© 2020 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 090/20 Das Amt der/des Wehrbeauftragten in internationaler Perspektive Militärische Ombudsleute in anderen Ländern – eine Übersicht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 2 Das Amt der/des Wehrbeauftragten in internationaler Perspektive Militärische Ombudsleute in anderen Ländern – eine Übersicht Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 090/20 Abschluss der Arbeit: 26. Oktober 2020 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Die/der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 4 2.1. Historischer Hintergrund 4 2.2. Frühgeschichte des Amtes des/der Wehrbeauftragten 7 2.3. Das Amt der/des Wehrbeauftragten wird Gesetz und Realität 8 2.4. Kontroverse Anfangszeiten 11 2.5. Das Amt des/der Wehrbeauftragten, eine schwer vergleichbare Institution 14 3. Militärspezifische Ombudsleute in anderen Ländern 15 3.1. Andere Länder mit militärspezifischen Ombudsleuten 15 3.1.1. Definition und Abgrenzung im internationalen Vergleich 15 3.1.2. Wichtigste Rechtsmodelle 16 3.1.2.1. Das Modell „Generalinspekteur“ 16 3.1.2.2. Das Modell „Militärische Ombudsstelle“ 17 3.1.2.3. Das Modell „Allgemeine Ombudsstelle“ 17 3.1.3. Mitglieder der internationalen Konferenz der Ombudsinstitutionen 18 3.2. Das schwedische Modell 28 3.3. Das kanadische Modell 30 3.3.1. Entstehungsgeschichte 30 3.3.2. Verfahrensweise im kanadischen Modell 32 3.3.2.1. Zugelassene Beschwerden 32 3.3.2.2. Das kanadische Prüfverfahren 33 3.4. Der israelische Ombudsmann der Streitkräfte 34 3.5. Das französische Modell 35 3.6. Der britische Ombudsmann der Streitkräfte 38 4. Empfehlungen der OSZE für das Amt des militärischen Ombudsmanns 41 4.1. Allgemeine Empfehlungen 41 4.2. Empfehlungen hinsichtlich eines jährlichen Berichtes 42 5. Weiterführende Dokumente 44 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 4 1. Vorbemerkung Diese Arbeit beansprucht keinen ausführlichen Vergleich zwischen all den unterschiedlichen Ombudstellen und deren unterschiedlichen Prärogativen weltweit anzustellen. Es wird lediglich eine Übersicht von verschiedenen Auffassungs- und Rechtsmodellen im Vergleich zur deutschen Institution des Wehrbeauftragten dargestellt. 2. Die/der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages 2.1. Historischer Hintergrund Einerseits resultiert die Schaffung des Amtes der/des Wehrbeauftragten in Deutschland aus den Lehren des Zweiten Weltkriegs, anderseits ist sie ein Produkt des damaligen Zeitgeistes: Wiederbewaffnung und Angst der Bevölkerung vor einem neuen Krieg. Unter dem Eindruck des Korea-Krieges1, welcher ab dem 25. Juni 1950 seinen Lauf nahm, trafen sich Anfang Oktober 1950 im Kloster Himmerod in der Eifel ehemalige Offiziere der Wehrmacht, um im Auftrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer – mit Duldung der Westalliierten – über die westdeutsche Wiederbewaffnung zu beraten. Das Protokoll dieses Treffens, die sogenannte Himmeroder Denkschrift23, fixierte als „Geheime Bundessache“ die geplante Aufstellung von zwölf Heeresdivisionen mit 3.600 Panzern sowie die Aufstellung von Jagdfliegerkräften und definierte eine Gesamtstärke von 500.000 Soldaten als „Rechengrößen“ für den westdeutschen Beitrag zur Verteidigung Westeuropas.4 Die Himmeroder Denkschrift begründete allerdings auch 1 Der Koreakrieg dauerte vom 25. Juni 1950 bis zum 27. Juli 1953 (Waffenstillstand). Schätzungsweise starben insgesamt 3,5 bis 4,5 Millionen Menschen, davon bis zu einer Million Südkoreaner und 2,5 Millionen Nordkoreaner (jeweils Soldaten und Zivilisten), etwa eine Million Chinesen sowie rund 40.500 Soldaten der UN-Nationen, die meisten von ihnen US-Amerikaner. Vgl. 1950: Beginn des Koreakriegs, Bundeszentrale für politische Bildung, 25. Juni 2015, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bpb.de/politik/hintergrund -aktuell/208700/koreakrieg 2 Denkschrift über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer übernationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas. Die Denkschrift enthält fünf Abschnitte: I. „Militärpolitische Grundlagen und Voraussetzungen“; II. „Grundlegende Betrachtungen zur operativen Lage der Bundesrepublik“; III. „Organisation des deutschen Kontingents (D.K.)“; IV. „Ausbildung“; V. „Das innere Gefüge“. 3 70 Jahre Himmeroder Denkschrift, Dorothee Frank, 5. Oktober 2020. Behördenspiegel, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.behoerden-spiegel.de/2020/10/05/70-jahre-himmeroder-denkschrift/ 4 Die Gründung der Bundeswehr, BMVg, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundeswehr .de/de/ueber-die-bundeswehr/geschichte-bundeswehr/gruendung-bundeswehr Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 5 das Konzept der Inneren Führung5 6 unter Federführung von Major Wolf Graf von Baudissin7. Vielleicht war dieses Konzept sogar das wichtigste Ergebnis der Konferenz. Abbildung: Oberst Wolf Graf von Baudissin, ca. 1956, ©Bundeswehr/Munker8 5 Aus dem Konzept des „Inneren Gefüges“ (vgl. V. Abschnitt der Himmeroder Denkschrift) entwickelte sich das bis heute gültige Konzept der „Inneren Führung“. Der vergangenheitsbelastete Begriff „Inneres Gefüge“ ging auf die Zeit des Nationalsozialismus zurück und meinte bereits dort die Binnenstruktur der Wehrmacht. Vgl. Die Konzeption der „Inneren Führung“ der Bundeswehr, Wissenschaftliche Dienste des Bundestages, Drucksache WD 2 - 3000 - 041/17, 2017, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/513082/da6d3a256102e8fd1325d0c580981561/WD-2-041-17-pdf-data.pdf 6 Vgl. Das Konzept der Inneren Führung, BMVg, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bmvg.de/de/themen/verteidigung/innere-fuehrung/das-konzept 7 Seine letzte Verwendung in der Bundeswehr erlebte er als Generalleutnant Stellvertretender Chef des Stabes für Planung und Operation beim NATO-Oberkommando Europa (SHAPE). Nach der Pensionierung wurde er Gründer und Leiter des Instituts für Friedensforschung an der Universität Hamburg. 8 Oberst Wolf Graf von Baudissin, ca. 1956, ©Bundeswehr/Munker, Wikipedia, CC BY 2.0, abgerufen am 26. Oktober 2020 unter https://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_von_Baudissin#/media/Datei:Wolf_von_Baudissin _4843214038.jpg Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 6 Im Anschluss an die Konferenz berief Bundeskanzler Konrad Adenauer den Bundestagsabgeordneten Theodor Blank (CDU) zum „Beauftragten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen“. Die Dienststelle ging als „Amt Blank“ in die Geschichte ein und wurde die Keimzelle des späteren Verteidigungsministeriums.9 Mit der Ergänzung des Grundgesetzes (Art. 73 GG) 10 vom 26. Februar 1954 wurde die Wehrhoheit des Bundes etabliert und mit dem Abschluss der Pariser Verträge am 5. Mai 1955 und dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO erlangte die Bundesrepublik ihre – zunächst eingeschränkte – Souveränität zurück. Damit wurde der Weg für die eigentliche Aufstellung der Streitkräfte11 eröffnet. Folglich ernannte Bundespräsident Theodor Heuss die ersten Soldaten am 10. Oktober 1955 und schon am 12. November 1955 wurden die ersten 101 Freiwilligen, von künftigen Unteroffizieren bis hin zu Generälen, in einer schmucklosen Fahrzeughalle der Bonner Ermekeilkaserne vom Bundesminister für Verteidigung, Theodor Blank, vereidigt.12 13 In seinem Tagesbefehl vom 5. Oktober 2020 würdigte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Eberhard Zorn, die Himmeroder Schrift mit folgenden Worten: „In bewusster Abgrenzung von der Wehrmacht und anderen Vorgängerarmeen wurde vor 70 Jahren etwas ‚grundlegend Neues‘ erdacht: einsatzbereite Streitkräfte, die gleichzeitig‚ die Grundsätze der Rechtstaatlichkeit achten, die staatsbürgerlichen Grundrechte und Grundpflichten ernst nehmen und die Würde des Menschen anerkennen‘, wie Theodor Blank es als erster Verteidigungsminister am 27. Juni 1955 vor dem Bundestag ausführte“. 9 Die Gründung der Bundeswehr, BMVg, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundeswehr .de/de/ueber-die-bundeswehr/geschichte-bundeswehr/gruendung-bundeswehr 10 „Der Bundestag verabschiedet mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit der Regierungsparteien (CDU/CSU, FDP, DP, GB/ BHE) die 1.Wehrergänzung (Art. 73 GG). Sie tritt am 26. März 1954 in Kraft und begründet die Wehrhoheit des Bundes, indem sie ihm die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz in Verteidigungs-, Wehrpflicht- sowie Zivilschutzangelegenheiten einräumt. Damit ist klargestellt, dass Deutschland- und EVG-Vertrag (später die Pariser Verträge) mit dem Grundgesetz übereinstimmen (eingefügter Art. 142a GG)“. Vgl. Deutschland-Chronik, Kapitel 7.3. BRD und DDR: Wiederaufrüstung und Sicherheitspolitik, 26. Februar 1954, Bundeszentrale für politische Bildung, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bpb.de/geschichte /zeitgeschichte/deutschland-chronik/131331/26-februar-1954 11 Der Bundesgrenzschutz (BGS), heute Bundespolizei, wurde schon 1951 zum Schutz der innerdeutschen Grenzen als paramilitärische Bundespolizei gegründet. Ein Großteil des BGS wurde 1956 in die neugegründete Bundeswehr überführt. 12 Der 12. November wurde gewählt, weil er den 200. Geburtstag von Gerhard von Scharnhorst, dem Reformer der preußischen Streitkräfte während der napoleonischen Befreiungskriege, markierte. 13 Die ersten Bundeswehrsoldaten werden vereidigt, Martin Falbisoner, Konrad-Adenauer-Stiftung, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/kalender/kalender-detail/-/content/gruendung -der-bundeswehr Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 7 2.2. Frühgeschichte des Amtes des/der Wehrbeauftragten Der sozialdemokratische Abgeordnete Ernst Paul, der im schwedischen Exil (1938-1948) die Institution des Militieombudsmannens (MO) kennen gelernt hatte, forderte ab 1951 einen Ombudsmann auch für die neuen Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland und setzte sich im Zuge eines Kompromisses mit der SPD im Rahmen der neuen Wehrgesetzgebung schließlich durch. 14 15 Bis zum 1. August 1955 hatten sich zwar 150.000 Bürger freiwillig – und zwar nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen – zur Bundeswehr gemeldet16. Doch fünf Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges lag das Land immer noch in Trümmern und es herrschte in der westdeutschen Bevölkerung eine starke Abneigung gegen die Wiederbewaffnung beziehungsweise gegen den Soldatenberuf, wie dieser Auszug aus einem Artikel des Nachrichtemagazins Der Spiegel zeigt: „Als Meinungsforscher des Bielefelder Emnid-Instituts im Januar 1950 wissen wollten, ob es die Westdeutschen ‚für richtig‘ hielten, ‚wieder Soldat zu werden oder dass Ihr Sohn oder Mann Soldat wird‘, antworteten 74,6 Prozent der Befragten mit ‚Nein‘. Nur 6,9 Prozent votierten uneingeschränkt mit ‚Ja‘. Lediglich 11 Prozent erklärten sich ‚unter bestimmten Voraussetzungen‘ zum Dienst an der Waffe bereit.