Nukleare Teilhabe und Völkerrecht - Sachstand - © 2008 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 089/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Nukleare Teilhabe und Völkerrecht Sachstand WD 2 - 3000 - 089/08 Abschluss der Arbeit: 28.08.08 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Völkerrechtlicher Rahmen 3 2.1. Humanitäres Völkerrecht 4 2.2. Atomwaffensperrvertrag 6 2.3. Zwei-plus-Vier-Vertrag 7 3. Strafbarkeit des einzelnen Soldaten 8 3.1. Deutsches Strafrecht 8 3.2. Völkerstrafrecht 8 4. Ergebnis 9 5. Literaturverzeichnis 10 - 3 - 1. Einleitung Die Nukleare Teilhabe ist Teil der Abschreckungspolitik der NATO. Durch dieses Konzept werden auch Mitgliedstaaten ohne eigene Kernwaffen in die Planung (politische Teilhabe) und den Einsatz (technische Teilhabe) von Nuklearwaffen eingebunden.1 Ein Element der nuklearen Teilhabe ist die Stationierung von Atomwaffen auf dem Territorium von nicht über eigene Nuklearwaffen verfügenden NATO-Staaten. Ein anderes Element ist die Bereitstellung von entsprechend ausgebildeten Piloten und technischem Material, wie z.B. Flugzeugen, durch diese Staaten. Z.Zt. stellen nur die USA ihre Kernwaffen für die nukleare Teilhabe der NATO bereit.2 In Europa sind amerikanische Atomwaffen derzeit noch in Belgien, Deutschland, Italien , den Niederlande, der Türkei sowie in Großbritannien gelagert.3 Da Großbritannien selbst Nuklearmacht ist, ist davon auszugehen, dass die anderen Länder − wie Deutschland − an der Nuklearen Teilhabe teilnehmen. In Deutschland werden amerikanische Nuklearwaffen (ca. 10–20 Stück) nur noch in Büchel, Rheinland-Pfalz,4 gelagert. Im Rahmen der Nuklearen Teilhabe stellen die USA die Waffen, Deutschland das Trägersystem und die Mannschaft.5 Daher übt die deutsche Luftwaffe mit einem auch für diese Rolle geeigneten Geschwader mit MRCA- Tornado Kampfflugzeugen auch den Einsatz von Atomwaffen. Im Folgenden wird der völkerrechtliche Rahmen dargestellt, in den die Nukleare Teilhabe einzuordnen ist, und die evt. Strafbarkeit von Soldaten, die Befehle im Rahmen der Nuklearen Teilhabe ausführen, untersucht. 2. Völkerrechtlicher Rahmen Seit langem wird die völkerrechtliche Einordnung von Nuklearwaffen generell diskutiert . Die Nukleare Teilhabe im Besonderen ist jedoch nur selten Gegenstand der völkerrechtlichen Fachdebatte. Im folgenden Abschnitt werden daher die Grundlinien der allgemeinen Debatte über die völkerrechtliche Einordnung von Nuklearwaffen aufgezeigt und – soweit möglich – Anknüpfungspunkte für eine Einordnung der Nuklearen Teilhabe aufgezeigt. 1 Vgl. http://www.nato.int/docu/handbook/2001/hb020602.htm (Stand: 20.08.08). 2 Norris/Kristensen, S. 77. 3 Norris/Kristensen, S. 77. 4 S. http://www.fas.org/blog/ssp/2007/07/united_states_removes_nuclear.php (Stand: 20.08.08). 5 Hahnfeld, S. 39. - 4 - 2.1. Humanitäres Völkerrecht Das humanitäre Völkerrecht (ius in bello) enthält weder in seinen völkergewohnheitsrechtlich geltenden Regeln noch im humanitären Völkervertragsrecht ausdrückliche Bestimmungen in Bezug auf Nuklearwaffen. Nach Auffassung der großen Mehrheit der Staaten soll dies jedoch nicht die Anwendbarkeit des humanitären Völkerrechts auf Nuklearwaffen ausschließen.6 Zu den völkergewohnheitsrechtlichen Grundsätzen des humanitären Völkerrechts gehört , dass gegen die Zivilbevölkerung keine Waffen angewendet werden dürfen, dass unnötige Grausamkeiten und Leiden vermieden und dass unbeteiligte und neutrale Staaten bei einem Waffeneinsatz nicht in Mitleidenschaft gezogen werden dürfen.7 Ähnliche Regelungen finden sich in den Genfer