Deutscher Bundestag System Unbemanntes Luftfahrzeug: Wesentliche gegenwärtige und zukünftige Aspekte Infobrief Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 2 – 3010 – 090/10 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 2 System Unbemanntes Luftfahrzeug: Wesentliche gegenwärtige und zukünftige Aspekte Verfasser: Ausarbeitung: WD 2 – 3010 – 090/10 Abschluss der Arbeit: 7. Mai 2010 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Telefon: + Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. System Unbemanntes Luftfahrzeug 4 3. Fähigkeiten 6 4. Produzenten 8 5. Perspektiven 9 6. Zusammenfassung 10 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 4 1. Einleitung Das Thema „System Unbemanntes Luftfahrzeug“ („System Unmanned Aerial Vehicle“ - UAS) hat eine militärische und zivile Dimension. Beispielhaft unterstrichen wird dies u.a. durch die Einladung der Europäischen Kommission zu einer Konferenz Anfang Juli 2010, auf der über 400 Entscheidungsträger über die Vorteile des Einsatzes von UAS für die Bürger und die Industrie diskutieren sollen,1 als auch durch die erstmalige Veröffentlichung eines Strategischen Konzepts zum Einsatz von UAS durch das „Joint Air Power Competence Center“ der NATO Anfang Januar 2010.2 Beispielhaft belegt wird die duale Dimension der UAS u.a. auch dadurch, dass die USA im letzten Irakkrieg für die Luftaufklärung neben Satelliten primär UAS eingesetzt haben, dass Präsident Obama verfügt hatte, ein UAS der US-Luftwaffe zur Koordinierung der Rettungsaktionen über Haiti zu verwenden3, und dass der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ingo Wolf, UAS etwa bei Geiselnahmen und Banküberfällen einsetzen will.4 Vor diesem Hintergrund zeigt das Sachstandspapier neben dem UAS wesentliche Fähigkeiten, führende Anbieter und absehbare entscheidende weitere Entwicklungsmöglichkeiten auf. 2. System Unbemanntes Luftfahrzeug Ein „System Unbemanntes Luftfahrzeug“ (UAS) umfasst alle notwendigen Kräfte und Mittel, um den Einsatz eines „Unbemannten Luftfahrzeugs“ („Unmanned Aerial Vehicle“ - UAV) inklusive der jeweiligen Nutzlast zu gewährleisten. Dies bedingt boden-, see- oder luftgestützte Flugführungs- und Steuersegmente sowohl für das Unbemannte Luftfahrzeug als auch für seine Nutzlast sowie ggf. Unterstützungseinheiten. Konsequenterweise schließt das System ebenfalls den Datenverbund zwischen den einzelnen Systemelementen ein.5 Ein „Unbemanntes Luftfahrzeug“ (UAV) ist ein Luftfahrzeug, entweder als Starrflügler oder als Hubschraubertyp, das keine „Besatzung an Bord“ hat und dessen Flugführung entweder autonom oder ferngesteuert erfolgen kann. Das Unbemannte Luftfahrzeug ist nicht nur mehrfach verwendbar, sondern auch für eine oder mehrere Einsatzrollen mit wechselnden Nutzlasten ausgelegt, die auch letale und nicht-letale Wirkmittel umfassen können. Ein autonom fliegendes Unbemanntes Luftfahrzeug folgt einer fest programmierten Route und hält diese selbständig ein.6 1 http://ec.europa.eu/transport/air/events/2010_07_01_uas_en.htm 2 „The Joint Air Power Competence Center – Strategic Concept of Employment for Unmanned Aircraft Systems in NATO“, 4. Januar 2010 3 „Global Hawk collects reconnaissance data during Haiti relief efforts“, 15.02.1010 in: www.af.mil/news/story.asp?id=123185754 4 „Drohnen gegen Verbrecher“, in: Welt Kompakt, 26.04.2010, S. 4 5 Konzeptionelle Grundvorstellung zum Einsatz unbemannter Luftfahrzeuge in der Bundeswehr, 21. Februar 2008, S. 1. 