WD 2 - 3000 - 088/17 (22. September 2017) © 2017 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Diese Kurzinformation betrifft die Frage, ob die Annahme stimmt, dass internationale Schiedsgerichte mit Juristen besetzt werden, die eher für Konzerne und gegen Staaten entscheiden.1 In der wissenschaftlichen Literatur und in der Staatenpraxis lassen sich in der Tat Stimmen finden, die argumentieren, Schiedsrichter würden tendenziell für ausländische Investoren bzw. multinationale Konzerne und gegen Staaten bzw. Konsumenten entscheiden (etwa Gus van Harten). Auch Bolivien, Ecuador und Venezuela sind (u.a.) mit dieser Begründung in den letzten Jahren von der ICSID-Konvention2 zurück getreten. Schiedsrichter haben ein nicht zu leugnendes Eigeninteresse an der Wiederwahl (in finanzieller Hinsicht wie auch unter Reputationsgesichtspunkten). Dieses ist allerdings in Schiedsverfahren systemimmanent und führt, anders als u.U. zu erwarten, nicht zu einer grundsätzlichen pro- oder kontra-Haltung in Bezug auf Staaten. Das Eigeninteresse der Schiedsrichter kann vielmehr zum sog. „split the baby“-Phänomen führen, d.h. der Tendenz der Schiedsrichter, keine Schwarz/Weiß-Entscheidung für oder gegen Staaten bzw. Investoren zu treffen, sondern im Wege von Vergleichen beiden Parteien etwas zuzusprechen. Da hierdurch keine Partei „auf ganzer Linie“ unterliegt, erhöht sich die Chance einer Wiederwahl. Diese Tendenz legen auch UNCTAD-Statistiken über den Ausgang von internationalen Schiedsverfahren nahe. Während zwischen 1987 und 2016 nur 27 Prozent der Verfahren zu Gunsten von Investoren ausfielen, obsiegten in 36 Prozent der Fälle Staaten. 25 Prozent der Fälle wurden durch Vergleiche beigelegt. Betrachtet man die 27 Prozent der Verfahren, in denen Investoren 1 Siehe hierzu Brekoulakis, “Systemic Bias and the Institution of International Arbitration: A New Approach to Arbitral Decision-Making” (2013), verfügbar unter: https://academic.oup.com/jids/article/4/3/553/2911856/Systemic -Bias-and-the-Institution-of-International; UNCTAD, “IIA Issues Note” (Mai 2017), verfügbar unter: http://unctad.org/en/PublicationsLibrary/diaepcb2017d1_en.pdf, insbesondere S. 5 (jeweils zuletzt aufgerufen am 21. September 2017). 2 International Centre for Settlement of Investment Disputes (Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten ): https://icsid.worldbank.org/en/ (zuletzt aufgerufen am 22. September 2017). Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation (Un-)Parteilichkeit von Schiedsrichtern in internationalen Schiedsverfahren Kurzinformation (Un-)Parteilichkeit von Schiedsrichtern in internationalen Schiedsverfahren Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Seite 2 obsiegen, so hat Susanne Franck herausgefunden, dass der Betrag, welcher Investoren durchschnittlich zugesprochen wurde (ca. 10 Mio. Dollar Schadensersatz), weit unter dem liegt, was Investoren zu Beginn der Verfahren beantragt haben (ca. 343 Mio. Dollar Schadensersatz). Selbst wenn man also Schiedsgerichten eine „Investorenfreundlichkeit“ unterstellen würde, wird Investoren in der Regel nur ein Bruchteil dessen zugesprochen, was sie initial verlangt haben. Neben finanziellen Anreizen wird gelegentlich auch kritisiert, dass Schiedsrichter eher zu Rechtspositionen neigen, die aus ihrem eigenen Rechtskreis stammen (rechtskulturelle Aspekte). Eine generelle Parteilichkeit von Schiedsrichtern in internationalen Schiedsverfahren lässt sich letztlich aber nicht empirisch nachweisen. Einerseits werden in diesem Zusammenhang die Untersuchungsmethoden solcher Studien kritisiert. Andererseits würde ein solcher Ruf, wenn er sich einmal etabliert hat, dem jeweiligen Schiedsrichter eher schaden als nützen. Das Thema der (Un-)Parteilichkeit von Schiedsrichtern ist in der Praxis ein sehr sensibles, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Zahl der Befangenheitsanträge jüngst rasant gestiegen ist.3 Maßstab für die Begründetheit solcher Anträge ist, ähnlich wie im deutschen Recht, nicht der tatsächliche Nachweis der individuellen Befangenheit, sondern vielmehr der bloße „böse Schein“ der Befangenheit. Schiedsrichter legen daher vor ihrer Ernennung alles offen, was geeignet sein könnte, einen Interessenkonflikt zu begründen (sog. disclosure), um im späteren Schiedsverfahren dem Risiko einer Ablehnung (sog. challenge) zu entgehen. Die Sensibilität der Problematik zeigt sich schließlich auch daran, dass einige Schiedsrichter mittlerweile dazu übergegangen sind, ausschließlich Schiedsrichter- oder Counsel-Tätigkeiten auszuüben. *** 3 Klatte, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit von Schiedsrichtern in zwischenstaatlichen und gemischten Verfahren (Herbert Utz Verlag, München, 2014).