Konventionen (GK). Diese bestehen aus vier Abkommen aus dem Jahre 1949.8 1977 traten außerdem zwei Zusatzprotokolle (ZP I und ZP II) in Kraft.9 Dieses „Genfer Recht“ stellt einen wichtigen Teil des Humanitären Völkerrechts dar. In Artikel 51 Absatz 1 ZP I GK wird der schon erwähnte, gewohnheitsrechtlich anerkannte Grundsatz kodifiziert, wonach gegen die Zivilbevölkerung keine Waffen angewendet werden dürfen. Art. 51 Abs. 4 lit. c ZP I GK spezifiziert das grundsätzliche Verbot des Angriffes auf die Zivilbevölkerung dahingehend, dass Kampfmittel, deren Wirkung nicht entsprechend den Vorgaben des Protokolls beschränkt werden können, verboten sind. Damit sind also Massenvernichtungswaffen verboten, soweit ihre Wirkung nicht spezifisch auf zulässige Ziele beschränkt werden kann. Es kommt dabei stets auf den konkreten Einsatz einer bestimmten Waffe an.10 Kern der völkerrechtlichen Diskussion ist die Frage, ob angesichts dieser Bestimmungen des humanitären Völkerrechts Nuklearwaffen an sich verboten sind.11 Da der Einsatz von Kernwaffen zu großflächigen, schwer im Voraus zu bestimmenden Schäden führe, gehen zahlreiche Staaten davon aus, dass das Völkerrecht den Einsatz dieser Waffen grundsätzlich verbiete.12 Der Einsatz von Atomwaffen wird nach dieser Interpretation des humanitären Völkerrechts auch von Teilen der völkerrechtlichen Literatur für völkerrechtswidrig erachtet, weil bei einem Nuklearwaffeneinsatz nicht zwischen Zivilisten und Soldaten unterschieden werden könne, das Territorium anderer Staaten 6 So die Interpretation der Staatenpraxis durch den Internationalen Gerichtshof (IGH), Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 37. 7 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. ; Tischler, S. 149, 145, 160. 8 BGBl. II, 1954, S. 781. 9 BGBl. II, 1990, S. 1550. 10 Ipsen, in: ders., Völkerrecht, S. 1253, Rn. 7. 11 Vgl. Tischler, S. 149 ff. 12 Japan, Australien, Schweden, ver. blockfreie Staaten, vgl. Tischler, S. 39. - 5 - zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen werde und auch unnötige Leiden nicht vermieden werden könnten.13 Unter anderem zur Klärung dieser Frage, forderte die VN-Generalversammlung 1994 ein entsprechendes Gutachten vom Internationalen Gerichtshof (IGH) an.14 Die genaue Frage lautete „Is the threat or use of nuclear weapons in any circumstance permitted under international law?”15 Der IGH hat das entsprechende Gutachten am 8. Juli 1996 veröffentlicht. In diesem Gutachten kam er zu dem Ergebnis,16 dass „the threat or use of nuclear weapons would generally be contrary to the rules of international law applicable in armed conflict, and in particular the principles and rules of humanitarian law“,17 allerdings hat er die Frage offen gelassen, „whether the threat or use of nuclear weapons would be lawful or unlawful in an extreme circumstance of self-defence, in which the very survival of a State would be at stake“.18 Diese Aussage war innerhalb des IGH strittig. Sie erging in einer sieben zu sieben Abstimmung , bei welcher die Stimme des Präsidenten den Ausschlag gab. Drei der dagegen votierenden Richter taten dies, weil sie den Einsatz von Kernwaffen für ausnahmslos völkerrechtswidrig halten und daher dem beschriebenen Gutachten nicht zustimmen konnten.19 Richter Weeramantry aus Sri Lanka erklärt in seiner „Dissenting Opinion“, dass Atomwaffen gegen das Genfer Giftgasprotokoll von 1925 und Artikel 23 (a) der Haager Landkriegsordnung von 1907 verstoßen und insgesamt fundamentale Prinzipien des internationalen Rechts verletzen würden.20 Auch Richter Koroma aus Sierra Leone macht in seiner Dissenting Opinion deutlich, dass der Einsatz von Atomwaffen gegen humanitäres Völkerrecht verstieße.21 13 Hahnfeld, S. 40; Mohr, S. 348 f. 14 Die Möglichkeit zur Anforderung von Gutachten „über jede Rechtsfrage“ ergibt sich aus Art. 96 Abs. 1 VN-Charta. 