6 Ebenda. Ballistische, semi-ballistische oder Marschflugkörper sowie Artillerieprojektile sind keine Unbemannten Luftfahrzeuge. Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 5 Sind Unbemannte Luftfahrzeuge mit Waffen ausgerüstet, werden sie in der Fachliteratur als UCAV (C = Combat) bezeichnet. Eine international anerkannte einheitliche Klassifizierung von UAS bzw. UAV kann nicht festgestellt werden. Vor diesem Hintergrund wird die Klassifizierung aus der erst Anfang 2010 veröffentlichten Übersicht der NATO nachfolgend wiedergegeben. Sie zeigt u.a. auf, welche Klassen und Kategorien von Unbemannten Luftfahrzeugen existieren, für welche Auftragsebene (taktisch, strategisch und darüber hinaus) bzw. in welchen Höhen und Radien der Einsatz erfolgen kann und welche bekannten Systeme für welche militärische Ebene (Regiment, Bataillon, Zug, Befehlshaber , teilstreitübergreifend) gegenwärtig aus Sicht der NATO-Experten eingesetzt werden.7 UAV CLASSIFICATION TABLE Class Category Normal employment Normal Operating Altitude Normal Mission Radius Primary Supported Commander Example platform CLASS I (less than 150 kg) SMALL >20 kg Tactical Unit (employs launch system ) Up to 5K ft AGL 50 km (LOS) BN/Regt, BG Luna, Hermes 90 MINI 2-20 kg Tactical Sub-unit (manual Launch) Up to 3K ft AGL 25 km (LOS) Coy/Sqn Scan Eagle, Skylark, Raven , DH3, Aladin, Strix MICRO <2 kg Tactical PI, Sect, Individual (single operator) Up to 200 ft AGL 5 km (LOS) PI, Sect Black Widow CLASS II (150 kg to 600 kg) TACTICAL Tactical Formation Up to 10,000 ft AGL 200 km (LOS) Bde Comd Sperwer, Iview 250, Hermes 450, Aerostar, Ranger CLASS III (more than 600 kg) Strike/ Combat Strategic/National Up to 65,000 ft Unlimited (BLOS) Theatre COM HALE8 Strategic/ National Up to 65,000 ft Unlimited (BLOS) Theatre COM Global Hawk MALE9 Operational/Theatre Up to 45,000 ft MSL Unlimited (BLOS) JTF COM Predator B, Predator A, Heron, Heron TP, Hermes 900 Abb.: UAV Typen bzw. Klassen gemäß dem “Strategic Concept of Employment for Unmanned Aircraft Systems in NATO” des “Joint Air Power Competence Center” der NATO 7 „The Joint Air Power Competence Center – Strategic Concept of Employment for Unmanned Aircraft Systems in NATO“, 4. Januar 2010 8 “High Altitude Long Endurance - HALE” 9 “Medium Altitude Long Endurance - MALE“ Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 6 Nach Angaben des „Joint Air Power Competence Center“ der NATO umfasst die „Klasse I“ typisch handgestartete und tragbare Unbemannte Luftfahrzeuge für die kleinste militärische Einheit . Grundsätzlich sind diese ausgestattet mit Infrarot- oder elektrooptischen Sensoren und damit geeignet, „über den Hügel bzw. um die Ecke“ zu schauen. Sie operieren also in Sichtweite und in geringer Höhe und verfügen über eine geringe Einsatzdauer von bis zu zwei Stunden. Unbemannte Luftfahrzeuge der „Klasse II“ sind von mittlerer Größe und werden bis zur Brigadeebene im Rahmen u.a. der Aufklärung und Überwachung mit Infrarot- oder elektrooptischen Sensoren sowie Zielzuweisung durch Laserbeleuchtung von improvisierten Pisten auf taktischer Ebene eingesetzt. Ihr Einsatz bedarf der Koordination und Integration in den militärischen und zivilen Luftraum. Unbemannte Luftfahrzeuge der „Klasse III“ stellen die größten mit der längsten Einsatzdauer und der höchsten Flughöhe dar, die hierzu Start- und