© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 087/19 Zum Flüchtlingsbegriff und der Arbeit des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 2 Zum Flüchtlingsbegriff und der Arbeit des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästina- Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 087/19 Abschluss der Arbeit: 1. Oktober 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Status von palästinensischen Flüchtlingen 4 2.1. Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, Gründung und Scheitern von UNCCP 5 2.2. UNRWA-Arbeitsdefinition der palästinensischen Flüchtlinge 6 2.3. UNHCR und die Definition der Genfer Flüchtlingskonvention 9 2.4. Gegenüberstellung der Flüchtlingsdefinitionen von UNRWA und UNHCR 11 3. Effektivität von UNRWA 12 3.1. Evaluationsberichte von OIOS (2017) und MOPAN (2019) 13 3.2. Interner Ethikbericht mit Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 4 1. Einleitung Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East, UNRWA) unterstützt palästinensische Flüchtlinge seit der Erteilung des entsprechenden Mandats durch Resolution 302 (IV) der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Jahr 1949.1 Das Hilfswerk hat seine Arbeit 1950 aufgenommen. Sein zunächst vorübergehend erteiltes Mandat wurde seitdem stets verlängert, zuletzt bis zum 30. Juni 2020. UNRWA erbringt Leistungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit, soziale Dienste und Nothilfe für heute nahezu 5,5 Mio. registrierte palästinensische Flüchtlinge sowie ca. 620.000 andere berechtigte Personen im Gazastreifen, Westjordanland (einschließlich Ost-Jerusalem), Jordanien, Libanon und Syrien. Es beschäftigt gegenwärtig ca. 31.700 lokale und ca. 200 internationale Mitarbeiter . 2 UNRWA finanziert sich zum überwiegenden Teil durch jährliche freiwillige Spenden von Staaten bzw. privaten Organisationen. Laut eigenen Angaben verfügte UNRWA 2018 über einen Gesamthaushalt von ca. 1,3 Mrd. USD. Die größten Geber-Staaten waren nach dem Ausstieg der USA im Jahr 2018 (zuvor bis zu 380 Mio. USD jährlich) noch die EU (ca. 179 Mio. USD), Deutschland (ca. 177 Mio. USD) und Saudi Arabien (ca. 160 Mio. USD).3 Für 2019 strebt UNRWA laut seinem Leiter, Generalkommissar Pierre Krähenbühl, einen Gesamthaushalt von ca. 1,2 Mrd. USD an.4 2. Status von palästinensischen Flüchtlingen Es wird im Zusammenhang mit dem israelisch-arabischen Konflikt vor allem von tendenziell israelfreundlichen Beobachtern und Medien kritisiert, dass durch UNRWA auch die Nachkommen 1 UN General Assembly Resolution 302 (IV) vom 8. Dezember 1949, https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/0/AF5F909791DE7FB0852560E500687282, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 2 Vgl. UNRWA in figures, https://www.unrwa.org/sites/default/files/content/resources/unrwa_in_figures_2018- 2019_eng_july_final.pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 3 Vgl. UNRWA Gesamtjahresübersicht 2018, https://www.unrwa.org/sites/default/files/list_of_2018_pledges _by_all_donors.pdf, sowie die Übersichten für vergangene Jahre, UNRWA Jahresübersichten, https://www.unrwa.org/how-you-can-help/government-partners/funding-trends/donor-charts, (letzter Zugriff: jeweils 1. Oktober 2019). 4 Rede von Pierre Krähenbühl vor der UNRWA Aufsichtskommission vom 18. Juni.2019, https://www.unrwa .org/newsroom/official-statements/statement-unrwa-commissioner-general-advisory-commission-2019, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 5 der palästinensischen Flüchtlinge der zweiten und dritten Generation, die außerhalb des palästinensischen Gebietes geboren sind, ebenfalls als Flüchtlinge registriert werden.5 Durch diesen extensiven Flüchtlingsbegriff sei die Anzahl von palästinensischen Flüchtlingen von ursprünglich ca. 750.0006 auf nun ca. 5,5 Mio. angewachsen.7 Würde man die Nachkommen der Flüchtlinge nicht als Flüchtlinge registrieren, so gäbe es heute nur noch ca. 30.000 der noch lebenden ursprünglichen palästinensischen Flüchtlinge, um die sich der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nation High Commissioner for Refugees, UNHCR) kümmern könnte.8 Vor diesem Hintergrund soll in diesem Sachstand die geltende Flüchtlingsdefinition von UNRWA untersucht werden, insbesondere inwieweit sie sich von dem allgemeinen Flüchtlingsbegriff des UNHCR unterscheidet und inwieweit sich die ggf. abweichende Flüchtlingsdefinition auf die Anzahl der anerkannten palästinensischen Flüchtlinge auswirkt. Zum besseren Verständnis wird dabei auf die historische Entwicklung der Flüchtlingsdefinition und der dahinter stehenden Flüchtlingshilfswerke eingegangen. Danach folgt ein kurzer Abriss über die Arbeit und Effektivität von UNRWA. 