WD 2 - 3000 - 089/18 (20. Juni 2018) © 2018 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. I. Sicherer Hafen Wann ein Ort (das Seevölkerecht verlangt keinen sicheren „Hafen“) sicher ist, spezifizieren die vom Schiffssicherheitsausschuss (MSC) der International Maritime Organisation (IMO) im Jahr 2004 verabschiedete Resolution MSC.167(78)1 sowie die inhaltsgleichen, vom Verkehrsministerium erlassenen Richtlinien für die Behandlung von auf See geretteten Personen vom 1. Juli 2006.2 • Vgl. dazu Gutachten WD 2 - 3000 - 068/17 vom 31. Juli 2017, „Der italienische Verhaltenskodex für private Seenotretter im Mittelmeer“ Die Häfen von Tunis /Tunesien und Alexandria / Ägypten sind zweifellos „sichere Orte“ im Sinne des Seevölkerrechts. II. Nothafenrecht Ein in Seenot befindliches Rettungsschiff kann sich auf das sog. Nothafenrecht berufen und dies gegenüber der zuständigen Küstenwache bzw. dem MRCC kommunizieren.3 Den Anordnungen der Küstenwache hinsichtlich der Schließung von Häfen wird sich ein privates Seenotrettungsschiff in der Praxis nicht widersetzen. 1 Resolution MSC.167(78) vom 20. Mai 2004, verfügbar unter: http://www.imo.org/en/OurWork/Facilitation/personsrescued/Documents/MSC.167(78).pdf#search=Resolution %20MSC%2E167%2878%29 (zuletzt aufgerufen am 18. Juli 2017). 2 Richtlinien für die Behandlung von auf See geretteten Personen, (2009) Verkehrsblatt, Heft 2, S. 64. 3 Vgl. dazu die Kurzinformation zum „Nothafenrecht“, WD 2 - 3000 - 082/18 vom 11. Juni 2018. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Rechtsfragen zur Seenotrettung im Mittelmeer Kurzinformation Rechtsfragen zur Seenotrettung im Mittelmeer Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 III.Anwendbarkeit der EMRK auf Hoher See Das Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) in Rom übt lediglich kontrollierende und koordinierende Funktionen innerhalb der italienischen (und vorübergehend auch hinsichtlich der noch nicht notifizierten libyschen) SAR-Zonen im Mittelmeer aus. Das MRCC erlässt dabei keine völkerrechtlich verbindlichen Anordnungen für die Schiffe innerhalb der SAR-Zone. In einem Völkerrechtsblog4 wird dargelegt, dass die italienischen Behörden nicht die erforderliche effektive Kontrolle über ein Seenotrettungsschiff auf Hoher See ausüben, um eine extraterritoriale Anwendbarkeit der EMRK außerhalb der italienischen Territorialgewässer zu begründen. Die Frage der Jurisdiktion auf Hoher See ist – mit Blick auf die Rolle des Maritime Rescue Coordination Centre (MRCC) in Rom – vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) gleichwohl noch nicht abschließend entschieden worden.5 Beim EGMR anhängig ist derzeit ein Verfahren betreffend die sog. „push-back"-Operationen der italienischen Küstenwache im Mittelmeer gegen Bootsflüchtlinge aus Nigeria.6 Zur Rolle der MRCC wird u.a. auf folgende Gutachten der Wiss. Dienste zum Thema „Seenotrettung“ (beigefügt als Anlage) verwiesen: • Gutachten WD 2 - 3000 - 013/18 vom 13. Februar 2018, „Seenotrettung im Mittelmeer. Rechte und Pflichten von Schiffen nach der SAR-Konvention und Ausprägungen des Refoulement -Verbots auf Hoher See“ • Gutachten WD 2 - 3000 - 075/17 vom 25. August 2017, „Rechtsfragen bei Seenotrettungseinsätzen innerhalb einer libyschen SAR-Zone im Mittelmeer“ • Gutachten WD 2 - 3000 - 053/17 vom 19. Juni 2017, „Die völkerrechtliche Pflicht zur Seenotrettung “ *** 4 Melanie Fink / Kristof Gombeer: „The Aquarius incident: navigating the turbulent waters of international law“, EJIL-talk vom 14. Juni 2018, verfügbar unter: https://www.ejiltalk.org/the-aquarius-incident-navigating-theturbulent -waters-of-international-law/. 5 Vgl. dazu grundlegend den Fall Hirsi Jamaa and Others v Italy [GC], Application No. 27765/09, http://www.asylumlawdatabase.eu/en/content/ecthr-hirsi-jamaa-and-others-v-italy-gc-application-no-2776509. 6 “Italy's deal with Libya to 'pull back' migrants faces legal challenge”, The Guardian, https://www.theguardian.com/world/2018/may/08/italy-deal-with-libya-pull-back-migrants-faces-legalchallenge -human-rights-violations.