“17 „Daher bot die Übernahme des schwedischen ‚Militiae Ombudsman‘ als Zugeständnis an die Opposition der Bundesregierung auch die Möglichkeit, die Öffentlichkeit im Hinblick auf die westdeutsche Wiederbewaffnung zu beschwichtigen“18, stellt der Historiker Rudolf J. Schlaffer rückwirkend fest. 14 60 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959-2019, Expertensymposium vom 20. bis 22. Mai 2019 im Schloss & Gut Liebenberg, S.5, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/676412/39fc63a9fbebc0a25c4a687127829466/symposium_60jahre_wb-data.pdf 15 Vor 60 Jahren: Bundestag wählt Helmuth von Grolman zum ersten Wehrbeauftragten, Deutscher Bundestag, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw07-kalenderblatt -grolman-592780 16 Geschichte der Bundeswehr, Die Zeit von 1945 bis 1962, Ingo Neumayer, Planet Wissen, ARD, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.planet-wissen.de/geschichte/deutsche_geschichte/die_geschichte_der_bundeswehr /index.html 17 Lieber tot als Soldat, Gunther Latsch, Der Spiegel, 21. Februar 2006, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-45964831.html 18 Aller Anfang ist schwer – Kandidatensuche und Überwindung von Widerständen, Rudolf J. Schlaffer in 60 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959-2019, Expertensymposium vom 20. bis 22. Mai 2019 im Schloss & Gut Liebenberg, S.5, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/676412/39fc63a9fbebc0a25c4a687127829466/symposium_60jahre_wb-data.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 8 Gleichzeitig war sowohl im Staatsapparat19 als auch in der neugegründeten Bundeswehr der Bruch mit dem NS-Regime noch nicht vollständig vollzogen. In den ersten Jahrzehnten bestand die Bundeswehr-Führung weitestgehend aus Wehrmachtsveteranen sowie einigen ehemaligen SS-Angehörigen20. Von den 38 Generalen, die wiederverwendet wurden, hatten 31 bereits im Generalstab der Wehrmacht gedient, weiterhin wurden 13.438 Offiziere und bis zu 30.000 Unteroffiziere der Wehrmacht wiedereingestellt.21 Die Hürde zur Wiedereinstellung war jedoch sehr niedrig: Es genügte, dass der künftige Soldat die „Gewissensentscheidung des 20. Juli 1944 anerkennen“ musste. 22 Die Schaffung des Amtes des Wehrbeauftragten als regierungsunabhängiger Garant der Rechte jeder/jedes Einzelnen in einer Armee von „Bürgern in Uniform“ war aus all diesen Gründen von herausragender Wichtigkeit, um den endgültigen Bruch mit dem Nationalsozialismus nach und nach sicherstellen. Dies unterscheidet dieses Amt von seinen Äquivalenten in anderen Staaten. 2.3. Das Amt der/des Wehrbeauftragten wird Gesetz und Realität Der rechtliche Rahmen für die Tätigkeit des Wehrbeauftragten ist im Grundgesetz verankert. Der mit Gesetz vom 19. März 1956 beschlossene Artikel 45b Grundgesetz lautet: „Zum Schutz der Grundrechte und als Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle wird ein Wehrbeauftragter des Bundestages berufen. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“23 19 Hans Globke, der Chef des Bundeskanzleramts unter Bundeskanzler Konrad Adenauer von 1953 und 1963, war beispielsweise Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassegesetze und verantwortlicher Ministerialbeamter für die antsemitische Namensänderungsverordnung in der Zeit des Nationalsozialismus. 20 Der 1956 eingesetzte Bundespersonalausschuss beschloss, dass ehemalige Soldaten der Waffen-SS bis zum Dienstgrad eines Obersturmbannführers – d.h. eines Oberstleutnants nach heutiger Dienstgradverordnung – mit ihrem alten Dienstgrad in die Bundeswehr aufgenommen werden konnten. 21 Die Bundeswehr, das Verteidigungsministerium und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit im Systemkonflikt, Jörg Echternkamp, 1. Juni 2015, Auftrag Forschung, zeitgeschichte online, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://zeitgeschichte-online.de/themen/auftrag-forschung 22 Personalgutachterausschuß für die Streitkräfte, Deutscher Bundestag, 6. Dezember 1957, 3. Wahlperiode, Drucksache 109, Bonn, S. 11-12 abgerufen am 22. Oktober 2020 unter http://dip21.bundestag .de/dip21/btd/03/001/0300109.pdf 23 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 45, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz , abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_45.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 9 Als am 1. April 1957 die ersten Wehrpflichtigen zur Bundeswehr eingezogen wurden, gab es immer noch keinen Wehrbeauftragten. Das (Bundes-)„Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages“ (WBeauftrG) wurde am 26. Juni 1957 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.24 25 Genau zu diesem Zeitpunkt stand das Land unter dem Eindruck des „Iller- Unglücks“ vom 3. Juni 1957, bei dem 15 Grundwehrdienstleistende in der Iller bei Kempen ertranken. 26 27 Doch es dauerte weitere anderthalb Jahre, bis man sich auf den ersten Wehrbeauftragten einigen konnte. Erst im Februar 1959 wählte der Bundestag Helmut von Grolman (parteilos) zum Wehrbeauftragten. Der ehemalige Generalleutnant von Grolman – zuvor Staatssekretär im niedersächsischen Vertriebenenministerium – war bisher der einzige Parteilose im Amt des Wehrbeauftragten. Alle späteren Wehrbeauftragten gehörten einer im Bundestag vertretenen Partei an. Die ersten sieben Wehrbeauftragte waren Soldaten der Wehrmacht gewesen. Erst Hellmut Königshaus (FDP) und Hans-Peter Bartels (SPD) hatten in der Bundeswehr gedient28 29 und erst nach einer weiteren Gesetzesnovellierung im Jahr 1990 wurde die/der Wehrbeauftragte von der Ableistung des Wehrdienstes als Voraussetzung für die Ausübung des Amtes entbunden. Diese Novellierung ermöglichte die Wahl der Abgeordneten Claire Marienfeld30 (CDU), als erste Frau, die dieses Amt (1995-2000) bekleidete. 24 Bundesgesetzblatt Teil I, Jahrgang 1957, Nr. 28 vom 28.06.1957, Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger _BGBl&jumpTo=bgbl157s0652.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl157s0652.pdf%27%5D_ _1603371006024 25 Gesetz über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz , abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.gesetze-im-internet.de/wehrbbtg/index.html 26 Iller-Unglück, Wikipedia, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://de.wikipedia.org/wiki/Iller- Ungl%C3%BCck 27 Als Konsequenz aus dem „Iller-Unglück“ wurde auch das Soldatenhilfswerk der Bundeswehr e.V. (SHWBw) am 18. Oktober 1957 gegründet. 28 Eva Högl zur neuen Wehrbeauftragten gewählt, Peter E. Uhde, 07. Mai 2020, Gesellschaft für Sicherheitspolitik, abgerufen am 21. Oktober 2020 unter https://www.gsp-sipo.de/news/news-details/eva-hoegl-neue-wehrbeauftragte 29 60 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959-2019, Expertensymposium vom 20. bis 22. Mai 2019 im Schloss & Gut Liebenberg, S.5, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/676412/39fc63a9fbebc0a25c4a687127829466/symposium_60jahre_wb-data.pdf 30 Pharmazeutisch-technische Assistentin, Wehrbeauftragte, Tim B. Peters, Konrad Adenauer Stiftung, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/personen/biogramm-detail/-/content /claire-marienfeld-czesla Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 10 Das Datenhandbuch des Bundestages beschreibt die Funktion der/des Wehrbeauftragten, wie folgt: „Der Wehrbeauftragte ist in vollem Umfang seines Verfassungsauftrages Hilfsorgan des Bundestages bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle; er gehört damit ausschließlich zum legislativen Bereich. Dem Bundestag und dem Verteidigungsausschuss obliegt das parlamentarische Weisungsrecht. Eine parlamentarische Weisung kann nur erteilt werden, wenn der Verteidigungsausschuss den Vorgang nicht zum Gegenstand seiner eigenen Beratung macht. Eine Erörterung im Verteidigungsausschuss mit anschließendem Beschluss ist somit bereits eine Schranke für die parlamentarische Weisungserteilung durch den Bundestag an den Wehrbeauftragten. In seiner Eigenschaft als Petitionsinstanz für Soldaten wurden die rechtlichen Befugnisse des Wehrbeauftragten denen des Petitionsausschusses angeglichen. Der Wehrbeauftragte sowie seine Beamten, Angestellten und Arbeiter sind Teil des Gesamtgefüges des Bundestages. Die Amtszeit des Wehrbeauftragten endet nach Ablauf von fünf Jahren, auch wenn der Nachfolger noch nicht gewählt ist. Die Vertretung des Wehrbeauftragten wird während der Zeit bis zur Ernennung des Nachfolgers vom Leitenden Beamten wahrgenommen.31“ „Nach dem Gesetz über den Wehrbeauftragten des Bundestags vom 26. Juni 195732 bzw. dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Bundestages vom 16. Juni 1982 wählt der Bundestag den Wehrbeauftragten in geheimer Wahl mit der Mehrheit seiner Mitglieder für die Dauer von fünf Jahren. Eine Wiederwahl ist zulässig. Vorschlagsberechtigt sind der Verteidigungsausschuss, die Fraktionen und so viele Abgeordnete, wie zur Bildung einer Fraktion erforderlich sind. Der Bundestagspräsident muss den Gewählten ernennen. Mit dem Gesetz33 zur Änderung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages vom 30. März 1990 wurde geregelt: Zum Wehrbeauftragten ist jeder/jede Deutsche wählbar, der/die das Wahlrecht zum Bundestag besitzt und das 35. Lebensjahr vollendet hat.“34 31 Wehrbeauftragter des Bundestages, Datenhandbuch des Bundestages, Kapitel 15, abgerufen am 21. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/dokumente/parlamentsarchiv/datenhandbuch/15/kapitel-15-475964 32 Bundesgesetzblatt I Seite 673 33 Bundesgesetzblatt I Seite 599 34 Wahl und Amtszeit der Wehrbeauftragten, Datenhandbuch des Bundestages, Kapitel 15.1 Wahl und Amtszeit der Wehrbeauftragten, 28. Mai 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/272524/a1e6d46534e0311006f2c9e19fd0b18e/Kapitel_15_01_Wahl_und_Amtszeit_der_Wehrbeauftragten -pdf-data.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 11 Der Wehrbeauftragte kann gelegentlich auf Weisung des Bundestages oder des Bundestagsausschusses für Verteidigung zur Prüfung bestimmter Vorgänge tätig werden.35 2.4. Kontroverse Anfangszeiten Das Amt der/des Wehrbeauftragten mag im heutigen Deutschland ein hohes Ansehen genießen, doch dem war nicht immer so. In den ersten Jahren war das Amt politisch hochumstritten und der Wehrbeauftragte konnte sich nur mit Mühe Gehör verschaffen.36 In seinem ersten Bericht für das Jahr 1959 kritisierte Grolman den zu schnellen Aufbau der Bundeswehr, die ständigen Versetzungen von Soldaten, die unzulängliche Ausrüstung sowie die ungenügenden Ausbildungsmöglichkeiten. Der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) zeigte sich über diese Kritik nicht erfreut und warf dem Wehrbeauftragten vor, seine Kompetenzen überschritten zu haben. Diese missliche Lage kulminierte 1964 mit der Publikation des Artikels „In Sorge um die Bundeswehr“ 37 durch den damaligen Wehrbeauftragten, Vize-Admiral a. D. Hellmuth Heye – in der Münchener Illustrierten Quick. In diesem „Appell an die Öffentlichkeit“ – so Heye selbst –, beschrieb er die vom ihm wahrgenommenen Missstände schonungslos: - „Wenn wir das Ruder nicht jetzt herumwerfen, entwickelt sich die Bundeswehr zu einer Truppe, wie wir sie nicht gewollt haben. Der Trend zum Staat im Staate ist unverkennbar.