Landemöglichkeiten wie Zivilflugzeuge bedürfen . Ihr Einsatzspektrum umfasst großflächige Aufklärung und Angriffe. Hierfür können sie ergänzend zur Klasse II u.a. ausgestattet werden mit Allwetterradaren, Relaisstation für Kommunikation , Signalaufklärung, automatisierten Indentifikationssystemen sowie Waffen. Ihr Einsatz bedarf der Luftraumorganisation auch mit bemannten Flugzeugen. Sie sind in der Lage, die taktische Aufklärung von Satelliten fast ganz zu ersetzen oder zumindest zu unterstützen. Zur Klasse III gehört zum Beispiel das UAS „Global Hawk“, das nach Aussage von Experten mit seinen Sensoren pro Tag eine Fläche von 137.000 qkm lückenlos aufklären kann, was einer Fläche von Griechenland entspricht. Diese Klasseneinteilung trifft ebenso zu für bewaffnete Unbemannte Luftfahrzeuge (UCAV). 3. Fähigkeiten Das militärisch-zivile Fähigkeitspotential der UAS ist überraschend groß, denn zum einen sieht das „Joint Air Power Competence Center“ der NATO den Einsatz von UAS für das ganze gegenwärtige Spektrum militärischer Operationen vor. Zum anderen hat die NASA bereits 2004 für den zivilen Bereich 35 unterschiedliche Missionsarten im Bereich des Heimatschutzes, der wissenschaftlichen Erforschung der Erde und des kommerziellen Bereichs identifiziert. Eine „Europäische zivile UAS Road Map“ ist von 25 Nationen für das Zeitfenster 2006 bis 2015 erstellt worden; sie sieht vier wesentliche Fähigkeitskategorien (Umwelt, Notfallmaßnahmen, Kommunikation und Beobachtung) vor und engagiert sich u.a. für die Lizenzierung von Unbemannten Luftfahrzeugen für den Flug im zivilen Luftraum.10 Das nachfolgend aufgezeigte wesentliche Fähigkeitspotential hat seine Realisierung und Fortentwicklung vorrangig dort erreichen können, wo exklusive Flugrechte, z.B. im Rahmen von militärischen Einsätzräumen und Katastropheneinsätzen, gewährt wurden. Dort, wo der kontrollierte zivile Luftraum genutzt werden muss, ist das Wachstumspotential für UAS und deren Fähigkeitspalette durch die gegenwärtig nicht gegebene Zulassung signifikant eingeschränkt. Nach der Analyse der NATO sollten UAS derzeit vorrangig als Mittel zur Unterstützung von Land- und Seeoperationen eingesetzt werden.11 Dies schließt Einsätze von UAS für luftgestützte 10 www.uavnet.com/DL/Document_Library/_UAVNET_ROADMAP/UAV_Roadmap_Action_Plan.pdf 11 „The Joint Air Power Competence Center – Strategic Concept of Employment for Unmanned Aircraft Systems in NATO“, 4. Januar 2010 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 7 Aufklärung, Überwachung und Kampf über Land, Küstengebiete oder maritime Umgebung ein. Das Fähigkeitspotential von UAS kann somit u.a. umfassen: Abbildende Aufklärung mit optischen, Video-, Infrarot-Sensoren, Aufklärung von abstrahlenden Signalen, Radare, Kommunikationssignale, etc., Aufklärung von atomaren, biologischen und chemischen Mitteln, Unterstützung (Relaisfunktion, Sammeln allgemeiner Daten, u.a.), Aufspürung von improvisierten Sprengkörpern, Erweitern der Kommunikationsstrecken, Elektronische Kampfführung, Stören, etc., Unterstützung bei der Suche und Rettung, Transport und logistische Unterstützung, Laserzielmarkierung, Zielidentifikation und Zielzuweisung, Bekämpfung durch letale und nicht-letale Waffeneinsätze. Regierungsquellen ist zu entnehmen, dass z.B. im Rahmen der „Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan“ („International Security Assistance Force“ - ISAF) der