15 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 228. 16 Die nach Art. 96 VN-Charta erstellten Gutachten des IGH haben weder für die Auftraggeber – also hier die VN-Generalversammlung – noch für dritte Völkerrechtssubjekte wie die VN- Mitgliedstaaten eine förmliche Bindungswirkung. In der Literatur wird allerdings davon ausgegangen , dass sie de facto häufig Präzedenzfälle für die weitere Rechtsentwicklung darstellen können (Hobe/Kimminich, S. 280). 17 Ebd., S. 266. 18 Ebd., S. 266. 19 Falk, Nuklearwaffen, Völkerrecht und der Internationale Gerichtshof: ein historisches Zusammentreffen , S. 325, 329. 20 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 433. 21 Ebd., S. 359. - 6 - In der Literatur ist das Gutachten teils positiv,22 teils negativ23 aufgenommen worden. Kritiker bemängeln besonders, dass der IGH sich nicht klar für die Völkerrechtswidrigkeit jeglichen Einsatzes von Kernwaffen ausgesprochen hat,24 und sind wie z.B. Hahnfeld gleichzeitig der Ansicht, dass sich die NATO (und damit auch deren Mitgliedsstaaten ) nicht auf die Ausnahme der vom IGH angeführten Existenzkrise eines Staates berufen kann, da sie angesichts ihrer Strategie der vorbedachten Eskalation ihre eventuellen Nukleareinsätze eben nicht ausdrücklich auf diese extreme Notwehrsituation beschränke .25 Auch nach Auffassung der Bundesregierung hat der IGH den Besitz von Atomwaffen in diesem Gutachten nicht unter allen Umständen für völkerrechtswidrig erklärt. Darüber hinaus sei auch „die Politik der nuklearen Teilhabe der Bundeswehr, einschließlich der Beteiligung Deutschlands an der nuklearen Planungsgruppe“ völkerrechtskonform. Dies gelte insbesondere, weil „der grundlegende Zweck der nuklearen Streitkräfte der Bündnispartner politischer Art ist: Wahrung des Friedens und Verhinderung […] jeder Art von Krieg.“26 Bei sämtlichen Anfragen zum Thema Nukleare Teilhabe hat sich die Bundesregierung bisher immer auf das IGH-Gutachten und die darin nicht enthaltene ausdrückliche Feststellung der grundsätzlichen Völkerrechtswidrigkeit von Atomwaffen bezogen.27 2.2. Atomwaffensperrvertrag Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen,28 Atomwaffensperrvertrag genannt , trat 1970 in Kraft. Inzwischen haben 189 Staaten den Vertrag unterzeichnet. Alle über eigene Atomwaffen verfügenden Vertragsunterzeichnerstaaten verzichten in dem Vertrag auf nukleare Aufrüstung, die fünf Atommächte USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China verpflichten sich im Gegenzug zur nuklearen Abrüstung. In den Artikeln I und II des Vertrages wird unter anderem festgelegt, dass keine Atommacht die „Verfügungsgewalt“ über Atomwaffen an einen nicht-nuklearen Staat weitergeben darf und die Staaten ohne eigene Kernwaffen entsprechende „Verfügungsgewalt“ auch nicht annehmen dürfen. Dabei ist insbesondere Artikel II, der die Annahme von 22 Vgl. Weiss, S. 315, Falk, S. 340, Mohr, S. 350. 23 Vgl. Doswald-Beck, S. 55, McCormack, S. 91, Tischler, S. 39. 24 Vgl. Tischler, S. 236. 25 Hahnfeld, S. 40. 26 Antwort des Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 8. 2. 2006, Atomwaffen in Deutschland, BT-Drs. 16/568, S. 3 dort Frage 11 mit Verweis auf Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 28. 10. 96, Auswirkungen der Entscheidung des Internationalen Gerichtshofes zur Völkerrechtswidrigkeit des Einsatzes von Atomwaffen bzw. seiner Androhung, BT-Drs 13/5906. 