“ - „Wir verspielen heute in der Bundeswehr durch unzeitgemäße, oft durch miserable Menschenführung das Vertrauen der Soldaten.“ - „Bekennt sich die Mehrheit des neuen Offizierskorps heute überhaupt aus Überzeugung, nicht nur weil es befohlen ist, zur demokratischen Einrichtung des Wehrbeauftragten des Bundestages? Ich hege begründeten Zweifel."38 35 Wehrbeauftragter des Bundestages, Datenhandbuch des Bundestages, Kapitel 15.3 Weisungen an den Wehrbeauftragten, 23. April 2014, abgerufen am 21. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/272528/e570b7f4fb06c498ec9e3ce7619af6f4/Kapitel_15_03_Weisungen_an_den_Wehrbeauftragtenpdf -data.pdf 36 Der Wehrbeauftragte 1951 bis 1985. Aus Sorge um den Soldaten, Rudolf J. Schlaffer, Sicherheitspolitik und Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland, München 2006, Oldenburg Verlag, 394 S. 37 Noch weht die Flagge, 24. Juni 1964, Der Spiegel, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173979.html 38 Zitiert in Noch weht die Flagge, 24. Juni 1964, Der Spiegel, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46173979.html Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 12 Für diese Veröffentlichung wurde Heye heftig angefeindet. So sagte Bundeskanzler Ludwig Erhard: „Durch Form und Umfang seiner Kritik hat der Wehrbeauftragte dem Ansehen der Bundeswehr, besonders im Ausland, schweren Schaden zugefügt“.39 Doch im Zuge der Affäre wurde dem Wehrbeauftragten fortan Rederecht im Bundestag gewährt.40 Es ist ein wichtiges Machtinstrument, das sicherlich erheblich dazu beigetragen hat, das Amt in der politischen Landschaft zum Erfolg zu verhelfen. Anlässlich des 60. Jubiläums der Institution im Jahr 2019 stellte Vizeadmiral Joachim Rühle, Stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr hierzu fest: „Mit seinem moralischen Gewicht leistet der Wehrbeauftragte einen Beitrag zur Ausgestaltung der Inneren Führung; das ist der Kern und die beste Interpretation des Amtes.“ 41 Der erste Jahresbericht (1959) des Wehrbeauftragten an das Parlament erschien am 8. April 1960 und umfasste 46 Seiten.42 Im Laufe der Jahre wurden die Jahresberichte detaillierter und umfangreicher. Der aktuelle 61. Jahresbericht (2019) von Januar 2020 umfasst 118 Seiten.43 39 Salven in der Luft, 1. Juni 1964, Der Spiegel, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.spiegel.de/spiegel /print/d-46174062.html 40 Das Amt des Wehrbeauftragten – eine demokratische Errungenschaft, Bundestagspräsident Dr. Wolfgang Schäuble in 60 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959-2019, Expertensymposium vom 20. bis 22. Mai 2019 im Schloss & Gut Liebenberg, S. 14, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource/blob/676412/39fc63a9fbebc0a25c4a687127829466/symposium _60jahre_wb-data.pdf 41 60 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959-2019, Expertensymposium vom 20. bis 22. Mai 2019 im Schloss & Gut Liebenberg, S. 78, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/676412/39fc63a9fbebc0a25c4a687127829466/symposium_60jahre_wb-data.pdf 42 Deutscher Bundestag - Der Wehrbeauftragte, Jahresbericht 1959 (1. Bericht), Drucksache 1796, Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, 28. Januar 2020, abgerufen am 8. April 1960 unter https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/03/017/0301796.pdf 43 Unterrichtung durch den Wehrbeauftragten, Jahresbericht 2019 (61. Bericht), Drucksache 19/16500, Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, 28. Januar 2020, abgerufen am 22. Oktober 2020 unter https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/19/165/1916500.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 13 Die Anzahl der Eingaben44 gilt gewissermaßen als Stimmungsbarometer für die Bundeswehr. 2019 wurden 3.835 Vorgänge registriert, davon 2.459 Eingaben. Zum Vergleich dazu gab es um das Jahr 1990 knapp 10.000 Eingaben. Zwischen 1995 und 2009 pendelte sich die Zahl der Eingaben zwischen 5.000 und 6.000 ein. Zwischen 2010 und 2015 gab es pro Jahr zwischen 4.000 und 5.000 Eingaben.45 Überblick der Eingaben für die Jahre 2016 bis 2019: Berichtsjahr Gesamtzahl der eingegangenen Vorgänge davon davon davon davon davon Persönliche Eingaben Nicht aufgegriffene anonyme Eingaben Meldepflichtige Ereignisse Vorgänge nach Truppenbesuchen Vorgänge von Amts wegen und Sonstiges 2016 4.560 3.197 33 631 200 499 2017 4.173 2.528 54 884 170 537 2018 3.939 2.534 17 789 173 426 2019 3.835 2.459 31 809 169 367 44 Eingaben an den Wehrbeauftragten: Statistik (Stand 20. März. 2020), Datenhandbuch des Bundestages, Kapitel 15.2, 4. Mai 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/272526/d2df463852b0a28d6dfd19befde0fec2/Kapitel_15_02_Eingaben_an_den_Wehrbeauftragten_- _Statistik-pdf-data.pdf 45 Eingaben an den Wehrbeauftragten: Statistik (Stand 20. März. 2020), Datenhandbuch des Bundestages, Kapitel 15.2, 04. Mai 2020, abgerufen am 21. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/272526/d2df463852b0a28d6dfd19befde0fec2/Kapitel_15_02_Eingaben_an_den_Wehrbeauftragten_- _Statistik-pdf-data.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 14 Abbildung: Inhaltsverzeichnis des ersten Berichtes des Wehrbeauftragten (1960)46 2.5. Das Amt des/der Wehrbeauftragten, eine schwer vergleichbare Institution Das Amt des Wehrbeauftragten ist eine Institution, die sich nur bedingt mit ähnlichen Institutionen im Ausland vergleichen lassen kann, da die besondere Geschichte Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg eine herausragende Rolle in der Entstehungsdynamik des Amtes gespielt hat. Allerdings diente der deutsche Wehrbeauftragte sicherlich auch als Inspiration für spätere Institutionen, zumindest deswegen, weil der Wehrbeauftragte eine der allerersten militärspezifischen Ombudsstellen weltweit war. 46 Deutscher Bundestag - Der Wehrbeauftragte, Jahresbericht 1959 (1. Bericht), Drucksache 1796, Deutscher Bundestag , 3. Wahlperiode, 28. Januar 2020, abgerufen am 8. April 1960 unter https://dip21.bundestag .de/dip21/btd/03/017/0301796.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 15 3. Militärspezifische Ombudsleute in anderen Ländern 3.1. Andere Länder mit militärspezifischen Ombudsleuten 3.1.1. Definition und Abgrenzung im internationalen Vergleich Das Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces (DCAF)47 definiert eine militärspezifische Ombudsfrau beziehungsweise einen militärspezifischen Ombudsmann wie folgt: „Ein militärischer48 Ombudsmann (MO) ist ein von der militärischen Kommandostruktur unabhängiger Mechanismus, der die Kontrolle über den Verteidigungsapparat ausübt und dazu beiträgt, dass die Grundsätze und Praktiken guter Regierungsführung eingehalten werden. Die/der MO befasst sich mit Beschwerden über unangemessenes und missbräuchliches Verhalten beim Militär sowie mit Mängeln bei militärischen Verfahren und formuliert Empfehlungen für Korrekturmaßnahmen. Die/der MO befasst sich nicht mit Verteidigungspolitik und trifft keine Entscheidungen in operativen Fragen. Während der unmittelbare Zweck der/des MO darin besteht, Missstände zu beseitigen und das ordnungsgemäße Verhalten des Verteidigungsapparates beziehungsweise das ordnungsgemäße Verhalten innerhalb des Verteidigungsapparates zu fördern, besteht die umfassendere Aufgabe des Amtes darin, die Effizienz und Effektivität besagten Apparates zu verbessern, indem es zur Rechenschaft gezogen und der demokratischen Kontrolle unterzogen wird.“49 50 47 www.dcaf.ch 48 Im Originaltext wird von Military Ombudsman gesprochen. Der Ausdruck „militärischer Ombudsmann“ wurde zum besseren Abgleich mit dem Original in der deutschen Übersetzung durchgehend übernommen, obwohl er eine gewisse Unschärfe beinhaltet, denn diese Ombudsleute können auch Zivilisten sein. In eigenen Textteilen wurde der Genauigkeit wegen der Ausdruck „militärspezifische(r) Ombudsfrau/Ombudsmann angewandt. 49 Military Ombudsman, DCAF Backgrounder, Mai 2005, Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.files.ethz.ch/isn/14061/backgrounder_01_ombusdman .pdf 50 Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser dieser Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 16 3.1.2. Wichtigste Rechtsmodelle Laut der Internationalen Konferenz der militärischen Ombudsinstitutionen (International Conference of Ombuds Institutions for the Armed Forces, ICOAF) gibt es im Wesentlichen drei unterschiedliche Organisationsmodelle für Ombudsstellen:51 - Generalinspekteur (Inspector General) - Militärische Ombudsstelle (Military Ombuds Institution) - Allgemeine Ombudsstelle (General Ombuds Institution) 3.1.2.1. Das Modell „Generalinspekteur“ Modellbeispiele: Belgien, Frankreich, Niederlande, USA Bei diesem Modell ist die Ombudsstelle in die Streitkräfte selbst integriert (normalerweise in der Gestalt eines Generalinspekteurs). Generalinspekteure sind in der Regel (wenn auch nicht immer) Angehörige der Streitkräfte und befinden sich folglich innerhalb der Befehlskette. Sie berichten daher an höhere Beamte, können aber auch Anweisungen von diesen erhalten. Aus diesem Grund kann dieses Modell von den Streitkräften selbst bevorzugt werden. Vorteile dieses Modells sind, dass die Generalinspekteure möglicherweise empfänglicher für Kommando- und Kontrollfragen sind und stärker auf die Notwendigkeit achten, die operative Wirksamkeit der Streitkräfte zu schützen und zu fördern. Darüber hinaus verfügen die Generalinspekteure möglicherweise auch über das nötige Fachwissen über das Militärleben, wodurch sie für militärspezifische Themen und Probleme empfänglicher sein können. Schließlich werden Generalinspekteure üblicherweise zusammen mit anderen Angehörigen der Streitkräfte eingesetzt, wodurch sie eventuell zugänglicher sind, besonders für die Soldaten, die im Ausland sind. Andererseits können solche integrierten Mechanismen jedoch nicht unabhängig sein. Die Position der Generalinspekteure innerhalb der Streitkräfte kann die Fähigkeit beeinträchtigen, kontroverse Themen anzusprechen oder Ermittlungen durchzuführen, die den Interessen der militärischen Hierarchie zuwiderlaufen. Dies kann wiederum die Legitimität des Beschwerdemechanismus in den Augen der Beschwerdeführer oder der Öffentlichkeit verringern und das Vertrauen in diesen untergraben.52 53 51 What Are Ombuds Institutions for the Armed Forces?, ICOAF, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.icoaf.org/models 52 What Are Ombuds Institutions for the Armed Forces? – Inspector General, ICOAF, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.icoaf.org/models 53 Übersetzung aus dem Schwedischen durch den Verfasser dieser Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 17 3.1.2.2. Das Modell „Militärische Ombudsstelle“ Modellbeispiele: Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Irland, Kanada, Norwegen, Österreich, Südafrika, die Tschechische Republik, Vereinigtes Königreich. Die Gesetze mehrerer Länder sehen eine unabhängige Ombudsstelle vor, die nur für die Streitkräfte zuständig ist. Dieses Amt ist von der militärischen Befehlskette unabhängig und als ziviles Amt angelegt. Solch ein unabhängiger Aufsichtsmechanismus der Streitkräfte hat den Vorteil, dass der Amtsinhaber seine Aufmerksamkeit ausschließlich militärischen Angelegenheiten widmen und so ein Fachwissen auf diesem Gebiet entwickeln kann. Die Fähigkeit einer solchen unabhängigen Ombudsstelle, öffentliche Berichte zu erstellen, stärkt die Aufsichtswirkung anderer demokratischer Institutionen (zum Beispiel der Legislative, indem Informationen zur Verfügung gestellt werden, zu denen diese Institutionen sonst keinen direkten Zugang hätten). Diese Verfahrensweise sorgt für mehr Transparenz und eine bessere Überprüfung der Streitkräfte. Solche Ombudsstellen können starke Beispiele für unabhängige Aufsicht sein. Eine unabhängige Ombudsstelle für die Streitkräfte verfügt nicht nur über Fachkenntnisse in militärischen Angelegenheiten, sondern hat auch den Vorteil, dass sie aufgrund ihres unabhängigen Status in den Augen der Beschwerdeführer, des Gesetzgebers und der Öffentlichkeit sehr glaubwürdig ist. Der Hauptnachteil eines solchen Modells besteht darin, dass seine Einrichtung kostspielig sein kann und dass für Staaten mit kleinen oder inaktiven Streitkräften eine eigene Behörde sich angesichts des geringen Volumens an Beschwerden gar nicht lohnt. 