2.1. Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge, Gründung und Scheitern von UNCCP Die politische Brisanz der Anzahl palästinensischer Flüchtlinge liegt nicht nur in der Tatsache, dass mehr anerkannte Flüchtlinge auch mehr Kosten für Hilfsmaßnahmen verursachen. Vielmehr tritt ein weiterer Aspekt hinzu: Im Abs. 11 der Resolution der VN-Vollversammlung Nr. 194 (III) ist vom Rückkehrrecht der palästinensischen Flüchtlinge zu ihren Wohnstätten bzw. der Entschädigung für ihr verlorenes Eigentum die Rede.9 Folgt man der von den arabischen Staaten vertretenen Position, dass dieser Absatz ein völkerrechtlich bindendes Recht aller palästinensischen Flüchtlinge beinhaltet, obwohl die genannte Resolution nicht vom VN-Sicherheitsrat verabschiedet wurde,10 so müsste Israel alle als palästinensische Flüchtlinge anerkannten Personen wieder aufnehmen bzw. an alle entsprechende Entschädigungen bezahlen. Auch wenn seit Jahren klar ist, dass die Aufnahme einer so großen Anzahl von Flüchtlingen praktisch nicht mehr umsetzbar 5 So Stefan Frank, UNRWA, die Schweiz und das vererbte „Flüchtlings“ Problem, Audiatur online, vom 23. Mai 2018, https://www.audiatur-online.ch/2018/05/23/unrwa-die-schweiz-und-das-vererbte-fluechtlings-problem/, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 6 UNRWA, „Palestine Refugees“, https://www.unrwa.org/palestine-refugees, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 7 Siehe statt vieler Steven J. Rosen, Why a Special Issue on UNRWA, in: Middle East Quarterly, Fall 2012, S. 3, 5. 8 So Alex Feuerherdt, Warum die UNRWA aufgelöst werden sollte, mena-watch, vom 22. März 2018, https://www.mena-watch.com/mena-analysen-beitraege/warum-die-unrwa-aufgeloest-werden-sollte/, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 9 UN General Assembly Resolution 194 (II) vom 11. Dezember 1948, https://unispal.un.org/DPA/DPR/unispal.nsf/0/C758572B78D1CD0085256BCF0077E51A, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 10 Diese höchst umstrittene Frage kann in diesem Bericht nicht behandelt werden, weil dies den Rahmen dieses Sachstands sprengen würde; vgl. eine Kurzdarstellung des Meinungsstandes bei Laury Ryseck/Margret Johannsen , Das UN-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten, in: Vereinte Nationen 6/2007, S. 228, 229. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 6 wäre,11 so spielt die maßgebliche Anzahl der palästinensischen Flüchtlinge jedenfalls eine große Rolle in den Friedensverhandlungen zwischen Israel und palästinensischen Autonomiebehörden sowie den arabischen Staaten im Rahmen einer sog. Zwei-Staaten-Lösung. Die genannte VN-Resolution Nr. 194 (III) enthält keine ausdrückliche Definition der palästinensischen Flüchtlinge. In den maßgebenden Arbeitsdokumenten des VN-Sekretariates war jedoch folgende Definition enthalten, auf die sich die Delegierten während der Ausarbeitung der Resolution bezogen: alle Menschen, die ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Palästina oder die palästinensische Staatsbürgerschaft hatten und entweder während des Konfliktes 1947-1949 vertrieben worden waren oder nicht auf das Gebiet der israelischen Kontrolle zurückkehren konnten .12 Die Nachkommen der Flüchtlinge, die nach der Flucht außerhalb ihres Heimatgebietes geboren sind, wurden dabei also nicht explizit erwähnt.13 Im Rahmen dieser Resolution wurde zudem die VN-Versöhnungskommission für Palästina (United Nations Conciliation Commission, UNCCP) gegründet und mit dem Mandat ausgestattet, für den Schutz der Flüchtlinge zu sorgen und eine dauerhafte Lösung im Sinne des genannten Rückkehrrechts zu finden. Bereits Ende der 1950er Jahre wurde dem UNCCP jedoch der Großteil ihrer finanziellen Mittel durch die VN entzogen, weil die Organisation als unfähig angesehen wurde, ihr Mandat zu erfüllen.14 Seitdem hat UNCCP stark an Bedeutung verloren, ihre Tätigkeit erschöpft sich vor allem in dem Verfassen von jährlichen Berichten an die VN, in denen auf die genannten Resolutionen verwiesen wird.15 Eine weitergehende Tätigkeit, insbesondere eine etwaige Registrierung von palästinensischen Flüchtlingen, denen ein Recht nach Abs. 11 der VN-Resolution Nr. 194 (III) zustehen könnte, gibt es nicht, obwohl dies an sich eine ureigene Aufgabe von UNCCP wäre. 2.2. UNRWA-Arbeitsdefinition der palästinensischen Flüchtlinge Die VN-Resolution 302 (IV), mit der UNRWA gegründet wurde, enthielt ebenfalls keine ausdrückliche Definition eines palästinensischen Flüchtlings. UNRWA bezog sich ursprünglich auf 11 Vgl. Steven J. Rosen (Fn. 7), S. 8. 