NATO pro Tag mehr als 200 unterschiedliche UAS-Missionen vorgenommen werden, so u.a. durch die USA, Frankreich und Deutschland. Aber auch im Rahmen der ATALANTA-Mission der Europäischen Union wird die Piraterieüberwachung mit UAS unterstützt. Die „Europäische zivile UAS Road Map“ sieht den Einsatz schwerpunktmäßig in vier Fähigkeitskategorien wie folgt vor: 1. Umwelt: Atmosphärische Untersuchung, Wettervorhersage, Vulkanstudien, Hurrikanerforschung , ozeanographische Beobachtung und geologische Untersuchung, 2. Notfallmaßnahmen: Beobachtung von Vulkanausbrüchen, Erbeben, Hurrikane und Überschwemmungen , Nukleare Verseuchung, Ölverschmutzungen, Bekämpfung von Bränden, Suche und Rettung, Beurteilung von Katastrophenlagen sowie das Management zu deren Behebung , 3. Kommunikation: Unterstützung und Relais von „Global Position System“/Galileo, Telekommunikation , Telefon und Breitbandkommunikation, 4. Beobachtungseinsatz: Elektrizitätsleitungen, Umwelt und Waldbrand, Ernte, Fischerei, öffentlicher Verkehr, Kleinkriminalitätsbekämpfung an öffentlichen Orten (z.B. Drogenbeschaffung ), Grenzpatrouille, Seekontrolle und Kartographie.12 12 “Today, more and more commercial UAS operators propose services flying “tactical UAV” for resource (oil, gas, water) security, having UA patrolling offshore oil fields and inspecting rigs, monitoring thousands of miles of pipelines for detection of leaks (that could cause disastrous fires, explosions , pollution as well as economic losses when not loss of life). In agriculture, services are provided to spray pesticide or fertilizer. Finally, services are offered to the film industry for aerial Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 8 Derzeit entstehen noch Probleme beim Einsatz von UAS durch Störungen der Signale mit der Bodenstation. Das UAS „Global Hawk“, das ansonsten autonom fliegt, ist daher derart programmiert , dass es bei Verbindungsabbruch zur Heimatbasis oder zu einem vorprogrammierten Flughafen zurückfliegt. Im Gegensatz dazu stürzt das UAS Predator nach einem definierten Zeitfenster durch Einstellen des Flugbetriebes ab. Pressemitteilungen konnte im Weiteren entnommen werden, dass es gelungen war, den Datenstrom von UAS „anzuzapfen“ und so das Aufklärungsergebnis einschließlich Videos und Bilder Unbefugten zugänglich zu machen. 4. Produzenten Experten sahen 2006 die USA und Israel unstrittig führend auf dem Gebiet der UAS, was sich auch in Absatzzahlen und der Einsatzhäufigkeit beider Länder widerspiegelt und bis heute auch nicht geändert haben soll.13 Großbritannien und Frankreich unternehmen große Anstrengungen, um aufzuschließen, und zwar in der gesamten Palette der möglichen Fähigkeiten einschließlich der Zulassung für den kontrollierten zivilen Luftraum. BAe, Dassault und Airbus (französischer Anteil) haben als strategisches Ziel die technologische Führung in Europa zu übernehmen und verfolgen dieses mit aller Konsequenz. Der Vorsitzende der EADS Defence & Security System Division, Stefan Zoller, führte u.a. in der Europäischen Sicherheit in 2006 aus, dass „neben den bemannten Flugzeugen der Markt für UAV entscheidend (sei), inklusive der UCAVs.“ Erwartet wird, „dass der Markt innerhalb der nächsten zehn Jahre geschätzte zehn Milliarden (€) wert sein wird.“ EADS wolle daher „innerhalb der nächsten Jahre der führende europäische Lieferant werden.