54 55 3.1.2.3. Das Modell „Allgemeine Ombudsstelle“ Dieses Organisationsmodell ist die am weitesten verbreitete Form. Folgende Länder haben sich zum Beispiel hierfür entschieden: Finnland, Polen, Schweden, Russland. In einigen Ländern wird die Aufsichtsfunktion der Streitkräfte einem umfassenderen zivilen Aufsichtsmechanismus (z. B. einer allgemeinen Menschenrechtsombudsinstitution oder einem klassischen Ombudsmann) zugeschlagen. Diese allgemeine Ombudsstelle trägt zum Schutz der Rechte und Freiheiten aller Mitglieder der Gesellschaft bei und hat den Auftrag, Beschwerden und Bedenken in Bezug auf alle Regierungsstellen zu behandeln. In vielen Staaten sind solche Institutionen äußerst wichtig und nehmen innerhalb des politischen Systems eine starke Position ein. Der serbische Ombudsmann, zum Beispiel, gilt als eine der mächtigsten Personen des Staates. Zivile Ombudsinstitutionen mit einem breiten Mandat dieser Art haben mehrere Vorteile. Erstens können sie aufgrund ihres breiten Mandats bedeutende und bekannte Persönlichkeiten innerhalb des politischen Systems sein. Ihre Empfehlungen können daher nur schwer ignoriert werden. Ihr gehobener Status bedeutet auch, dass die Öffentlichkeit (einschließlich der Angehörigen der 54 What Are Ombuds Institutions for the Armed Forces? – Military Ombuds Institutions ICOAF, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.icoaf.org/models 55 Übersetzung aus dem Schwedischen durch den Verfasser dieser Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 18 Streitkräfte) wahrscheinlich ein gutes Verständnis für ihre Rolle hat und sich daher eher mit Problemen oder Bedenken an sie wendet. Zweitens stellt ihr allgemeines Mandat sicher, dass sowohl Zivilisten als auch Angehörige der Streitkräfte gleich behandelt werden, und dass die Interessen beider Seiten in den ausgesprochenen Empfehlungen ausgewogen sind. Drittens kann die Konzentration der Funktion der Ombudsstelle auf ein einziges Amt auch kostengünstiger sein als die Kompetenzverteilung auf mehrere Ämter. Auf der anderen Seite kann es sein, dass eine zivile Ombudsstelle keine spezifischen Kenntnisse über und wenig Glaubwürdigkeit innerhalb der Streitkräfte besitzt. Darüber hinaus darf befürchtet werden, dass sie aufgrund ihres breiten Mandats ihre Aufmerksamkeit nicht genug auf die besonderen Probleme des Personals der Streitkräfte lenkt. Weiterhin können unzureichende Ressourcen für militärspezifische Fälle zu erheblichen Verzögerungen bei der Lösung von Beschwerden führen. Eine Lösung für diese Probleme kann darin bestehen, dass Spezialisten für militärische Angelegenheiten innerhalb des Amtes eingeführt werden. Es kann beispielsweise ein Stellvertreter ernannt werden, der sich speziell mit militärischen Angelegenheiten befasst. Dies ist auf den Philippinen und in Schweden der Fall, wo die Arbeit des Ombudsmanns in mehrere Verantwortungsbereiche unterteilt ist. In einem solchen Modell ist der Ombudsmann der Streitkräfte nicht nur für das militärische Personal, sondern auch automatisch für die zivilen Angehörigen der Streitkräfte zuständig und kann sich allen anderen Fällen, die im Zusammenhang mit dem Verteidigungsministerium stehen, gleichermaßen annehmen. 3.1.3. Mitglieder der internationalen Konferenz der Ombudsinstitutionen Bis heute haben über 80 Staaten an der 2009 etablierten und jährlich stattfindenden Fachkonferenz ICOAF (International Conference of Ombuds Institution For the Armed Forces)56 teilgenommen. Japan, Marokko, Nepal, die Schweiz, Tansania und Tunesien nahmen an Konferenzen lediglich als Beobachter teil und wurden in der folgenden Liste deswegen nicht berücksichtigt. 56 www.icoaf.org Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 19 2020 werden folgende 61 Teilnehmerländer von der ICOAF gelistet: Land Bezeichnung in der Landessprache Bezeichnung auf English57 Organisationsmodell 01 Albanien Avokati i Popullit The People's Advocate Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law on "The People's Advocate" of the Republic of Albania Internet: www.avokatipopullit.gov.al 02 Argentinien National Ombudsman National Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Ley N°24.284, modificada por Ley N°24.379 (Spanisch) Internet: www.dpn.gob.ar 03 Armenien Human Rights Defender of the Republic of Armenia Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Constitutional Law on the Human Rights Defender Internet: www.ombuds.am 04 Australien Inspector General Inspector General Generalinspektion Gesetzlicher Rahmen: Inspector-General of the Australian Defence Force Regulation Internet: http://www.directory.gov.au Australien Commonwealth Ombudsman/ Defence Force Ombudsman Commonwealth Ombudsman / Defence Force Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Commonwealth jurisdiction Internet: www.ombudsman.gov.au 05 Aserbaidschan The Commissioner for Human Rights of the Republic of Azerbaijan Human Rights Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Constitutional Law on The Human Rights Commissioner (Ombudsman) of the Republic of Azerbaijan Internet: www.ombudsman.gov.az 57 Der Vergleichbarkeit wegen wurde die englische Bezeichnung der ICOAF übernommen. Vgl. States participating in ICOAF, ICOAF, 2018, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.icoaf.org/participants Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 20 06 Belgien Inspecteur Général des armées Inspector General Generalinspektion Internet: www.mil.be/fr Belgien De Federale Ombudsman Federal Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Internet: www.federaalombudsman.be / www.federaalombudsman.be/fr 07 Benin Médiateur de la République Mediator of the Republic Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi 2009-22 du 03 Janvier 2014 Internet: https://lemediateurdubenin.org/ 08 Bosnien-Herzegowina Parlamentarni Vojni Povjerenik The Parliamentary Military Commissioner Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law on the Parliamentary Military Commissioner of Bosnia and Herzegovina Internet: www.parlament.ba 09 Botswana Office of the Ombudsman of the Republic of Botswana Office of the Ombudsman of the Republic of Botswana Allgemeine Ombudsstelle Internet: www.gov.bw 10 Burkina Faso Le Médiateur du Faso The Mediator of Faso Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi organique de la Médiature du Faso Internet: www.mediateurdufaso.org 11 Burundi Le Médiateur du Burundi The Ombudsman of Burundi Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Internet: www.ombudsman.bi 12 Deutschland Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages The Parliamentary Commissioner for the Armed Forces Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Wehrbeauftragtengesetz (WBeauftrG) Internet: https://www.bundestag.de/parlament/wehrbeauftragter Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 21 13 El Salvador Procuraduría para la Defensa de los Derechos Humanos Attorney for the Defense of Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Ley de la Procuraduría para la Defensa de los Derechos Humanos Internet: www.pddh.gob.sv 14 Elfenbeinküste Le Médiateur de la République de Côte d'Ivoire Ombudsman of Côte d'Ivoire Allgemeine Ombudsstelle Internet: www.mediateur-republique.ci 15 Estland Õiguskantsler The Chancellor of Justice Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: The Chancellor of Justice Act Internet: www.oiguskantsler.ee 16 Finnland Oikeusasiamies / Justitieombudsmannen The Parliamentary Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Parliamentary Ombudsman Act (197/2002) Internet: www.oikeusasiamies.fi 17 Frankreich Contrôleur Général des Armées Controller General for the Army Generalinspektion Gesetzlicher Rahmen: Arrêté fixant les attributions de l'inspection des armées Internet: https://www.defense.gouv.fr/cga 18 Georgien The Public Defender Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: The Organic Law of Georgia on The Public Defender of Georgia Internet: www.ombudsman.ge 19 Ghana Commission on Human Rights and Administrative Justice Commission on Human Rights and Administrative Justice Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: CHRAJ Act, 1993 [Act 456] Internet: https://chraj.gov.gh/ 20 Honduras Comisionado Nacional de los Derechos Humanos The National Commission for Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Ley Orgánica del Comisionado Nacional de los Derechos Humanos Internet: www.conadeh.hn Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 22 21 Kambodscha Vidyāstha ̄n Khmǣr Saṃra ̂p Sahapratipattikār niṅ Santibha ̄b The Cambodian Institute for Cooperation and Peace Nichtregierungsorganisation mit der königlichen Regierung von Kambodscha Gesetzlicher Rahmen: Internet: www.cicp.org.kh 22 Kamerun Commission Nationale des Droits de l'Homme et des Libertés National Commission of Human Rights and Freedoms Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi N° 2004/016 du 22 juillet 2004 (in French) Internet: www.cndhl.cm 23 Kanada Ombudsman du ministère de la Défense nationale et des Forces canadiennes Ombudsman for the Department of National Defence and the Canadian Forces Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: DAOD 5047-1, Office of the Ombudsman (1999-08-17) Internet: www.ombudsman.forces.gc.ca 24 Kanada Ombudsman des vétérans Veterans Ombudsman Militärische Ombudsstelle Internet: www.ombudsman-veterans.gc.ca 25 Kroatien Pučka pravobraniteljica Ombudsman of the Republic of