12 Siehe Susan M. Akram, Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Kurzdossier der Bundeszentrale für politische Bildung vom 17. Juni 2016, http://www.bpb.de/gesellschaft /migration/kurzdossiers/229614/unrwa?p=all, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 13 Vgl. Steven J. Rosen (Fn. 7), S. 5. 14 Susan M. Akram, (Fn. 12). 15 Vgl. UNCCP, https://www.un.org/unispal/document-source/united-nations-conciliation-commission-for-palestine -unccp/(letzter Zugriff: 1. Oktober 2019); Ilanda Feldman, The Challenge of Categories, UNRWA and the Definition of a Palestine Refugee, in: Journal of Refugee Studies Vol. 25, Nr. 3, 2012, S. 387, 388. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 7 die oben genannte Definition des UNCCP, schränkte diese jedoch insoweit ein, als zum einen nur hilfsbedürftige palästinensische Flüchtlinge, die sowohl ihr Heim als auch die Quelle ihres Lebensunterhaltes verloren haben, zum zweiten nur solche, die sich in den Tätigkeitsbereichen von UNRWA aufhielten und sich bei UNRWA registrieren ließen, als Flüchtlinge anerkannt wurden .16 UNRWA war jedoch – im Gegensatz zu UNCCP, siehe oben – von vornherein nicht dazu berufen, die Anzahl der palästinensischen Flüchtlinge, die zur Rückkehr gem. Abs. 11 der VN-Resolution Nr. 194 (III) berechtigt sein könnten, festzustellen. Vielmehr sollte UNRWA nur einen Teil der palästinensischen Flüchtlinge, der hilfsbedürftig war und sich durch Aufhalten in bestimmten Gebieten eingrenzen ließ, mit der dringend erforderlichen Notstandshilfe versorgen.17 Die Vereinten Nationen strebten zu dem Zeitpunkt sowie anschließend in den 1950er Jahren eine zeitnahe Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge an, nach welcher diese in ihre Heimat zurückkehren bzw. zumindest in das Wirtschaftsleben des Nahen Ostens integriert werden sollten.18 Erst nachdem deutlich wurde, dass es keine schnelle politische Lösung zwischen Israel und den arabischen Staaten geben würde, stellte sich die Frage nach dem langfristigen Umgang mit den Flüchtlingen. Durch den Ausfall von UNCCP wurde UNRWA zu der maßgeblichen Organisation, die die Anzahl der palästinensischen Flüchtlinge rechtlich prüfte, effektiv feststellte und entsprechende Statistiken führte. Dadurch ist der Flüchtlingsbegriff von UNRWA immer mehr in den Fokus gerückt. Die ursprüngliche Flüchtlingsdefinition von UNRWA wurde ständig angepasst und erweitert.19 Bereits in den Arbeitsanweisungen von UNRWA von 1950 bzw. 1952 war eine Regelung enthalten , wonach die Kinder, gleichwohl ob sie während oder nach dem Krieg geboren wurden, und nach dem Krieg angeheiratete Frauen von palästinensischen Flüchtlingen selbst als Flüchtlinge zähen sollten.20 In der VN-Vollversammlung 1965 wurde nach dem Bericht des damaligen Leiters von UNRWA eine Berichtigung von existierenden Flüchtlingslisten für eine gerechtere Verteilung der verfügbaren Hilfsmittel diskutiert und von den arabischen Aufnahmestaaten vorgeschlagen, die Unterstützung von UNRWA für die dritte Generation der Flüchtlinge (Kinder von Palästinensern, die 16 Laura Ryseck/Margret Johannsen (Fn. 10), S. 230. 17 Ilana Feldman (Fn. 15), S. 392. 18 UN Gerneral Assembly Resolution 513 (IV), vom 26. Januar 1952, https://unispal.un.org/UNISPAL.NSF/0/83B95395F3058956852560EB006E3227, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019); vgl. Steven J. Rosen, Why a Special Issue on UNRWA, in: Middle East Quarterly, Fall 2012, S. 3, 4. 19 Ilana Feldman (Fn. 15), S. 392. 