projekts stehen. Die Sätze 3 bis 6 der genannten Vorschrift17 regeln die weiteren Einzelheiten betreffend den Umfang des Beschwerdemechanismus, die Form und den Ablauf des Beschwerdeverfahrens, den Schutz der Beschwerdeführer und die Veröffentlichung der Ergebnisse des Beschwerdeverfahrens. Zum anderen sieht § 64 des genannten Abschnitts18 vor, dass Personen, die meinen, nachteilig dadurch betroffen zu sein, dass die AIIB ihre Umwelt- und Sozialpolitik nicht umsetzt, Beschwerden an den Überprüfungsmechanismus der IAAB richten können. Die genannte Vorschrift bestimmt, dass die AIIB die Einzelheiten dieses Mechanismus noch festzulegen hat. Darüber hinaus enthält der ESF-AIIB Vorschriften zu den spezifischen Beschwerdemöglichkeiten betreffend einzelne ESS: § 63 S. 7 des Abschnitts “Environmental and Social Policy” sieht vor, dass der Bankkunde einen Beschwerdemechanismus für arbeitsplatzbezogene Bedenken einzurichten hat. Anders als im 16 Die Vorschrift lautet: “The Bank requires the Client to establish, in accordance with the ESP and applicable ESSs, a suitable grievance mechanism to receive and facilitate resolution of the concerns or complaints of people who believe they have been adversely affected by the Project’s environmental or social impacts, and to inform Project-affected people of its availability. The grievance mechanism is scaled to the risks and impacts of the Project. The grievance mechanism may utilize existing formal or informal grievance mechanisms, provided that they are properly designed and implemented, and deemed by the Bank to be suitable for the Project; these may be supplemented, as needed, with Project-specific arrangements. The mechanism is designed to address affected people’s concerns and complaints promptly, using an understandable and transparent process that is gender-sensitive, culturally appropriate and readily accessible to all affected people. The grievance mechanism includes provisions to protect complainants from retaliation and to remain anonymous, if requested. The mechanism provides for maintenance of a publicly accessible case register, and reports on grievance redress and outcomes , which are disclosed in accordance with the applicable ESS. If the Project is a private-sector Project, the Bank also requires the Client to establish a grievance mechanism for workers to address workplace concerns.” 17 Diese lauten: “The grievance mechanism is scaled to the risks and impacts of the Project. The grievance mechanism may utilize existing formal or informal grievance mechanisms, provided that they are properly designed and implemented, and deemed by the Bank to be suitable for the Project; these may be supplemented, as needed, with Project-specific arrangements. The mechanism is designed to address affected people’s concerns and complaints promptly, using an understandable and transparent process that is gender-sensitive, culturally appropriate and readily accessible to all affected people. The grievance mechanism includes provisions to protect complainants from retaliation and to remain anonymous, if requested. The mechanism provides for maintenance of a publicly accessible case register, and reports on grievance redress and outcomes, which are disclosed in accordance with the applicable ESS. If the Project is a private-sector Project, the Bank also requires the Client to establish a grievance mechanism for workers to address workplace concerns.” 18 Die Vorschrift lautet: „People who believe they have been or are likely to be adversely affected by a failure of the Bank to implement the ESP may also submit complaints to the Bank’s oversight mechanism in accordance with the policies and procedures to be established by the Bank for such mechanism.” Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 10 Rahmen des ESF-WB gilt dies aber nur für Projekte aus dem Privatsektor.19 Auch ist hier – anders als dort – nicht vorgeschrieben, dass es sich um einen „gesonderten“ Mechanismus handeln muss. § 4 Abs. 7 S. 1 des Abschnitts ”ESS 2: Involuntary Resettlement”20 bestimmt, dass der Bankkunde einen geeigneten Beschwerdemechanismus einzurichten hat, um Beschwerden von Personen, die im Zuge des Projekts umgesiedelt worden sind, entgegenzunehmen und einer Lösung zuzuführen . Der Mechanismus muss zudem über die Existenz der Beschwerdemöglichkeit informieren. Die Sätze 2 – 6 der Vorschrift21 regeln die weiteren