Croatia Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: The People’s Ombudsman Act Internet: www.ombudsman.hr 26 Irland Ombudsman for the Defence Forces Ombudsman for the Defence Forces Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Ombudsman (Defence Force) Act 2004 Internet: www.odf.ie 27 Kasachstan Уполномоченного по правам человека в Республике Казахстан Commissioner for Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Regulations on the Commissioner for Human Rights in the Republic of Kazakhstan Internet: www.ombudsman.kz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 23 28 Kirgistan Кыргыз Республикасынын Акыйкатчысы Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law about Ombudsmen Of The Kyrgyz Republic Internet: www.ombudsman.kg 29 Kosovo Avokati i Popullit Ombudsperson Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: UNMIK Regulation no. 2000/38 Internet: www.ombudspersonkosovo.org/ 30 Kosovo Committee on Internal Affairs, Security and Oversight of the Kosovo Security Force Militärische Ombudsstelle Internet: http://www.kuvendikosoves.org/ 31 Litauen Generalinė inspekcija Inspector General Generalinspekteur Internet: www.kam.lt 32 Luxemburg Chambre des Députés du Grand- Duché de Luxembourg The Luxembourg Parliament Allgemeine Ombudsstelle Internet: www.chd.lu 33 Madagaskar Médiateur, défenseur du peuple The Mediator of the Republic Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Ordonnance n° 92-012 du 29 avril 1992 instituant un Médiateur, défenseur du peuple 34 Malaysia Suruhanjaya Hak Asasi Manusia Malaysia Human Rights Commission of Malaysia Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Human Rights Commission of Malaysia Act 597 Internet: www.suhakam.org.my 35 Mali Médiateur de la République du Mali Ombudsman of Mali Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi 97-022, Le Médiateur de la République Internet: www.mediateur-mali.org Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 24 36 Malta Ombudsman Parliamentary Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law on the Parliamentary Ombudsman of Malta Internet: www.ombudsman.org.mt 37 Mongolia Монгол Улсын Хүний эрхийн Үндэсний Комисс National Human Rights Commission Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: National Human Rights Commission of Mongolia Act Internet: www.mn-nhrc.org 38 Montenegro Заштитника људских права и слобода Црне Горе The Protector of Human Rights and Freedoms Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law on The Protector of Human Rights and Freedoms Internet: www.ombudsman.co.me 39 Niederlande Inspecteur-Generaal der Krijgsmacht Inspector General of the Armed Forces Berater/Vermittler Internet: https://www.defensie.nl/onderwerpen/igk Niederlande Nationale Ombudsman National Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: National Ombudsman Act Internet: www.nationaleombudsman.nl 40 Niger Le Médiateur de la République du Niger Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi n°2011-18 du 8 août. 2011 Internet: www.mediateurniger.ne 41 Norwegen Stortingets Ombudsmann for Forsvaret The Parliamentary Ombudsman for the Armed Forces Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Instruks for Ombudsmannen for Forsvaret Internet: www.ombudsmann.no Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 25 42 Österreich Parlamentarische Bundesheerkommission Parliamentary Commissioner for the Federal Armed Forces Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Section 4, 2001 Defence Act Internet: www.parlament.gv.at 43 Philippinen Commission on Human Rights Commission on Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Executive Order No. 163, s. 1987 Internet: www.chr.gov.ph 44 Polen Rzecznik Praw Obywatelskich Commissioner for Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Act on the Commissioner for Human Rights Internet: www.rpo.gov.pl 45 Rumänien Avocatul Poporului The People's Advocate Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Gesetz No. 35/1997 Internet: www.avp.ro 46 Russland Уполномоченный по правам человека в Российской Федерации The People's Advocate Allgemeine Ombudsstelle Internet: www.eng.ombudsmanrf.org 47 Schweden Riksdagens Ombudsmän Parliamentary Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Gesetz 1986:765 (Lag med instruktion för Riksdagens ombudsmän) Internet: www.jo.se 48 Sénégal Médiature de la République Mediator of the Republic Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi N° 99-04 DU 29 janvier 1999 abrogeant et remplaçant la Loi N°91-14 du 11 février 1991 instituant un Médiateur de la République Internet: www.mediaturedelarepublique.sn Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 26 49 Serbien Заштитнику грађана The Protector of Citizens Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Нормативни оквир за рад Internet: www.ombudsman.org.rs 50 Slowakei Verejný Ochranca Práv The Public Defender of Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law on The Public Defender of Rights Internet: www.vop.gov.sk 51 Slowenien Varuh človekovih pravic Human Rights Ombudsman Allgemeine Ombudsstelle Internet: www.varuh-rs.si 52 Südafrika South African Military Ombud South African Military Ombud Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Military Ombud Act 4 of 2012 Internet: www.milombud.org 53 Südkorea (Republik Korea) National Human Rights Commission of the Republic of Korea Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: National Human Rights Commission Act Internet: www.humanrights.go.kr 54 Tadschikistan Уполномоченный по правам человека в Республике Таджикистан Commissioner for Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Нормативно-правовые акты РТ Internet: www.ombudsman.tj 55 Tschechische Republik Hlavního inspektora ochrany lidských práv Main Inspector for Human Rights Protection, Ministry of Defence Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Act N° 349/1999 Internet: www.army.cz Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 27 56 Togo Médiateur de la République Togolaise Mediator of the Republic Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Loi organique n° 2003-021 du 9 décembre 2003 Internet:58 https://www.aomf-ombudsmans-francophonie.org/togo-mediateur-de-la-republique -du-togo/ Togo Commission Nationale des Droits de l'Homme Nations Commission for Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Laws on National Commission for Human Rights of Togo Internet: www.cndh-togo.org 57 Ukraine Уповноважений Верховної Ради україни з прав людини Ukrainian Parliament Commissioner for Human Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Law of Ukraine ‘On the Ukrainian Parliament Commissioner for Human Rights Internet: www.ombudsman.gov.ua 58 Ungarn Alapvető jogok biztosa The Parliamentary Commissioner for Fundamental Rights Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Acts on the Commissioner for Fundamental Rights Internet: www.ajbh.hu 59 Vereinigtes Königreich Service Complaints Ombudsman for the Armed Forces Militärische Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: Armed Forces Service Complaints and Financial Assistance Act 2015 Internet: www.servicecomplaintsombudsman.org.uk 60 USA Inspector General Generalinspekteur Gesetzlicher Rahmen: Inspector General Act of 1978 Internet: www.dodig.mil 58 Keine eigene Internet-Seite. Die angegebene Internet-Seite wird von der Association des Ombudsmans et des Médiateurs de la Francophonie (AOMF) bereitgestellt. Die E-Mail-Adresse verweist auf eine gmail.com -Adresse. Vgl. Association des Ombudsmans et des Médiateurs de la Francophonie, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter www.aomf-ombudsmans-francophonie.org Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 28 61 Zambia Office of the Public Protector Allgemeine Ombudsstelle Gesetzlicher Rahmen: The Public Protector Act No. 15 of 2016 Internet: http://www.oppz.gov.zm/ 3.2. Das schwedische Modell Die Idee eines Wehrbeauftragten für Deutschland59 brachte der sozialdemokratische Abgeordnete Ernst Paul aus seinem schwedischen Exil (1938-1948) zurück, wo er mit der mittlerweile aufgelösten Institution des Militieombudsmannen (MO), das heißt des militärspezifischen Ombudsmanns in Berührung gekommen war. Als Ombudmannen wird im Schwedischen ursprünglich ein Bevollmächtigter oder Beauftragter bezeichnet. Die Institution des Ombudsmanns gibt es in Schweden seit 1809 in der Form eines Justitieombudsmannen (JO)60, das heißt eines Ombudsmanns der Justiz. Vorschläge für die Einrichtung eines gesonderten Ombudsmanns für militärische Angelegenheiten wurden 1901 auf Antrag von Karl Staaff61 gemacht. Er wies darauf hin, dass die Kontrolle über das Verteidigungssystem , die der Justitieombudsmannen (JO) bisher ausgeübt hatte, im Rahmen der Umsetzung der neuen „Militärordnung“62 nicht ausreichen würde. Im Jahr 1901 hatte das schwedische Parlament die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht beschlossen, welche mit weitreichender Unzufriedenheit sowohl unter den Wehrpflichtigen, als auch in der Bevölkerung begegnet wurde.63 Die ersten Anläufe, das Vorhaben Staaffs gesetzlich umzusetzen, scheiterten jedoch. Erst 1908 wurde eine „Kommission zur Untersuchung bestimmter Zustände im nationalen Verteidigungssystem “64 eingerichtet. Diese Kommission tagte bis Ende Juni 1915 und kurz darauf wurde der Militärische Ombudsmann als Teil einer Verteidigungsreform eingeführt. Die 59 Damals noch für die Bundesrepublik Deutschland. 60 In Schweden wird bis heute die Amtsbezeichnung Justitieombudsmannen angewandt, wobei die offizielle Bezeichnung Riksdagens ombudsmän (Ombudsleute des Parlaments) lautet. Vgl. Riksdagens ombudsmän, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.jo.se/ 61 Liberala samlingspartiet (Liberale Sammlungspartei). 62 Försvarsreformen 1901 oder 1901 års härordning (Zu Deutsch: Verteidigungsreform 1901 oder Heeresordnung 1901). 63 Det reformerade JO-ämbetet, Hugo Henkow (ehemaliger Justitieombudsmannen), Svensk Juristtidning 1970, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://svjt.se/svjt/1970/462 64 „Kommission för undersökning af vissa förhållanden inom rikets försvarsväsende“ (auch „Civilkommission“ genannt). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 29 Mobilmachung im Jahr 1914 führte breiten Teilen der Bevölkerung Probleme im Zusammenhang mit den Streitkräften vor, die sich nur pragmatisch lösen ließen. So war die Einführung eines militärspezifischen Ombudsmann nur logisch. 