Zum Rechtsrahmen für die Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 2 - 3000 - 087/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser: Zum Rechtsrahmen für die Stationierung ausländischer Truppen in Deutschland Ausarbeitung WD 2 - 3000 - 087/08 Abschluss der Arbeit: 30.09.2008 Fachbereich WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und Humanitäre Hilfe Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. Inhalt 1. Einleitung 3 2. Fortgeltung des Aufenthaltsvertrages nach der Wiedervereinigung 3 3. Inhalt und Entwicklungsoffenheit des Aufenthaltsvertrages 4 - 3 - 1. Einleitung Nach Auskunft der Bundesregierung planen die Vereinigten Staaten von Amerika, ihre auf Afrika bezogene Militärstruktur innerhalb des in Stuttgart angesiedelten Regionalkommandos EUCOM im Herbst 2008 neu zu strukturieren und als eigenes Regionalkommando AFRICOM vorübergehend ebenfalls in Stuttgart anzusiedeln. Diese Planungen erfolgten im Einvernehmen mit der Bundesregierung.1 Informationen über die Modalitäten , in denen dieses Einvernehmen hergestellt wurde, sind hier nicht bekannt. Die Stationierung ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland wird durch den Vertrag „über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“ vom 23. Oktober 19542 (Aufenthaltsvertrag) ermöglicht. Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wurde der Aufenthaltsvertrag durch die „Vereinbarung vom 25. September 1990 zu dem Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland“3 bestätigt und in Detailregelungen fortgeschrieben . Im Folgenden soll der Rahmen, den der Aufenthaltsvertrag für die Stationierung ausländischer Streitkräfte in Deutschland nach der Wiedervereinigung bereitstellt, untersucht werden. Bevor der Inhalt des Aufenthaltsvertrages dargestellt wird, ist zunächst zu beleuchten, welche Auswirkungen die Wiedervereinigung auf die Geltung des Aufenthaltsvertrages hatte. 2. Fortgeltung des Aufenthaltsvertrages nach der Wiedervereinigung Durch die Wiedervereinigung ist die Bundesrepublik Deutschland nach ganz herrschender Ansicht in ihrer Völkerrechtssubjektivität nicht berührt worden.4 Ihr Staatgebiet ist lediglich erweitert worden. Aus Sicht des Völkerrechts handelt es sich um den identischen Staat. Daher gelten auch alle völkerrechtlichen Verträge, die die Bundesrepublik Deutschland vor dem 3. Oktober 1990 geschlossen hat, weiterhin. Dies schließt den Aufenthaltsvertrag mit ein. 1 Antwort des Staatsministers Gloser auf die schriftliche Frage Nr. 6/33 vom Juni 2008. 2 BGBl. 1955 II, S. 253. 3 BGBl. 1990 II, S. 1390, 1392. 4 Zimmermann, Staatennachfolge in völkerrechtliche Verträge, 2000, S. 127; Frowein, Die Identität der Bundesrepublik Deutschland als Völkerrechtssubjekt, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Bd. VIII, 1995, S. 477, Rn. 4 ff. - 4 - Dieses Verständnis liegt auch dem Einigungsvertrag zugrunde, der in Art. 11 unter anderem normiert, dass die bisherigen Verträge der Bundesrepublik Deutschland ihre Gültigkeit behalten. Dabei gilt in der Regel der Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen, der auch im Hinblick auf Bündnisverpflichtungen Anwendung findet.5 In diesem Sinne hat auch der NATO-Rat am 3. Oktober 1990 festgestellt, dass die Garantien der Art. 5 und 6 des Nordatlantischen Vertrages für das gesamte Gebiet des vereinigten Deutschland gelten.6 Eine Ausnahme sieht allerdings Art. 11 Einigungsvertrag für bestimmte, ausdrücklich im Anhang aufgeführte Abkommen vor, die zwar ihre Gültigkeit behalten, die aber auf das Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland beschränkt bleibt. Nach Anlage I Abschnitt I Nr. 3 des Einigungsvertrages gehört hierzu auch das Stationierungsabkommen von 1954. Hintergrund ist, dass im sogenannten „Zwei plus Vier-Vertrag“7 vorgesehen ist, dass ausländische Truppen nicht im Beitrittsgebiet stationiert werden dürfen (Art. 5 Abs. 3 Satz 3). 