20 Ilana Feldman (Fn. 15), S. 392 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 8 nach Mai 1948 geboren sind) einzuschränken. Dieser Vorschlag wurde jedoch nicht angenommen .21 UNRWA setzte seine Praxis, auch die dritte Generation der Flüchtlinge zu registrieren, mangels anderen Anweisungen seitens der VN aus humanitären Gesichtspunkten fort.22 Nach dem Sechstagekrieg 1967 wurden auch die im Zuge dieses Krieges geflohenen Palästinenser dem Schutz von UNRWA unterstellt,23 sie sollten jedoch nicht die gleichen Rechte wie die Flüchtlinge von 1948 genießen und von UNRWA anders als die Flüchtlinge des Krieges von 1948 behandelt werden.24 Heute dürfen sie die Leistungen von UNRWA beziehen, werden aber nicht in dem offiziellen UNRWA-Registrationssystem geführt und sind auch nicht Teil der palästinensischen Flüchtlingspopulation.25 Die Registrierung von Nachkommen der palästinensischen Flüchtlinge durch UNRWA folgte zunächst immer der männlichen Linie, ausgehend von der Überzeugung, dass die Verantwortung eine Familie zu ernähren auf dem Vater als Familienoberhaupt liege.26 Die palästinensischen Frauen, die einen Nichtpalästinenser geheiratet haben, sowie ihre Nachkommen (weibliche Linie) können sich jedoch seit 2006 ebenfalls bei UNRWA registrieren lassen,27 und dürfen die Leistungen von UNRWA beziehen, werden jedoch ebenfalls nicht als Teil der palästinensischen Flüchtlingspopulation gezählt.28 21 The Palestine Question, Yearbook oft he United Nations (excerpts), 1965, New York, vom 31. Dezember 1965, Kapitel XIV, https://www.un.org/unispal/document/auto-insert-196187/ (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019); vgl. Steven J. Rosen (Fn. 7), S. 5. 22 Ilana Feldman (Fn. 15), S. 387, 393. 23 UN General Assembly Resolution Nr. 2252 (ES-V). Humanitarian assistance, vom 4. Juli 1967, https://unispal.un.org/UNISPAL.NSF/0/F7575BE79BBC6930852560DF0056FC78 (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 24 Birthe Tahmaz, Permanente Spannungen zwischen UNRWA und Israel – warum eigentlich?, in: SWP Berlin, Akteure des israelisch-palästinensischen Konflikts, März 2018, S. 66, 68. 25 UNRWA Consolidated Eligibility and Registration Instructions (CERI) 2009, Abschnitt I. B., https://www.unrwa .org/resources/strategy-policy/consolidated-eligibility-and-registration-instructions (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 26 Ilana Feldman (Fn. 15), S. 394. 27 Im Jahr 2006 haben diese Möglichkeit ca. 90.000 Menschen genutzt. Vgl. UNRWA Jahresbericht 2006, S. 21, https://www.unrwa.org/userfiles/20100118151154.pdf (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019); Laura Ryseck/Margret Johannsen (Fn. 10), S. 230. 28 UNRWA Consolidated Eligibility and Registration Instruchtions (CERI) 2009, Abschnitt III. A. Ziffer 2, https://www.unrwa.org/resources/strategy-policy/consolidated-eligibility-and-registration-instructions (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 9 Ein Verlust des Flüchtlingsstatus nach der Registrierung einer Person als berechtigter Flüchtling durch UNRWA ist nicht vorgesehen. Eine Austragung aus dem UNRWA-Register geschieht entweder nach der Feststellung des Todes des Flüchtlings oder der Feststellung, dass die ursprüngliche Eintragung fälschlicherweise erfolgte.29 2.3. UNHCR und die Definition der Genfer Flüchtlingskonvention Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR wurde am 14. Dezember 1950 als Nebenorgan der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit dem Ziel geschaffen, Lösungen für die Vertriebenen und Flüchtlinge weltweit und insbesondere für die innerhalb Europas nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zu finden. UNHCR soll gemäß seiner Satzung die Einhaltung der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 fördern und überwachen.30 UNHCR befasst sich – ähnlich wie UNRWA – nicht nur mit lebensrettender Nothilfe für Flüchtlinge im Gesundheits-, Sanitär- und Lebensmittelbereich, sondern organisiert auch längerfristig angelegte Hilfsprogramme, etwa für Trinkwasseraufbereitung, Zugang zu Wohnraum und zu Bildung. Gegenwärtig stehen ca. 20 Mio. Flüchtlinge in der ganzen Welt unter dem Schutz von UNHCR, für die etwa 16.000 internationale wie nationale Mitarbeiter/-innen zuständig sind.31 Die Genfer Flüchtlingskonvention wurde also zu der Zeit verabschiedet, als UNCCP und UNRWA bereits ihre Tätigkeit aufgenommen hatten. Um Konflikte zwischen diesen Organisationen und dem für die Durchsetzung der Genfer Flüchtlingskonvention zuständigen UNHCR zu vermeiden, wurde ein speziell auf die palästinensischen Flüchtlinge zugeschnittener Ausnahmeartikel aufgenommen ,32 nämlich Artikel 1 D S. 1 Genfer Flüchtlingskonvention: „Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen“. Die palästinensischen Flüchtlinge, die sich bei UNRWA registriert haben bzw. Leistungen von UNRWA beziehen, einschließlich der Flüchtlinge nach dem Sechstagekrieg 1967, sind damit formell von dem Schutzbereich der Genfer Flüchtlingskonvention ausgenommen.33 Nur wenn dieser Schutz oder die Unterstützung wegfielen, etwa durch eine Auflösung von UNRWA, ohne dass das Schicksal der Flüchtlinge gemäß Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt wäre, so würden auch die zunächst von der UNRWA unterstützten palästi- 29 Vgl. UNRWA CERI 2009 (Fn. 25), Abschnitt IV. D. 30 UN General Assembly Resolution 428 (V), vom 14. Dezember 1950, https://www.unhcr.org/dach/wp-content /uploads/sites/27/2017/04/01_UNHCR-Satzung.pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 31 UNHCR in 2018, http://reporting.unhcr.org/sites/default/files/gr2018/pdf/01b_Mission.pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 32 Vgl. Susan M. Akram, (Fn. 12). 33 UNHCR, Note über die Anwendbarkeit von Artikel 1 D des Abkommens von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge auf palästinensische Flüchtlinge, https://www.refworld.org/pdfid/3dca83437.pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 10 nensischen Flüchtlinge gem. Artikel 1 D S. 2 GFK automatisch unter die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Solange UNRWA jedoch weiter besteht, können nur solche palästinensische Flüchtlinge den Schutz des UNHCR beanspruchen, die nicht dem Schutzregime von UNRWA unterstellt sind. Nach der Definition von UNHCR ist ein Flüchtling „jede Person, die aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität oder wegen ihrer politischen Meinung außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und nicht im Stande oder, infolge dieser Furcht oder aus anderen Gründen als persönlichem Belieben, nicht gewillt ist, den Schutz dieses Landes in Anspruch zu nehmen, oder jeden Person, die nicht im Besitz einer Staatsangehörigkeit ist und sich außerhalb des Landes ihrer früheren gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und die nicht im Stande oder, infolge dieser Furcht oder aus anderen Gründen als persönlichem Belieben , nicht gewillt ist, dorthin zurückzukehren.“ Aus dieser Definition lassen sich zwei Punkte herausfiltern, die erfüllt sein müssen: Erstens, eine begründete Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat aus bestimmten Gründen, und zweitens der Aufenthalt außerhalb des Herkunftsstaates. Die Nationalität oder Staatenlosigkeit der Person spielt dabei nur insoweit eine Rolle, dass als Herkunftsstaat entweder der Staat angesehen wird, dessen Nationalität die Person besitzt, oder der Staat, in dem die staatenlose Person zuvor einen ständigen Wohnsitz hatte.34 Sog. Binnenflüchtlinge, die sich innerhalb ihres Herkunftsstaates befinden , werden also nicht erfasst, sodass in diesem Zusammenhang die völkerrechtliche Anerkennung etwaiger Staatsteilungen von großer Bedeutung für den Flüchtlingsschutz sein kann.35 Nach dem Grundsatz der Familieneinheit, der vom UNHCR konsequent angewandt wird, können zudem die Familienangehörigen bzw. die Nachkommen von Flüchtlingen einen sog. abgeleiteten Flüchtlingsstatus erhalten. Die Definition der Familienangehörigen ist hier denkbar weit, darunter können neben den Ehegatten und minderjährigen Kindern auch dauerhafte Partner ohne Eheschließung, volljährige verheiratete Kinder und andere Verwandte fallen, sofern sie von dem Flüchtling abhängig sind.36 Der einmal erworbene abgeleitete Flüchtlingsstatus eines Kindes bleibt auch nach Erreichen der Volljährigkeit in Kraft. Das gleiche gilt im Fall der Scheidung für den Ehepartner.37 Ferner sieht die Genfer Flüchtlingskonvention in Artikel 1 C. Nr. 1-6 bestimmte Gründe vor, die zum Verlust des Flüchtlingsstatus führen. Dieser tritt insbesondere dann ein, wenn eine Person – jeweils freiwillig – in ihr Herkunftsstaat zurückkehrt oder sich dem Schutz des Herkunftsstaates 34 Zimmermann/Mahler, „Article 1 A, para. 2“, in: Zimmermann (Hrsg.), The 1951 Convention relating to the Status of Refugees and ist 1967 Protocoll: A Commentary (OUP, Oxford, 2011), S. 441, Rn 578. 