“14 Als wesentliche UAS-Unternehmen in Deutschland werden von Experten genannt: EMT: LUNA, Aladin, Micado, Rheinmetall: KZO, Leasing Heron1, WABEB, EADS: Euro Hawk, TALARION, Barracuda, CL-289, Atlante, Tracker, in Europa: Finmeccanica: Falcon, BEA: Herti, Taranis, Mantis, SAGEM: Sperwer, und weltweit: photography, and even special effects.” Quelle: www.uavnet.com/DL/Document_Library/_UAVNET_ROADMAP/UAV_Roadmap_Action_Plan.pdf 13 „Drohnen im zivilen und militärischen Einsatz“ von Dominik Heider, 1. Februar 2006 14 www.europaeische-sicherheit.de Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 9 USA: Northrop Grumman, General Atomics, Boeing, Israel: IAI, Elbit, Aeronautics, South Africa: Denel.15 Der prozentuale Anteil der US-Unternehmen am Weltmarkt der UAS wird jüngst mit rund 65 Prozent angegeben.16 Dies ist mit Blick auf die Gesamtzahl von 6.500 UAS in den US- Streitkräften nicht überraschend.17 5. Perspektiven UAS werden nach Aussagen von Experten einen deutlich wachsenden Anteil an zukünftigen Missionen und Einsätzen im militärischen Bereich haben. Der zivile Einsatz wird, wenn die Lizenzierung für die Nutzung des kontrollierten zivilen Luftraums erreicht worden ist, einen deutlichen Nachholbedarf erleben. UAS werden perspektivisch befähigt, autonomer vorzugehen und damit die automatisierte bzw. ferngesteuerte Einsatzführung zu ersetzen. Letztendlich sollen UAS den bemannten Flug völlig ersetzen, doch vorerst werden mittelfristig die Bekämpfung gegnerischer Luftabwehr und Luftnahunterstützung im Visier der UAS- Herstellung stehen. Aus Sicht der NATO kann langfristig nicht ausgeschlossen werden, dass UAS an luftraumdominierten Einsätzen teilnehmen, so z.B. zur Luftraumüberwachung sowie an offensiven und defensiven Luftschlägen.18 Eine SWP-Studie kommt zu dem Ergebnis, „dass (UAS) im Rahmen der besonders kapitalintensiven Luftstreitkräfte in naher Zukunft die heute meist mit teurem Gerät und kostenintensiver Besatzung durchgeführten Aufklärungs-, Überwachungs- und elektronischen Kampfmissionen komplett übernehmen könnten. Mittelfristig kommen vor allem Einsätze zur Bekämpfung der gegnerischen Luftverteidigung und die Luftnahunterstützung als Aufgaben neuer UAS in Frage. Langfristig ist angesichts des gegenwärtigen Entwicklungstempos eine weitgehende Ablösung bemannter Systeme denkbar. Nur in speziellen Nutzungsbereichen, wie etwa der luftgestützten Bergung/Rettung, wird der Einsatz des Menschen noch lange unverzichtbar bleiben.“ Ergänzend wird festgestellt, dass „die stufenweise Einführung (von UAS) den Personal- und Kostenaufwand der Streitkräfte reduziert und Ressourcen für Einsparungen bzw. Investitionen freisetzen (würde ).“19 Begründet wird die dargestellte UAS-Perspektive von Experten u.a. mit der Anforderung zur Reduzierung von Gefahren für Leib und Leben, sowie zur Durchführung von lang anhaltenden luft- 15 http://www.auvsi.org/AUVSI/AUVSI/Home/ 16 Aviation Week & Space Technology, 26. Januar 2009, S. 94 ff. 17 „Afghan surge strips UAVs from forces elsewher“ in: NavyTime, 1. Mai 2010, Quelle: www.navytimes.com/news 18 „The Joint Air Power Competence Center – Strategic Concept of Employment for Unmanned Aircraft Systems in NATO“, 4. Januar 2010 19 „Flugroboter statt bemannter Militärflugzeuge?