65 1968 erfolgte schließlich eine neue Gesetzesänderung und der Justitieombudsmannen (JO) erhielt seine alten Prärogative zurück, als das Amt des Militieombudsmannens abgeschafft wurde.66 Eine Sonderinstitution für die Streitkräfte67 wurde aufgrund neuester institutioneller und gesellschaftlicher Entwicklungen als nicht mehr zeitgemäß betrachtet, wie ein Artikel68 der Svensk Tidskrift aus dem Jahr 1967 es darlegt: „Als 1915 das Büro des Militieombudsmannens eingerichtet wurde, bestand kein Zweifel daran, dass es eine Notwendigkeit gab. Eine ältere militärische Tradition hatte nicht viel zur Integrität des einzelnen Soldaten beigetragen. (…) Ansonsten ändern sich die Bedingungen jetzt, mehr als 50 Jahre später, vollständig. Die Streitkräfte sind Teil der Gesellschaft geworden. Offiziere und Unteroffiziere sind Beamte wie andere. Es gibt keine militärischen Privilegien mehr, die missbraucht werden könnten. Der Ton der Kommunikation zwischen Offizieren und Wehrpflichtigen ist ungefähr der, der auch auf Sportplätzen angetroffen wird. Daraus hat die Regierung unter anderem die Schlussfolgerungen gezogen, dass die besonderen Kriegsgerichte abzuschaffen sind. Nur der MO [der Militieombudsmann, A.d.Ü] bleibt als Institution übrig, aber es gibt immer weniger schwerwiegende Fälle, mit denen er sich befassen muss. (…) Man fragt sich, ob der MO nicht ausgedient hat. Er ist ein Relikt aus vergangenen Zeiten“69 65 Militieombudsmannen, Wikipedia, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://sv.wikipedia.org/wiki/Militieombudsmannen 66 Det reformerade JO-ämbetet, Hugo Henkow (ehemaliger Justitieombudsmannen), Svensk Juristtidning 1970, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://svjt.se/svjt/1970/462 67 „Die schwedische Armee ist als Verwaltungsbehörde organisiert. Als solche untersteht sie direkt der schwedischen Regierung und nicht, wie in vielen anderen Staaten, dem Verteidigungsminister. Den Oberbefehl sowohl in Friedens- als auch in Kriegszeiten führt der Behördenleiter, ein General mit dem Titel överbefälhavaren (zu Deutsch Oberbefehlshaber). (…) Damit ist der König – für eine europäische Monarchie ungewöhnlich – seit 1975 nicht mehr Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Trotz dieser Änderung gilt der Monarch noch immer offiziell als deren höchster Offizier und trägt zu offiziellen Anlässen Generals- bzw. Admiralsuniform .“ Vgl. Schwedische Streitkräfte, Wikipedia, abgerufen am 23. Oktober 2020 https://de.wikipedia .org/wiki/Schwedische_Streitkr%C3%A4fte 68 Militieombudsmannen, Redaktion, 31. Dezember 1967, Svensk Tidskrift, abgerufen am 23. Oktober 2020 unter https://www.svensktidskrift.se/militieombudsmannen/ 69 Übersetzung aus dem Schwedischen durch den Verfasser dieser Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 30 Tatsächlich gab es um 2008 in Schweden nur um die zehn Beschwerden pro Jahr.70 3.3. Das kanadische Modell 3.3.1. Entstehungsgeschichte Die Ombudsstelle71 National Defence and Canadian Armed Forces Ombudsman beziehungsweise Ombudsman de la Défense nationale et des Forces armées canadiennes wurde 1998 eingerichtet. Nachdem die Beteiligung eines kanadischen Luftlanderegiments an der Misshandlung und dem Tod von somalischen Jugendlichen während der Friedensmission UNOSOM I in Somalia im Jahr 1992 öffentlich wurde,72 führte dieser Skandal zur Einrichtung einer Untersuchungskommission, der Commission of Inquiry into the Deployment of the Canadian Forces to Somalia, üblicherweise Somalia Inquiry genannt. Die Kommission tagte zwischen 1993 und 1997 und sprach 160 Empfehlungen aus. Eine der Kernempfehlungen war die Schaffung eines neuen unabhängigen Amtes zur Kontrolle der Streitkräfte: „Es wird empfohlen, das Gesetz über die nationale Verteidigung mit hoher Priorität zu ändern, um ein unabhängiges Überprüfungsgremium, das Büro des Generalinspektors, mit einer genau definierten und unabhängigen Zuständigkeit sowie umfassenden Befugnissen einzurichten. Folgende Befugnisse sollen ihm zugesichert werden: 1. Evaluierung systemischer Probleme in der Militärjustiz; 2. Durchführung von Untersuchungen zu Fehlverhalten von Beamten, zum Beispiel beim Verdacht auf Ermittlungsvereitelung, das Versäumnis, Korrekturmaßnahmen zu verhängen, im Falle von persönlichen Fehlverhalten, Verschwendung und Missbrauch sowie möglichen Rechtsbruch gegenüber Einzelpersonen; 70 Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, S. 234, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 71 National Defence and Canadian Armed Forces Ombudsman, Government of Canada, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.canada.ca/en/ombudsman-national-defence-forces.html 72 Torture by Army Peacekeepers in Somalia Shocks Canada, Clyde H. Farnsworth, 27. November 1994, New York Times, abgerufen am am 25. Oktober 2020 unter https://www.nytimes.com/1994/11/27/world/torture-by-armypeacekeepers -in-somalia-shocks-canada.html . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 31 3. Gewährung von Schutz vor Repressalien zugunsten derjenigen, die Fehlverhalten melden; und 4. Gewährung von Schutz vor Autoritätsmissbrauch und unangemessenen Personalmaßnahmen, einschließlich rassistischer Belästigung.73 Der kanadische Ombudsmann ist eine theoretisch völlig unabhängige Einrichtung, die vom Kabinett ernannt wird und dem Verteidigungsministerium Bericht erstattet. Die Berichte des kanadischen Ombudsmanns sind öffentlich zugänglich.74 Die Konstruktion des Amtes macht den Ombudsmann aber anfällig für politischen Druck der Exekutive. Laut Presseberichten wurden 2019 dem damaligen Ombudsmann die Mittel gekürzt und ihm wurden Prärogative entzogen, bis er schließlich das Amt gezwungenermaßen verließ.75 Der wichtigste Unterschied des kanadischen Systems gegenüber dem deutschen System ist, dass der kanadische Ombudmann erst dann aktiv werden kann, wenn der streitkräfteinterne Beschwerdeweg ausgeschöpft wurde. Eine weitere Besonderheit ist, dass Kanada eine zusätzliche Ombudsstelle, speziell für Veteranen eingerichtet hat: das Office of the Veterans Ombudsman beziehungsweise das Bureau de l'ombudsman des vétérans. 76 73 Dishonoured Legacy: The Lessons of the Somalia Affair, Report of the Commission of Inquiry into the Deployment of Canadian Forces to Somalia, Executive Summary, Chapter 16 Accountability, 2. July 1997, S. 46f, Queen's University, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://qspace.library.queensu.ca/bitstream/handle/1974/6881/somalia_exe_summ.pdf?sequence=6&isAllowed =y 74 Vgl. Investigative Reports, National Defence and Canadian Armed Forces Ombudsman, Government of Canada, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.canada.ca/en/ombudsman-national-defence-forces/reportsnews -statistics/investigative-reports.html 75 Former military ombudsman claims DND vendetta drove him into retirement, Murray Brewster, CBC News, 23. September 2019, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.cbc.ca/news/politics/military-ombudsman -vendetta-1.5288519 76 Office of the Veterans Ombudsman, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.ombudsman-veterans .gc.ca/eng Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 32 3.3.2. Verfahrensweise im kanadischen Modell 3.3.2.1. Zugelassene Beschwerden Personen, die eine Beschwerde einreichen dürfen: 77 Ein aktuelles oder ehemaliges Mitglied der kanadischen Streitkräfte; Ein aktuelles oder ehemaliges Mitglied der Kadetten; Ein aktueller oder ehemaliger Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums; Ein aktueller oder ehemaliger Mitarbeiter eines nicht öffentlichen Fonds; Eine Person, die sich um eine Mitgliedschaft bei den Streitkräften bewirbt; Ein Mitglied aus dem unmittelbaren Familienkreis eines der oben genannten; Eine Person, die sich bei den kanadischen Streitkräften im Austausch befindet oder an die kanadischen Streitkräfte abgeordnet wurde. 77 Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, S. 238, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 33 3.3.2.2. Das kanadische Prüfverfahren Kanada: Wie ein Fall vom Ombudsmann geprüft wird78 78 2005-2006 Annual Report, National Defence and Canadian Forces Ombudsman, 2006, in Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, S. 243, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 Eingang der Beschwerde Ist die Beschwerde mandatskonform Ja Nein Zuständige Stelle aufsuchen Sind die internen Beschwerdewege schon ausgeschöpft oder gibt es zwingende Umstände Ja Nein Zuständige Stelle aufsuchen Sachbearbeiter nimmt sich der Beschwerde an Sonderreaktionsgruppe des Ombudsmanns Ermittler Allgemeine Ermittlung Ja Nein Ermittler Informelle Resolution Formelle Ermittlung Vorgang wird abgeschlossen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 34 3.4. Der israelische Ombudsmann der Streitkräfte Obwohl Israel von der internationalen Konferenz der militärischen Ombudsinstitutionen International Conference of Ombuds Institution for the Armed Forces (ICOAF) nicht gelistet wird, beschäftigen die Israelischen Streitkräfte seit 1972 einen militärischen Ombudsmann, Complaints Commissioner im Englischen, oder „Nahkal“ im Hebräischen.79 Der allgemeine Ombudsmann des Staates Israel hat dagegen ausdrücklich keine Kompetenz, um Beschwerden von Soldaten anzunehmen: „Die Beschwerde eines Soldaten im regulären Dienst in den Streitkräften bezüglich der Bedingungen seines Dienstes oder der Disziplin (…) wird nicht angenommen“80. In einem Beitrag von 1999 über das Verteidigungsministerium beschreibt das israelische Außenministerium die Funktion des Ombudmanns der Streitkräfte wie folgt: „Der Ombudsmann der israelischen Armee wird vom Verteidigungsminister in Absprache mit dem Justizminister und mit Zustimmung des Knesset-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung ernannt. Der durch das Militärrechtsgesetz ermächtigte Kommissar ist im organisatorischen Bereich des Verteidigungsministeriums für die Verwaltung der Beschwerdekommission verantwortlich. Der Kommissar übt die Befugnisse des Vorsitzenden einer Untersuchungskommission aus, wie es das Gesetz vorschreibt.“ 81 82 Der militärische Ombudsmann (seit 2019 ein Brigadegeneral der Reserve) erstellt einen jährlichen Bericht83, welcher vor dem Auswärtigen Ausschuss und dem Verteidigungsausschuss vorgestellt wird. 201884 wurden knapp unter 7.000 Beschwerden eingereicht und 201985 knapp über 6.000, 79 ביצנ תוליבק םילייחה, (Seite nur in hebräischer Sprache erhältlich), Israelisches Verteidigungsministerium, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter www.mod.gov.il/nakhal/Pages/default.aspx 80 The State Comptroller and Ombudsman of Israel. 81 Ministry of Defense, Israel Ministry of Foreign Affairs, Archive, 24. August 1999, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://mfa.gov.il/mfa/mfa-archive/1999/pages/ministry%20of%20defense.aspx 82 Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser dieser Arbeit. 