27 Z.B. BT-Drs. 16/568, BT-Drs. 13/10566, BT-Drs. 13/6170, BT-Drs. 13/5906. 28 BGBl. II, 1974, S. 785. - 7 - Verfügungsgewalt verbietet, im Rahmen der Nuklearen Teilhabe relevant. So finden Kritiker, dass Deutschland diese „Verfügungsgewalt“ über Nuklearwaffen erlangen würde, wenn deutsche Piloten mit US-amerikanischen Nuklearwaffen beladene deutsche Tornado-Kampfflugzeuge steuern.29 Es ist jedoch zu beachten, dass Artikel II des nur in den VN-Sprachen Englisch, Russisch , Französisch, Spanisch und Chinesisch geschlossenen Vertrages lautet: “Each non-nuclear-weapon State Party to the Treaty undertakes not to receive the transfer from any transferor whatsoever of nuclear weapons or other nuclear explosive devices or of control over such weapons or explosive devices directly , or indirectly […].” Während in einem früheren Vertragsentwurf der USA noch „national control“ stand, was verstanden wurde als „the indivudual national possession of nuclear weapons and the capability to use them independently“30 wird der Begriff „control”, wie er in der Endversion verwendet ist, so ausgelegt, dass der Vertrag den Vertragsstaaten ohne eigene Atomwaffen „access to such weapons“ verbietet.31 Im Nuklearwaffen-Gutachten des IGH wird der Atomwaffensperrvertrag nur insoweit behandelt, als sich nach Ansicht des IGH daraus eine konkrete Pflicht zur Abrüstung ergeben würde32, er aber (noch) kein Verbot des Einsatzes von Atomwaffen als solches enthalte.33 2.3. Zwei-plus-Vier-Vertrag Hinzuweisen ist zudem darauf, dass auch in Artikel 3 Absatz 1 des Zwei-plus-Vier- Vertrages (Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland) zwischen der DDR und der damaligen Bundesrepublik sowie Frankreich, den USA, Großbritannien und der Sowjetunion vom 15. März festgelegt ist, dass „die Regierungen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik [...] ihren Verzicht auf Herstellung und Besitz von und auf Verfügungsgewalt über atomare, biologische und chemische Waffen [bekräftigen ]. Sie erklären, dass auch das vereinte Deutschland sich an diese Verpflich- 29 So bspw. Nassauer, Letztes Gefecht oder letztes Geleit? Die deutsche Debatte um die nukleare Teilhabe in der NATO, im Internet abrufbar unter: . 30 Shaker, S. 215. 31 VN, S. 31. Die Erläuterungen bzgl. des Begriffs „control“ beziehen sich sowohl auf Art. I als auch auf Art. II, da diese Artikel sich ergänzen, um ein möglichst lückenloses Verbot zu bewirken. 32 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 41, 45. 33 Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion, I.C.J. Reports 1996, S. 31. - 8 - tungen halten wird. Insbesondere gelten die Rechte und Verpflichtungen aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen vom 1. Juli 1968 für das vereinte Deutschland fort“. 3. Strafbarkeit des einzelnen Soldaten Die bisher gemachten Ausführungen zum Völkerrecht sagen nichts über die Strafbarkeit eines einzelnen Soldaten aus, da sie nur die völkerrechtlichen Beziehungen zwischen Staaten betreffen. Die Strafbarkeitsfrage stellt sich im deutschen Strafrecht und im Völkerstrafrecht . 