“, Sascha Lange, SWP-Studie, Juli 2003, S. 5 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 10 gestützten Missionen, bei der die menschliche Physis und Leistungsfähigkeit an ihre Grenzen stößt, einschließlich der stets bedeutsamen Vorgabe zur Kosteneffizienz. Letztere wird absehbar bei allen Aufgaben bis auf die bei den Luftkampfaufgaben zugunsten der UAS ausfallen. Die Kosten für bewaffnete Unbemannte Luftfahrzeuge werden von Experten perspektivisch in gleicher Höhe beziffert wie die bemannter Flugzeuge. Aktuell werden in Frankreich, Großbritannien und USA erhebliche wirtschaftliche Anstrengungen unternommen, um die nächste Generation von bewaffneten Unbemannten Luftfahrzeugen im komplementären Einsatz zu bemannten Systemen zu entwickeln. Untermauert wurde dies u.a. Ende August 2009, als in der englischen Presse aufgezeigt wurde, dass die US-Luftwaffe mehr Operateure für UAS als Piloten für Kampfflugzeuge oder Bomber ausbildet. 2006 sei es möglich gewesen, 12 UAS zum selben Zeitpunkt einzusetzen; 2009 waren es bereits mehr als 50. Vorgesehen ist, UAS für das gesamte Einsatzspektrum der Luftwaffe vorzusehen („serve as fighters, bombers and transporters, even automatic mini-drones which attack in swarms“). Im weiteren wird in dem Artikel mit Blick auf die Studie „The Unmanned Aircraft System Flight Plan 2020- 2047“ aufgezeigt, dass Haushaltsmittel bis zu 55 Milliarden US-$ in 2020 bereit gestellt werden sollen. Ggf. sei der F-35 Joint Strike Fighter das letzte Programm mit einem Kampfpiloten in der Maschine. 20 Die US-Luftwaffe testete im April 2010 das unbemannte Raumflugzeug X-37B. Das Weltraum UAS soll 270 Tage im Orbit bleiben sowie ohne jede Steuerung von einer Bodenstation starten und landen können. Langandauernde Überwachungen, auch von Telefongesprächen, sind somit realisierbar. 2011 soll bereits der zweite X-37B ausgeliefert werden.21 Russland hat vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen im Konflikt in Georgien im August 2008 Pläne gestartet, um gemeinsam mit Israel UAS zu produzieren. Der russische Bedarf soll bis zu 100 UAV und 10 Bodenstationen liegen, um eine effektive Aufklärung von Einsatzgebieten sicherstellen zu können.22 6. Zusammenfassung Das Vordringen der Robotik im Luftraum durch „Systeme Unbemannter Luftfahrzeug“ ist ein Faktum und erst am Anfang sowohl im militärischen als auch zivilen Bereich. Privilegiert durch exklusive militärische Lufträume haben sich Unbemannte Luftfahrzeug und deren Fähigkeiten bisher vorrangig bei den Streitkräften, geprägt im Wesentlichen durch Bedürfnisse der USA und Israels, entwickeln können. Der Show-Stopper für die zivile Nutzung liegt im Wesentlichen in der noch nicht vorhandenen Lizensierung von Systemen Unbemannter Luftfahrzeuge für den kontrollierten zivilen Luftraum. Liegt diese jedoch einmal vor, wird erstmals die so entstandene Wettbewerbslage den Markt neu gestalten, d.h. technologische Fortschritte werden noch mehr von der Industrie befördert und Preise mehr durch Wettbewerb bestimmt. 20 www.guardian.co.uk/world/2009/aug/23/drones-air-force-robot-planes/print 21 „X-37 B, streng geheim“ in: Die Welt. 23. April 2010, S.1 und „US-Luftwaffe testet neuen Weltraumflieger “ in: Berliner Zeitung, 23. April 2010, S. 12 22 „Russia, Israel plan joint venture to produce drones“ in: www.en.rian.ru, 21. April 2010 Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 11 Vor dem Hintergrund dieser absehbaren Entwicklung sind Systeme Unbemannter Luftfahrzeuge in naher Zukunft für einen vernetzten Einsatz grundsätzlich prädestiniert. So wird z.B. eine Relaisfunktion für Daten