© 2019 Deutscher Bundestag WD 2 – 3000 – 086/19 Rechtsverbindlichkeit völkerrechtlicher Abkommen sowie der Beschlüsse von Einrichtungen der VN Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/19 Seite 2 Rechtsverbindlichkeit völkerrechtlicher Abkommen sowie der Beschlüssen von Einrichtungen der VN Aktenzeichen: WD 2 - 3000 - 086/19 Abschluss der Arbeit: 6. August 2019 Fachbereich: WD 2: Auswärtiges, Völkerrecht, wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Verteidigung, Menschenrechte und humanitäre Hilfe Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Innerstaatliche Rechtswirkung völkerrechtlicher Verträge 4 2. Innerstaatliche Rechtswirkung der Beschlüsse internationaler Einrichtungen 4 3. Rechtliche Verbindlichkeit einzelner Menschenrechtsabkommen für Deutschland 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/19 Seite 4 1. Innerstaatliche Rechtswirkung völkerrechtlicher Verträge Stellung und Wirkung völkerrechtlicher Verträge innerhalb der nationalen Rechtsordnungen der Vertragsstaaten richten sich nach dem jeweils anwendbaren innerstaatlichen Recht. Dabei ist es unerheblich, ob der völkerrechtliche Vertrag als Übereinkommen, Abkommen, Konvention, Pakt oder anders bezeichnet wird, es kommt allein auf seine Rechtsnatur als Vertrag an.1 Im deutschen Recht haben völkerrechtliche Verträge, die nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz2 der Zustimmung bzw. Mitwirkung der jeweils für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften bedürfen, den Rang einfacher Bundesgesetze. Nach Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz sind die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an die Gesetze gebunden. Im Bereich menschenrechtlicher Verträge gibt es in diesem Zusammenhang zwei Besonderheiten zu beachten: Zum einen hat die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten 3 zwar den Rang eines förmlichen Bundesgesetzes, doch ist sie nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darüber hinaus auch für die Auslegung der Grundrechte heranzuziehen .4 Zum anderen gibt es in den Menschenrechtsverträgen Bestimmungen, die zugleich als zwingendes Völkerrecht (ius cogens) zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts im Sinne von Art. 25 Grundgesetz zählen und daher den förmlichen Gesetzen vorgehen. Ein Beispiel hierfür ist etwa das Verbot der Auslieferung in ein Land, in dem Folter oder unmenschliche bzw. grausame Behandlung drohen.5 2. Innerstaatliche Rechtswirkung der Beschlüsse internationaler Einrichtungen Der völkerrechtliche Status von Beschlüssen oder Resolutionen internationaler Organisationen richtet sich nach deren jeweiligen Satzungen, die ihrerseits wiederum in aller Regel als völkerrechtliche Verträge zu qualifizieren sind.6 In aller Regel sind Rechtsakte, die von internationalen 1 Siehe Art. 2 Abs. 1 lit. a des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, BGBl. 1985 Teil II S. 926 ff., https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl285s0926.pdf%27%5D #__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl285s0926.pdf%27%5D__1564990395800. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, https://www.gesetze-im-internet.de/gg/GG.pdf. 3 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 1952 Teil II S. 685 ff., https://dejure.org/BGBl/1952/BGBl._II_S._685. 4 Siehe statt vieler Hans D. Jarass, in: ders./Bodo Pieroth, Grundgesetz Kommentar, 13. Auflage, München 2014, Art. 1, Rz. 29 mit Rechtsprechungsnachweisen. 5 Hans D. Jarass, op.cit, Art. 25, Rz. 10 mit Rechtsprechungsnachweisen. 