3.1. Deutsches Strafrecht Da ein Soldat im Rahmen der nuklearen Teilhabe wohl nur auf Befehl eines Vorgesetzten handeln wird, kommt es für eine mögliche Strafbarkeit nach § 11 Absatz 2 SoldG auf die Rechtmäßigkeit bzw. die Erkennbarkeit der Rechtswidrigkeit des Befehls an.34 Bei der Frage der Rechtmäßigkeit des Befehls stellen sich die gleichen Probleme wie bei den oben gemachten Ausführungen zur Nuklearen Teilhabe im Allgemeinen. Wie schon dort gezeigt, ist die Diskussion um die Völkerrechtswidrigkeit der Nuklearen Teilhabe offen, daher scheint die Erkennbarkeit einer evt. Rechtswidrigkeit eines evt. Befehls für den Soldaten kaum vorzuliegen. Führte ein Soldat nun einen solchen eventuell rechtswidrigen Befehl, dessen Rechtswidrigkeit er selber aber nicht erkannt hat und auch nicht erkennen konnte, aus, so ist er nach dem deutschen StGB nach einer Ansicht entschuldigt, nach einer anderen ist sein Handeln sogar gerechtfertigt.35 Im Ergebnis läge jedenfalls keine Strafbarkeit nach deutschem Strafrecht vor. 3.2. Völkerstrafrecht Weitere Strafbarkeiten könnten sich jedoch aus dem Völkerstrafrecht ergeben. Das Völkerstrafrecht ahndet sog. Völkerrechtsverbrechen, also Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Aggressionsverbrechen.36 Im Gegensatz zum sonstigen Völkerrecht ist beim Völkerstrafrecht jedoch das Individuum, hier also der einzelne Soldat, der Adressat.37 Im vorliegenden Zusammenhang könnte Art. 8 Abs. 2b), Ziff. xx in Betracht kommen, der die Strafbarkeit von Kriegsverbrechen vorsieht. Kriegsverbrechen sind danach unter anderem: 34 Schönke/Schröder/Cramer/Heine, Vorb. Zu §§ 32 ff., Rn. 89. 35 Vgl. zum Stand der Diskussion Schönke/Schröder/Cramer/Heine, Vorb. Zu §§ 32 ff., Rn. 89. 36 Werle, Rn. 73,75. 37 Werle, Rn. 95. - 9 - […] die Verwendung von Waffen, Geschossen, Stoffen und Methoden der Kriegführung , die geeignet sind, überflüssige Verletzungen oder unnötige Leiden zu verursachen , oder die unter Verstoß gegen das internationale Recht des bewaffneten Konflikts ihrer Natur nach unterschiedslos wirken, vorausgesetzt, dass diese Waffen, Geschosse, Stoffe und Methoden der Kriegführung Gegenstand eines umfassenden Verbots und aufgrund einer Änderung entsprechend den einschlägigen Bestimmungen in den Artikeln 121 und 123 in einer Anlage dieses Statuts enthalten sind; […] Damit kommt es auch im Rahmen des Völkerstrafrechts auf die Entscheidung der oben vorgestellten Diskussion an. Nur wenn die Nukleare Teilhabe tatsächlich als Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht anzusehen wäre, stellte sich die Frage nach dem Völkerstrafrecht. Ferner wäre Voraussetzung einer Strafbarkeit, dass Nuklearwaffen per se verboten wären, was nach dem oben Gesagten wohl nicht der Fall ist. 4. Ergebnis Zusammenfassend ist festzustellen, dass die sich aus der Nuklearen Teilhabe ergebenden Fragestellungen bzgl. des Völkerrechts bisher kaum diskutiert wurden. Aus der allgemeinen Debatte über die Einordnung von Nuklearwaffen lassen sich daher nur erste Anhaltspunkte ableiten. So kann die Strafbarkeit für Handlungen im Rahmen der Nuklearen Teilhabe aus völkerrechtlicher Sicht hier nicht abschließend beurteilt werden, da es insbesondere hinsichtlich der Diskussion über eine eventuelle Völkerrechtswidrigkeit von Nuklearwaffen selbst, aber auch über die der Nuklearen Teilhabe, kein eindeutiges Meinungsbild gibt. So gesehen liegt auch eine Strafbarkeit nach deutschem Strafrecht gegenwärtig nicht vor. - 10 - 5. 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Mohr, Manfred, Das IGH-Gutachten zur Völkerrechtswidrigkeit des Kernwaffeneinsatzes – einige Reflexionen über Stärken und Schwächen, in: IALANA, Atomwaffen vor dem Internationalen Gerichtshof, Münster 1997, S. 341 ff. Norris, Robert S./ Kristensen, Hans M., U.S. nuclear weapons in Europe, in: Bulletin of the Atomic Scientists, November/Dezember 2004, S. 76 f. Schönke, Adolf/Schröder, Horst (Begr.), Strfagesetzbuch, Kommentar, 27. 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