und Kommunikationsmittel ebenso in militärischen Räumen genutzt werden können wie bei Naturkatastrophen oder nach Terroranschlägen. Der Einsatz des UAS „Global Hawk“ über Haiti hat dies bereits beeindruckend gezeigt. Politisch bedeutsam ist, dass die Fähigkeit zur permanenten Beobachtung und Aufklärung eines Gebietes die Entscheidungsfähigkeit von Regierungen und deren Steuerung von Krisen signifikant und in nahezu Echtzeit verbessern kann, ohne dass hierbei die Gefahr besteht, Menschen in Flugzeugen zu gefährden und hohe Zusatzkosten, z.B. für die parallel bereitzustellende zivile oder militärische Suche und Rettung, einplanen zu müssen. Ein Beispiel hierfür kann das am 21. Februar 2010 vorgestellte israelische UAS „EITAN/HERON-TP“ sein, das angeblich eine Reichweite bis in den Iran haben soll.23 Bedeutsam für die Ausschöpfung des Potentials der zivil-militärischen Synergie ist jedoch der politische Wille, den derzeitigen militärischen Vorreitern auf diesem Feld die Vorgabe zu machen , ihre militärischen Nutzlasten derart zu konzipieren, dass Systeme Unbemannter Luftfahrzeuge nach Erreichen der Lizensierung für den kontrollierten zivilen Luftraum ebenfalls für zivile Missionen (Umwelt, Notfallmaßnahmen, Kommunikation und Beobachtung) genutzt werden können. Dies schließt nicht aus, dass hierzu auch rüstungskontrollpolitische oder vertrauensbildende Missionen gehören, wie z.B. zur Unterstützung der „Internationalen Atomenergieorganisation “ (International Atomic Energy Agency - IAEA) oder von Missionen der „Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ (OSZE) bzw. im Rahmen eines hierfür angepassten „Vertrages über den Offenen Himmel“. Ein weiterer Treiber im zivilen Bereich wird absehbar die Nachrichtenindustrie sein, die mit aus der Zentrale gesteuerten Systemen Unbemannter Luftfahrzeuge neue Wege der Bildberichterstattung gehen werden. CNN hatte diese Absicht bereits während des letzten Irakkrieges angekündigt . Flugrechte von Unbemannten Luftfahrzeugen im Luftraum anderer Länder, die politische Regelung ihrer Einsatzmöglichkeiten im Inland wie auch die parlamentarische Mandatierung von bewaffneten Einsätzen durch den Deutschen Bundestag, auch wenn diese ausschließlich aus dem Heimatland heraus erfolgen, bedürfen der besonderen Betrachtung. Die aktuelle Diskussion in den USA zur Nutzung von bewaffneten Unbemannten Luftfahrzeugen durch die CIA, z.B. in Pakistan und Jemen, zeigt bereits beispielhaften Handlungsbedarf auf.24 Die aktive Unterstützung der zivilen Nutzung von Systemen Unbemannter Luftfahrzeuge durch die Europäische Kommission lässt erkennen, dass die derzeit vorrangig militärisch finanzierte Entwicklung und Beschaffung bald auf breitere Schultern im Bereich der Nachfrage abgestützt werden kann. Der Aufruf des Chefs der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA), bei der 23 Europäische Sicherheit, 4/2010, S. 49 24 „US-Kritik an Angriffen mit Drohnen“, die tageszeitung, 30. April 2010, S. 9 „US should respect sovereign states while using drones, says experts“ in: The Times of India, 29. April 2010, unter: http://timesofindia.indiatimes.com Wissenschaftliche Dienste Infobrief WD 2 – 3010 – 090/10 Seite 12 Entwicklung der Systeme Unbemannter Luftfahrzeuge enger zu kooperieren, um Kosten zu sparen, weist in eine mögliche Zukunft.25 25 „EU-Länder sollen bei Rüstung enger kooperieren“, in: Handelsblatt, 27. April 2010, S. 16