6 Siehe im Einzelnen Markus Benzing, International Organizations or Institutions, Secondary Law, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law- 9780199231690-e508#law-9780199231690-e508-div1-2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/19 Seite 5 Organisationen erlassen werden, innerstaatlich nicht unmittelbar anwendbar. Die Mitgliedstaaten der jeweiligen internationalen Organisation können jedoch verpflichtet sein, die aus dem Rechtsakt der internationalen Organisation ggf. resultierende Verpflichtung in innerstaatliches Recht umzusetzen.7 Vor dem Hintergrund der Fragestellung des Auftraggebers nach „Resolutionen der Vereinten Nationen “ kommt es darauf an, welches Organ der VN8 die jeweilige Resolution aufgrund welcher Rechtsgrundlage innerhalb der VN-Charta angenommen hat. Resolutionen des VN- Sicherheitsrats können nach Art. 25 VN-Charta rechtsverbindlich sein. Beschlüsse des VN-Sicherheitsrats nach Kapitel 7 der VN-Charta zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit sind für die VN-Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich. Der VN-Sicherheitsrat kann sich jedoch auch anderer, rechtlich unverbindlicher Handlungsinstrumente bedienen und z.B. Empfehlungen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten nach Kapitel 6 VN-Charta aussprechen. Resolutionen der VN-Generalversammlung, die nicht lediglich organinterne (Verfahrens-)Regelungen zum Gegenstand haben, sind für die VN-Mitgliedstaaten grundsätzlich rechtlich nicht verbindlich.9 Der Text der VN-Charta weist Resolutionen der VN-Generalversammlung als „Empfehlungen“ aus. Allerdings hat sich die völkerrechtliche Bewertung der Resolutionen der VN-Generalversammlung seit Gründung der VN fortentwickelt. Zum einen gibt es Erklärungen, die im Konsens als Resolution angenommen wurden und bereits bei ihrer Verabschiedung Völkergewohnheitsrecht widerspiegelten. Der Internationale Gerichtshof hat dies z.B. im Hinblick auf die „Friendly Relations Declaration“10 bejaht.11 In diesem Fall wird die gewohnheitsrechtliche Bindung der Staaten an den Resolutionsinhalt durch die Resolution bekräftigt. Zum anderen können die Resolutionsinhalte sich selbst zum Völkergewohnheitsrecht entwickeln. Dies wird 7 A.a.O., Rz. 12–35. 8 Vgl. hierzu Art. 7 Abs. 1 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1946, BGBl. 1973 Teil II S. 430, https://www.unric.org/de/charta. 9 Siehe im Einzelnen Christian Tomuschat, United Nations, General Assembly, in: Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), MPEPIL, https://opil.ouplaw.com/view/10.1093/law:epil/9780199231690/law-9780199231690- e555?prd=EPIL#law-9780199231690-e555-div1-4, Rz. 15 ff. 10 Erklärung über Grundsätze des Völkerrechts betreffend freundschaftliche Beziehungen und Zusammenarbeit zwischen den Staaten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen („Friendly Relations Declaration“), A/RES/2625 (XXV), 24. Oktober 1970, https://www.un.org/depts/german/gv-early/ar2625.pdf. 11 ICJ, Militarv and Puramilitary Activities in und against Nicaragua (Nicaragua v. United States of America), Merits , Judgment, I.C.J. Reports 1986, p. 14. https://www.icj-cij.org/files/case-related/70/070-19860627-JUD-01-00- EN.pdf, Par. 188 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/19 Seite 6 in der völkerrechtswissenschaftlichen Literatur sowie der Staatenpraxis insbesondere im Hinblick auf wesentliche Teile der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte12 angenommen.13 3. Rechtliche Verbindlichkeit einzelner Menschenrechtsabkommen für Deutschland Die Fragestellung des Auftraggebers nach der Bindungswirkung „der UN-Menschenrechtskonvention “ ist differenziert zu beantworten. Zunächst enthalten die einzelnen, im Rahmen der VN angenommenen internationalen Menschenrechtsabkommen unterschiedliche Bestimmungen zum Inkrafttreten des jeweiligen Abkommens und den hieraus für die Vertragsstaaten resultierenden menschenrechtlichen vertraglichen Verpflichtungen. Des Weiteren kommt es darauf an, ob das jeweilige Abkommen von Deutschlands ratifiziert wurde. Von Deutschland nicht ratifizierte Abkommen binden Deutschland nicht. Schließlich ist im Einzelfall zu prüfen, welche Vorbehalte Deutschland bei der Ratifikation der jeweiligen Abkommen mit der Wirkung angebracht hat, dass bestimmte Inhalte der einzelnen Abkommen für Deutschland keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet haben. In Beantwortung der Fragestellung seien nachfolgend die wichtigsten Menschenrechtsabkommen aufgeführt. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der von Deutschland am 17. Dezember 1973 ohne Vorbehalte ratifiziert wurde und am 23. März 1976 in Kraft trat.14 Der Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der von Deutschland am 17. Dezember 1973 vorbehaltslos ratifiziert wurde und am 3. Januar 1976 in Kraft trat.15 Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der am 4. Januar 1969 in Kraft trat und von Deutschland am 16. Mai 1969 vorbehaltlos ratifiziert wurde.16 12 Resolution der Generalversammlung 217 A (III), Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, A/RES/217 A (III), 10. Dezember 1948, https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf. 13 Siehe Christian Tomuschat, a.a.O.; ebenso Volker Epping, in: Knut Ipsen, Völkerrecht, 7. Aufl., München 2018, § 9, Rn. 11 ff. 14 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR), BGBl. 1973 Teil II S. 553, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen/IC- CPR/iccpr_de.pdf. Die DDR hatte Vorbehalte gegen den IPbpR, die infolge der Wiedervereinigung gegenstandslos wurden. 15 Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (IPwskR), BGBl. 1976 Teil II S. 428, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen /ICESCR/icescr_de.pdf. Die DDR hatte Vorbehalte gegen den IPwskR, die infolge der Wiedervereinigung gegenstandslos wurden. 16 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung (CERD), BGBl. 1969 Teil II S. 961, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen /ICERD/icerd_de.pdf. Die DDR hatte Vorbehalte gegen das CERD, die infolge der Wiedervereinigung gegenstandslos wurden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 2 - 3000 - 086/19 Seite 7 Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der am 3. September 1981 in Kraft trat und von Deutschland am 10.Juli 1985 ratifiziert wurde.17 Das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der am 26. Juni 1987 in Kraft trat und von Deutschland am 1. Oktober 1990 ratifiziert wurde.18 Das Übereinkommen über die Rechte des Kindes ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag , der am 2. September 1990 in Kraft trat und von Deutschland am 6. März 1992 ratifiziert wurde.19 Die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der am 1. Juli 2003 in Kraft trat und von Deutschland bisher nicht ratifiziert wurde.20 Die Konvention ist somit für Deutschland rechtlich nicht verbindlich. Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der am 3. Mai 2008 in Kraft trat und von Deutschland am 24. Februar 2009 ohne Vorbehalte ratifiziert wurde.21 Das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen ist ein völkerrechtlich bindender Vertrag, der von Deutschland am 24. September 2009 ratifiziert wurde und am 23. Dezember 2010 in Kraft trat.22 *** 17 BGBl. 1985 Teil II S. 647, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien /Pakte_Konventionen/CEDAW/cedaw_de.pdf. Vorbehalte Deutschlands wurde später zurückgenommen bzw. gegenstandslos, siehe UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV- 8&chapter=4&clang=_en#24, Fn. 24 und 25 18 Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, BGBl. 1990 Teil 2 S. 246, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien /Pakte_Konventionen/CAT/cat_de.pdf. Zu den Vorbehalten der beiden deutschen Staaten siehe UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-9&chapter=4&clang=_en#3. 19 BGBl. 1992 Teil II S. 990, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien /Pakte_Konventionen/CRC/crc_de.pdf. Zu deutschen Vorbehalten, Erklärungen und deren Rücknahme siehe UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-11&chapter =4&clang=_en, Fn. 10, 33 bis 36, 20 Siehe UNTC, https://treaties.un.org/Pages/ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-13&chapter =4&clang=_en. 21 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, BGBl. 2008 Teil II S. 1419, https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/user_upload/PDF-Dateien/Pakte_Konventionen /CRPD_behindertenrechtskonvention/crpd_b_de.pdf. 22 Zu den mit der Ratifikation verbundenen Erklärungen Deutschlands siehe UNTC, https://treaties.un.org/Pages /ViewDetails.aspx?src=TREATY&mtdsg_no=IV-16&chapter=4&clang=_en.