Einzelheiten – großteils in Analogie zu § 63 S. 2 – 6 des Abschnittes “Environmental and Social Policy”. § 3 Abs. 10 S. 1 des Abschnitts “ESS 3: Indigenous Peoples”22 schreibt Folgendes vor: Stellt sich bei der Projektprüfung heraus, dass indigene Völker im Projektgebiet leben oder eine kollektive Verbindung zu diesem haben, und dass diese Völker wahrscheinlich durch das Projekt betroffen sind, muss der Bankkunde einen speziellen Plan („Indigenous Peoples Plan“) entwerfen, der unter anderem einen kulturell angemessenen und inklusiven Beschwerdemechanismus einrichtet, mit Hilfe dessen Beschwerden der indigenen Völker entgegengenommen und einer Lösung zugeführt werden. Zudem muss über die Existenz einer Beschwerdemöglichkeit informiert werden. Die Sätze 2 – 6 der Vorschrift23 regeln die weiteren Einzelheiten – wiederum weitgehend analog zu § 63 S. 2 – 6 des Abschnittes “Environmental and Social Policy“. 19 Was hierunter zu verstehen ist, wird in einer Fußnote zu § 63 des genannten Abschnitts erläutert. 20 Die Vorschrift lautet: “The Client is required to undertake the following actions in relation to the Project: (…) Establish a suitable grievance redress mechanism to receive and facilitate resolution of the concerns of persons displaced by the Project and inform them of its availability.” 21 Diese lauten: “Scale the grievance mechanism to the risks and impacts of the Involuntary Resettlement. The grievance mechanism may utilize existing formal or informal grievance mechanisms, provided that they are properly designed and implemented, and determined by the Bank to be suitable for the Project; these may be supplemented, as needed, with Project-specific arrangements. Design the mechanism to address displaced persons ’ concerns and complaints promptly, using an understandable and transparent process that is gender-sensitive , culturally appropriate and readily accessible to all affected people. Include provisions to protect complainants from retaliation and to remain anonymous, if requested. Disclose reports on grievance redress and outcomes in accordance with the Information Disclosure bullet below.” 22 Die Vorschrift lautet: “If the Project’s screening process determines that Indigenous Peoples are present in, or have collective attachment to, the Project area, and are likely to be affected by the Project, the Client is required to prepare an Indigenous Peoples plan, as follows: (…) Establish a culturally appropriate and gender inclusive grievance mechanism to receive and facilitate resolution of affected Indigenous Peoples’ concerns and grievances regarding the Project’s environmental and social performance, and inform them of its availability”. 23 Diese lauten: “Scale the grievance mechanism to the risks to, and impacts of, the Project on Indigenous Peoples. Design the mechanism to address Indigenous Peoples’ concerns and complaints promptly, using an understandable and transparent process that is gender-sensitive, culturally appropriate and readily accessible to all affected Indigenous Peoples. The grievance mechanism may utilize existing formal or informal grievance mechanisms , provided that they are properly designed and implemented, and determined by the Bank to be suitable for the Project; these may be supplemented, as needed, with Project-specific arrangements. Include provisions to protect complainants from retaliation and to remain anonymous, if requested. Make reports on grievance redress and outcomes available, in accordance with the Information Disclosure bullet below.” Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 11 4. Transparenzvorschriften 4.1. Weltbank 4.1.1. World Bank Policy on Access to Information Die im Jahr 2015 zuletzt überarbeitete Informationszugangspolitik (“World Bank Policy on Access to Information”24, kurz WBPAI) enthält die für die Weltbank geltenden allgemeinen Transparenzvorschriften . Nach Abschnitt III Kapitel B § 1 WBPAI gewährt die Bank Zugang zu allen bei ihr vorhandenen Informationen, sofern diese nicht unter eine – in Abschnitt III Kapitel B § 2 WBPAI enthaltene – Liste von Ausnahmen fallen. Nach einem gewissen Zeitablauf macht die Bank allerdings auch Teile dieser Informationen zugänglich.25 Besondere Regelungen gelten für Dokumente und Aufzeichnungen aus dem Bereich der Verwaltungsgremien der Bank26 und für E-Mails27. Ferner hat die Bank die Befugnis, in Bezug auf bestimmte Informationen bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände von den genannten Regeln abzuweichen.28 4.1.2. Environmental and Social Framework Gemäß § 48 des Abschnitts “World Bank Environmental and Social Policy for Investment Project Financing” wendet die Bank die WBPAI (s.o. 4.1.1.) auf alle ihr vom Kreditnehmer übermittelten projektbezogenen Informationen an. Gemäß § 49 des genannten Abschnitts hat zudem der Kreditnehmer rechtzeitig, an einem zugänglichen Ort und in einer Form und Sprache, welche die projektbetroffenen Parteien und interessierte Dritte verstehen, ausreichende Informationen über die potentiellen Risiken und Auswirkungen des Projekts zur Verfügung zu stellen. Ausdrücklicher Zweck der Vorschrift ist es, interessierten Personen zu ermöglichen, sinnvolle Anregungen zur Ausgestaltung des Projekts und zu schadensbegrenzenden Maßnahmen zu geben. 24 Das Dokument ist online abrufbar unter http://pubdocs.worldbank.org/en/393051435850102801/World-Bank- Policy-on-Access-to-Information.pdf (letzter Abruf: 30. Juni 2016). 25 Siehe Abschnitt III Kapitel B § 6 WBPAI. 26 Siehe Abschnitt III Kapitel B § 3 und 4 WBPAI. 27 Siehe Abschnitt III Kapitel B § 5 WBPAI. 28 Siehe Abschnitt IV WBPAI. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 12 4.2. AIIB 4.2.1. Public Information Interim Policy Art. 34-4 AoA29 bestimmt, dass die AIIB, um ihre Tätigkeit transparent zu machen, allgemeine Leitlinien für die Offenlegung von Informationen erarbeitet. Dem ist die AIIB mit der im Januar 2016 verabschiedeten „Public Information Interim Policy“ (kurz PIIP) nachgekommen. Diese umfasst Grundsätze über die Offenlegung und Vertraulichkeit von Informationen (Abschnitt A), Kategorien offenzulegender (Abschnitt B) und geheimzuhaltender Informationen (Abschnitt C) und Umsetzungsbestimmungen (Abschnitt D). Überdies ist eine kontinuierliche Aktualisierung der PIIP und regelmäßige Überprüfung ihrer Umsetzung vorgesehen (Abschnitt E). Die Liste der geheimzuhaltenden Informationen deckt sich im Wesentlichen mit der entsprechenden Liste gemäß Abschnitt III Kapitel B § 2 WBPAI. § 11 PIIP sieht eine bankinterne Berufungsinstanz für Beschwerden gegen ablehnende Auskunftsgesuche vor. Wie schon die Bezeichnung PIIP erkennen lässt, sind diese Leitlinien vorläufig. § 12 PIIP bestimmt , dass – bis zur Erarbeitung endgültiger Leitlinien – jede neue AIIB-Politik, die nicht direkt von der PIIP erfasst wird, eigene Transparenzanforderungen festzulegen hat, die sich an der PIIP auszurichten haben. 4.2.2. Environmental and Social Framework § 57 des Abschnitts “Environmental and Social Policy”30 enthält Vorschriften zur Offenlegung von projektbezogenen Informationen durch den Bankkunden. Dieser muss Sorge dafür tragen, dass relevante Informationen zu den Umwelt- und Sozialrisiken und zu den Auswirkungen des Projekts zeitnah in einer Form und Sprache zugänglich gemacht werden, welche die projektbetroffenen Personen, andere Interessierte und die Allgemeinheit verstehen, damit diese sinnvolle Anregungen zur Beschaffenheit und Umsetzung des Projekts geben können. Ferner listet die Vorschrift auf, welche Informationen im Einzelnen zu veröffentlichen sind. Schließlich bestimmt sie, 29 Die Vorschrift lautet: “The Bank shall establish a policy on the disclosure of information in order to promote transparency in its operations. The Bank may publish such reports as it deems desirable in the carrying out of its purpose and functions.” 30 Die Vorschrift lautet: “The Bank requires the Client to ensure that relevant information about environmental and social risks and impacts of the Project is made available in the Project area in a timely and accessible manner , and in a form and language(s) understandable to the Project-affected people, other stakeholders and the general public, so they can provide meaningful inputs into the design and implementation of the Project. This documentation includes, as applicable, the following: - Draft environmental and social assessment reports, ESMPs, ESMPFs, resettlement plans, RPFs, Indigenous Peoples plans and IPPFs, or other approved forms of documentation; - final or updated environmental and social assessment reports, ESMPs, ESMPFs, resettlement plans, RPFs, Indigenous Peoples plans and IPPFs, or other approved forms of documentation; and - ESMPs, resettlement plans, Indigenous Peoples plans and monitoring reports required to be prepared by Clients during Project implementation under ESMPFs, RPFs, IPPFs, or other approved forms of documentation . The Bank requires the Client to disclose in the same manner on a regular basis any updated information, along with information on any material changes in the Project.” Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 13 dass der Bankkunde in selber Weise regelmäßig eine Aktualisierung der betreffenden Informationen sowie Informationen über Projektänderungen zu veröffentlichen hat. § 58 desselben Abschnitts31 regelt, welche projektbezogenen Informationen die AIIB selbst in das Internet einstellt. Dazu zählen die soeben erörterte Projektdokumentation des Bankkunden, diverse Dokumente, die der eigenen Projektbewertung durch die AIIB zu Grunde liegen, sowie bestimmte Teilbewertungen des Projekts durch die AIIB. 5. Fazit Hinsichtlich der Sozial- und Menschenrechtsstandards fällt bei formaler Betrachtung auf, dass der ESF-WB mehr als dreimal so viele Standards beinhaltet wie der ESF-AIIB. Übereinstimmung besteht insoweit, als beide Regelwerke die Bewertung und Behandlung von Umwelt- und Sozialrisiken , die ungewollte Umsiedlung sowie die Interessen der indigenen Völker zum Gegenstand eigenständiger Standards machen. Anderen bei Infrastrukturprojekten wichtigen Bereichen wie den Arbeitsbedingungen, der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, dem kulturellen Erbe, der Biodiversität, dem schonenden Umgang mit Ressourcen oder der Prävention vor Umweltverschmutzungen widmet nur der ESF-WB eigenständige Standards. Betrachtet man den materiellen Gehalt der formulierten Standards, zeigt sich, dass beide ESF in etlichen Bereichen ein ähnliches Schutzniveau bieten. Dies gilt in erster Linie für die drei in beiden ESF vorhandenen ESS, teilweise aber für andere Bereiche. So zielen beide Regelwerke beispielsweise auf die Verhinderung von Zwangsarbeit und gefährdender Kinderarbeit ab, wenngleich mit unterschiedlichen Mitteln: Während der ESF-AIIB Projekte, die solche Arbeitsmethoden beinhalten, von vornherein für nicht förderfähig erklärt, überträgt der ESF-WB den Kreditnehmern die Verantwortung dafür, dass im Rahmen der finanzierten Projekte keine derartigen Arbeitsmethoden eingesetzt werden. In mancher Hinsicht geht der ESF-AIIB sogar weiter als der ESF-WB. So lässt letzterer etwa die Finanzierung von Projekten der Holzgewinnung in primären tropischen Regenwäldern oder Urwäldern – unter strengen Bedingungen –32 zu, während ersterer sie ganz ausschließt. Was die Beschwerdemechanismen angeht, folgen der ESF-WB und der ESF-AIIB nur teilweise einem vergleichbaren System. Zwar enthalten beide ESF insoweit sowohl allgemeine wie besondere Bestimmungen. Auch sehen beide Regelwerke eine doppelte Beschwerdemöglichkeit vor (gegenüber dem Kreditnehmer bzw. Bankkunden sowie gegenüber der Bank). Unterschiede bestehen jedoch insoweit, als der Beschwerdemechanismus für arbeitsplatzbezogene Beschwerden nur im Rahmen des ESF-WB als „gesonderter“ Mechanismus ausgestaltet sein muss und der bankeigene Beschwerdemechanismus nur im ESF-WB ausdrücklich zweistufig ausgestaltet ist. Aller- 31 Die Vorschrift lautet: “The Bank posts online the Client’s documentation on the Project as provided in paragraph 57 above. It posts draft environmental and social assessment reports, ESMPs, ESMPFs, resettlement plans, RPFs, Indigenous Peoples plans and IPPFs, or other approved forms of documentation, prior to,9 or as early as possible during the Bank’s appraisal of the Project; and other documentation referred to in paragraph 57 in a timely manner. In addition, the Bank posts its reviews of the use of country and corporate systems.” 32 Zu beachten sind dabei insbesondere §§ 10 ff. des Abschnitts „ESS 6. Biodiversity Conservation and Sustainable Management of Living Natural Resources“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 091/16 Seite 14 dings ist nicht ausgeschlossen, dass im Zuge der weiteren normativen Ausgestaltung des bankeigenen Überprüfungsmechanismus (s.o. 3.2.) auch die AIIB eine zweistufige Konstruktion einführt . Die Transparenzvorschriften von WB und AIIB dürften im Allgemeinen zu ähnlichen Ergebnissen führen. Hervorzuheben sind allerdings die Sonderbestimmungen zum Zugänglichmachen von E-Mails (WB) bzw. zur bankinternen Berufungsinstanz (AIIB), die im Regelwerk der jeweils anderen Organisation keine direkte Entsprechung finden. Ende der Bearbeitung