3. Inhalt und Entwicklungsoffenheit des Aufenthaltsvertrages Art. 1 des Aufenthaltsvertrages regelt, dass unter anderem Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika in gleicher Effektivstärke wie zur Zeit des Inkrafttretens des Vertrages in der Bundesrepublik Deutschland stationiert sein dürfen. Die Zweckbindung dieser Befugnis ergibt sich aus der Präambel des Vertrages. Danach dient der Aufenthalt der Streitkräfte im Hinblick auf die gegenwärtige internationale Lage der Verteidigung der freien Welt. Eine Begrenzung auf Aktivitäten, die im direkten Zusammenhang mit der NATO stehen, findet sich im Aufenthaltsvertrag nicht. Sie ist auch in der Vereinbarung zum Aufenthaltsvertrag aus dem Jahr 1990 nicht ausdrücklich enthalten. Art. 3 Abs. 1 Aufenthaltsvertrag sieht vor, dass dieser Vertrag zum einen mit dem Abschluss einer friedensvertraglichen Regelung mit Deutschland außer Kraft tritt. Das gleiche gilt, wenn die vertragsschließenden Parteien zu einem früheren Zeitpunkt übereinkommen , dass die Entwicklung der internationalen Lage neue Abmachungen rechtfertigt . Diese Formulierung verweist auf die Präambel, die als Zweck der Anwesenheit von ausländischen Truppen in Deutschland auf die „gegenwärtige internationale Lage“ und auf die „Notwendigkeit, die Verteidigung der freien Welt sicherzustellen“, hinweist . 5 Zimmermann (Fn. 4), S. 747. 6 Vgl. das Zitat bei Zimmermann (Fn. 4), S. 745 f. 7 Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland, BGBl. 1990 II, S. 1318. - 5 - Durch die Vereinbarung zum Aufenthaltsvertrag aus dem Jahr 1990 wird unter anderem festgelegt, dass Deutschland mit einer Frist von zwei Jahren den Aufenthaltsvertrag durch eine diesbezügliche Anzeige beenden kann. Für die Frage, zu welchen Zwecken aus juristischer Sicht ausländische Truppen in Deutschland stationiert werden dürfen, ist insbesondere von Bedeutung wie die Formulierungen der Präambel auszulegen sind. Jedenfalls bei institutionellen Verträgen und sogenannten Regelungsverträgen wird eine dynamische Auslegung ganz überwiegend für zulässig gehalten. Als Regelungsverträge werden dabei Verträge verstanden, die ein zukünftiges gemeinsames Verhalten der Vertragspartner zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels zum Gegenstand haben.8 Es lassen sich verschiedene Gründe für die Ansicht anführen, dass auch die Auslegung des Aufenthaltsvertrages nicht auf den Kontext des Jahres 1954 beschränkt ist, sondern einer Weiterentwicklung zugänglich ist. Zunächst legt in systematischer Hinsicht die ursprüngliche Beendigungsklausel des Art. 3 ein entwicklungsoffenes Verständnis nahe. Veränderungen der internationalen Lage sollten erst dann zum Außerkrafttreten des Vertrages führen, wenn die Vertragsparteien übereinkommen, d. h. übereinstimmend der Ansicht sind, dass eine Anpassung gerechtfertigt ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass andere Veränderungen die Geltung des Vertrages nicht berühren. Er soll also auch unter veränderten Bedingungen weiter gelten . Für eine Auslegung des Aufenthaltsvertrages ist weiterhin relevant, dass der Vertrag durch die Vereinbarung aus dem Jahr 1990 ausdrücklich und völkerrechtlich verbindlich bestätigt wurde. Angesichts der zu diesem Zeitpunkt im Vergleich zum Jahr 1954 erheblich veränderten internationalen Lage lässt sich dies als Grund dafür anführen, dass die zulässigen Zwecke für die Stationierung ausländischer Truppen unter anderem mit den sicherheitspolitischen Entwicklungen fortgeschrieben werden. Diese Sicht hat sich auch der Bundestag implizit zu Eigen gemacht, in dem er dem Einigungsvertrag zugestimmt hat. Dieser sieht in Art. 11 vor, dass die bestehenden Verträge der Bundesrepublik Deutschland weiterhin ihre Gültigkeit behalten. Dies betrifft auch den Aufenthaltsvertrag, der in Anlage I Abschnitt 1 Nr. 3 sogar ausdrücklich erwähnt wird. Daraus lässt sich schließen, dass davon ausgegangen wird, dass auch nach Ende des Ost-West-Konflikts die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte auf dem Gebiet der alten Bundesländer weiterhin den 1954 niedergelegten Zielen dient. 8 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. 1/3, 2. Auflage 2001, S. 649; Doehring, Völkerrecht, 2. Auflage 2004, Rn. 394 f. - 6 - Angesichts der Entwicklungsoffenheit des Aufenthaltsvertrages und des nicht unerheblichen Gestaltungsspielraums der Regierung im Bereich der Auswärtigen Gewalt9 lassen sich auf Grundlage der vorliegenden Informationen Gründe dafür anführen, dass auch die Etablierung eines Regionalkommandos AFRICOM durch die Vereinigten Staaten von Amerika durch den Aufenthaltsvertrag gedeckt ist. Dies gilt insbesondere, wenn zwischen den Vertragspartnern die sicherheitspolitische Einschätzung insoweit nicht umstritten scheint. 9 BVerfGE 104, 151, 210.