35 Zimmermann/Mahler (Fn. 33) , S. 441, Rn. 579 f. 36 UNHCR, Procedural Standards for Refugee Status Determination under UNHCR’s Mandate, Ziffer 5.1, https://www.unhcr.org/4317223c9.pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 37 UNHCR, Procedural Standards for Refugee Status Determination under UNHCR’s Mandate, Ziffer 5.1.1, https://www.unhcr.org/4317223c9.pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 11 unterstellt oder ihre verlorene Staatsangehörigkeit wiedererlangt oder eine Staatsangehörigkeit eines Drittstaates erlangt und sich dem Schutz dieses Drittstaates unterstellt. Der Flüchtlingsstatus entfällt zudem in dem Fall, wenn die Verfolgungsgründe wegfallen und eine Rückkehr in den Herkunftsstaat möglich ist. 2.4. Gegenüberstellung der Flüchtlingsdefinitionen von UNRWA und UNHCR Mit der Einbeziehung von Nachkommen der palästinensischen Flüchtlinge der zweiten, dritten sowie nachfolgenden Generationen in seine Flüchtlingsdefinition steht UNRWA nicht allein da. Der Flüchtlingsbegriff des UNHCR bietet im Zusammenhang mit dem weit auszulegenden Grundsatz der Familieneinheit ebenfalls die Möglichkeit, den (abgeleiteten) Flüchtlingsstatus an die Ehegatten und alle Nachkommen weiterzugeben, eine Einschränkung hinsichtlich der nach der Flucht vergangenen Zeit oder Anzahl von Generationen existiert hier nicht.38 In einigen Punkten ist die Flüchtlingsdefinition von UNRWA sogar enger als von UNHCR: So werden die Nachkommen weiblicher Linie bei UNRWA erst seit kurzem für den Empfang der Hilfeleistungen registriert, jedoch nicht als Teil der Flüchtlingspopulation geführt. UNHCR unterscheidet dagegen nicht zwischen Nachkommen weiblicher und männlicher Linie. Würde man auf die palästinensischen Flüchtlinge weiblicher Linie die Definition von UNHCR anwenden, so müsste man wohl mindestens ca. 100.000 Flüchtlinge dazuzählen müssen bzw. weit mehr, würde man diese Definition bereits seit dem Anfang des Konfliktes 1948 konsequent anwenden. In einem anderen Aspekt erweist sich die UNRWA-Arbeitsdefinition jedoch als weiter gefasst: Im Gegensatz zu UNHCR und Genfer Flüchtlingskonvention sind bis auf den Tod keine Gründe für einen Verlust des Flüchtlingsstatus vorgesehen. Bei palästinensischen Flüchtlingen könnte hier gerade die Annahme einer anderen Staatsangehörigkeit insoweit eine große Rolle spielen. Jordanien hat bis 1967 allen auf sein Gebiet geflohenen Palästinensern die jordanische Staatsangehörigkeit verliehen,39 sodass diese Menschen bei Anwendung der UNHCR-Flüchtlingsdefinition ihren Flüchtlingsstatus verlieren würden. Alle Staaten der Arabischen Liga verfolgen jedoch seit 1965 die explizite Politik, palästinensischen Flüchtlingen nicht die jeweilige Staatsangehörigkeit zu verleihen.40 Ebenfalls könnte man überlegen, die palästinensischen Flüchtlinge, die nach Gaza und Westjordanland geflohen sind und dort von den Autonomiebehörden eine palästinensische Staatsange- 38 Zu dem Schluss kommt selbst der UNRWA-Kritiker Steven J. Rosen (Fn. 7), S. 10; so auch die Stellungnahme von UNRWA, Abteilung von Rechtsfragen, Registrierung von Flüchtlingsnachkommen: „Das Familienzugehörigkeits -Prinzip“, April 2019. 39 Judith Miller und David Samuel, No way home: the tragedy oft he Palestinian diaspora, the Independent vom 21. Oktober 2009, https://www.independent.co.uk/news/world/middle-east/no-way-home-the-tragedy-of-thepalestinian -diaspora-1806790.html (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 40 Siehe Protocol for the Treatment of Palestinian in Arab States („Casablanca Protocol“), https://www.refworld.org/docid/460a2b252.html, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 12 hörigkeit erworben haben, ebenfalls nach Grundsätzen des UNHCR als Nichtflüchtlinge anzusehen .41 Voraussetzung dazu wäre, dass sowohl Israel als auch das heutige Palästina, bestehend aus Gaza und Westjordanland, als eigenständige Staaten anerkannt werden, was nicht alle VN-Staaten tun.42 Dies würde die Gesamtzahl der palästinensischen Flüchtlinge um die gegenwärtig im Westjordanland und Gazastreifen insg. ca. 2,2 Mio. registrierten Flüchtlinge senken. Politisch käme dies aber einer vorgezogenen Zwei-Staaten-Lösung des Nahostkonfliktes gleich, die bisher an vielen anderen Punkten, wie unter anderem dem Bau der israelischen Siedlungen im Westjordanland scheitert. 