83 Der Bericht ist nur in hebräischer Sprache erhältlich. Vgl. https://www.mod.gov.il/nakhal/Pages/Reports.aspx 84 IDF ombudsman report finds soldiers denied rights, disparaged by commanders, Judah Ari Gross, 13. August 2019, The Times of Israel, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.timesofisrael.com/idf-ombudsman -report-finds-soldiers-denied-rights-disparaged-by-commanders/ 85 IDF ombudsman finds fewer complaints by troops but more reported abuse, Judah Ari Gross, 19. Februar 2020, The Times of Israel, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.timesofisrael.com/idf-ombudsman-findsfewer -complaints-by-troops-but-more-reported-abuse/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 35 wovon jeweils etwa 60 Prozent für legitim befunden und weiterbehandelt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die israelischen Streitkräfte eine Personalstärke von etwa 170.000 Mann.86 Die Beschwerden wurden 2018 im Durchschnitt innerhalb von 38 Tagen bearbeitet.87 Besonders bemerkenswert ist, dass der israelische Ombudmann der Streitkräfte auch die Möglichkeit hat, Sonderberichte zu erstellen. Im September 2018 veröffentlichte der ausscheidende Generalmajor (der Reserve) Yitzhak Brick einen unter Verschluss gehalten Bericht, der die allgemeine Kriegsbereitschaft des israelischen Heeres infrage stellte. Aufgrund dieser Publikation wurde ein Untersuchungskomitee ins Leben berufen. 88 3.5. Das französische Modell In Frankreich ist die Funktion des militärspezifischen Ombudmanns gewissermaßen im Rahmen der Befugnisse der Generalinspekteure abgebildet und setzt grundsätzlich auf Vermittlung. Der erste Vorschlag, einen Ombudsmann einzuführen, machte der damalige Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian 2013: „Ich schlage zunächst die Einrichtung eines militärischen Vermittlers vor. Diese Rolle wird den Generalinspektoren89 übertragen. Jeder Soldat kann sich somit an diesen Vermittler wenden, um Konflikte oder Streitigkeiten 86 The Military Balance 2019, International Institute for Strategic Studies (IISS), Routledge, 2019, S. 346ff 87 IDF Ombudsman's annual report submitted to Foreign Affairs and Defense Committee, Knesset News, 14. August 2019, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://m.knesset.gov.il/en/news/pressreleases/pages /press14819y.aspx 88 Is the IDF Ready for War?, Shmuel Even & Sasson Hadad, 25. März 2019, Insight No. 1152, Institute for National Security Studies der Universität Tel Aviv, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.inss.org.il/publication/idf-ready-war/ 89 Frankreich zählt seit 1991 sechs Generalinspekteure: Generalinspekteur des Heeres, Generalinspekteur der Luftwaffe, Generalinspekteur der Marine, Generalinspekteur der Gendarmerie, Generalinspekteur der Sanität, Generalinspekteur für Rüstungsangelegenheiten, die direkt dem/der Minister(in) berichten. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 36 mit seinen Vorgesetzten zu lösen, die durch den hierarchischen Dialog nicht gelöst werden können.“90 91 Diese Absicht wurde zunächst durch Erlass vom 30. März 201592 konkretisiert und durch den weiteren Erlass vom 6. September 2018 präzisiert.93 Der einzige öffentlich publizierte Jahresbericht ist der erste im Jahr 2015. In diesem Jahr wurden allerdings nur 147 Vermittlungen unternommen, wovon 131 im gleichen Jahr abgeschlossen wurde. Über 90 Prozent der Fälle wurden innerhalb der vorgesehenen Frist von vier Monaten und die überwiegende Zahl in weniger als zwei Monaten abgeschlossen. Die Offiziere trugen zu 35 Prozent der eingereichten Beschwerden bei, die Unteroffiziere zu 49 Prozent und die Mannschaftsdienstgrade zu sieben Prozent. 94 Die geringe Anzahl von Beschwerden dürfte auf die sehr restriktive Auslegung des Beschwerderechtes zurückzuführen sein. Das französische Modell sieht zwar vor, dass „Jeder Soldat den Ge- 90 „Je propose d’abord la mise en place d’un médiateur militaire. Ce rôle sera confié aux inspecteurs généraux. Chaque militaire pourra ainsi saisir ce médiateur pour résoudre des conflits ou des différends avec ses supérieurs que le dialogue hiérarchique ne permettrait pas de résoudre.“ Jean-Yves Le Drian, Verteidigungsminister, 12. Dezember 2013 zitiert in Rapport annuel des médiateurs militaires, Collège des Inspecteurs généraux des Armées, Ministère de la Défense, 2015, abgerufen 25. Oktober 2020 unter https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiH2Ni9ydDsAh UOahQKHaCLB0sQFjAAegQIAxAC&url=https%3A%2F%2Fwww.defense.gouv.fr%2Fcontent%2Fdownload %2F468872%2F7482622%2Fversion%2F1%2Ffile%2FRapport_des_m%25C3%25A9diateurs_militaires _ann%25C3%25A9e_2015.pdf&usg=AOvVaw2a6qSqgyYl9WGy3JzshAe2 91 Übersetzung aus dem Französischen durch den Autor dieser Arbeit. 92 Décret n° 2015-368 du 30 mars 2015 portant création de la fonction de médiateur militaire, abgerufen 25. Oktober 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000030423471 93 Arrêté du 6 septembre 2018 relatif à la fonction de médiateur militaire, abgerufen 25. Oktober 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/jorf/id/JORFTEXT000037393785?r=9OkXtq5A14 94 Rapport annuel des médiateurs militaires, Collège des Inspecteurs généraux des Armées, Ministère de la Défense, 2015, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiH2Ni9ydDsAh UOahQKHaCLB0sQFjAAegQIAxAC&url=https%3A%2F%2Fwww.defense.gouv.fr%2Fcontent%2Fdownload %2F468872%2F7482622%2Fversion%2F1%2Ffile%2FRapport_des_m%25C3%25A9diateurs_militaires _ann%25C3%25A9e_2015.pdf&usg=AOvVaw2a6qSqgyYl9WGy3JzshAe2 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 37 neralinspekteur wegen einer Frage zu seiner persönlichen Situation oder zu den Ausführungsbedingungen des Dienstes oder auch zu dem Leben in der Gemeinschaft anrufenkann“95 96, Beschwerden im Rahmen der Disziplinarordnung sind jedoch ausdrücklich ausgeschlossen. 97 Parallel zum Vermittlungsverfahren existiert in Frankreich sei 2011 ein weiteres Beschwerdeverfahren (Saisine, zu Deutsch etwa: Anruf einer juristischen Instanz) in dem die Soldaten sich an den jeweiligen Generalinspekteur wenden dürfen, um eine Schlichtung zu erwirken. Im Jahr 2015 gab es 229 Schlichtungsverfahren zusätzlich zu den 147 Vermittlungsverfahren für insgesamt 196.000 Soldaten98 99. In Frankreich wird das Wort Ombudsman im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums100 bis jetzt nicht benutzt. Erst im Jahr 2019 hat der Verteidigungsausschuss im französischen Parlament (Commission de la Défense nationale et des Forces armées) geprüft, ob eine als Kollegium ausgelegte und so benannte Ombudsman-Stelle ins Leben gerufen werden sollte. 101 95 „Tout militaire peut saisir les officiers généraux inspecteurs d'une question relative à sa situation personnelle, aux conditions d'exécution du service ou à la vie en communauté“, Code de la Défense, Article D4121-2, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.legifrance.gouv.fr/codes/id/LEGIARTI000018717675/2008-04-26/ 96 Übersetzung aus dem Französischen durch den Autor dieser Arbeit. 97 Rapport annuel des médiateurs militaires, Collège des Inspecteurs généraux des Armées, Ministère de la Défense, 2015, S. 6, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiH2Ni9ydDsAh UOahQKHaCLB0sQFjAAegQIAxAC&url=https%3A%2F%2Fwww.defense.gouv.fr%2Fcontent%2Fdownload %2F468872%2F7482622%2Fversion%2F1%2Ffile%2FRapport_des_m%25C3%25A9diateurs_militaires _ann%25C3%25A9e_2015.pdf&usg=AOvVaw2a6qSqgyYl9WGy3JzshAe2 98 Rapport annuel des médiateurs militaires, Collège des Inspecteurs généraux des Armées, Ministère de la Défense, 2015, S.5ff, S. abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&ved=2ahUKEwiH2Ni9ydDsAh UOahQKHaCLB0sQFjAAegQIAxAC&url=https%3A%2F%2Fwww.defense.gouv.fr%2Fcontent%2Fdownload %2F468872%2F7482622%2Fversion%2F1%2Ffile%2FRapport_des_m%25C3%25A9diateurs_militaires _ann%25C3%25A9e_2015.pdf&usg=AOvVaw2a6qSqgyYl9WGy3JzshAe2 99 Les effectifs militaires et leur rémunération, Annuaire statistique de la défense - Édition 2017, Chapitre 4, S. 49, Observatoire économique de la défense, 2017, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.defense .gouv.fr/content/download/515108/8669980/AnnuStat-2017_complet.pdf 100 Seit 2017 Ministère des Armées, zu Deutsch Streitkräfteministerium. 101 Proposition n°61: Créer un ombudsman militaire collégial associant des parlementaires, Rapport d'information déposé en conclusion des travaux d’une mission d’information sur l’évaluation des dispositifs de lutte contre les discriminations au sein des forces armées, présenté par les Députés Bastien Lachaud et Christophe Lejeune, Assemblée Nationale, N° 1814, 27. März 2019, Artikel 61, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter http://www.assemblee -nationale.fr/dyn/15/rapports/cion_def/l15b1814_rapport-information# Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 38 3.6. Der britische Ombudsmann der Streitkräfte In Großbritannien wurden erste Reformen des Beschwerdewesens schon ab 2006 implementiert, nachdem der Bericht einer parlamentarischen Untersuchung über die Umstände um den Tod von vier Soldaten in den Princess Royal Barracks in Deepcut102 zwischen 1995 und 2002 Mängel in Sachen Disziplin und Aufsicht festgestellt hatte. Doch das Office of the Service Complaints Commissioner, das von 2008 bis 2015 tätig war, konnte sich nicht bewähren, wie die Internet-Seite der aktuellen Ombudsstelle feststellt: „Dr. Susan Atkins war die erste „Beschwerde-Kommissarin“ (2008-2014). In jedem ihrer Jahresberichte stellte Dr. Atkins Folgendes fest: Das Beschwerdesystem des Dienstes war nicht effizient, effektiv oder fair, und die Befugnisse der Kommissarin gingen nicht weit genug, um die notwendigen Änderungen herbeizuführen.“103 104 Am 1. Januar 2016 wurde das Office of the Service Complaints Commissioner durch den Service Complaints Ombudsman for the Armed Forces (SCOAF) ersetzt. Die Ernennung des Ombudmanns für fünf Jahre ist das Ergebnis eines Austausches zwischen dem Parlament und der Regierung. So wurde die aktuelle Ombudsfrau, Nicola Williams, 2015 vom Verteidigungsausschuss des Unterhauses angehört, bevor sie vom Verteidigungsministerium an ihre Stelle ernannt wurde.105 Das Investigationsteam hat 2020 insgesamt zehn Mitarbeiter.106 Im Jahr 2018 gingen 1.185 Beschwerden ein, von denen 763 als zulässig angesehen und weitergeleitet 102 The Deepcut Review – A review of the circumstances surrounding thedeaths of four soldiers at Princess Royal Barracks, Deepcut between 1995 and 2002, Nicholas Blake, Return to an Address of the Honourable the House of Commonsdated 29. März 2006, HC 795, London, The Stationery Office, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment _data/file/228930/0795.pdf 103 History and Legislation, About us, Service Complaints Ombudsman for the Armed Forces, abgerufen am 26. Oktober 2020 unter https://www.scoaf.org.uk/about-us/history-and-legislation/ 104 Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser dieser Arbeit. 