3. Effektivität von UNRWA Wie oben bereits dargestellt, besteht das Mandat von UNRWA in der Erbringung von Hilfsleistungen an die berechtigten palästinensischen Flüchtlinge. Zu diesem Zwecke nimmt UNRWA jährlich bestimmte Geldsummen ein, mit denen es seine (Wirtschafts-)tätigkeit finanziert. Hier werden Anhaltspunkte analysiert, inwieweit die Tätigkeit von UNRWA anhand der vorhandenen Mittel entsprechend dem Tätigkeitszweck als effektiv oder ineffektiv angesehen werden kann. Da das Mandat von UNRWA nicht eine Herbeiführung der politischen Lösung der palästinensischen Flüchtlingsfrage umfasst und dafür die Vereinten Nationen als solche bzw. das nun vorwiegend auf dem Papier tätige UNCCP zuständig sind, werden bei der Beurteilung der Effektivität nicht die Überlegungen mit einbezogen, ob die Tätigkeit von UNRWA unmittelbar oder mittelbar zu der Lösung der Flüchtlingsfrage bzw. des arabisch-israelischen Konfliktes beiträgt.43 UNRWA stellt auf seiner Webseite umfassende Materialien zur Verfügung, um Rechenschaft über Mittelverwendung, einzelne Projektaktivitäten und laufende Reformbemühungen abzulegen.44 Dabei werden gegenwärtig 58 Prozent der Geldmittel im Bereich der Bildung, 15 Prozent im Bereich der Gesundheitsversorgung, 13 Prozent für Verwaltung sowie ca. 10 Prozent im Bereich Soziales und Infrastruktur ausgegeben. Die angegebenen Verwaltungskosten liegen damit in dem Bereich von unter 20 Prozent, der für eine NGO grundsätzlich als angemessen betrachtet wird.45 41 So Steven J. Rosen (Fn. 7), S. 7 ff., der die Situation der Palästinenser in Gaza und Westjordanland als „Refugees in their own homeland“ bezeichnet. 42 Vgl. zu der Staatenlosigkeit von Palästinensern die umfangreiche Ausarbeitung: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand, Zur Staatenlosigkeit von Palästinensern und zur Anerkennung Palästinas und der von seinen Behörden ausgegebenen Reisedokumente, WD 2 – 300 – 057/18, vom 7. Mai 2018. 43 Vgl. zu der Frage, inwieweit die Tätigkeit von UNRWA sich mittelbar auf die Situation im Nahen Osten auswirkt , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Sachstand, Mittelbare Auswirkungen der Verwendung internationaler Hilfsgelder durch das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina Flüchtlinge, WD 2 – 300 – 131/18, vom 19. September 2018. 44 Siehe UNRWA, „How we spend funds“, https://www.unrwa.org/how-you-can-help/how-we-spend-funds, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 45 Vgl. etwa NGO:Dialog professionell, Aktuelle Debatte, Verwaltungskosten: Effektivität statt Minimierungsdruck, http://ngo-dialog.de/index.php/newsletter-artikel-lesen/items/verwaltungskosten-effektivitaet-statt-minimierungsdruck .html, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 13 3.1. Evaluationsberichte von OIOS (2017) und MOPAN (2019) Die Tätigkeit von UNRWA wird regelmäßig von den darauf spezialisierten Dienstleistern evaluiert . Hier sind insbesondere die VN-interne Untersuchungskommission Office of Internal Oversight Services (OIOS) sowie der externe Evaluations-Anbieter Multilateral Organisation Perfomance Assessment Network (MOPAN) hervorzuheben, die in den letzten Jahren regelmäßig eine Evaluierung von UNRWA vorgenommen haben. Die letzte Evaluation von OIOS fand Ende 2016 statt, der entsprechende Bericht wurde am 12. Januar 2017 veröffentlicht.46 Im Rahmen dieser Evaluation untersuchte OIOS die Tätigkeit von UNRWA in 2010-2015 sowie deren mittelfristige Planung für die Jahre 2016-2021 und stellte fest, dass das von UNRWA erklärte Ziel der Verbesserung des Lebens von palästinensischen Flüchtlingen bis zu einem annehmbaren Standard nicht erreicht werden konnte. Dafür wurden zum einen das schwierige politische Umfeld der Tätigkeit, insbesondere das Fehlen einer politischen Lösung für den israelisch-palästinensischen Konflikt, aber auch organisatorische Verfehlungen von UNRWA im Hinblick auf die Umsetzung interner Reformvorhaben, als Gründe angeführt.47 OIOS hat im Ergebnis zwei grundlegende Empfehlungen an UNRWA gemacht: Verstärkung des internen Rechenschaftssystems und bessere Vorausplanung der für die mittelfristige Entwicklungsstrategie notwendiger Geldmittel, um ggf. deren Fehlen konkret an die Geldgeber kommunizieren zu können.48 Die Führungsverantwortlichen von UNRWA haben sich mit diesen Empfehlungen einverstanden erklärt.49 Der letzte MOPAN-Evaluationsbericht über UNRWA wurde im Juni 2019 veröffentlicht.50 Darin wurde die starke Bedeutung von UNRWA für die Bildung, Gesundheits- und Sozialsystem der Region sowie deren einzigartige Expertise im lokalen