105 Rapport d'information déposé en conclusion des travaux d’une mission d’information sur l’évaluation des dispositifs de lutte contre les discriminations au sein des forces armées, présenté par les Députés Bastien Lachaud et Christophe Lejeune, Assemblée Nationale, N° 1814, 27. März 2019, Artikel 61, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter http://www.assemblee-nationale.fr/dyn/15/rapports/cion_def/l15b1814_rapport-information # 106 The Role of our Operations Teams, About us, Service Complaints Ombudsman for the Armed Forces, abgerufen am 26. Oktober 2020 unter https://www.scoaf.org.uk/about-us/history-and-legislation/ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 39 wurden.107 Dabei betrug die Personalstärke der britischen Streitkräfte Anfang 2018 knapp 195.000 Mann.108 Ihr Tätigkeitsfeld beschreibt die Ombudsfrau für die Soldaten wie folgt: „Wenn Sie glauben, in der Ausübung Ihres Dienstes Unrecht erlebt zu haben, haben Sie das Recht, eine Dienstbeschwerde einzureichen. Wenn Sie sich nicht direkt an Ihre Befehlskette wenden möchten, können Sie den Ombudsmann um Hilfe bitten. Die/der Bürgerbeauftragte kann Ihnen helfen, indem sie/er an ihren zuständigen Vorgesetzten schreibt, um ihn darüber zu informieren, dass Sie beabsichtigen, eine Dienstbeschwerde einzureichen. Dies wird als Überweisung bezeichnet. Eine Überweisung ist keine Dienstbeschwerde. Sie müssen Ihre Beschwerde weiterhin schriftlich bei der zuständigen Stelle innerhalb der Befehlskette einreichen.“109 110 Nicht nur die restriktive Auslegung des Tätigkeitsbereiches ihres Amtes scheint für Unzufriedenheit in der Truppen zu sorgen, sondern die im Allgemeinen von der Ombudsstelle erbrachten Leistung. So werden im Bericht an das Unterhaus des britischen Parlaments111 Fairness without Fear: The work of the Service Complaints Ombudsman 2017-2019112 eklatante Mängel festgestellt: die Zulassungsprüfung einer Beschwerde, die maximal zwei Wochen dauern soll, hat bis zu 86 Wochen in Anspruch genommen und nur etwas mehr als die Hälfte der Ermittlungen konnten in der vorgesehenen Zeit abgeschlossen werden. Die Ombudsstelle stellt in dem Bericht eine zunehmende Unzufriedenheit der Soldaten fest: Im Jahr 2018 waren 57 Prozent der Beschwerdeführer mit der ihnen erbrachten Hilfe zufrieden, ein deutlicher Rückgang von 75 Prozent im Jahr 2016. Weiterhin bezeichneten 45 Prozent der Befragten in einer Umfrage 107 Fairness without Fear: The work of the Service Complaints Ombudsman, Sixteenth Report of Session 2017-19, Report, together with formal minutes relating to the report, HC1889, House of Commons Defence Committee, 7. August 2019, S. 18, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://publications.parliament .uk/pa/cm201719/cmselect/cmdfence/1889/1889.pdf 108 UK Armed Forces Quarterly Service Personnel Statistics 1 January 2019, Ministry of Defense, 21. Februar 2019, abgerufen am 26. Oktober 2020 unter https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads /attachment_data/file/847640/1_October_2019_SPS.pdf 109 What can the Ombudsman do for me?, Service Complaints Ombudsman for the Armed Forces, abgerufen am 26. Oktober 2020 unter https://www.scoaf.org.uk/download/3200/ 110 Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser dieser Arbeit. 111 House of Commons. 112 Fairness without Fear: The work of the Service Complaints Ombudsman, Sixteenth Report of Session 2017-19, Report, together with formal minutes relating to the report, HC1889, House of Commons Defence Committee, 7. August 2019, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://publications.parliament.uk/pa/cm201719/cmselect /cmdfence/1889/1889.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 40 die Objektivität beziehungsweise Unabhängigkeit der Ombudsstelle als nicht zufriedenstellend.113 Unter solchen Voraussetzungen warnt die Ombudsfrau der britischen Streitkräfte in ihrem Bericht sogar vor dem Scheitern des Amtes: „Wir bezweifeln ernsthaft, dass das derzeitige Beschwerdesystem der Streitkräfte zweckmäßig ist. Das Servicepersonal hat wenig Vertrauen in das Amt. Umfragen haben ergeben, dass viele sich dafür entscheiden, keine Beschwerde einzureichen – in einigen Fällen aufgrund von Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf ihre zukünftige Karriere. Wenn Beschwerden erhoben werden, ist ihre Bearbeitung sowohl von den Teilstreitkräften selbst als auch von SCOAF inakzeptabel langsam. (…) Wir sind auch besorgt über die Vorwürfe, dass, wenn Beschwerden eingereicht wurden, Druck auf die Beschwerdeführer ausgeübt wurde, damit diese ihre Beschwerde zurückziehen.“114 113 Fairness without Fear: The work of the Service Complaints Ombudsman, Sixteenth Report of Session 2017-19, Report, together with formal minutes relating to the report, HC1889, House of Commons Defence Committee, 7. August 2019, S. 3; 10; 16, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://publications.parliament .uk/pa/cm201719/cmselect/cmdfence/1889/1889.pdf 114 Fairness without Fear: The work of the Service Complaints Ombudsman, Sixteenth Report of Session 2017-19, Report, together with formal minutes relating to the report, HC1889, House of Commons Defence Committee, 7. August 2019, S. 3 abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://publications.parliament .uk/pa/cm201719/cmselect/cmdfence/1889/1889.pdf Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 41 4. Empfehlungen der OSZE für das Amt des militärischen Ombudsmanns 4.1. Allgemeine Empfehlungen Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) formuliert folgende Empfehlungen bei der Gründung einer Ombudsstelle für militärische Angelegenheiten: 115 116 Ein unabhängiger Ombudsmann – außerhalb der militärischen Befehlskette – mit der Kompetenz, sich mit militärischen Angelegenheiten zu befassen, ist ein wirksames Mittel, um mit Beschwerden, Fehlern und systemischen Problemen in den Streitkräften umzugehen; Ein Ombudsmann sollte mit gesetzlichen Befugnissen, operativer Unabhängigkeit und angemessenem Personal ausgestattet werden; Ein angemessener Rechtsstatus soll dem Ombudsmann durch die Verfassung und / oder das Gesetz gewährt werden: - Das Gesetz sollte Bestimmungen über das Mandat des Ombudsmanns beinhalten; - Das Gesetz sollte den Kreis der Beschwerdeführer genau definieren; - Das Gesetz sollte die Art von Fällen/Beschwerden definieren, die behandelt werden können; - Das Gesetz sollte den Zugang zu eingestuften Dokumenten regeln; - Das Gesetz sollte den Zugang zu den militärischen Dienstorten regeln; - Das Gesetz sollte erwähnen, ob der Zugang zum Ombudsmann immer oder erst nach Ausschöpfen des militärischen Beschwerdeweges möglich ist; - Das Gesetz sollte die Ernennungs- und Entlassungsprozedur des Ombudsmanns definieren; - Das Gesetz sollte Schutzmechanismen vorsehen, die die Unabhängigkeit der Ombudsstelle sicherstellen; - Das Gesetz sollte das Verfahren zur Sicherstellung der Finanzierung der Ombudsstelle definieren; 115 Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, S. 242, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 116 Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser dieser Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 42 - Das Gesetz sollte den legalen Status der Empfehlungen des Ombudsmanns definieren; - Das Gesetz sollte das Berichterstattungswesen regeln (jährliche Berichte, Sonderberichte). Ein Ombudsmann sollte die Befugnis haben, seine eigenen Ermittlungen als wichtiges Instrument zur Lösung umfassenderer systemischer Probleme bei den Streitkräften einzuleiten. Länder mit einem Ombudsmann für Verteidigung oder der Absicht, ein solches Amt einzurichten, sollten Informationen über Erfahrungen anderer Länder erhalten, die eine solche Institution schon gegründet haben; Länder mit einem Ombudsmann für Verteidigung sollten eine Überprüfung seiner Aufgabenstellung beantragen, Funktionen, allgemeine Verfahrensweisen , einschließlich der Berichterstattung an das Parlament, Auswirkung, Ressourcen und Budget im Vergleich zu den entsprechenden Institutionen in anderen Ländern mit vergleichbaren Sicherheitssituationen. 4.2. Empfehlungen hinsichtlich eines jährlichen Berichtes Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) empfiehlt, regulatorische Vorkehrungen zu treffen, damit die Publikation eines öffentlichen jährlichen Berichtes gesetzlich verankert ist und stellt fest: „Ein Jahresbericht ist sowohl ein Instrument, um die Kontrolle zu gewährleisten, als auch um die Durchschlagskraft des Amtes sicherzustellen . Wenn eine Empfehlung nicht weiterverfolgt oder eine Untersuchung blockiert wurde, kann dies im Bericht erwähnt werden. Insofern stellen diese öffentlichen Berichte ein wirksames Mittel für einen Ombudsmann dar, um die Justiz und die politischen Verantwortlichen in militärische Angelegenheiten einzubeziehen beziehungsweise um die Aufmerksamkeit des Parlaments, der Regierung und der Öffentlichkeit auf festgestellte Mängel zu richten.“ 117 118 117 Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, S. 242, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 118 Übersetzung aus dem Englischen durch den Verfasser dieser Arbeit. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 43 Folgende Empfehlungen119 werden von der OSZE ausgesprochen: Die Veröffentlichung erfolgt so bald wie möglich nach Jahresende; Die Unabhängigkeit wird gewährleistet (es gibt keine Zensur durch politische Behörden); Der Bericht enthält Beschreibungen der im Laufe des Jahres eingereichten Beschwerden; Der Bericht enthält Informationen über alle wichtigen Untersuchungen, die im Laufe des Jahres durchgeführt wurden; Der Bericht identifiziert systemische Probleme; Der Bericht beschreibt und kommentiert die vom Ombudsmann getroffenen Entscheidungen; Der Bericht erwähnt, ob früheren Empfehlungen Folge geleistet wurde. 119 Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, S. 242, abgerufen am 25. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 090/20 Seite 44 5. Weiterführende Dokumente 60 Jahre Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages 1959-2019, Expertensymposium vom 20. Bis 22. Mai 2019 im Schloss & Gut Liebenberg, 108 Seiten, abrufbar am 26. Oktober 2020 unter https://www.bundestag.de/resource /blob/676412/39fc63a9fbebc0a25c4a687127829466/symposium_60jahre_wbdata .pdf Fairness without Fear: The work of the Service Complaints Ombudsman, Sixteenth Report of Session 2017-19 , Report together with formal minutes relating to the report, HC 1889, 7. August 2019, 43 Seiten, abrufbar am 26. Oktober 2020 unter https://publications.parliament.uk/pa/cm201719/cmselect/cmdfence /1889/1889.pdf Handbook on Human Rights and Fundamental Freedoms of Armed Forces Personnel, OSCE/ODIHR (Office for Democratic Institutions and Human Rights) in Zusammenarbeit mit dem Geneva Centre for the Democratic Control of the Armed Forces (DCAF), 2008, 256 Seiten, abrufbar am 26. Oktober 2020 unter https://www.osce.org/odihr/31393 Ombuds Institutions For The Armed Forces, a Handbook, Benjamin S. Buckland & William McDermott, Geneva Centre for the Democratic Control of Armed Forces (DCAF), 2012, 184 Seiten, abrufbar am 26. Oktober 2020 unter https://www.dcaf.ch/sites/default/files/publications/documents/OMBUDSHbook _FINAL_ONLINE.pdf Der Wehrbeauftragte, Schutz der Grundrechte der Soldatinnen und Soldaten und parlamentarische Kontrolle, Stichwort, Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit , 2017, 84 Seiten, abrufbar am 26. Oktober 2020 unter https://www.btgbestellservice .de/pdf/20209000.pdf ***