humanitären Bereich dank des langjähren Einsatzes und Beschäftigung von lokalen Mitarbeitern hervorgehoben. Ausdrücklich gelobt wurden das ergebnisbasierte Aufsichtssystem sowie die qualitativ hoch entwickelten Gesundheitsund Bildungsprogramme.51 Als Verbesserungsmöglichkeiten nannte MOPAN vor allem den Bereich der strategischen Evaluierung und langfristigen Personalplanung sowie die Sicherung von Nachhaltigkeit.52 46 OIOS Bericht, E/AC.51/2017/3 vom 12. Januar 2017, verfügbar unter https://oios.un.org/internal-audit-reports ?field_report_entity_value=&field_report_no_value=&order=field_report_issue_date&sort=asc&page=2, , (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 47 OIOS Bericht (Fn. 45), S. 1 f. 48 OIOS Bericht (Fn. 45), S. 1 f. 49 OIOS Bericht (Fn. 45), S. 35 ff. 50 MOPAN 2017-18 Assessments, United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA), published June 2019, http://www.mopanonline.org/assessments/unrwa2017-18/UNRWA%20Report .pdf, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 51 MOPAN Bericht, S. 7. f. 52 MOPAN Bericht, S. 8. f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 087/19 Seite 14 3.2. Interner Ethikbericht mit Vorwürfen der Korruption und Vetternwirtschaft Die internationalen Medien berichteten im Juli 2019 über einen internen Ethikbericht der UNRWA, der auch dem VN-Generalsekretär Antonio Guterres seit Dezember 2018 vorliegen soll.53 In diesem Bericht wurde den obersten Führungsfunktionären von UNRWA, einschließlich des Generalkommissars Pierre Krähenbühl, Machtmissbrauch, Diskriminierung, Korruption und Vetternwirtschaft vorgeworfen.54 Zwei ranghohe UNRWA-Mitarbeiter, die stellvertretende Leiterin Sandra Mitchell und der Personalverantwortliche Hakam Shahwan, sind nach dem Bekanntwerden der Vorwürfe zurückgetreten, wobei der Zusammenhang zwischen deren Rücktritt und den Vorwürfen offiziell unter Hinweis auf laufende Untersuchungen verneint wird.55 Aktuell laufen die Untersuchungen der Vorwürfe durch das VN-interne Untersuchungsgremium OIOS. UNRWA hat wegen laufender Ermittlungen bisher auf inhaltliche Stellungnahmen verzichtet und seine umfassende Kooperationsbereitschaft bei den Ermittlungen zugesichert.56 Mit dem Bericht wird frühestens im Oktober 2019 gerechnet. Einige Geber-Staaten wie die Schweiz,57 die Niederlande,58 Belgien59 und Neuseeland60 haben ihre Zahlungen an UNRWA vorläufig eingestellt. Deutschland ist diesem Beispiel bisher nicht gefolgt; die Bundesregierung hat auf eine offizielle Stellungnahme vorerst verzichtet. *** 53 Ian Williams, Al Jazeera News vom 29. Juli 2019 https://www.aljazeera.com/news/2019/07/ethics-report-accuses -unrwa-leadership-abuse-power-190726114701787.html, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 54 Siehe Deutsche Welle, Massives Fehlverhalten von UNRWA-Mitarbeitern angeprangert, Meldung vom 29.07.2019, https://www.dw.com/de/massives-fehlverhalten-von-unrwa-mitarbeitern-angeprangert/a-49789845, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 55 UNRWA, Operations in support of hope and dignity for palestine refugees continues, Official Statement vom 1. August 2019, https://www.unrwa.org/newsroom/official-statements/unrwa-operations-support-hope-and-dignity -palestine-refugees-continues, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 56 UNRWA, ibid. 57 SRF, Beitrag aus Echo der Zeit vom 29. Juli 2019, https://www.srf.ch/news/international/unter-schweizer-fuehrung -korruption-beim-palaestinenserhilfswerk-der-uno, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 58 Fabian Schäfer, Michael Surber, Neue Züricher Zeitung Digital vom 30. Juli 2019, https://www.nzz.ch/schweiz/schweiz-stellt-zahlungen-an-uno-palaestinenserhilfswerk-vorlaeufig-einld .1499020?fbclid=IwAR0pyTWGtcT8BaQyiiGzgdqDcsFb2FL9j7gtSOfEYXlb0Y9D3181A_O1tBk, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 59 Tovah Lazaroff, The Jerusalem Post vom 4. August 2019, https://www.jpost.com/Middle-East/Belgium-suspends -UNRWA-funds-following-reports-of-ethical-misconduct-597561, (letzter Zugriff: 1. Oktober 2019). 60 Alex Winston, The Jerusalem Post vom 27. August 2019, https://www.jpost.com/Middle-East/New-Zealandsuspends -funding-to-UNRWA-NGO-says-599719; IINZ News vom 27. August 2019, https://israelinstitute .nz/2019/08/confusion-at-mfat-over-unrwa-funding/ (letzter Zugriff jeweils: 1. Oktober 2019).